Dieses Semester halte ich ein Seminar über adab (mehr dazu ein anderes Mal). In der zugehörigen Literatur gibt es auch kurze Berichte darüber, wann, wo, wie und warum etwas zum ersten Mal geschehen oder getan worden ist – und natürlich von wem. Da dachte ich mir, importieren wir das doch einmal in den Blog!
Heute erfahren Sie deshalb von mir, welche Dinge Schâh Dschahân (1628-58) als erster Mogulherrscher getan hat oder welche ihm als erstem der Moguln widerfahren sind. Aber keine Sorge: Sie erfahren bald noch mehr über ihn! Versprochen.
Ob es sich bei diesen vier Dingen um besondere Errungenschaften handelt, ist wieder eine andere Frage. Doch lesen Sie selbst! Schâh Dschahân war:
1. Der erste Mogulprinz, der zur Herrschaftszeit seines Vaters Statthalter des Dekkan war
Dekkan (oder Dekhan, auf englisch: Deccan) nennt man den südlichen Teil Indiens, insbesondere das dortige Hochplateau. Zur Zeit der Moguln gab es dort mehrere kleinere muslimische Reiche mit zum Teil schiitischen Dynastien.
Erst während Schâh Dschahâns eigener Herrschaftszeit gelang es jedoch, eine dieser Dynastien vollständig zu entmachten und die Dekkan-Reiche wirksam in die Mogulverwaltung einzubinden.
Schâh Dschahân war Statthalter des Dekkan für seinen Vater von 1616 bis 1621.
2. Der erste Mogulherrscher, der nach seiner Thronbesteigung seine nächsten männlichen Verwandten töten ließ
In anderen Dynastien war eine solche „Sicherheitsmaßnahme“ durchaus nicht unüblich. Doch bei den Moguln war es eine Premiere, als Schâh Dschahân nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1628 nicht nur seinen einzigen noch lebenden Bruder Schahriyâr, sondern auch weitere männliche Verwandte mit einem potentiellen Thronanspruch hinrichten ließ.
Zu ihnen gehörte auch einer seiner Neffen, ein Sohn seines ältesten Bruders (an dessen Tod Schâh Dschahân ebenfalls nicht unschuldig war). Dieser Neffe war nach dem Tod seines Großvaters Dschahângîr von einer Hofpartei im unvermeidlichen Nachfolgekampf instrumentalisiert und kurzfristig zum neuen Herrscher ausgerufen worden.
Immerhin verschonte Schâh Dschahân seine eigenen vier Söhne. Womöglich hat er das später bereut (s. Punkt 4).
3. Der erste (und letzte) Mogulherrscher, der versuchte, das Stammland der Moguln in Transoxanien zurückzuerobern
Schâh Dschahân legte besonders großen Wert auf seine genealogische Verbindung zu Tîmûr (Tamerlan, 1336-1405). Deshalb machte er sich dann auch tatsächlich an die Durchführung eines Vorhabens, zu dem weder sein Großvater Akbar noch sein Vater Dschahângîr gekommen waren: die Rückeroberung der „Urheimat“ der Timuriden in Transoxanien.
Dort herrschten zu dieser Zeit die Usbeken-Khâne. Unter diesen gab es Mitte der 1640er Jahre Streit, den Schâh Dschahân für die geplanten Eroberungen nutzen wollte. Allerdings waren seine äußerst kostspieligen Eroberungszüge von sehr geringen Erfolgen gekrönt:
Die Grenze des Mogulreiches wurde nur um etwa 50 Kilometer nach Norden verschoben. Von einer Eroberung Samarqands war Schâh Dschahân weit entfernt. Und die unterworfenen Gebiete brachten in einem ganzen Jahr nicht annähernd so viele Steuergelder ein wie die Feldzüge gekostet hatten. Von den hohen Verlusten an Menschenleben gar nicht zu sprechen.
4. Der erste Mogulherrscher, der von seinem eigenen Sohn abgesetzt wurde
Auch dies war eine Premiere, die man vielleicht eher seinem Sohn Aurangzêb (1658-1707) als Schâh Dschahân zuschreiben sollte. Hatten bisher Rebellionen der erwachsenen Söhne eines Mogulherrschers spätestens gewissermaßen an der Haustür des Vaters geendet, so ließ sich Schâh Dschahâns dritter Sohn Aurangzêb von der Person seines Vaters nicht mehr beirren.
Als 1657 die Nachricht von einer ernsten Erkrankung Schâh Dschahâns die Runde machte, zog er mit einer Armee gegen die Residenz des Herrschers, die von Aurangzêbs ältestem Bruder verteidigt wurde – allerdings nicht sehr erfolgreich.
Nachdem Aurangzêb den militärischen Widerstand im freien Feld gebrochen hatte, belagerte er seinen eben erst genesenen Vater Schâh Dschahân in dessen eigener Burg in Agra und ließ ihm buchstäblich das Wasser abgraben, so daß Schâh Dschahân kapitulieren mußte.
Aurangzêb hielt ihn dann kurzerhand die verbleibenden acht Jahre bis zu seinem Tod in seinem Harem gefangen und bestieg selbst den Thron des Mogulreiches. Er hatte also seinen eigenen Vater abgesetzt. So etwas war noch keinem Mogul vor Schâh Dschahân passiert.
Bildnachweis
Beitragsbild/Porträt Schâh Dschahâns:
Quelle: Wikimedia Commons
Als Public Domain freigegeben durch Walters Art Museum
Indienkarte:
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: Furfur
Lizenz: Creative Commons 3.0
Unverändert übernommen
Goldmünze Schâh Dschahâns:
Quelle: Wikimedia Commons
Als Public Domain freigegeben vom Los Angeles County Museum of Art
Gesichtsrekonstruktion Tîmûrs:
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: user:shakko
Lizenz: Creative Commons 3.0
Unverändert übernommen
Aurangzêb um 1660:
Quelle: Wikimedia Commons
Public Domain
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