Sex am Mogulhof – Schâh Dschahân und die Frauen

Susanne Kurz und ich haben vor einigen Jahren an der Ruhr-Uni Bochum im Fach Islamwissenschaften ein Seminar über „Sexualität und Drogen am Mogulhof“ gegeben. Schon damals war uns die große Zahl an Quellen über das (angeblich) ausschweifende Sexualleben des Mogulherrschers Schâh Dschahân (starb 1666) aufgefallen.

Schaut man heute in Internetforen über die Geschichte der Mogulzeit, fallen einem sofort Threads über das Liebesleben Schâh Dschahâns ins Auge. Die zumeist sehr negativen Aussagen umfassen die folgenden Vorwürfe:

  • Die sexuellen Ausschweifungen Schâh Dschahâns hätten in der Familie gelegen: Ebenso wie sein Großvater Akbar sei Schâh Dschahân ein unersättlicher Liebhaber gewesen, der auch vor der eigenen Familie nicht zurückgeschreckt sei (s.u.). Akbar habe zwar ca. 8000 Frauen in seinem Harem gehabt, aber auch mit den Ehefrauen seines Sohns Salîm/ Dschahângîr geschlafen. Dschahângîr habe aus diesem Grund nicht mehr gewusst, ob seine Kinder (wie Schâh Dschahân) nicht seine Geschwister gewesen sein.
  • Die Geschichte der Liebe zwischen Schâh Dschahân, seiner Frau Mumtâz Mahal und dem Taj Mahal als Symbol der ewigen Liebe entspreche nicht der Wahrheit: Schâh Dschahân habe Mumtâz Mahal niemals geliebt, sie sei ja nur eine von mehreren Ehefrauen gewesen.
  • Bereits kurz innerhalb einer Woche nach dem Tod von Mumtâz Mahal hat Schâh Dschahân Mumtâz Mahals Schwester geheiratet.
  • Da seine Tochter Dschahânâra Begum ihrer Mutter Mumtâz Mahal sehr ähnlich sah, begann Schâh Dschahân ein Verhältnis auch mit ihr.

Welche Quellen gibt es über das Sexualleben Schâh Dschahâns? Stimmen sie?

Zugegeben, diese Anschuldigungen gegen Schâh Dschahân klingen, als ob sie der heutigen Boulevardpresse entnommen wären. Sie stammen jedoch aus zwei zeitgenössischen Reiseberichten – zum einen aus dem Reisebericht des italienischen Abenteurers, Reisenden und Autors Niccol(a)o Manucci (starb ca. 1717). Manucci, der aus Venedig stammte, bereiste Indien, beherrschte die türkische und die persische Sprache und hielt sich länger am Mogulhof auf. Später arbeitete er an mehreren Höfen Indiens als Arzt, ohne jedoch jemals Medizin studiert zu haben.

Der zweite Reisebericht stammt von Francois Bernier (st. 1688), einem französischen Reisenden, Arzt und Philosophen. Er war der Leibarzt von Schâh Dschahâns Sohn Auranzeb (st. 1707), als dieser Nachfolger seines Vaters wurde.

In beiden Reiseberichten finden sich umfangreiche Berichte über Schâh Dschahâns Liebesleben. Zunächst lässt sich sagen, dass es keinerlei Hinweise darüber gibt, dass Schâh Dschahân tatsächlich nur eine Woche nach Mumtâz Mahals Tod ihre Schwester heiratete. Über das angebliche inzestuöse Verhältnis Schâh Dschahâns finden wir Andeutungen nur bei Bernier, Manucci berichtet uns nichts darüber.

Eindeutig (und auch aus anderen Quellen des Hofes bestätigt) ist, dass Schâh Dschahân erst nach dem Tod Mumtâz Mahals mit seinem ausschweifenden Liebesleben begann.

Schâh Dschahâns Prunk

Bernier und Manucci waren sich darüber einig, dass Schâh Dschahân zahlreiche Affären hatte. Legendär ist seine Vorliebe für Musik, Tanzdarbietungen – und Sängerinnen.

Manucci beschreibt auch sehr eindrücklich, dass Schâh Dschahân keine Kosten und Mühen scheute, seine Favoritinnen mit seinem Reichtum zu beeindrucken (Manucci Vol. 1, 196):

Zur größeren Befriedigung seiner Gelüste ordnete Schâh Dschahân den Bau einer großen Halle (ca. 10 x4 Meter) an, geschmückt mit großen Spiegeln. Das Gold alleine kostete 15 Millionen Rupien, die Arbeiten mit Emaille und Edelsteinen nicht mit eingerechnet. An der Decke der besagten Halle, zwischen den Spiegeln, waren goldene Streifen, die mit Edelsteinen verziert waren. An den Ecken der Spiegel waren große „Trauben“ von Perlen, und die Wände waren mit Jaspis geschmückt. Diese ganzen Ausgaben wurden gemachten, damit er sich in obszöner Weise mit seinen Favoritinnen amüsieren konnte.

Sowohl Manucci als auch Bernier berichten zudem, dass zu diesen Favoritinnen des Herrschers vor allem die Frauen seiner Gouverneure, Amîre und Wazîre zählten. Manucci war besonders empört darüber, dass zu Schâh Dschahâns  Geliebten auch die Frau seines Schwagers Abû Tâlib (genannt Shâ’ista Khân) gehört hat. Noch empörter war Manucci darüber, dass Schâh Dschahâns Tochter Dschahânâra Begum ihm scheinbar dabei half, die Frauen zu verführen. So schreibt (Manucci Vol. 1, 197, Übersetzung aus dem Englischen C.P)

Schâh Dschahâns Favoritinnen

Schâh Dschahân verschonte auch die Frau seines Schwagers Schâ’ista Khan nicht, – auch wenn das mit Hilfe eines Tricks geschah, zu dem sie nicht zugestimmt hätte. Die Kupplerin in dieser Affäre war Begum Sahib, die Tochter Schâh Dschahâns, die aus Gefälligkeit für ihren Vater die besagte Frau zu einer Feier einlud, an dessen Ende Schâh Dschahân sie verletzte (Englisch: violated, gemeint ist wohl „vergewaltigte“ C.P.) Die Frau war davon so getroffen, dass sie, nachdem sie wieder nach Hause ging, weder aß noch ihre Kleidung wechselte – und so beendete sie voller Schmerz ihr Leben. Schâ’ista Khan zog sich zurück und hoffte, dass die Zeit seiner Rache kommen würde.

Schâh Dschahân und Meena Bazâr

Dieser Vorfall liest sich sehr dramatisch – andere Beispiele klingen weniger drastisch. Sie endeten, glaubt man Manucci, allerdings genau so. Sowohl Bernier als auch Manucci schreiben, dass Schâh Dschahân vor allem eine Gelegenheit nutzte, um Frauen zu treffen und sie zu seiner Geliebten zu machen: den Meena Bazâr.

Akbar hatte während seiner Herrschaft den Meena Bazâr erstmals ausgerichtet. An acht Tagen waren auf einem von der Öffentlichkeit abgeschirmten Gelände die Frauen des Harems sowie die Frauen von Prominenten des Hofes als Händlerinnen tätig. Es war normalerweise nicht üblich, dass Frauen auf dem Bazâr handelten. Zutritt zum Meena Bazâr hatten nur Frauen und hijras („Eunuchen“, „das dritte Geschlecht“).

Eine Ausnahme wurde allerdings gemacht: der Herrscher selbst und häufig seine engsten männlichen Verwandten waren die einzigen männlichen Besucher, die den Meena Bazâr besuchen durften. Dieses soll Schâh Dschahân ausgenutzt haben. So soll er in den acht Tagen rund um das persische Nourûz-Fest täglich zwei Mal den Meena Bazâr aufgesucht haben – zum alleinigen Zweck, dort Frauen zu treffen. So schrieb Manucci (Übersetzung aus dem Englischen C.P.):

Er (i.e. Schâh Dschahân) saß dabei auf einem kleinen Thron, der von einigen tartarischen Frauen getragen wurde. Begleitet wurde er von einigen älteren Frauen (des Harems), die Stäbe aus emaillierten Gold in den Händen hielte, und zahlreichen Eunuchen. Außerdem waren einige Musikerinnen dabei.

Schâh Dschahân ging an den Ständen sehr aufmerksam vorbei, und wenn eine der Verkäuferinnen seine Aufmerksamkeit erregt, geht er zu diesem Stand, spricht sehr höflich vor, wählt etwas aus und ordnet an, dass bezahlt würde, was die Verkäuferin verlangt.

Wenn der König ein vereinbartes Zeichen gibt, und er bereits weiter gegangen ist, kümmern sich die älteren Frauen des Harems, die diese Angelegenheit bereits kennen, um die (auserwählte, C.P.) Frau und sorgen dafür, dass sie zur passenden Zeit zum König kommen. Viele von ihnen kehren reich und zufrieden aus dem Palast zurück, während andere dort mit der Würde einer Konkubine verweilen.

Manucci, Vol. 1, 196.

Nun, was soll man abschließend zu diesen Berichten sagen? Manucci und Bernier hatten zwar den Herrscher auch mehrfach persönlich erlebt, doch zählten sie als Fremde nicht zum engeren Zirkel des Hofes. Dennoch hörten sie scheinbar viele Gerüchte, die in Hofkreisen umhergingen. So ist natürlich nicht auszuschließen, dass an diesen Gerüchten etwas Wahres dran war. Dass die offiziellen Chroniken zu diesen Dingen schweigen, ist verständlich, bedeutet aber nicht, dass sie nicht passiert sind.

Vielleicht finden sich ja eines Tages weitere Quellen zu diesem Thema, das, wie erwähnt, auch heute noch die Menschen beschäftigt.

Literatur:
Bernier, Francois: Travels in the Mogul Empire: AD 1656-1668. 2.ed. London et al. 1916.
Eraly, Abraham: Last Spring: The Lives and Times of the Great Mughals. Kindle Edition (Ursprünglich Delhi 2000).
Manucci, Niccolao: Storia do Mogor, or Mogul India. 1653-1708. Vol 1-3./ transl. William Irvine. London 1907.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait von Schâh Dschahân, gemalt von Bichitr (ca. 1630).

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Der verhinderte Mordanschlag – und warum Razia Sultan trotzdem Herrscherin wurde

Razia Sultan ist und bleibt auch knapp 780 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod im Jahr 1240 eine Frau, die Menschen in Indien und in der bewegt und inspiriert. Sowohl in Comics, Romanen, einem Kinofilm und in der TV-Serie Serie Razia Sultan – Die Herrscherin von Delhi wurde die Figur Razias dargestellt.

Razia Sultan war nicht die einzige muslimische Herrscherin im 13. Jahrhundert – in Ägypten herrschte fast zur selben Zeit Schadscharat ad-Durr, der ich hier auch schon einen Beitrag gewidmet habe. Doch zunächst sah es nicht so aus, als ob Razia jemals Herrscherin werden würde.

Zwar hatte ihr Vater Sultân Iltutmish ausdrücklich festgelegt, dass seine Tochter ihm nachfolgen sollte, jedoch war der Widerstand gegen sie als weibliche Herrscherin stark.

„Kein Land wird je….“ –

Vor allem das Beratergremium des Sultans, das traditionell eine Mitsprache in allen wichtigen Regierungsangelegenheiten hatte, war gegen eine Frau auf dem Thron. Die Chihalgani ( Turkân-e Chihâlgânî, “die Gruppe der 40”) berief sich hierbei auf eine islamische Argumentation, die auch heutzutage immer noch vorgebracht wird, wenn es um weibliche Herrschaftsansprüche geht.

Dabei geht es um einen als „besonders glaubwürdigen“ (sahîh) Ausspruch des Propheten Muhammad (hadîth), in dem er sagte: „Kein Land wird je in Wohlstand gedeihen, wenn seine Angelegenheiten von einer Frau geregelt werden (Arabisch: lan yufliha qawmun wa-law amrahumu imraatun, Sahîh Bukhârî, Bd. 9. Buch 88, Hadîth 219).

Heutige Gelehrte (u.a. die marokkanische feministische Islamwissenschaftlerin Fatima Mernissi, st. 2015), legen diese Überlieferung so aus, sie zum einen nicht von so vertrauenswürdigen Personen überliefert wurden. Zum anderen sei sie nur im Zusammenhang mit dem persischen König Chosrau I. (st. 579), von dem Muhammad erfahren habe, dass er seine Tochter Turandocht zur Erbin gemacht habe. Zudem gäbe es ja noch Bilqîs, die Königin von Saba, die gemäß koranischer Überlieferung ein großes Reich geführt habe (siehe Sure 27). Und schließlich habe der Prophet selbst auch Frauen, wie beispielsweise seine Ehefrau Aisha (st. 678) um Rat in Staatsangelegenheiten befragt.

Und doch eine Frau an der Macht?

Doch zurück zu den Zeiten Razias, in denen die Gelehrten den weiblichen Einfluss am Hof von Delhi begrenzt wissen wollten. Dennoch ließen sich sich die 40 Emire von einer anderen Frau manipulieren: von Shah Turkan, der ehemaligen Kurtisane und späteren zweiten Ehefrau von Razias Vater Iltutmish. Schah Turkan wollte um jeden Preis ihren Sohn Rukn ud-Dîn auf dem Thron installieren. Iltutmish jedoch hatte bereits befürchtet, dass alle seine Söhne unfähige Herrscher sein würden und hatte deshalb seine Tochter als seine Nachfolgerin vorgesehen.

Als Iltutmish jedoch 1236 verstarb, waren die 40 Emire nicht gewillt, Razia die Macht zu überlassen, sondern sie wollten Rukn ud-Dîn auf dem Thron sehen. Aus diesem Grund unterstützten sie Shah Turkan.

Shâh Turkan scheute sich nicht, Rukn ud-Dîns Konkurrenten zu beseitigen und ließ Iltutmishs jüngsten Sohn töten. Anschließend versuchte sie, auch Razia töten zu lassen.

Der Mordanschlag auf Razia

Der Mordanschlag, der Razia galt, sollte während Razias täglichen Ausritts ausgeführt werden – es war bekannt, dass Razia morgens immer ausritt, sowie ihr üblicher Weg bekannt war. Shah Turkan ließ einen Graben ausheben und mit Laub bedecken, dort sollte Razias Pferd zu Fall kommen.

Loyale Anhänger Razias konnten diesen Anschlag vereiteln – aber nicht verhindern, dass Rukn ud-Din Herrscher wurde – als Marionette seiner Mutter Shah Turkan.

Letzten Endes waren die 40 Emire erfolgreich und Razias Bruder Mu’izz ud-Dîn bestieg den Thron – die weibliche muslimische Herrschaft in Indien war erst einmal beendet.

Das Beitragsbild zeigt ein Marwari-Pferd – eine Rasse, die ursprünglich aus Zentralasien stammt. Das Bild ist Public Domain. Bildnachweis: Virendra.kankariya [Public domain]

Mumtâz Mahal – die Frau, für die das Tâj Mahal gebaut wurde

Susanne hat in ihrem Beitrag über das Taj Mahal (Tâdsch Mahal) gefragt, ob dieses ein Liebesbeweis oder eine Machtdemonstration sei. Fakt ist, dass sowohl die zeitgenössischen persischen Quellen als auch die britischen Berichte aus der Kolonialzeit von der „größten Liebesgeschichte aller Zeiten“ zwischen dem Mogulherrscher Schâh Dschahân (st. 1666) und seiner Ehefrau Ardschumand Begum, genannt Mumtâz Mahal (st. 1631) berichteten – und das Tâj Mahal wurde und wird bis heute als „Monument der Liebe“ bezeichnet. In diesem Beitrag möchte ich noch einmal auf die Geschichte dieses Paares eingehen.

Schâh Dschahân wurde 1592 als Prinz Khurram ( Persisch: „blühend“, „fröhlich“) geboren. Sein Vater Salîm / später Dschahângîr (st. 1627) war zu diesem Zeitpunkt noch Kronprinz, denn Khurrams Großvater, der Mogulherrscher Akbar (st. 1605) war zu diesem Zeitpunkt noch am Leben. Schâh Dschahâns Mutter war die Rajputenprinzessin Jagat Gosain.

Akbar und Khurram verbrachten viel Zeit miteinander, was auch daran lag, dass Khurram von Akbars erster Ehefrau und Cousine Ruqaiya Begum erzogen wurde. Khurrams Großvater und sein Vater Dschahângîr hatten hingegen kein gutes Verhältnis zueinander, was sich auch auf das Vater-Sohn Verhältnis auswirkte.

Als Akbar 1605 starb und Khurrams Bruder gegen Dschahângîr rebellierte, verbesserte sich auch Khurrams Verhältnis zu seinem Vater. Khurram wurde zum Kronprinzen ernannt, erhielt ein eigenes Siegel und – sehr ungewöhnlich – schon als Kronprinz seinen späteren Herrschernamen Schâh Dschahân.

Verlobung mit Mumtâz Mahal

Schâh Dschahân war knapp 16 Jahre alt, als er mit Ardschumand Begum, der späteren Mumtâz Mahal, verlobt wurde. Ardschumand war 14 Jahre alt und die Tochter des berühmten Generals Mirzâ Asaf Khân, der einst als Kind als Flüchtling aus Persien gekommen war. Seine Schwester war die berühmte Nûr Dschahân Begum, die selbst einige Jahre später die 20. Ehefrau des Herrschers Dschahângîr werden sollte.

Mumtâz Mahals Vater Mirzâ Asaf Khân, gemalt von Bichitr (st. nach 1650). Das Bild ist Public Domain.

Ardschumand Begum, die später den Titel Mumtâz Mahal („Die Exzellenz des Palastes“), kam also aus einer Familie, die durch die Flucht aus Persien zwar alle ihre Besitztümer verloren hatte, aber über persische Kultur und Bildung verfügte. Sie war in arabischer und persischer Sprache ausgebildet und dichtete auch auf Persisch. Es ist anzunehmen, dass sie wie andere Frauen der Elite ihrer Zeit sowohl eine Ausbildung in religiösen Disziplinen als auch in Poesie, Dichtung und Musik erhalten hatte.

Ardschumand Begum galt zudem als intelligente Schönheit, die auch einen angenehmen, umgänglichen Charakter hatte. So gab es mehrere Interessenten für eine Eheschließung, doch hatte selbstverständlich der Thronfolger Vorrang.

Eine lange Verlobungszeit und eine erste Ehefrau

Doch interessanterweise dauerte die Verlobungszeit von Schâh Dschahân und Ardschumand Begum über 5 Jahre! Und nicht nur das: in dieser Zeit heiratete Schâh Dschahân seine erste Ehefrau Qandahârî Begum, eine Tochter des Ur-Enkels des Gründers des persischen Safavidenherrschers Schâh Ismâ’îls I. (st. 1594). Diese Ehe wurde aus politischen Erwägungen geschlossen. Qandahârî Begum brachte 1611 ihr einziges Kind zur Welt, eine Tochter namens Parhez Bâno Begum. Über sie ist sehr wenig bekannt, außer, dass Dschâhângîr anordnete, dass Parhez – wie er selbst und Schâh Dschahân auch – von Ruqaiya Begum, der Witwe Akbars, aufgezogen wurde.

Weitere Ehefrauen und Kinder Schâh Dschahâns

Fünf Jahre nach der Heirat mit Ardschumand heirate Schâh Dschahân seine dritte Ehefrau, ‚Izz un-Nisâ‘ Begum, genannt Akbarrabâdî Begum. Auch sie gehörte der Hofelite bzw. sogar der Mogulfamilie an: ihr Großvater war ‚Abdur Rahîm Khân, der (angenommene) Sohn von Akbars Cousine und Ehefrau Salîma Sultân Begum. Auch Akbarabâdî Begum brachte ein Kind von Schâh Dschâhân zur Welt, einen Jungen. Dieser starb jedoch im frühren Kindesalter.

Die Quellen berichten außerdem, dass Schâh Dschahân zudem eine Rajputenprinzessin heirate – doch über ihren Namen und etwaige Kinder ist nichts bekannt. Auch über Kinder von Konkurbinen erfahren wir in den Quellen nichts.

Ardschumand soll zu Schâh Dschâhân gesagt haben (A. Eraly: Last Spring, S. 63) : Zieh die Kinder (gemeint sind wohl die Söhne) anderer Frauen nicht groß – es könnte zwischen ihnen und unseren Kindern zu Nachfolgekämpfen kommen.

Während Ardschumand die anderen Ehefrauen als Konkurrenz nicht ernst nahm, schien sie die Kinder der anderen Ehefrauen als Bedrohung wahrnahm. Folgt man den Quellen, lebte Schâh Dschahân mit Ardschumand / Mumtâz Mahal fast monogam, die Ehen schienen nur auf dem Papier zu bestehen. Auch die zeitgenössischen Quellen und Hofchroniken berichten, dass Schâh Dschahân die anderen Ehefrauen komplett vernachlässigte, nachdem sie jeweils ein Kind zur Welt gebracht hatten. So schrieb einer von Schâh Dschahâns Chronisten, dass er für die anderen Frauen nicht ein Tausendstel von dem empfunden habe, was er für Mumtâz Mahal empfunden habe.

Die Ehe mit Ardschumand / Mumtâz Mahal

Für Mumtâz Mahal empfand er nicht nur eine tiefe Zuneigung, sondern er vertraute ihr auch in Regierungsangelegenheiten völlig und ließ sich ständig von ihr beraten. Heutzutage würde man wahrscheinlich sagen, dass Schâh Dschahân emotional von Mumtâz Mahal abhängig war. Er ertrug es nicht, von ihr getrennt zu sein. Die Teile des Roten Forts in Agra, die das Paar bewohnte, waren mit Marmor, Blattgold und Juwelen besonders geschmückt. Mumtâz Mahal erhielt bei vielen öffentlichen Anlässen zudem große Zuwendungen in Gold und Edelsteinen.

Obwohl Mumtâz Mahal in den 19 Jahren ihrer Ehe ständig schwanger war, bestand sie darauf, Schâh Dschahân auch auf seinen Feldzügen ständig zu begleiten.

Insgesamt brachte Mumtâz Mahal 14 Kinder zur Welt, 8 Söhne und 6 Töchter. Nur 7 von ihnen erreichten das Erwachsenenalter. Mumtâz Mahal starb, als sie ihren Mann auf den Feldzug in den Dekkan begleitete. Sie lag knapp 30 Stunden in den Wehen, bevor sie eine Tochter zur Welt brachte – Gauhar Ârâ Begum. Nur kurze Zeit später erlag Mumtâz Mahal schweren inneren Blutungen.

Mumtâz Mahal wurde zunächst in Burhanpur, wo sie starb, bestattet. Anschließend wurde ihr Leichnam nach Agra überführt, wo eine Grabstätte am Fluß Yamuna erbaut wurde. Erst über zwanzig Jahre später fand Mumtâz Mahal ihre letzte Ruhestätte im Tâj Mahal, das Schâh Dschahân für sie erbauen ließ.

Endlose Trauer um Mumtâz Mahal? Der trauernde Witwer Schâh Dschahân

Folgt man den Quellen, so kannte Schâh Dschahâns Trauer keine Grenzen. Eine Woche habe er sich komplett zurückgezogen und sich auch nicht um seine Staatsgeschäfte gekümmert. Vom vielen Weinen sei hätte seine Sehkraft so nachgelassen, dass er eine Brille habe tragen müssen. Sein Bart sei ergraut. Viele seine Gewohnheiten, so zum Beispiel das Musikhören und das Anschauen von Tanzdarbietungen, habe er aufgegeben. Er habe sogar daran gedacht, den Thron vollständig aufzugeben und abzudanken.

Es gibt jedoch auch andere, wenig schmeichelhafte Berichte über den Witwer Schâh Dschahân, die von sexuellem Mißbrauch und ständig wechselnden Sexualpartnerinnen berichten. Doch das ist mir einen eigenen Blogbeitrag wert.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Mumtâz Mahals, wahrscheinlich aus dem 17. oder 18. Jahrhundert. Es ist Public Domain.

Literatur:

Eraly, Abraham: Last Spring: The Lives and Times of the Great Mughals. New Delhi: Penguin, 2017.

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Akbar als kaiserlicher Heiler (Weihnachtsspecial 2019)

Die Hände des Königs sind Hände eines Heilers, und so soll der rechtmäßige König erkannt werden.

J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. III. Die Rückkehr des Königs. 10. Aufl. Stuttgart 1983, S. 153.

Wirklich, ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, eines Tages in der #Persophonie ein Zitat aus meinem Lieblingsbuch Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien anbringen zu können. Doch natürlich hat sich Tolkien diese Beschreibung für Aragorn, den späteren König von Gondor, nicht nur ausgedacht.

In Europa – vor allem in England und Frankreich – gibt es eine lange Tradition von heilenden Königen. Man sagte, dass Könige allein durch das Handauflegen Krankheiten wie Epilepsie, Unfruchtbarkeit oder „Skrofulose“ (Hauttuberkulose) heilen könnten.

Dahinter steckte der Glaube, dass die Könige eine besondere Verbindung zu Gott hatte. Zudem sahen sich Könige in der Nachfolge von Jesus Christus. „Christus“ ist Griechisch und bedeutet „der Gesalbte“ – und die Könige des Mittelalters wurden in ihrer Krönungszeremonie ebenfalls gesalbt.

Wie wir sehen, lassen sich diese Erkenntnisse auch auf andere Kulturkreise übertragen, in diesem Fall auf den muslimischen Mogulherrscher Akbar (st. 1605).

Akbar, Medizin und Heilung

Akbar interessierte sich Zeit seines Lebens für Fragen der Medizin. Dieses zeigt sich darin, dass er viele hakîms, ausgebildete Ärzte der graeco-islamischen Medizin, in seine Verwaltungselite berief. Sowohl sein Vertrauter und Biograph Abû l-Fazl (st. 1602) als auch sein Hofdichter Faizî (st. 1595) waren in der graeco-islamischen Medizin ausgebildet. Dazu kamen zahlreiche hakîms, die aus Persien an Akbars Hof gekommen waren. Durch die Förderung am Hof wurde die graeco-islamische Medizin (Unani Medizin) zur vorherrschenden Medizin im Mogulreich.

Von Akbar wissen wir, dass er sich selbst von hakîms behandeln ließ und die Heilmittel der Unani Medizin anwendete. Doch darüber hinaus haben wir viele Berichte darüber, dass Akbar sich selbst als Heiler sah. Im dritten Teil seiner persischen Biographie, dem ‚Ain-i Akbarî vom oben genannten Abû -Fazl finden sich einige Beispiele dieser Glaubensheilungen. Sein Biograph Abû l-Fazl schrieb, dass Akbar sich sowohl mit Heilmitteln als auch mit spirituellen Heilungen auskannte.

Aber es ist unmöglich, einen vollständigen Bericht über die Art zu geben, mit der Seine Majestät Weisheit vermittelt, gefährliche Krankheiten heilt und Heilmittel bei den schwersten Leiden anwendet.

Abul Fazl: ‚Ain i Akbari. Vol. 1, S.166

Akbars Wunderheilungen

In meinem Beitrag über Akbars Amme Jîjî Anga hatte ich schon berichtet, dass Akbar schon als Baby und als kleiner Junge Wundertaten vollbracht haben soll. In den Berichten darüber wird deutlich, dass Akbar sich selbst mit Moses (Mûsâ) und Jesus (Îsâ b. Maryâm) verglich, die beide auch im Islam wichtige Propheten sind.

Akbar fühlte sich Zeit seines Lebens von Gott besonders erleuchtet – das ist auch im wörtlichen Sinne zu sehen. Auf dem Beitragsbild ist er auch mit einem Heiligenschein zu sehen, was auf den ersten Blick ja im islamischen Kontext ja ungewöhnlich zu sein scheint. Auch darüber hatte ich hier ja schon einmal etwas geschrieben.

Doch Akbars religiöse Lehren, die er in der „Göttlichen Religion“ (Dîn-e Illâhî) zusammenfasste, stießen nicht nur auf Unterstützung. Einige islamische Gelehrte warfen ihm vor, die Einheit Gottes / Allâhs zu verletzen.

Die portugiesischen Jesuiten, die an Akbars Hof versuchten, wichtige Würdenträger zu konvertieren, störten sich scheinbar ebenfalls daran, dass Akbar versuchte, sich wie ein Prophet und Heiler zu inszenieren. Sie schilderten, dass Akbar sich jeden Morgen wie ein Prophet und Heiler geradezu verehren ließ und spirituelle Heilungen vollzog:

Er (i.e. Akbar) zeigte sich jeden Morgen an einem Fenster, vor dem unzählige Menschen erschienen und sich niederwarfen. Frauen brachten ihre kranken Kinder, um sie von ihm segnen zu lassen, wenn sie wieder gesund waren, brachten sie ihm Geschenke.

Hugh Murray: Historical Accounts, Vol. 2, S. 96

Akbar soll vielen Kranken allein durch seine Segnungen Hoffnung gegeben und Krankheiten geheilt haben:

Viele Menschen mit enttäuschten Hoffnungen, deren Krankheiten von ausgebildeten Ärzten als unbehandelbar erklärt wurden, wurden durch diese göttliche Art und Weise geheilt.

Abul Fazl: ‚Ain i Akbari, Vol. 1, S. 166.

Akbars Biograph gab uns noch ein schönes Beispiel für eine spirituelle Heilung Akbars::

Eine bemerkenswerte Geschichte war die folgende: Ein einfältiger Einsiedler schnitt sich selbst die Zunge ab und warf sie über die Schwelle des Palastes. Dabei dachte er: ‚Wenn der selige Gedanke, den ich gerade habe, von Gott in mein Herz gepflanzt wurde, wird meine Zunge wieder heilen, da die Aufrichtigkeit meines Glaubens zu einem guten Ende führen wird.‘ Der Tag war noch nicht zu Ende, bevor sein Wunsch erfüllt war.

Abul Fazl: ‚Ain i Akbari, Vol 1., S. 165

Ob es Beweise gibt, dass diese Heilungen wirklich erfolgt sind? Konnte Akbar sowohl Krankheiten mit Heilmitteln oder auf spirituelle Weise heilen?

Nicht nur in der Weihnachtszeit glauben sowohl Christen als auch Muslime an die Fähigkeiten von spiritueller Heilern, Propheten und von Heiligen. Dieser Glauben findet sich – wie im Falle von Der Herr der Ringe – auch in der Literatur wieder.

In diesem Sinne wünsche ich allen von uns, die Weihnachten feiern, ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Akbars, gemalt vom berühmten Maler Govardhan (lebte im 17. Jahrhundert) – Metropolitan Museum of Art [Public domain]

Weiterführende Literatur:

Abul Fazl Allami: ‚Ain i Akbari / transl. E. Blochmann. 2 Vols. Calcutta, 1878.

Murray, Hugh: Historical Account of Discoveries and Travels in Asia. Vol. II.. Edinburgh, 1820.

Stumpfe, Klaus-Dietrich: Glaubensheilungen in Geschichte und Gegenwart. Köln, 2007.

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„Ein Fluss von Milch zwischen uns“: Akbar und sein Milchbruder Mirzâ Azîz Koka

Susanne und ich haben ja auf diesem Blog schon häufig über die Rolle von Akbars Ammen und die seiner Milchbrüder gebloggt. In der islamischen Theologie ist die Milchbruderschaft fast der Blutsverwandtschaft gleichgestellt. So heißt es in Sure 4, Vers 23, dass es Männern verboten ist, ihre Ammen oder Milchschwestern zu heiraten.

Frauen ist es gestattet, ihre traditionelle islamische Verschleierung (hidschâb) vor ihren Milchbrüdern wegzulassen, denn diese sind ihren Brüdern und anderen Männern, die sie nicht heiraten kann, gleich gestellt.

Akbar und seine Milchbrüder

Der Mogulherrscher Akbar wurde 1542 in unruhigen politischen Zeiten geboren. Während seine Mutter Hamîda Begum und Humâyûn im persischen Exil lebten, wurde Akbar von den Beratern seines Vaters und seinen Ammen versorgt. Mahâm Anga und Jîjî Anga waren Akbars bedeutendste Ammen, die über mehr (Mahân Anga) oder weniger (Jîjî Anga) öffentlichen Einfluss verfügten. Dschahângîr schrieb später in seinen Memoiren, dass zwischen Kind und Amme durch das Stillen eine besondere Vertrautheit herrschte, diei sich auch auf die Milchbrüder übertrug. Akbar verlieh seinen Milchbrüdern auch Macht und Einfluss an seinem Hof. Sie genossen durch die Milchbruderschaft einen Vertrauensvorschuss des Herrschers.

Mahâm Anga schaffte es, ihren Sohn Adham Khân (st. 1562) als Berater und Feldherren am Hof zu platzieren, wo er bald zum engsten Führungskreis der Verwaltung gehörte. Auch Jîjî Angas Sohn Mirzâ ‚Azîz Koka war seit frühester Jugend als Berater in der Verwaltung des Mogulhofes tätig.

Zudem war er als Soldat bzw. Feldherr aktiv, er selbst beschrieb sich auch häufig als Soldat.

Der Tod von Atga Khân, Mirzâ ‚Azîzs Vater

1562 passierte etwas Einschneidendes im Leben unserer drei Protagonisten: Adham Khân ermordete Mirzâ ‚Azîzs Vater Atga Khân. Dafür tötete Akbar Adham Khân, indem er ihn von einer Veranda des Roten Forts in Agra warf. Da Adham Khân den ersten Sturz überlebte, warf Akbar ihn erneut herunter. Susanne hat das hier ja eindrücklich beschrieben.

Mirzâ ‚Azîz ließ für seinen Vater Atga Khân ein Grabmal in Delhi in der Nähe von Nizâm ud-Dîn Auliyâs Grabanlage errichten. Diese Anlage ist als Chausath Khamba bekannt (64 Säulen). Dort wurde Mirzâ ‚Azîz auch selbst bestattet.

Doch zurück zur Ermordung Atga Khâns. Der Verrat von Adham Khân traf Akbar scheinbar schwer. Dennoch vertraute er seinem Milchbruder ‚Azîz Koka weiterhin und betraute Mirzâ ‚Azîz Koka weiterhin mit Verwaltungsaufgaben. Schließlich verlieh er ihm den Ehrentitel Khân ‚Azam – „der große Khân“.

1573 wurde Mirzâ ‚Azîz Koka Gouverneur Akbars in Gujarat, anschließend führte er immer wieder mehr oder weniger erfogreiche Militäraktionen durch.

Konflikte und die Pilgerfahrt Mirzâ ‚Azîz Kokas

Doch auch zwischen Mirzâ Azîz und Akbar gab es mehr oder weniger offene Konflikte. Ein Punkt war die von Akbar begründete Lehre des Dîn-e Illâhî („die göttliche Religion“), die Elemente von Islam, Hinduismus und Christentum enthielt. Akbar, so lautete der Vorwurf von ‚Azîz Koka, ließ sich wie ein Gott verehren. Susanne hat HIER ja einiges zur Dîn-e Illâhî geschrieben, was noch einmal nachgelesen werden kann.

Als der Konflikt zwischen Mirzâ ‚Azîz und Akbar weiter zu eskalieren drohte, brach Mirzâ ‚Azîz nach Mekka zur Pilgerfahrt (hajj) auf. Dort spendete er sehr große Summen für den Erhalt islamischer Heiligtümer.

1592 kehrte Mirzâ ‚Azîz Koka an Akbars Hof zurück. Der Herrscher erklärte alle vorhergehenden Konflikte für beendet und gab Mirzâ ‚Azîz seine Positionen zurück.

Akbar sagte einmal den Satz über Mirzâ ‚Azîz den Satz, der auch dem Blogbeitrag den Titel gab: „

Es fließt ein Fluss von Milch zwischen uns, der nicht überquert werden kann“.

Familienbande

Mirzâ ‚Azîz Koka war jedoch nicht nur als Berater und Militärführer erfolgreich – er schaffte es auch, seinen hohen Rang für seine Familie einzusetzen. Seine Tochter Habîba Bâno Begum heiratete Akbars Sohn Prinz Murâd. Das Paar hatte zwei Söhne.

Eine andere namentlich nicht genannte Tochter Mirzâ ‚Azîzs heiratete Dschahângîrs ältesten Sohn Khusraû.

Somit schaffte Mirzâ ‚Azîz zu Akbars Lebzeiten – zumindest theoretisch – die Basis für einen weiteren Aufstieg seiner Familie durch enge Verbindungen zum Herrscherhaus.

Mirzâ ‚Azîz Karriere unter Dschahângîr

Unter Dschahangîrs Herrschaft kam es jedoch zum Zerwürfnis zwischen Mirzâ ‚Azîz und dem Hof. Mirzâ ‚Azîz verlor die meisten seiner Positionen sowie den Großteil seines Vermögens. Grund dafür war sein Schwiegersohn Khusraû – dieser hatte 1606 gegen seinen Vater Dschahângîr rebelliert, weil er selbst Akbars Nachfolge antreten wollte.

Auch im Streit zwischen Khusraû und seinen Brüdern stellte sich Mirzâ ‚Azîz ebenfalls auf die Seite seines Schwiegersohnes – was Dschahângîr verständlicherweise nicht für positiv befand.

Den Verrat und die Illoyalität mir gegenüber einmal beiseite. Doch was ist mit meinem Vater, der Dich und Deine Familie aus dem Staub der Straße gezogen und bezüglich Wohlstand und Rang so weit nach oben gebracht hat, dass Deinesgleichen Dich darum beneiden? Warum hast Du derartige Dinge geschrieben, die Dich in den Kreis der Undankbaren und Elenden stellen? Was kan bei einer solchen Bestimmung und angeborenen Neigung noch getan werden? Dein Charakter (eigentlich: dein Ton, C.P.) wurde mit dem Charakter der Iloyalität gemischt – was ist da noch zu erwarten?

Mirzâ ‚Azîz soll sich nicht zu den Vorwürfen geäußert haben – Dschahângîr entzog ihm aber dennoch seine Landgüter.

Über Mirzâ ‚Azîs weiteres Schicksal haben wir keine Informationen – er soll etwa 1624 im Alter von 81 oder 82 Jahren verstorben sein. Das Schicksal seines Schwiegersohnes Khusra’û Mirzâ verlief weitaus tragischer – doch darüber werden wir in einem anderen Blogpost berichten.

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Buchtipp: Abenteuer Seidenstraße

In der Adventszeit ist es ja vielleicht einmal angezeigt, dass wir von der #Persophonie einmal einen Buchtipp abgeben. Man könnte auch sagen: einen Geschenktipp für all diejenigen, die kulturgeschichtlich oder an der #Persophonie interessiert sind..

Das Werk „Abenteuer Seidenstraße“ von Alfred de Montesquiou verdient die Bezeichnung Buchtipp WIRKLICH. Im Sommer 2019 habe ich in der Stadtbücherei meiner Heimatstadt gearbeitet, und eine Leserin meinte völlig begeistert nach der Lektüre zu mir: „Das ist das beste Buch, das Sie derzeit hier in der Bücherei haben!“.

Auch mich hat das Buch auch wirklich begeistert, sodass ich es gerne hier empfehle.

Dezeit wird zumeist das von China initiierte Megaprojekt „Neue Seidenstraße“ diskutiert, das Handelsnetzwerke zwischen Asien, Afrika und Europa aufbaut. Der französische Journalist Alfred de Montesquiou (geb. 1978) hat sich aber der ursprünglichen, „alten“ Seidenstraße gewidmet und drehte eine 15-teilige TV-Serie, die in Deutschland auf dem Sender ARTE ausgestrahlt wurde. Nun liegt seit Februar 2019 das entsprechende Buch vor. De Montesquiou hat den Orient bereits für einige Reportagen bereist – so zum Beispiel für Reportagen über den Arabischen Frühling und vor allem über den Sturz Muammar al-Gaddafis in Libyen.

Doch zurück zur Seidenstraße. Man merkt Montesquiou seine Begeisterung für kulturgeschichtliche Themen an. Bereits im ersten Teil über Venedig gibt Montesquiou Einblicke in die Handwerkskünste der Herstellung von Mosaiken und von Damast. Beide Künste entstanden, wie Montesquiou zeigt, im ständigen Dialog mit dem Orient.

Von besonderem Interesse für die Leser der #Persophonie sind natürlich die Teile über Iran, in denen Montesquiou die kulturelle und religiöse Vielfalt des Landes vorstellt. Die Fida’i, also die Assassinen des Mittelalters, interessieren europäische Leser sehr – auch Susanne hat ja hier über das Thema schon gebloggt.

Vielen westlichen ist auch die große Anzahl christlicher Kirchen in Iran nicht bekannt. Montesquiou beleuchtet die Situation der armenischen Christen in Iran und (für die TV Dokumentation) Interviews mit Armeniern in Täbris.

Apropos Täbris: man merkt Montesquiou seine Faszination besonders bei der Darstellung des Bazars von Täbris an, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Auch heute wird dort klar, dass ein Bazar nicht nur ein Handelszentrum war, sondern auch im sozialen Leben einer städtischen Gemeinschaft eine große Rolle spielt. Und letztendlich sprechen auch die auf dem Bazar angebotenen Waren vom Austausch zwischen Ost und West.

De Montesquiou stellt im übrigen gleich zu Anfang seines Buches klar, dass sich die Seidenstraße „weder zeitlich noch geographisch genau verorten lässt“ (S. 9). Auch der Name „Seidenstraße“ sei beliebig, da auf der Handelsroute auch Gewürze und viele andere Güter gehandelt wurden.

Der Name Seidenstraße, der wohl auf viele von uns eine geradezu magische Wirkung ausübt, stammt im Übrigen vom deutschen Geographen und Forschungsreisenden Friedrich von Richthofen (st. 1905), auf dessen Aufzeichnungen wichtige Informationen über China basieren.

Doch natürlich wird in Montesquious Buch auch der Mann zu Wort, auf dessen Spuren er wandelt: Marco Polo. Das Buch enthält zahlreiche Zitate aus Marco Polos Reiseberichten.

Diese Zitate, Montesquious Anekdoten, das Karten- und Bildmaterial machen dieses Buch zu einem Leseerlebnis.

De Montesquiou, Alfred: Abenteuer Seidenstraße: 12.000 Kilometer von Venedig bis Xi’an. Eine Reise auf den Spuren von Marco Polo in den Orient, nach Zentralasien, den Iran, Usbekistan und China. München: Knesebeck, 2019. – Das Beitragsbild zeigt das Titelbild des Buches.

Das Bild im Beitrag zeigt den historischen Bazar von Täbris.

Nachweis: Navid Sadighi [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]

Dschahânâras Unfall und Heilung: der „öffentliche“ Fallbericht von Akbars Urnkelin

In meinem letzten Beitrag habe ich beschrieben, wie die Urenkelin des Mogulherrschers Akbar (st. 1605) Dschahânâra Begum (st. 1681) nach dem Tod ihrer Mutter zur „First Lady“ an der Seite ihres Vaters Schâh Dschahân wurde. Auch die Errichtung des Taj Mahal, das Schâh Dschahân für Mumtâz Mahal errichten ließ, wurde von ihr beeinflusst. Im Streit um die Thronfolge, der schon zu Schâh Dschahâns Lebzeiten ausbrach, versuchte Dschahânâra zu vermitteln und hatte auch darüber hinaus großen politischen und künstlerischen Einfluss.

Der Unfall Dschahânâras

Kurz nach Dschahânâras 30. Geburtstag, am 11. April 1644, wurde am Hof das Persische Neujahrsfest Nourûz gefeiert. Der ganze Palast war zu diesem Anlass festlich geschmückt und erleuchtet. Durch unglückliche Umstände fingen die Gewänder von Dschahânâra Feuer. Rasch breitete sich der Brand aus, beim Versuch, Dschahânâra zu helfen, wurden zwei Dienerinnen getötet.

Die Begum selbst trug schwere Brandverletzungen an ihrem Rücken, ihren Händen, aber auch an ihrer vorderen Körperseite davon. Große Teile ihrer Haut waren völlig verbrannt, es war zunächst unklar, ob Dschahânâra überhaupt überleben würde.

Die Suche nach Heilung Dschahânâras

Sofort nach dem Unfall begannen die hakîms, die Praktizierenden der Unani Medicine, (tibb-i yûnânî) mit der Behandlung Dschahânâras. Die Therapien nahmen insgesamt 20 Monate in Anspruch, und zwischendurch gab es – wie zu sehen sein wird – auch einige Rückschläge.

Schâh Dschahân war untröstlich, dass seine Tochter derartig leiden musste. Umgehend nach dem Unfall ließ er in seinem ganzen Reich nach Heilmitteln für schwere Verbrennungen suchen. Dabei zog er nicht nur Experten der Unani Medicine zu Rate, sondern auch Praktizierende des Ayurveda.

Normalerweise erfolgte eine Behandlung von Frauen durch hakîms unter Beachtung der Regeln der „Abschirmung“ (Urdu: pardah/purda): Die Patientin befindet sich hinter einem Vorhang, zur Diagnose kann der hakîm die Hand der Patientin halten und den Puls fühlen. Zur weiteren Diagnose wird häufig eine Urinprobe abgegeben. In Dschahânâras Fall wurde mit dem purda-System gebrochen. Zahlreiche Mediziner untersuchten die Patientin persönlich, wechselten Verbände und trugen Heilmittel auf.

Schâh Dschahâns Besorgnis

Schâh Dschahâns Besorgnis um seine Tochter ging jedoch noch weiter. Er zeigte ähnliche Anzeichen von Trauer wie beim Tod seiner Frau Mumtâz Mahal 13 Jahre zuvor: er vernachlässigte seine Regierungsgeschäfte und zog keine Prunkgewänder mehr an.

Zudem forderte Schâh Dschahân alle muslimischen Mystiker auf, für die Genesung Dschahânâras zu beten. Er ließ mehrere Tage lang Almosen an die Bevölkerung verteilen. Außerdem passierte etwas Ungewöhnliches: in einem Erlass nahm Schâh Dschahân eine vorher getroffene Entscheidung zurück und forderte seine Untertanen auf, ebenfalls für Dschahânâra zu beten. Zudem ließ er einige Gefangene frei. Auch diesen Erlass verknüfte er mit der Aufforderung, Gebete für seine Tochter zu sprechen. Weiterhin wurden täglich Almosen an Bedürftige verteilt. Mit diesen Aktionen wollte der Herrscher – seiner Ansicht nach – begangenes Unrecht wiedergutmachen und Dschahânâra davor bewahren, für seine (eventuellen) Sünden bestraft zu werden.

Dschahânâras teilweise Genesung

Nachrichten über Dschahânâras Gesundheitszustand wurden jedoch nicht nur in Indien verbreitet. Schâh Dschahân ließ Almosen nicht nur an seine Untertanen verteilen, sondern sogar in Mekka. Gleichzeitig, also nach der teilweisen Genesung Dschahânâras nach 8 Monaten, ließ er 50.000 Rupien in Medina verteilen. Dschahânâra sandte zusammen mit den Münzen und anderen Gütern eine Kerze, die sie selbst gestaltet und mit Juwelen verziert hatte. Diese sollte am Grab des Propheten Muhammad aufgestellt werden, um die Verbundenheit der Moguln mit den Heiligen Stätten des Islam zu betonen.

Nachdem es bereits eine 8-tägige Feier vier Monate nach dem Unfall gegeben hatte, wurde die teilweise Genesung Dschahânâras nach 8 Monaten und 8 Tagen ausgiebig gefeiert. Dschahânâra konnte erstmals nach ihrem Unfall wieder persönlich anwesend sein. Es wurden nicht nur kostbare Gewänder, Schmuck und an die Mitglieder des Hofstaates verteilt, sondern Dschahânâra wurde gegen Gold aufgewogen – und das Gold wurde an die Bedürftigen verteilt. Dieser Brauch war für gewöhnlich nur dem Herrscher selbst vorbehalten – er wurde an seinem Geburtstag aufgewogen.

Auch diese Zeremonie zeigte letztendlich, wie wichtig Dschahânâra für den Mogulhof hatte. Sie genoß eine Handlungsfreiheit, wie sie ansonsten nur die Männer des Hofes hatten. Der Fallbericht über Dschahânâras Unfall und ihre Verletzungen verbreitete sich in Indien und der Islamischen Welt. Dieses stand im Gegensatz zur sonstigen Abgeschiedenheit des Harem und dem System der purda.

Sogar in mehreren Gedichten wurde Dschahânâras Unfall und ihre Heilung thematisiert (Zitiert nach A. Bokhari: Gendered Landscapes, S. 104, Übersetzung aus dem Englischen von C.P.). Hier das Beispiel eines Gedichten von Abû Tâlib Kalîm:

Das Feiern Deiner Gesundheit ist besser als der Frühling für die Welt, Dein Wohlergehen ist das Ornament des Gartens der Erde. Aus jeder Ecke der Welt mögen die Hände der Menschen beim Gebet wie ein Schutz dienen – wie Wimpern. In den Grenzen der Kerze waren die Flammen ruhelos – und in ihrer Ruhelosigkeit griffen sie auf Dein Gewand über. Der Funken und die Flamme erhielten Ehre und Würde durch das Berühren Deines noblen Gewandes. Die Kerze schämte sich, und die Motte verließ sie voller Abschau für das Verbrechen, Dich zu verbrennen. Du bist das Meer voller Gnade, und Deine Blasen sind die Perlen, die durch das Feuer wertvoll wurden.

Erst nach 20 Monaten erlangte Dschahânâra ihre Gesundheit vollständig wieder – ihr Körper blieb allerdings bis zu ihrem Tod von Narben gezeichnet.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Dschahânârâs aus dem Jahr 1635. Es ist Public Domain.

Literatur: Afshan Bokhari: Gendered Landscapes‘: Jahan Ara Begum‘s (1614-1681) Patronage, Piety and Self-Representation in 17th C Mughal India‖. Dissertation, Universität Wien, 2009.

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Akbars Urenkelin Dschahânârâ: „First Lady“, Dichterin, Mystikerin

Susanne und ich haben in diesem Blog schon häufiger über die bedeutenden Frauen an Akbars Hof berichtet: von seiner Mutter Hamîda Bâno, seinen Ammen Jîjî Anga und Mâham Anga, seinen Ehefrauen Salîma und Jodha Bai bis hin zu seinen Töchtern haben wir hier schon berichtet. Dabei ist deutlich geworden, dass der Harem des Herrschers ein kompliziertes Beziehungsgeflecht war, in dem einige Frauen auch zu politischer Macht kamen.

In meinem heutigen Beitrag „überspringen“ wir zwei Generationen und gehen zu Akbars Urenkelin Dschahânârâ Begum (st. 1681), die als Königin (Pâdschâh Begum) an der Seite ihres Vaters Schâh Dschahân (st. 1666) einen großen Einfluss auf das Mogulreich hatte – sowohl in politischer als auch in kultureller Hinsicht.

Dschahânârâs Familie und Kindheit

Akbars Sohn und Nachfolger Salîm / Dschahângîr (st. 1627) hatte mehrere Söhne, die hofften, sein Nachfolger zu werden. Nach einigen sehr unschönen Auseinandersetzungen konnte sich schließlich Khurram unter seinem Thronnamen Schâh Dschahân durchsetzen und den Thron besteigen.

Im Alter von 15 Jahren, im Jahr 1607, wurde Schâh Dschahân, der übrigens Akbars Lieblingsenkel war, mit der Frau verlobt, für die er später das Taj Mahal (Tadsch Mahal) erbauen ließ: Ardschumand Begum, genannt Mumtaz Mahal (st. 1631). Mit ihr hatte der Herrscher insgesamt 14 Kinder, von denen jedoch nur sieben ihre Kindheit überlebten. Dschahânâra Begum wurde im Jahr 1614 in Ajmer (Rajasthan) geboren – also in dem Ort, an den ihr Urgroßvater Akbar mindestens einma jährlich pilgerte.

Dschahânâra erhielt eine Ausbildung in Disziplinen wie Persisch, Dichtung, Qur’ân, Ethik (adab) und Medizin. Ihre Lehrerin war Satî un-Nisâ‘, die Schwester des berühmten Talib Amoli (st. 1627). Die beiden waren aus Persien nach Indien gekommen, und Talib Amoli war einer der Hofdichter von Dschahângîr. Dschahânâra war auch als Hofdame ihrer Mutter Mumtâz Mahal bekannt.

Dschahânâra als „First Lady“

1631, als Dschahânâra 17 Jahre alt war, verstarb ihre Mutter Mumtâz Mahal bei der Geburt ihres 14. Kindes. Schâh Dschahân war über den Verlust seiner Lieblingsehefrau, von der er seit ihrer Eheschließung so gut wie nie getrennt war, untröstlich. Er vernachlässigte die Regierungsgeschäfte und erschien nur unregelmäßig zu seinen Audienzen. Er beschlosst, den Bau eines Grabmals für Mumtâz Mahal in Auftrag zu geben, das alles bisher Dagewesene übertraf. Wahrscheinlich übernahm Dschahânara Begum auch Aufgaben bei der Planung des Grabmals uns dessen künslerischer Ausgestaltung.

Obwohl Schâh Dschahân noch drei weitere Ehefrauen hatte, wählte er Dschahânâra Begum als seine First Lady. Er verlieh ihr mehrere Titel, z.B. Padschâh Begum (Königin) oder Sâhibat uz-Zamânî (Herrin der Zeit). Darüber hinaus erhielt Dschahânâra Begum Gold und Schmuck von ihrem Vater, sodass sie zu einer der reichsten Persönlichkeiten am Hof zählte.

Dschahânâra Begum im Familienstreit

Eine der wichtigsten Aufgaben als Herrscherin war die Vermittlung im Steit zwischen den verschiedenen Fraktionen am Hof. Seit ihrer Kindheit Dschahânâra besonders vertraut mit Dârâ Schikoh (st. 1659), ihrem ältesten Bruder. Dârâ war zwar als Lieblingssohn seines Vaters und ältester überlebender Sohn für den Thron vorherbestimmt, jedoch interessierte er sich nur wenig für die militärischen Angelegenheiten des Hofes. Das änderte sich auch nicht, als er von seinem Vater das Kommando über 60.000 Soldaten erhielt. Dârâs Interesse galt vielmehr der Philosophie und der islamischen Mystik, die er selbst als vom Hinduismus beeinflusst sah. Dârâ verfasste selbst zahlreiche Werke, in denen er die Gemeinsamkeiten hinduistischer und islamischer Lehren beschrieb. Wie sein Urgroßvater Akbar traf sich Dâra nicht nur mit islamischen Mystikern (sûfîs), sondern auch mit Hindu-Gelehrten. Dschahânâra befürwortete dieses nicht nur, sondern war selbst eine Schülerin von islamischen Mystikern. Die schrieb Biographien ihrer Lehrer und auch, wie sie selbst als Schülerin in die mystischen Lehren eingeweiht worden war.

Obwohl ihr jüngerer Bruder Aurangzeb selbst auch Schüler der islamischen Mystiker war, lehnte er eine Vermischung von islamischen und hinduistischen Lehren ab. Er wurde nicht nur damit zum Gegner von Schâh Dschahân, Dschahânâra und Dârâ Schikoh. Er verfügte über ein ausgesprochenes Machtbewusstsein und wollte anstatt Dârâ Schikoh seinem Vater auf den Thron folgen. Aurangzeb war militärisch sehr geschickt, und sein Vater sah den Ehrgeiz seines Aurangzebs mit Mißtrauen.

Der Bruderkrieg ist nicht mehr aufzuhalten

1657 erkrankte Schâh Dschahân schwer, und Aurangzeb sah seine Zeit gekommen, seine Brüder militärisch auszuschalten. Schâh Dschahân bat Dschahânâra, in diesem Konflikt zu vermitteln. Dschahânâra unterbreitete Aurangzeb einen Vorschlag zur Zerteilung des Reiches, doch dieser lehnte ab. Was folgte, war ein Bruderkrieg, in dem Aurangzeb seine Brüder Dârâ Schikoh und Murâd Baksh hinrichten ließ. Ein dritter Bruder, Schâh Schujâ, wurde ins heutige Myanmar verbannt, wo er 1661 ebenfalls ermordet wurde.

Seinen Vater Schâh Dschahân ließ Aurangzeb in Agra mit Blick auf das Taj Mahal unter Hausarrest stellen. Dschahânâra begleitete ihren Vater ins Exil im eigenen Land und pflegte ihn aufopfernd.

Dschahânâra wird erneut „First Lady“

Als Schâh Dschahân 1666 starb, versöhnte sich Dschahânâra mit Aurangzeb. Dieser machte sie erneut zur „First Lady“ des Mogulreiches, obwohl auch er mehrere Ehefrauen hatte. Zuvor war seine jüngere Schwester Roschanâra Begum die Herrscherin gewesen. Dschahânâra setzte ihre wohltätigen Aktivitäten fort. Zudem verfügte sie – genau wie vor ihr ihre Urgroßmutter Jodha Bai – über mehrere Handelsschiffe und hatte auch Geschäftsbeziehungen zu den Briten.

Dschahânâra blieb unverheiratet und starb 1681 mit 67 Jahren. Ihr Grab befindet sich im Nizamuddin Auliya Komplex in Delhi.

Im nächsten Beitrag werde ich von Dschahânâras Unfall und ihrer schwierigen Heilung berichten.

Das Beitragsbild zeigt ein Porträt von Dschahânârâs Bruder Dârâ Shikoh. Es ist Public Domain

Literatur: Afshan Bokhari: Gendered Landscapes‘: Jahan Ara Begum‘s (1614-1681) Patronage, Piety and Self-Representation in 17th C Mughal India‖. Dissertation, Universität Wien, 2009.

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Der Pfauenthron der Moguln

Heute möchte ich hier nur einen kleinen Schnipsel aus einem berühmten Reisebericht posten, der sich mit dem nicht weniger berühmten Pfauenthron der Moguln beschäftigt. Der Reisebericht stammt von Jean-Baptiste Tavernier, einem französischen Juwelenhändler und Reisendem. Er bereiste zwischen 1630 und 1668 sechs mal Persien und Indien. Während seiner Reisen erwarb er zahlreiche wertvolle Edelsteine, die er später in Europa verkaufte und großen Reichtum erlangte. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Tavernier vom Pfauenthron am Mogulhof in Delhi besonders fasziniert war.

Der Mogulherrscher Schâh Dschahân (st. 1666) wollte sich von seimem Vater Dschahângîr (st. 1627) abgrenzen, der einen Thron aus schwarzem Basalt hatte. Schâh Dschahân gab also den prachtvollen Thron in Auftrag, der mit Blattgold verziert und mit über 26.700 Edelsteinen geschmückt war. Der Pfauenthron wurde in einer prächtigen Zeremonie am siebten Jahrestag von Schâh Dschahâns Thronbesteigung eingeweiht (22.3.1635). Den Namen Pfauenthron hatte er zunächst noch nicht, erst spätere Historiker nannten ihn wegen der Pfauenstatuen Takht-e tâvûs.

Taverniers Beschreibung des Pfauenthrons

Tavernier kam auf Einladung Schâh Dschahâns persönlich an den Hof in Delhi. Er sollte die Edelsteine des Herrschers beurteilen und wollte ihm selbstverständlich auch Edelsteine verkaufen. Das Rote Fort in Delhi, wo sich der Pfauenthron befand, hatte sieben Throne, der Pfauenthron stand jedoch im Diwân-e khâss, dem speziellen Audienzraum, er ..

(…) erinnert in Bezug auf Form und Größe einem Feldbett. Das bedeutet, es ist etwa 1,80 m lang und 1,20 m breit. (…) Er hat einen Baldachin auf drei Seiten, die Seite, die zum Hof zeigt, ist offen. Sowohl die Füße des Throns als auch die Stangen, die mehr als auch das Gestänge, das mehr als 45 Zentimeter lang ist, sind mit goldenen Intarsien und mit zahllosen Diamanten, Rubinen, und Smaragden verziert. In der Mitte einer jeden Stange befindet sich ein großer Balasrubin, glatt geschliffen. Sie werden von vier Smaragden umgeben, die ein quadratisches Kreuz bilden. (…) Es befinden sich drei große Kissen auf dem Thron, von denen das, das sich am Rücken des Herrschers befindet, richtig aufgepolstert ist, während die Kissen an seiner Seite flach sind. Außerdem gibt es ein Schwert, einen Schild, einen Bogen und einen Köcher mti Pfeilen, die am Thron angebracht sind, und wie alles anderean diesem und an allen sechs anderen Thronen sind mit Steinen verziert. Ich hab die großen Balasrubine auf dem großen Thron gezählt, und ich bin auf 108 gekommen, alle glatt geschliffen. Der leichteste von ihnen hatte 100 Karat (20 Gramm).Viele der Steine haben aber offensichtlich mindestens 200 Karat (40 Gramm). Was die angeht, so gibt es viele von sehr schöner Farbe, aber es gibt auch einige fehlerhafte. Der schwerste von ihnen mag etwa 60 Karat (12 Gramm) wiegen, der leichteste 30 Karat (6 Gramm). Ich habe 116 von ihnen gezählt, also gibt es mehr Smaragde als Rubine.

Der prachtvolle Thron ist nach der gängigen Geschichtsschreibung bei der Eroberung Delhis 1739 durch den persischen Herrscher Nâdir Schâh (st. 1747) als Kriegsbeute nach Persien verbracht. Er gilt seitdem als verschollen, und es ranken sich etlichen Legenden um den Verbleib. Der Mogulherrscher installierte eine Nachbildung anstelle des Pfauenthrons, die in den Wirren der Rebellion von 1857 und der Zerstörung des Roten Forts durch die Briten ebenfalls verloren ging.

Literatur:

Baptiste, Jean-Baptiste: Les six voyages de Jean Baptiste Tavernier, écuyer baron d’Aubonne, qu’il a fait en Turquie, en Perse, et aux Indes, pendant l’espace de quarante ans, & par toutes les routes que l’on peut tenir: accompagnez d’observations particulieres sur la qualité, la religion, le gouvernement, les coutumes & le commerce de chaque païs; avec les figures, le poids, & la valeur de monnoyes qui y ont court, Gervais Clouzier, Paris, 1676, Englische Version von Valentine Ball unter dem Titel Travels in India, London 1899. Das Kapitel über den Pfauenthron findet sich in Teil 2, Kapitel 8.

Das Beitragsbild  zeigt Schâh Dschahân auf dem Pfauenthron. Es ist Public Domain.

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Unsere Beiträge zum Sultanat von Delhi

Susanne Kurz und ich haben ja in den vergangenen Jahren sehr viel zur Geschichte der Mogulzeit (1526-1858) gearbeitet, bei mir ist seit einiger Zeit das Sultanat von Delhi hinzugekommen. Auslöser dafür waren die Bollywood-Serie Razia Sultan – Die Herrscherin von Delhi (2015) sowie der sehr umstrittene Film Padmavaat (2018). Sie basieren beide auf historischen Ereignissen. In unseren Beiträgen schreiben wir einiges zu den genannten historischen Figuren – sofern uns dazu überhaupt Informationen vorliegen. Wir versuchen Ereignisse in den historischen Kontext zu stellen und stellen gelegentlich einmal fest, dass die Darstellungen nicht oder nur zum Teil mit den Quellen in Einklang stehen. Aber das ist ja natürlich auch das Spannende an Bollywood!

Die Sklavendynastie (1206-1290):

Qutb ud-Dîn Aibek

War Qutb ud-Dîns Eroberung ein jihâd?

Sultan Iltutmish

Iltutmishs erfolgreiche Herrschaft

Iltutmishs Sinn für Gerechtigkeit

Rukn ud-Dîn

Rukn ud-Dîn: der „Böse Prinz“?

Rukn ud-Dîns Mutter Shâh Turkân: was wissen wir über sie?

Razia Sultân

Die TV-Serie Razia Sultan – die Herrscherin von Delhi

Razia und ihre Kleidung als Herrscherin

Razia Sultân und Malik Altunia

Razia und ihre „Affäre“ mit Yaqût

Mu’izz ud-Dîn

Razias Bruder Mu’izz und seine Rolle bei Razias Ermordung

Religion, Alltagsleben und Kultur & Vermischtes im Delhi Sultanat

Kriegselefanten im Sultanat von Delhi

Die „Kopfsteuer“ im Sultanat von Delhi

Weibliche Herrschaft bei den Kara Kitai – Vorbild für Razia?

Schadscharat ad-Durr – eine ägyptische Razia Sultan?

Beitragsbild:

Das Beitragsbild zeigt den Qutb Minar Komplex in Delhi

Shivang dubey [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]