Iltutmishs Sinn für Gerechtigkeit

In einem älteren Beitrag über den Herrscher Iltutmish (st. 1236), der über 25 Jahre das Delhi Sultanat regierte, hatte ich bereits von seinen Fähigkeiten als Herrscher und seinem Sinn für Gerechtigkeit berichtet. Letztere Eigenschaft hatte ihn wohl auch darin bestärkt haben, seine Tochter Razia Sultan zu seiner Nachfolgerin zu machen, nicht einen seiner Söhne.

Dass Razias Bruder Rukn ud-Dîn zunächst die Macht ergriff und als Marionette seiner Mutter Shâh Turkân auf dem Thron saß, ist eine andere Geschichte.

Zurück zu Iltutmish. In den Quellen gibt es eine Legende über seinen ausgesprochenen Gerechtigkeitssinn: so soll er ein Edikt erlassen haben, dass an jedem Freitag, der für Muslime der mit dem Sonntag der Christen vergleichbare (Feier-)Tag der Woche ist, Recht gesprochen würde. Jeder seiner Untertanen, der sein Anliefen vortragen wollte, konnte freitags vor am Herrscher erscheinen.

Als Zeichen dafür, dass ihm (dem Untertan) Unrecht angetan wurde, sollte dieser bunt gefärbte Kleidung tragen.

Hintergrund ist, dass (männliche) Inder zumeist weiße Kleidung trugen, nämlich eine weiße Pyjama Kurta. Wenn Iltutmish auf seinem Pferd an der wöchentlichen Versammlungen seiner Untertanen zum Freitagsgebet vorbei ritt, konnte er diejenigen in gefärbten Kleidern einfach in der Menge ausmachen.
Das Anziehen von farbiger Kleidung bedeutete auch symbolisch, dass die Hindus das islamische Recht anerkannten bzw. sich der Rechtsprechung unterwarfen.
Eine interessante Frage ist, ob diese Regelung der Vorsprache vor dem Herrscher auch für Frauen galt, denn in Indien tragen lediglich Männer weiße Pyjama Kurtas – für Frauen ist weiße Kleidung eher ungewöhnlich. Weiße Saris werden von fast ausschließlich von Witwen getragen, da weiß in Asien als Farbe der Trauer gilt.

Iltutmishs Maßnahme, die für etliche Untertanen mit Sicherheit eine Verbesserung ihrer persönlichen Situation war, trug somit auch zur Verbreitung des islamischen Rechts in Indien bei. Sie ist somit nicht zu unterschätzen.

Für Razia Sultan war ihr Vater ihr wichtigstes Vorbild. Als Rukn ud-Dîn Razias jüngsten Bruder töten ließ, trat Razia in gefärbten Kleidern vor die Menge. Die Elite der türkischen Generäle war ebenso anwesend.
Razia beklagte öffentlich, dass ihr Bruder seinen eigenen Bruder getötet habe, und dass er wahrscheinlich plante, sie zu töten.

Die türkischen Adeligen berieten sich nach dieser Rede Razias – und entschieden, nun Iltutmishs Befehl (farmân) zu befolgen, und Razia Sultan zur Herrscherin zu machen. Rukn ud-Dîn und seine Mutter Shâh Turkân wurden hingerichtet. Somit trat Razia 1236 die Nachfolge ihres Vaters an und setzte dessen Ideen von gerechter Herrschaft weiter um.

Literatur:

Rafiq Zakaria: Razia: Queen of India. s.l., 1966.

Das Beitragsbild unterliegt der Wikimedia Commons License und zeigt ein indisches Mädchen in Pyjama Kurta.

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