Nach dem kleinen „Inschallah“-Zwischenspiel der letzten Woche erfahren Sie heute endlich mehr über eine dramatische Episode aus dem Leben des Mogulherrschers Akbar (1542-1605, reg. ab 1556).
Mehr über seine Bedeutung und die von ihm eingeführte Religion finden Sie im vorletzten Blogbeitrag. Heute soll es nur um den Tod seines „Milchbruders“ Adham Khân gehen.
Zu Akbars Zeit war es nicht ungewöhnlich, daß Kinder aus hochgestellten Familien nicht von ihren Müttern gestillt wurden, sondern von Ammen. Diese „Milchmütter“ hatten natürlich eigene Kinder, die sie zur gleichen Zeit ebenfalls stillten (sofern sie am Leben blieben). Dadurch wurden solche leiblichen Kinder der Ammen zu „Milchgeschwistern“ der hochgestellten Säuglinge.
Ein „Milchbruder“ ist also kein leiblicher Bruder und folglich kein Blutsverwandter, wird aber im islamischen Recht in der Regel wie ein solcher behandelt.
In Akbars Fall kam der „Milchverwandtschaft“ möglicherweise eine besondere emotionale Bedeutung zu, weil er bereits als Einjähriger von seinen Eltern getrennt wurde und diese erst im Alter von fünf Jahren wiedersah. In der Zwischenzeit war er bei seinen Onkeln aufgewachsen und hauptsächlich von seinen beiden Ammen (= „Milchmüttern“) betreut worden.
Damit kommen wir schon zum Grundproblem der Geschichte: Akbar hatte nicht nur eine Amme, sondern zwei. Eine seiner Ammen, Mâham Anaga (oder nach indischer Aussprache: Mâham Anga), scheint sein besonderes Vertrauen genossen zu haben. Ihr jüngerer Sohn, Akbars „Milchbruder“, hieß Adham Khân.
Doch auch die andere Amme hatte einen Sohn und darüber hinaus einen Mann, dem Akbar einen wichtigen Posten in seiner Regierung anvertraute. Dieser „Milchvater“ hieß Schams ed-Dîn Mohammad Ataga (oder Atga/Atka) Khân.
Im Jahr 1561 machte Akbar ihn zu seinem vakîl. Das war das Amt, das andernorts als „Wesir“ oder „Großwesir“ bekannt ist. Ataga Khân war also nun das Oberhaupt der Verwaltung und die rechte Hand des Herrschers.
Doch das mißfiel Mâham Anaga und ihrem Sohn Adham Khân, die als Partei bei Hofe ihre eigenen Interessen verfolgten. Schließlich überschritt Adham Khân im Mai 1562 eine Grenze, überfiel Ataga Khân mit ein paar Kumpanen in der Audienzhalle in Agra und ermordete ihn dort im Hof.
Gleich darauf stürmte er weiter in die inneren Räume der Burg. Akbar war durch den Lärm aus dem Schlaf erwacht und hatte von dem Mord erfahren. Er trat seinem „Milchbruder“ entgegen und soll ihn mit einem Faustschlag niedergestreckt haben.
Dann ließ er Adham Khân von der Terrasse hinunterwerfen. Da er den Sturz aber überlebte, ließ Akbar ihn wieder heraufholen und erneut hinunterstoßen. Dieses Mal starb Adham Khân.
Akbar soll seiner Amme Mâham Anaga, Adhams Mutter, die Nachricht selbst überbracht haben. Angeblich gab sie Akbar recht, starb aber dennoch nur etwa vierzig Tage nach ihrem Sohn aus Kummer. Akbar ließ ein Grabmal errichten, in dem Mutter und Sohn bestattet wurden.
Natürlich gibt es zu dieser dramatischen Episode auch eine Szene in dem Bollywoodfilm über Akbars frühe Jahre, Jodhaa Akbar. Ich finde, das ist ein sehr schön gemachter, farbenprächtiger Film, den es sich auf Blu-ray anzusehen lohnt. Die fragliche Szene inklusive vorausgegangenem Mord finden Sie aber auch hier (mit Hindi-Ton):
Dort sehen Sie, wohlgemerkt, den ersten Sturz Adham Khâns. Da er sich bei diesem Sturz aber nur die Beine gebrochen haben soll, halte ich es für unwahrscheinlich, daß er tatsächlich so hinuntergefallen ist. Ich vermute eher, diese Szene ist der folgenden Darstellung des (wahrscheinlich zweiten) Sturzes nachempfunden:
Was meinen Sie?
Bildnachweis
Beitragsbild:
Quelle: Wikimedia Commons
Künstler: Manohar
gemeinfrei
Zeichnung Akbars in seinem letzten Lebensjahr:
Quelle: Wikimedia Commons
gemeinfrei
Adham Khân:
Quelle: Wikimedia Commons
Autor: Khem Karan
gemeinfrei
Ataga Khâns Grabmal:
Quelle: Wikimedia Commons
Autor: Varun Shiv Kapur
unverändert übernommen
Creative-commons-Lizenz 2.0
Adham Khâns Grabmal:
Quelle: Wikimedia Commons
Autor: Parth.rkt
unverändert übernommen
Creative-commons-Lizenz 3.0
Adham Khâns Bestrafung:
Quelle: Wikimedia Commons
Künstler: Shankar Miskin
gemeinfrei
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