So schwer wie Säcke voll Gold: die Aufwiegezeremonie am Mogulhof (Weihnachtsspecial 2020)

Bei der Aufwiegezeremonie ließen sich die Mogulherrscher gegen Gold, Silber und andere Kostbarkeiten aufwiegen – Ganze Säcke gefüllt mit wertvollen Dingen und mit Lebensmitteln wurden an die Untertanen verteilt.

Schon seit vielen Jahrhunderten ließen sich hinduistische Herrscher Indiens in Gold aufwiegen. Diese Zeremonie war als tulâdhâna bekannt. Als die muslimischen Mogulherrscher von Zentalasien aus Indien eroberten, übernahmen sie diesen Brauch. Einige Quellen sagen, dass schon der erste Mogul-Kaiser Bâbur (st. 1530) die Aufwiegezeremonie am Mogulhof einführte. In den Memoiren von Bâburs Enkel Akbar (st. 1605) finden wir eine ausführliche Beschreibung der Aufwieg- Zeremonien.

Das Aufwiegen (wazn) am Hof Dschahângîrs

Doch besonders umfassende Berichte haben wir aus der Zeit von Akbars Sohn Dschahângîr (st. 1627). Der englische Diplomat Sir Thomas Roe (st. 1644), der sich eine längere Zeit an Dschahângîrs Hof aufhielt, beschrieb die Feierlichkeit und die großen Reichtümer, gegen die Dschahângîr aufgewogen und die an die Bedürftigen verteilt wurden:

Der erste September war der Geburtstag des Königs, und die Feierlichkeiten des Aufwiegens, die ich besuchte, wurden in einem großen und wunderschönen Garten gefeiert. In der Mitte des Gartens befand sich ein mit Wasser gefülltes Viereck, an der Seite standen Blumen und Bäume. Auf einer Anhöhe wurde die Waage vorbereitet. Diese wurde in ein ein großes Gestell gehängt, die Waagschalen waren aus reinem Gold. An ihren Rändern waren sie mit Rubinen und Türkisen besetzt. Die Ketten der Waage waren aus massivem Gold, aber dennoch verstärkt mit Kordeln aus reiner Seide.

Die Adeligen des Hofes nahmen an der Zeremonie teil, sie saßen auf Teppichen, bis der König endlich kam.

Er (Dschahângîr) war bekleidet oder besser – beladen – mit Diamanten, Rubinen, Perlen und anderen kostbaren Eitelkeiten. So großartig! So ruhmreich! Ebenso überladen waren sein Schwert, sein Schild, sein Thron. Zudem sein Kopf, sein Nacken, seine Brust, Arme, Oberarme und seine Handgelenke. An jedem seiner Finger trug er zwei oder drei Ringe, die mit Ketten verbunden waren. Rubine so groß wie Nüsse, einige sogar noch größer, und Perlen so groß wie meine Augen konnten bewundert werden.

Plötzlich bestieg er (Dschahângîr) die Waagschalen und setzte sich wie eine Frau auf seine Beine. Dann wurden in die anderen Waagschalen viele Säcke mit Kostbarkeiten getan, um sein Gewicht zu erreichen. Diese wurden sechs mal ausgetauscht. Sie sagten, dass es sich um Silber handelt (….) , danach um Gold, Juwelen und Edelsteine. Allerdings habe ich nichts davon gesehen, und da es in Säcken war, könnten es auch Kieselseine gewesen sein.

Danach wurde Dschahângîr erneut aufgewogen, dieses Mal gegen kostbare Stoffe, die mit Gold durchwirkt waren und gegen Stoffe aus Seide und Leinen. Zumindest musste ich das so glauben, da die Stoffe in Bündeln waren. Zuletzt wurde der Herrscher gegen Lebensmittel wie Getreide und Butter aufgewogen. Diese wurden ebenfalls an die Bedürftigen verteilt.

In jedem Jahr ließ sich Dschahângîr mindestens zwei Mal aufwiegen: zu Beginn eines Sonnenjahres (das 365 Tage andauert) und zu Beginn eines Mondjahres (das 354 Tage hat) sowie an seinem Geburtstag und anderen außergewöhnlichen Gelegenheiten.

Dschahângîr lässt Khurram aufwiegen

In Dschahângîrs Memoiren, dem Dschahângîr-nâma (“Nachrichten über Dschâhângîr”) findet sich ein Bericht über die Aufwiegezeremonie von Prinz Khurram, dem späteren Mogulherrscher Schâh Dschahân (st. 1666).

Khurram, der später für seine Frau Mumtâz Mahal das Tâj Mahal erbauen ließ, war der Lieblingsenkel seines Großvaters Akbar, mit seinem Vater Dschahângîr war das Verhältnis eher schwierig.

Als Khurram kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag im Mondjahr stand, veranstaltete Dschahângîr ein Aufwiegefest für seinen Sohn. Ein Grund war, dass das Horoskop für Khurram laut der Hofastrologen ungünstig für das kommende Jahr war. Zudem kränkelte Khurram.

Zu diesem Zeitpunkt hielt die Familie sich in Kabul auf, und Dschahângîr veranstaltete die Aufwiegezeremonie im Haus Khurrams im Orta Bagh (“Garten”). Khurram wurde bei der Zeremonie gegen Gold, Silber und andere Metalle aufgegwogen, und das Gold wurde an die Bedürftigen verteilt.

Als Khurram später zum Mogulherrscher Schâh Dschahân wurde, führte er die Tradition der Aufwiegezeremonien weiter. Nachdem seine Tochter Dschahânâra Begum sich von ihren schweren Brandverletzungen erholt hatte, ließ er sie gegen Gold und andere Metalle aufwiegen.

Obwohl Thomas Roe argwöhnisch meinte, dass Dschahângîr nicht wirklich gegen Gold und Edelsteine aufgewogen wurde, gibt es daran aufgrund der Reichtümer der Moguln keinen Zweifel.

Literatur:

Jahangir. The Jahangirnama : memoirs of Jahangir, Emperor of India / transl., ed. and annotated by Wheeler M. Thackston. Oxford: OUP, 1999, S. 81.

Beitragsbild:

“Dschahângîr lässt Khurram (später Schâh Dschahân) aufwiegen”

Mughal Style, Public domain, via Wikimedia Commons

Der Wazwan in Kaschmir: Kulinarisches Festmahl und kaschmirische Lebensart

Kashmiriyat, so nennen die Kaschmiris ihre Lebensweise. Sie bezeichnet nicht nur das traditionell harmonische Zusammenleben der Religionen Hinduismus, Islam und Sikhismus, sondern auch die regionale Kultur, die Kleidung und die traditionelle Küche. Ich frage meinen Freund Younis, der in Srinagar geboren wurde, nach weiteren Beispielen für Kashmiriyat. “Schau Dir die Legende der Mystikerin Lal Ded an, Lal Ded oder Lalleswari lebte im 14. Jahrhundert. Ihre mystischen Verse wurden von Hindus und Muslimen zugleich zitiert. Als sie starb, verwandelte sich ihr Körper in eine Figur aus Blüten, von denen die eine Hälfte von Hindus, die andere von Muslimen nach ihren Riten bestattet wurde”. “Das ist Kashmiriyat”, erklärt Younis. “Und natürlich der Wazwan …”.

Ich fahre mit vier anderen Ehrengästen zur Hochzeit eines Facebook-Freundes in der Nähe Srinagars.  Dass ich zu den Ehrengästen der „Walima“, des Hochzeitsempfanges, zähle, war schon deutlich, als meine Freunde angekündigten, dass uns ein Wazwan serviert würde. Ich also entsprechend vorbereitet und trug auch einen Shalwar kameez, ein langes Hemd, das locker über einer Hose getragen wird. Als Schal oder Kopfbedeckung trägt man eine dupatta. Mein Shalwar kameez ist türkis, mit pastellfarbenen Blüten bestickt. Ich fühle mich wohl im Shalwar kameez und bin voller Vorfreude auf die Feier und den Wazwan.

Das traditionell aus 36 Gängen bestehende Menü ist bereits seit Jahrhunderten ein königliches Festmahl, das auch an den Höfen der Herrscher Kaschmirs aufgetischt wurde. Die Zubereitung ist nicht einfach “Kochen”, sondern Kunst. Die Zubereitung nimmt mehr als 36 Stunden in Anspruch. Vegetarier kommen beim Wazwan nicht auf ihre Kosten, denn Hammel- und Hähnchenfleisch in verschiedenen Saucen gekocht gehören zu den Hauptzutaten. Vorsorglich halte ich am Tag der Hochzeit das Frühstück knapp.

Wazwan – eine Herausforderung für Vegetarier

Bei unserer Ankunft am Ort der Feierlichkeiten sehe ich auf der linken Seite des Grundstückes ein großes Zelt, in dem die Braut mit allen weiblichen Gästen feiert – zumindest in dieser Familie feiert man also nach Geschlechtern getrennt. Die Frauen, in traditionelle kaschmirische Trachten oder wie ich in Shalwar Kameez gekleidet, genießen ein großes Buffet. Zwei Frauen winken mir zu – ich winke zurück.

Wir betreten das Haus und werden in das sehr große Zimmer geleitet, das für den Empfang von Besuch gedacht ist, und wo man gewöhnlich an große Kissen gelehnt auf dem Boden sitzt. Heute jedoch stehen knapp 30 Stühle in dem Raum, auf denen schon etwa 25 weitere Ehrengäste Platz genommen haben. Männliche Ehrengäste, denn ich bin die einzige Frau. Als nicht-Muslimin stehe ich außerhalb des gesellschaftlichen Systems und kann mich frei sowohl in der männlichen als auch der weiblichen Gesellschaft bewegen.

Nach dem obligatorischen Tee, Knabbereien und Small-Talk beginnt der Höhepunkt der Feier, der Wazwan: Die Stühle werden aus dem Raum geschafft, alle nehmen in Gruppen zu 4-6 Personen auf dem Boden Platz. Alle – nur ich nicht. Ich bleibe auf dem Stuhl sitzen und bekomme einen kleinen Tisch zugeteilt. Dann folgt der erste obligatorische Teil: Bedienstete tragen das tash-t-naer herein, ein “Handwaschbecken”, in dem jeder sich die Hände reinigt. Auch ich bekomme eine kleine Extraversion davon und reinige meine Hände. Vor die Männer wird nun eine große Servierplatte gestellt, auf denen sich ein Berg Reis und pro Person zwei Sheekh-Kebab-Spieße befinden – dann werden in schneller Reihenfolge folgende Köstlichkeiten auf die Platte gelegt: Lamm oder Huhn mit  Bockshornklee (methi),  zwei gekochte Lammrippen, in Milch und Gewürzen geschmort und dann in Butter gebraten, Huhn in weißer Sauce (safed kokur)  und Huhn in Safransauce (zafran kokur).

Ich erhalte alles auf einer kleineren Version der Servierplatte, aber natürlich dieselben Gerichte. Köstlich sind sie, diese Speisen, die verschiedenen Gewürze, die hellen und dunklen Saucen, der Wechsel von milderen und pikanteren Aromen. Ich schmecke Bockshornklee, Kurkuma, Joghurt, Safran… Ich esse unter anerkennendem Nicken der anderen Gäste. Trotz des Genusses bin ich erleichtert, als das gushtaba, das Fleisch-“Bällchen” in Joghurtsauce serviert wird – denn ich weiß, dass es der letzte Gang ist. Nein, nicht ganz der letzte Gang, denn es kommt ja noch der Milchreis zum Dessert.

Mengenmäßig war der Wazwan eine Herausforderung, geschmacklich war er königlich. Bevor ich die Feier verlasse, gehe ich natürlich auch noch kurz in das Zelt der Frauen, um zu gratulieren.

Das Abendessen habe ich an dem Tag ausfallen lassen

Wenn ich heute meine indischen Freunde wiedersehe, sprechen wir oft davon, wie wir zusammen in Kaschmir den Wazwan aßen.

Beitragsbild: Das Beitragsbild unterliegt der Creative Commons License.

Das Bild zeigt eine Servierplatte mit einem Wazwan.

Oniongas, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Eine fast verhinderte Ehe: Akbar und Salîms Hochzeiten

Prinz Parviz Persophonie

Susanne und ich haben hier auf der Persophonie schon einiges über den Mogulherrscher Akbar (st. 1605) und das schwierige Verhältnis zu seinem Sohn Salîm (dem späteren Herrscher Dschahângîr, st. 1627) berichtet. Auch Salîms Ehen mit Mân Bai, mit Sâliha Bâno Begum und schließlich mit Nûr Dschahân standen hier schon im Mittelpunkt .

Salîm und seine Ehefrauen

Salîm ging im Laufe seines Lebens zwanzig offizielle Ehen ein- viele seiner Beziehungen wurden jedoch von seinem Vater Akbar geplant und aus machtpolitischen Erwägungen durchgesetzt. So heiratete Salîm zahlreiche Töchter lokaler Fürsten, so z.B. die die Tochter des Fürsten von Bikaner oder des Herrschers von Ladakh. Die Quellen unterscheiden sich auch häufig bei den Hochzeitsdaten und/oder bei den Namen der Frauen bzw. ihrer Väter, so dass die Namen aller Ehefrauen Dschahângîrs nicht ganz geklärt werden konnte. Doch über einige liegen uns mehr Informationen vor.

Salîm verliebt sich in Sâhib-i Dschamâl

Interessant ist, dass wir in einigen Quellen lesen können, dass Salîm sich spontan in eine seiner späteren Ehefrauen verliebte. Die erste, bei der das der Fall war, war Sâhib-i Dschamâl. Das, was eigentlich wie ein Name klingt, ist ein Titel – ihren eigentlichen Namen erfahren wir aus den Quellen nicht. Zu diesem Titel kommen wir später…

Sâhib-i Dschamâl wurde in Herat im heutigen Afghanistan geboren. Teile Afghanistans gehörten ja nach Akbars Sieg über seine Stiefmutter Mâh Chûchak weiterhin zum Mogulreich und wurde direkt von Akbar bzw. seinen Gouverneueren verwaltet. Akbar und sein Hofstaat bereisten regelmäßig Kabul.

Bei einer dieser Gelegenheiten im Oktober 1586 verliebte sich Salîm /Dschahângîr in Sâhib-i Dschamâl aufgrund ihrer Schönheit. Akbar befürwortete eine Hochzeit der beiden – und so wurde Sâhib-i Dschamâl die dritte Ehefrau des Thronfolgers Salîm. Während der prunkvollen Hochzeit der beiden bekam Sâhib-i Dschamâl ihren Titel, der “Herr(in) der Schönheit” bedeutet, von Akbar persönlich verliehen.

Akbar hatte diese Ehe nicht zuletzt auch deshalb befürwortet, weil Sâhib-i Dschamâl die Cousine von Akbars Milchbruder Zain ud-Dîn Kokâ (st. 1601) war. Susanne und ich hatten ja hier schon öfter auf die Bedeutung von Akbars Ammen wie Mâham Anga oder Jîjî Anga oder seiner Milchbrüder wie Adham Khân hingewiesen. Zain ud-Dîns Mutter, bekannt als Pîja Anga, war eine von mehreren Ammen Akbars.

Sâhib-i Dschamâls Cousin Zain ud-Dîn machte als Milchbruder Akbars ebenfalls Karriere am Hof. Zunächst wurde er militärischer Befehlshaber, dann beförderte Akbar ihn zum Gouverneur von Kabul. Eine enge familiäre Bindung zwischen Akbar und Zain ud-Dîn war also im Interesse beider.

Salîm und Sâhib-i Dschamâls Ehe

Leider sind die Quellen nicht sehr auskunftsfreudig in Bezug auf Sâhib-i Dschamâls Charakter oder den weiteren Verlauf dieser Ehe. Das, was wir erfahren, ist, dass Sâhib-i Dschamâl zwei Kinder zur Welt brachte: zum einen eine Tochter, die allerdings bereits während ihrer Kindheit starb – zum anderen Dschahângîrs zweiten Sohn Parvîz Mîrzâ (1589-1626). Parvîz wurde in Kabul geboren, und wir wissen somit nicht, ob Sâhib-i Dschamâl ständig am Hof Dschahângîrs lebte.

Wie oben bereits erwähnt, war Dschahângîr für seine Impulsivität in Bezug auf Frauen bekannt. 1596 verliebte sich Dschahângîr erneut unsterblich in eine Frau – und wollte sie sofort heiraten. Doch sein Vater Akbar war dieses Mal gegen die Eheschließung. Was war der Grund dafür?

Salîm verliebt sich in Khâs Mahal

Salîm Angebetete, die später den Titel Khâs Mahal erhielt, war die Tochter von Akbars oben erwähntem Milchbruder Zain ud-Dîn Kokâ – also die Cousine 2. Grades von Sâhib-i Dschamâl . Akbar war dagegen, dass sein Sohn gleich zwei miteinander verwandte Frauen heiratete. Er verweigerte zunächst die Zustimmung. Dschahângîr betonte jedoch dass sein “Herz von dieser Liebe übermäßig betroffen” sei, und schließlich gab Akbar nach.

Dschahângîr durfte Zain ud-Dîn Kokâs Tochter heiraten. Die Hochzeit fand am 28. Juni 1596 im Palast von Akbars Mutter Hamîda Bâno Begum statt. Die Feierlichkeiten sollen besonders prunktvoll gewesen sein. Während der Zeremonie erhielt Zain ud-Dîn Kokâs Tochter (deren eigentlichen Namen wir ebenfalls nicht kennen) von Akbar den Titel Khâs Mahal (“Exzellenz des Palastes”).

Wie Sâhib-i Mahal, ihre Cousine 2. Grades, verfügte auch Khâs Mahal nicht über eine außergewöhnliche Schönheit, sondern auch über eine umfangreiche Bildung. Zudem kannten beide Frauen die Hofetikette. In den Augen der Briten, die Dschahângîr in dessen letzten Regierungsjahren besuchten, war Khâs Mahal eine der wichtigsten vier Frauen Dschahângîrs, dennoch haben wir nur wenige Informationen.

Sâhib-i Mahal starb bereits 1599. Noch heute kann man ihr Grabmal in Lahore besichtigen. Über das Todesdatum Khâs Mahals wissen wir nichts, sie lebte aber noch 1642 in der Regierungszeit von Salîms Dschahângîrs Sohn Schâh Dschahân (st. 1666). Über eventuelle Kinder Khâs Mahals erfahren wir ebenfalls nichts – es ist somit davon auszugeben, dass sie entweder kinderlos blieb oder die Kinder schon sehr früh verstarben.

Wie sich die Ehe der beiden Cousinen Sahib-i Dschamâl und Khâs Mahal mit demselben Mann auf ihre Beziehung auswirkte, bleibt ebenfalls unbekannt.

Also muss man auf die Entdeckung neuer Quellen hoffen, um mehr über das Leben im Mogulharem zu erfahren.

Beitragsbild

Das Beitragsbild zeigt Sahib-i Dschamâls Sohn Parvîz Mîrza – es unterliegt der Wikimedia Commons License.

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Jodhas letzte Ruhestätte? Das Grab Maryam uz-Zamânîs

Auch nach dem berühmten Film Jodhaa Akbar von Ashutosh Gowariker aus dem Jahr 2008 und der Serie Jodha Akbar (2013-2015) ist die historische Figur der Jodha umstritten. So gibt es nach wie vor Zweifel daran, dass der muslimische Mogulkaiser Akbar (st. 1605) die Tochter eines Rajputenfürsten geheiratet hatte. Viele Historiker sind jedoch zwischenzeitlich überein gekommen, dass Akbar Harka Bai oder Hira Kunwari, die Tochter des Rajas von Amber, Bharmal (st. 1574), offiziell nach islamischem Recht geheiratet hatte. Uneinigkeit herrscht nach wie vor darüber, ob Harka Bai denn wirklich den Beinamen Jodha Bai getragen hat.

Der Mangel an verlässichen Quellen über Jodha

Durch den Mangel an verlässlichen Quellen wird die Sache nicht einfacher. Sowohl Akbars Biographie Akbar-nâma von Abû l-Fazl als auch die seines Sohnes Salîm / Dschahângîrs, Dschahângîr-nâma, erwähnen eine gewisse Jodha Bai nicht – Dschahângîrs Mutter ist nur mit ihrem Ehrentitel Maryam uz-Zamânî (“Maria ihrer Zeit “) bekannt. Diesen Ehrentitel erhielt sie nach Salîms / Dschahângîrs Geburt – wobei manche Quellen behaupten, sie habe den Titel erst nach ihrem Tod erhalten. Trotz dieses Titels und trotz der Tatsache, dass sie den Thronfolger geboren hatte, war Jodha nicht Akbars Hauptfrau. Dieses blieb Akbars Cousine und erste Ehefrau, Ruqaiya Begum, die als Pâdschâh Begum bekannt war.

Über Maryam uz-Zamânîs Bedeutung, ihr eigenes Einkommen und ihre Handelsaktivitäten hatte ich ja hier schon ausführlicher geschrieben. Ansonsten erfahren wir von Dschahângîr nur wenig über seine Mutter. Interessant ist, dass während Dschahângîrs Regierungszeit alle wichtigen Familienfeiern im Palastteil Maryams am Hof in Agra stattfanden.

Leider ist Dschahângîr in Bezug auf persönliche Details und Anekdoten über seine Mutter sehr wortkarg – wir erfahren nichts über ihr Leben und ihren Alltag am Hof.

Selbst über den Tod seiner Mutter verliert Dschahângîr kaum ein Wort. Wir erfahren lediglich, dass sie am 19. Mai 1623 verstorben ist.

Zu dieser Zeit erreichte uns die Nachricht aus Agra, dass Ihre Majestät Maryam uz-Zamânî verstorben ist. Möge Gott sie mit einem Meer von Barmherzigkeit überschwemmen!

The Jahangirnama / Ed. and transl. Wheeler M. Thackston. Oxford: OUP, 1999, S. 397, Übersetzung aus dem Englischen CP

Maryam uz-Zamânî wurde über 80 Jahre alt. Sie überlebte Akbar 18 Jahre.

Jodhas/ Maryams Grabmal in Sikandra

Aus Akbars Biographie wissen wir, dass er selbt persönlich den Leichnam enger Verwandter, wie den seiner Mutter, seiner Ziehmütter oder Tante zum Grab geleitete. Dschahângîr geleitete den Leichnam seiner Mutter Maryam uz-Zamânî nicht zu ihrem Grab – er hielt sich zum Zeitpunkt auf einer Militärmission in Ajmer auf.

Interessant ist, dass Maryam uz-Zamânî nicht, wie im Hinduismus üblich, verbrannt, sondern bestattet wurde. Dieses lässt Raum für Spekulationen über ihre Religionsangehörigkeit – und könnte auch aufzeigen, dass Jodha Bai / Maryam uz-Zamânî im Laufe ihrer Ehe mit Akbar zum Islam konvertiert war.

Wie allgemein üblich, wurde ein Leichnam der kaiserlichen Familie provisorisch innerhalb eines Tages bestattet, zumindest wenn noch kein Grabmal erbaut worden war. Es war und ist bis heute in der muslimischen Gemeinschaft Indiens nicht üblich, Männer und Frauen gemeinsam zu bestatten, vor allem die Bestattung mit den Ehepartnern ist ungewöhnlich. So sind in Akbars Grab mit ihm zwei seiner unverheirateten Töchter, eine Ur-Ur-Enkelin sowie andere männliche Nachfahren bestattet.

Doch zurück zu Maryam uz-Zamânîs Grab. Dieses wurde von Dschanhângîr kurz nach dem Tod seiner Mutter in Auftrag gegeben. Die Bauzeit betrug vier Jahre.

Interessant ist, dass Dschahângîr kein neues Grabmal bauen ließ, sondern ein bestehendes Monument zu einem Grab umgestaltete. Das Grab Maryam uz-Zamânîs befindet sich nur einen knappen Kilometer von Akbars Grab entfernt – und ist somit das einzige Grab von Akbars Ehefrauen, das sich in der Nähe seines Grabes befindet. Dschahângîr wählte für das Grabmal seiner Mutter einen offenen Pavillion (baradari), der bereits Ende des 15. Jahrhunderts vom (muslimischen) Herrscher des Delhi Sultanats, Sikander Lodî (st. 1517) erbaut worden war. Auf diese Struktur wurden kleine kuppelförmige Pavillions, so genannte chhattris, aufgesetzt (auf dem Beitragsbild zu sehen).

Das ganze Grabmal hat drei Grabsteine: einen in der unteren Grabkammer, in der sich das eigentliche Grab Maryam uz-Zamânîs befindet, einen am Kenotaph (Scheingrab) genau über der Grabkammer und einen am Scheingrab auf einer Terrasse.

Die Verzierungen der Wände enthalten viele Blumenmotive und geometrische Formen, die auf den vorherigen Gebrauch des Gebäudes als Pavillion hindeuten. Dschahângîr gestaltete den ganzen Grabkomplex inklusive der Gartenanlage im klassischen Mogulstil. Für knapp 200 Jahre blieb das Grab in der errichteten Form bestehen.

War Jodha / Maryam uz-Zamânî eine Christin?

Während der britischen Kolonialzeit, also irgendwann nach 1857, wurde das Grabmal an die Church Missionary Society übergeben. Diese errichtete einen großen Komplex rund um das Grab. Noch heute existieren dort eine Schule und eine Kirche. In der Grabstelle Maryam uz-Zamânîs wurde die Krypta geschlossen.

Heutzutage ist das Grab wieder eine Grabstätte, die unter der offiziellen Beaufsichtigung des Archaeological Survey of India steht. Es ist somit ein geschütztes Denkmal, das au

Dass das Grab der christlichen Church Missionary Society übergeben wurde, liegt wahrscheinlich an einem Missverständnis: so war man bei der Church Missionary Society überzeugt, dass Maryam uz-Zamânî eine christliche Frau Akbars gewesen sei. Dieser Irrtum ging laut Frederic Fanthome auf die portugiesischen Jesuiten-Mönche zurück, die sich an Akbars Hof aufhielten. Sie erkannten zwar, dass Maryam die arabisch-persische Variante des Namens Maria ist, ihnen war aber wohl nicht bekannt, dass Maria (Maryam) auch im Islam eine bedeutende Rolle hat. Die gesamte Sure 19 ist nach ihr benannt, die Jungfrauengeburt Jesu ist in Sure 21 erwähnt.

Wie dem auch sei, in den Originalquellen gibt es keinerlei Hinweise auf eine christliche Ehefrau Akbars – und genauso wenig darauf, dass Jodha/Maryam uz-Zamânî eine Christin gewesen ist.

Wie fast immer am Ende eines Beitrages muss ich schreiben, dass es in den Quellen noch viel Neues zu entdecken gibt – vielleicht erfahren wir eines Tages ja noch mehr über Jodha, Maryam uz-Zamânî und die Grabstelle in Sikandra.

Literatur:

Fanthome, Frederic: Reminescences of Agra. 2nd ed. Calcutta: Thacker & Spink, 1895.

Smith, Edmund W.: Akbar’s Tomb at Sikandrah, near Agra. Allahabad, 1909. (Archaeological Survey of India)

Das Beitragsbild zeigt ein Detail des Grabes von Maryam uz-Zamânî.

Es unterliegt der Creative Commons License. 4.0 / Wikijib / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

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Gefährliche Liebschaften: die Affären zweier Mogulprinzessinnen (17. Jh.)

Kürzlich habe ich in einem Beitrag einiges zum Klatsch um das Sexualleben des Mogulherrschers Schâh Dschahân (reg. 1628-1658) geschrieben. Im Fokus des Beitrags stand auch die angebliche sexuelle inzestuöse Beziehung des Herrschers zu seiner Tochter Dschahânârâ Begum (st. 1681). Ich hatte schon in dem Beitrag auf die Rolle der beiden Reisenden Francois Bernier (st. 1688) und Niccolò Manucci (st. 1717) verwiesen. Diese behaupteten beide, ihr Wissen aus engsten Hofkreisen bekommen zu haben.

In diesem Beitrag geht es um die angeblichen Affären und Liebschaften, die zwei der Mogulprinzessinnen im 17. Jahrhundert erlebten, nämlich um die Schwestern Roschanârâ Begum (1617-1671) und Dschahânârâ Begum. Diese waren wie oben erwähnt die Töchter des Mogulherrschers Schâh Dschahân und seiner Frau Mumtâz Mahal, für die das Taj Mahall erbaut wurde – und somit auch die Enkelinnen von Dschahângîr (st. 1627) und die Urenkelinnen Akbars (st. 1605).

Dschahânârâ Begum – die ältere Prinzessin wird bevorzugt

Roschanâra Begum war die zweite Tochter Schâh Dschahâns und Mumtâz Mahals. Ihr Vater schien jedoch Zeit seines Lebens seine ältere Tochter Dschahânâra Begum zu bevorzugen: sie war es ja, die nach dem Tod der Mutter Mumtâz Mahal die “First Lady” des Mogulreiches wurde. Schâh Dschahân bevorzugte sie jedoch auch in finanzieller Hinsicht: es sind mehrere Gelegenheiten bekannt, an denen Schâh Dschahân Dschahânârâ mit Gold, Schmuck und Edelsteinen überhäufte. Über Roschanârâ uns solche Geschichten nicht bekannt.

Auch unsere beiden europäischen Reisenden Bernier und Manucci nahmen die Unterschiede der beiden Mogulprinzessinen wahr. Dschahânâra wurde von beiden Europäern übereinstimmend als hübschere der beiden Schwestern beschrieben. Roschanârâ, so berichteten sowohl Manucci als auch Bernier, sei zwar nicht so gut aussehend wie Dschahânârâ, aber mindestens genauso intelligent und schlagfertig gewesen. Manucci schrieb, dass Roschânârâ einen größeren Sinn für Humor und Scherze gehabt habe als ihre Schwester. Sowohl Manucci als auch Bernier deuten an, dass Roshanârâ wie ihre ältere Schwester heimliche Liebschaften im Palast einging. Doch zumindest für die Lebenszeit ihres Vaters Schâh Dschahân sind uns keine Einzelheiten bekannt.

Dieses sieht bei Dschahânâra Begum anders aus.

Zwei “tödliche” Affären Dschahanârâs

Sowohl Bernier als auch Manucci berichten von Gerüchten über viele Affären Dschahânârâs noch zu Lebzeiten Schâh Dschahâns. Doch Bernier schildert gleich zwei Affären, die tödlich endeten – in beiden Fällen für die jeweiligen Liebhaber. Lassen wir Bernier persönlich zu Wort kommen (Bernier: Travels, S. 12, Übersetzung aus dem Englischen von CP)

Es wird erzählt, dass die Begum-Saheb (also Dschahânârâ Begum, CP), obwohl sie eingeschränkt im Serail (im Harem, CP) lebte und von Frauen bewacht wurde, Besuche von einem jungen Mann empfing, der zwar nicht von hohem Rang, aber eine akzeptable Person war. Es war kaum möglich, dass ihr Verhalten unentdeckt blieb, da sie von Frauen umgeben war, deren Neid sie erweckte. Schâh Dschahân erfuhr von ihrer Schuld, und betrat sehr entschlossen ihre Gemächer zu einer ungewohnten und unerwarteten Zeit. Das geschah zu schnell, um zu ihr zu ermöglichen, dieses zu vertuschen. Der verschreckte Liebhaber flüchtete sich in einen großen Kessel, der normalerweise für Bäder benutzt wude. Der König ließ weder Überraschung noch Ablehnung noch Unmut erkennen – er unterhielt sich mit seiner Tochter über ganz normale Themen.

Doch dann beendete er das Gespräch damit, dass er sie (Dschahânârâ) darauf hinwies, dass der Zustand ihrer Haut darauf hinwies, das sie ihre üblichen Waschungen vernachlässigt habe, und ein Bad nehmen müsse. Dann forderte er (Schâh Dschahân) einen Eunuch auf, ein Feuer unter dem Kessel anzuzünden – und er zog sich nicht eher zurück, bis man ihm zu verstehen gegeben hatte, dass sein armes Opfer nicht mehr lebte.

Bernie: Travels, S. 12.

Auch die zweite angebliche Affäre endete wie erwähnt tödlich für den angeblichen Liebhaber. So soll Dschahânârâ eine Affäre mit einem jungen Mann aus der Hofverwaltung gehabt haben – einem Perser namens Nâzir Khân, der zwar nicht adeliger Herkunft, aber eine “akzeptable Person” war. Schâh Dschahâns Onkel Schâita Khân, der ebenfalls persischer Herkunft war, war der Ansicht, dass der junge Mann einen guten Ehemann für Dschahânârâ Begum abgeben würde. Als Schâh Dschahân dieser Vorschlag unterbreitet wurde, reagierte er wenig erfreut. Ihm waren bereits Gerüchte über die Beziehung der beiden zu Ohren gekommen.

So servierte Schâh Dschahân Nâzir Khân am Ende des Abends pân, was eigentlich eine große Ehre ist. Pân besteht aus den Blättern der Betelpalme, die aufgerollt und mit verschiedenen Füllungen versehen werden – unter anderem mit Scheiben der Nuss der Betelpalme – oder manchmal auch mit Opium. Pân regt den Speichelfluss an und fördert die Verdauung. Nâzir Khân sollte jedoch nicht in den Genuß der Vorteile von pân kommen – denn das vorgebliche Ehrung von Schâh Dschahân enthielt ein langsam wirkendes Gift. Der junge Mann erlebte nach Schilderung Manuccis jedenfalls den nächsten Morgen nicht mehr.

Roschânânrâs letzte Äffäre

Berniers detaillierte Schilderung wurde von Manucci nicht bestätigt. Manucci war vielmehr der Ansicht, dass diese Anekdoten reine Erfindungen waren – Schâh Dschahân hätte, so Manucci, Dschahânârâ Begum niemals durch die öffentlichen “Hinrichtungen” ihrer Liebhaber gedemütigt.

Dass solche Gerüchte überhaupt entstanden, hatte mit der Nachfolge Schâh Dschahâns zu tun. Während Dschahânârâ ihren Bruder Dâra Schikoh unterstützte, verhalf Roschanârâ ihrem Bruder Aurangzeb zur Macht – und wurde später seine “First Lady” Pâdschâh Begum. Auch zwischen Aurangzeb und Dschahânârâ fand später eine Versöhnung statt.

Aurangzeb, der als strenger Muslim bekannt war (darüber später einmal), duldete keine Musik, kein Glücksspiel, keinen Alkohol und keine Affären seiner beiden Schwestern. Auch das machte er deutlich klar.

Roschanârâ hatte bereits, so schrieben sowohl Manucci als auch Bernier, eine Warnung ihres Bruders erhalten, als sie zwei Männer über Tage in ihren privaten Gemächern versteckt hielt.

Diese Warnungen ignorierte Roschanârâ nachdrücklich, denn 1671 versteckte sie über mehrere Tage 9 junge Männer in ihren Räumen. Eine von Aurangzebs Töchtern erfuhr davon. Sie fragte ihre Tante, ob sie ihr nicht zwei der jungen Männer überlassen könne. Als Roschanâra dieses ablehnte, erzählte Auranzebs Tochter ihrem Vater von Roschanârâs Verfehlungen.

Aurangzeb ließ in der darauffolgenden Zeit alle 9 Männer foltern und töten. Diesmal wurde auch Roschanâra für ihre Affären bestraft: Aurangzeb ließ Roschanâra vergiften. Sie starb “aufgedunsen wie ein Faß” am 11. September 1671.

Das Beispiel der Schwestern Dschahânârâ und Roschanârâ zeigt, dass die Frauen des Harem am Mogulhof sich zwar einige Freiheiten und Handlungsspielraum erkämpfen konnten, der Bereich der Sexualität aber von Männern reglementiert und kontrolliert wurde.

Inwieweit es doch Ausnahmen gab, müssen weitere Forschungen in den verschiedenen Quellen zeigen.

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Literatur:

Bernier, Francois: Travels in the Mogul Empire, AD 1656-1668. Oxford: OUP, 1916.

Lal, Ruby: Domesticity and Power in the Early Mughal World. Cambridge: CUP, 2005.

Das Beitragsbild zeigt ein Bild Roschanârâ Begums von Abbé Antoine François Prévost – es ist Public Domain.

Ein vorhergesagter Tod? Dschahângîr, seine Ehefrau Sâliha Bâno und die Astrologie

Zwanzig Ehefrauen hatte er, der indische Mogulherrscher Salim, besser bekannt unter seinem Herrschernamen Nûr ud-Dîn Dschahângîr (regierte 1605-1627). Auf diesem Blog haben Susanne und ich schon häufiger über Dschahângîr gebloggt: sei es über seinen Alkoholkonsum, seine (angebliche) Affäre mit Anarkali, der Kurtisane seines Vaters Akbar, seine unglückliche Ehe mit seiner Cousine Mân Bai, die mit ihrem Selbstmord endete, seine Ehe mit Jagat Gosain und schließlich die letzte und zwanzigste Ehe mit Nûr Dschahân, von der Dschahângîr, wie man heute sagen würde, emotional abhängig war.

Heute soll es um eine von Dschahângiîrs unbekannteren Ehefrauen gehen, die dennoch am Hof von großer Bedeutung war: Sâliha Bâno Begum (st. 1620).

Was wissen wir über Sâliha Bâno Begum?

Leider sind die Quellen über Sâliha Bâno Begum nicht sehr ausführlich – wie wir später sehen, wissen wir die meisten Details zu ihrem Tod.

Noch nicht einmal ihr Geburtsjahr ist bekannt. Über ihre Familie wissen wir zumindest einiges: bereits Sâlihas Großvater hatte unter Akbar am Mogulhof gedient, ebenso ihr Vater Qâ’im Khân. Über Sâlihas Bruder ‘Abd ur-Rahîm wurde gesagt, dass er in die Kreise des Mogulhofs hineingeboren wurde. Nach der Hochzeit Dschahângîrs mit seiner Schwester stieg Abd ur-Rahîm weiter die Karriereleiter am Hof auf und erhielt den Ehrentitel Tarbîyat Khân.

Durch die hohe Stellung erhielt Sâliha Bâno Begum die übliche Ausbildung der Frauen des Moguladels, die neben religiöser Grundbildung auch Poesie und Musik umfasste.

Bekannt ist, dass Dschahângîr Sâliha Bâno 1608 heirate, als er bereits 39 Jahre alt und im dritten Jahr seiner Herrschaft war. Zu dieser Zeit hatte er bereits die meisten seiner zwanzig Frauen geheiratet. Auch vier potentielle Thronfolger waren bereits geboren.

In den offiziellen Quellen findet sich auch nichts zu Nachkommen von Dschahângîr und Sâliha Bâno Begum – es ist aber wahrscheinlich, dass eventuelle Kinder bereits im Säuglingsalter starben.

Sâliha Bâno hatte also wahrscheinlich keine eigenen Kinder, aber war für die Erziehung ihres Neffen (den Sohn Tarbiyat Khâns) im königlichen Harem verantwortlich.

Sâliha Bâno Begum als Pâdshâh Begum Dschahângîrs

Obwohl Sâliha Begum zeitlich gesehen nicht zu den ersten Frauen Dschahângîrs zählte und auch keinen potentiellen Thronerben zur Welt brachte, ernannte Dschahângîr sie zur offiziellen Kaiserin und damit zu seiner Hauptfrau. Das ging mit dem offiziellen Titel Pâdshâh Begum oder Pâdshâh Mahall einher. Sâliha Bâno war somit Dschahângîrs Hauptfrau – so wie Ruqaiya Begum diejenige Akbars gewesen war.

Scheinbar waren Dschahângîr und Sâliha Bâno Begum auf eine besondere Weise verbunden, die sich heute anhand der offiziellen Quellen nicht mehr nachvollziehen lässt.

1611 wurde die Beziehung zwischen Sâliha Bâno und ihrem Ehemann auf eine harte Probe gestellt, denn Dschahângîr verliebte sich in Nûr Dschahân und heiratete sie nur kurze Zeit später. Jagat Gosain war dafür bekannt, dass sie ständig im Harem spitze Bemerkungen zu der neuen Favoritin Dschahângîrs machte, allerdings konnte keine der Frauen den zunehmenden Einfluss Nûr Dschahâns am Hof verhindern.

William Hawkins, der Gesandte der britischen East India Company am Hof Dschahângîrs, berichtete von vier Hauptfrauen des Herrschers, wobei er Sâliha als Pâdshâh Begum zuerst erwähnte, dann Nûr Dschahân, und erst dann zwei seiner früheren Ehefrauen, auf die wir hier nicht eingehen wollen.

Leider liegen uns wie gesagt keine weiteren Infos zum Leben der Frauen im Harem und ihren Rivalitäten vor. Weitere Informationen zur Biographie Sâliha Bâno Begums haben wir leider erst aus dem Jahr 1620 – anlässlich ihres Todes.

Astrologen, Prophezeiungen und der Tod Sâliha Bâno Begums

Aus dem Dschahângîr-nâma, den Memoieren Dschahângîrs, erfahren wir, dass Sâliha Bâno Begum am 1. Juni (1620) starb, und dass Dschahângîr sehr betroffen war:

Am Mittwoch, dem 1. Juni starb Padishah Begum, and der Schmerz über dieses traurige Ereignis belastete mich sehr. Ich hoffe sehr, dass Gott der Allmächtige sich ihrer erbarmen wird.

Was diesen Eintrag so besonders macht, ist dass Dschahângîr eine Prophezeiung seines Astrologen überlieferte, die zu diesem Zeitpunkt ein paar Monate alt war und – wie Dschahângîr meinte – den Tod Sâlihas voraussagte. Was war passiert?

Zunächst einmal war es seit Akbar üblich, einen “kaiserlichen Astrologen” am Hofe zu ernennen. Der offizielle Titel dieser Astrologen, die immer aus der Religionsgemeinschaft der Hindus stammte, war Jyotisaraja. In den persischen Herrschermemoiren war die Bezeichnung dafür Joti Rai.

Wie sein Vater Akbar legte Dschahângir großen Wert auf die Weissagungen der Astrologen – vor allem, wenn sich die Prophezeiungen als wahr erwiesen: als Dschahângîr einmal schwer erkrankte, prophezeite der Joti Rai eine schnelle Genesung – als diese dann tatsächlich eintraf, ließ Dschahângîr den Astrologen in 500 Gold- und 7000 Silbermünzen aufwiegen.

Eine weitere Prophezeiung trat kurz von Sâliha Bâno Begums Tod ein. Der gesamte Haushalt Dschahângîrs befand sich auf einer Reise nach Kaschmir. An einem Tag fiel der etwa dreijährige Enkel Dschahângîrs, Schâh Schudschâ’, aus dem Fenster, landete aber halb auf einem Teppich, halb auf einem Diener. Der Astrologe sagte vorher, dass der Prinz schnell wieder geheilt würde. Obwohl die Verletzungen Schâh Schudschâ’s sehr schwer waren, beharrte der Jotik Rai darauf, dass er wieder komplett gesund werden würde. Als die Heilung eintrat, ließ Dschahângîr den Astrologen gegen Silbermünzen aufwiegen.

Wir wissen nicht, ob Sâliha Bâno Begum ebenfalls mit nach Kaschmir gereist war. Der Jotik Rai verkündete zur Zeit der Erkrankung Schâh Schudschâ’s eine Prophezeiung, dass “ein Bewohner des Harems der Keuschheit in die himmlischen Gefilde entschwinden” würde. Als Sâliha Bâno bald darauf verstarb, war Dschahângîr erschrocken und betroffen – auch darüber, dass der Jotik Rai erneut scheinbar Recht hatte.

Seine Betroffenheit über den Tod Sâliha Bâno Begums brachte Dschahângîr in seinen Memoiren zum Ausdruck – und beschrieb ihren Tod ausführlicher als z.B. den Jagat Gosains.

Den Titel seiner Hauptfrau, der Pâdshâh Begum, übergab Dschahângîr an Nûr Dschahân.

Die Moguln behielten die Position des Hofastrologen, des Jotik Rai, weiterhin bei.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Dschahângîrs, gemalt von Abû l-Hasan. Es ist Public Domain.

Abu al-Hasan (1589-1630) / Public domain

Literatur:

Jahangir: The Jahangirnama. Memoirs of Jahangir, Emperor of India / Translated by Wheeler M. Thackston New York [et al.]: Oxford Univ. Press, 1999.

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Die Pest in Agra: Infektion, üble Ausdünstungen und Ansteckung im 17. Jahrhundert

Während die Covid-19-Pandemie derzeit in weltweit in immer mehr Ländern Infizierte und Todesopfer fordert, zweifeln gleichzeitig immer mehr Menschen die Gefährlichkeit des Virus sowie die Erkenntnisse der Wissenschaft über Reproduktionsraten bzw. die Letalität (“Tödlichkeit”) des Virus SARS-CoV-2 an.

Kritik an der der Wissenschaft?!

Diese Kritik am wissenschaftlichem Arbeiten resultiert häufig aus einer Unkenntnis heraus, wie es funktioniert: der Weg zur Erkenntnis, zur “Wahrheit” über Infektion, Diagnose und Behandlung einer Krankheit hat viele Umwege und Fehlschläge. Viele Erkenntnisse der heutigen “westlichen” Medizin, auch Biomedizin oder Schulmedizin genannt, haben sich erst nach jahrhundertelanger Forschung durchgesetzt. Es gehört  zum wissenschaftlichen Arbeiten dazu, die eigenen Forschungsergebnisse immer wieder kritisch zu hinterfragen, zu überprüfen und eventuell auch zu korrigieren, wenn sich andere Beobachtungen bzw. Quellen ergeben.

In meinem heutigen Blogbeitrag geht es um Infektionen mit der Pest – mit Sicherheit eine der tödlichsten Krankheiten in der Menschheitsgeschichte. Leider bricht diese Krankheit auch heute immer wieder in Indien aus. Es ist interessant, dass der indo-islamische Mogulherrscher Dschahângîr (st. 1627) in seiner Hauptstadt Agra beim Ausbruch der Pest Infektionswege beobachtete und in seiner Chronik niederschrieb .

Die graeco-islamische Medizin und Infektionen

Bis heute ist in Südasien die graeco-islamische Medizin (Englisch: Unani Medicine, Tibb-e yûnânî) eine der Medizintraditionen, die staatliche Förderung erhalten und neben der “Schulmedizin”  im Alltag etabliert ist.  Zur Zeit der Mogulherrscher, also vom 15. bis ins 19. Jahrhundert, war die graeco-arabische Medizin auch das vorherrschende System am Mogulhof. Parallel wurde natürlich auch Ayurveda weiterhin praktiziert. Ihren Ursprung hatte die graeco-islamische Medizin in den Lehren der griechischen und römischen Antike, wie Hippokrates (Buqrât, st. ca. 370 v. Chr.) oder Galen (Dschalînus, st. 129 n. Chr.).

Die graeco-islamische Medizin basiert auf der Annahme, dass es im Körper vier Körpersäfte gibt,  die von den Organen Leber, Lunge, Galle und Herz produziert wurden: Gelbe Galle, Schwarze Galle, Blut und Phlegma waren die Körpersäfte. Waren sie im Gleichgewicht, so die Lehre der Unani Medicine, war der Körper gesund. Dementsprechend erklärte man sich das Entstehen von Krankheiten durch einen Überschuss eines Körpersafts im Körper: so sei beispielsweise die Cholera durch einen Überschuss an Gelber Galle verursacht.

Miasma – “üble Ausdünstung”

Es gab aber auch in der Geschichte der graeco-islamischen Medizin Theorien, diejenige vom Ungleichgewicht der Körpersäfte als Infektionsursache als hinausging. Schon Hippokrates  hatte in seinen Schriften von Miasmen (Singular: Miasma) üble Ausdünstungen für Krankheiten und Seuchen verantwortlich gemacht. Diese Dämpfe steigen, so Hippokrates, von fauliger Luft und fauligem Wasser auf und sorgten dafür, dass auch die Körpersäfte im Körper “verklebten” oder sogar “versteinerten”. Diesen Vorstellungen von üblen, schädlichen Dämpfen folgten bereits in der Antike und im Mittelalter Regelungen zur Quarantäne: Kranke wurden von Gesunden getrennt, Leichen von Seuchenkranken vor den Stadtmauern verbrannt. Diese Ideen von Quarantäne wurden sowohl in Europa  als auch in islamisch geprägten Kulturen praktiziert, zumal auch Ibn Sînâ, im Westen bekannt als Avicenna (st. 1037) in seinem Werk al-Qânûn fi-t-tibb (“Der Kanon der Medizin”) die Notwendigkeit der Quarantäne bei Seuchen beschrieb.

Dieses Werk ist auch in Südasien für die graeco-islamische Medizin ein wichtiges Grundlagenwerk.

Bakterien als Ursache der Infektion

Die Theorien der Miasmen hielt sich sowohl in der europäischen als auch in indischen Medizintradition sehr lange – Bakterien als Seuchenursache wurden erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Bereits in den 1660ern hatte der niederländische Textilhändler Antoni van Leeuwenhoek (st. 1723) die Existenz von Bakterien nachgewiesen. Doch auch der Ausbruch großer Choleraepidemien sowohl in Großbritannien als auch in Indien ab den 1820ern konnten denjenigen, die von Bakterien als Infektionsursache überzeugt waren, mit ihren Forschungen noch nicht zum Durchbruch verhelfen. Sowohl Robert Koch, Ignaz Semmelweis und Louis Pasteur konnten ebenfalls Mikroorganismen nachweisen, doch zumindest für Großbritannien und seine Kolonien waren die Forschungen von John Snow (ja wirklich, st. 1858) maßgeblich: er entdeckte, dass die Wasserqualität in London und die dortigen Choleraausbrüche unmittelbar miteinander zusammenhingen – und Bakterien dafür verantwortlich waren. Snows Beobachtungen führten schließlich dazu, dass sowohl in Großbritannien als auch in den indischen Kolonien Maßnahmen zur öffentlichen Hygiene getroffen wurden und ein ein Sanitärsystem errichtet wurde.

Was die Pest angeht, so wurde der Pesterreger Yersinia pestis erst im Jahr 1894 entdeckt – und nach seinem Entdecker Alexandre Émile Jean Yersin (st. 1943) benannt.

Zoonosen – Infektion von Tier zu Mensch und Mensch zu Tier

Yersin gelang es in einem Wettstreit mit vielen internationalen Wissenschaftlern, den Erreger der Pest aus den Lymphknoten Pestkranker zu isolieren. Er wies ebenso nach, dass derselbe Erreger für das Rattensterben in Hongkong verantwortlich war und belegte dadurch, dass durch den Biss von Rattenflöhen die Pest von Tieren auf Menschen übertragbar war. Ebenso überträgt sich die Pest aber auch von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion.

Dieser Typ von Erkrankungen, die von Tier zu Mensch (und umgekehrt) übertragbar sind, nennt man Zoonosen. Neben der Pest sind Salmonellen ein weiteres Beispiel. Wie auch in Europa war die Pest in Südasien weit verbreitet.

Ratten, Infektion und Dschahângîrs Memoiren

Auch unter der der Herrschaft der indischen Moguln forderten zahlreiche Ausbrüche der Pest unzählige Opfer. In den Chroniken des Herrschers Akbar (st. 1605) gibt es keine medizinischen Erklärungen zu diesen Pestausbrüchen, sondern es wird vom Chronisten Abû l-Fazl ein Zusammenhang zwischen der Konstellation von Planeten, dem Auftreten von Kometen und Epedemien hergestellt (The Akbarnama of Abul Fazl, translated by H. Beveridge, Vol.3, S. 313).

1616, also unter der Herrschaft von Akbars Sohn Dschahângîr , kam es zu einem großen Pestausbruch im Punjab. Die Epidemie verbreitete sich schnell bis in Dschahângîrs Hauptstadt Agra. Dschahângîr berichtete in seinen Memoiren, im Dschahângîr-nâma über diesen Ausbruch. Es ist interessant, dass man anhand dieser Beschreibung auf eine Übertragung von Tier zu Mensch schließen konnte – ohne, dass dieses zu diesem Zeitpunkt in der “westlichen” Medizin bekannt gewesen wäre.

Dschahângîr machte die beschriebenen Beobachtungen der Pestinfektion durch Ratten bzw. Mäuse nicht selbst, sondern die Tochter seines Schwagers Âsaf Khân berichtete von diesen Ereignissen (Âsaf Khân war der Bruder von Dschahângîrs bedeutender Ehefrau Nûr Dschahân) Dschahângîr fand diese Beschreibung “erstaunlich” :

Die Tochter des verstorbenen Âsaf -Khân, die sich im Hause des ‘Abdullah, des Sohnen von Khân-e A’zam aufhält, hat einen erstaunlichen und befremdlichen Bericht gegeben und hat seine Richtigkeit (tashîh) aufs äußerste bekräftigt. Er wird (hier) wegen seiner merkwürdigen Inhalte (gharâ’eb) verzeichnet. Sie sagte:

Eines Tages kam im Hof des Hauses eine Maus (oder Ratte, mûs) ins Blickfeld, die verwirrt, in der Art der Betrunkenheit immer wieder hinfallend und aufstehend, in alle Richtungen lief und nicht wusste, wohin sie gehen sollte. Ich sagte einer der Dienerinnen, sie solle sie am Schwanz packen und der Katze hinwerfen. Die Katze sprang mit Begeisterung und Freude von ihrem Platz auf und nahm die Maus ins Maul, ließ sie aber sofort wieder los und zeigte Abscheu. Nach und nach traten in ihrem Gesicht die Spuren des Leidens an Schmerzen in Erscheinung. Am folgenden Tag war sie nahe daran zu sterben. Es kam mir in den Sinn, dass man ihr etwas vom besten Theriak (…) geben sollte. Als ihr Maul geöffnet wurde, sahen Gaumen und Zunge schwarz aus, und nachdem sie drei Tage lang in elendem Zustand verbracht hatte, kam sie am vierten Tag wieder zu Bewusstsein. Danach erschein eine Pestbeule (…) an einer Dinerin, und wegen des Übermaßes an Übelkeit und des Anwachsens der Schmerzen fand sie keine Ruhe und Rast. Ihre Hautfarbe veränderte sich zu einem Gelb, das zum Schwarz hinneigte, und sie bekam hohes Fieber. Am folgenden Tag gab sie etwas von oben von sich, und es trat hinten aus (d.h.: sie musste erbrechen und sie hatte Durchfall), und sie starb. In derselben Weise wurden in jenem Haus sieben, acht, Personen zunichte, und einige waren krank, als wir diesen Wohnsitz verließen und in die Gartenanlage zogen. Diejenigen, welche die Krankheit hatten, verstarben im Garten, aber kein anderer mehr bekam die Pestbeulen. Zusammengefasst traten innerhalb von acht, neuen, Tagen siebzehn Personen die Reise ins Jenseits an.

Sie (i.e. die Tochter von Âsaf Khân, C.P.) sagte auch:

Wenn diejenigen, die Beulen bekommen hatten, jemand anderen um Wasser zum Trinken oder Waschen baten, ging es sofort auch auf diesen über (…), und am Ende kam es soweit, dass sich ihnen aus lauter Furcht niemand mehr näherte.

Susanne Kurz, Stefan Reichmuth: Der Fallbericht in der graeco-islamischen Medizin, S. 248-249, Übersetzung aus dem Persischen von Susanne Kurz.

Das detaillierte Beispiel der Übertragung von Bakterien von Tieren auf Menschen zeigt, dass bei weltweit auftretenden Erkrankungen ein Blick in die Quellen / Beobachtungen verschiedener kultureller Kontexte lohnt, um die Erforschung und Heilung von Krankheiten voranzutreiben. Dieses ist in heutigen Zeiten selbstverständlich einfacher als zur Mogulzeit.

Nur durch internationale Zusammenarbeit, die auch unterschiedliche Konzepte von Körper und Krankheit berücksichtigt, kann (medizinische) Forschung erfolgreich sein.

Beitragsbild:

Bâbu Râm: Usûl-i Kokashastra. Muradabad, 1901, S. 19. (British Library)

Literatur:

Abû l-Fazl: The Akbarnama of Abu’l Fazl / transl. by H. Beveridge. 1st ed. Calcutta 1939.

Kurz, Susanne; Stefan Reichmuth. “Zwischen Standardisierung und Literarisierung: Der Fallbericht in der graeco-islamischen Medizin”. In Der ärztliche Fallbericht, ed. by Rudolf Behrens and Carsten Zelle (Wiesbaden: Harrassowitz, 2012), 235 ff.

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Fast wie eine Mutter – Akbars (Stief-)Mutter Bega Begum

Kürzlich habe ich knapp zwei Wochen in New Delhi verbracht. Einer der Höhepunkte meiner Reise war die Besichtigung des Grab des zweiten Mogulherrschers Humâyûn (st. 1556), das unter dem englischen Begriff Humayun’s Tomb bzw. unter dem Urdu-Begriff Maqbara-ye Humâyûn bekannt.

Auf dieses Grab, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, möchte ich in einem eigenen Beitrag eingehen. Heute geht es zunächst um die Frau, die das Grabmal in Auftrag gegeben hat. Dieses war nämlich nicht, wie viele meinen, Hamîda Begum (st. 1604), also die leibliche Mutter des Mogulherrschers Akbar, sondern Bega Begum (st. 1582), die erste Ehefrau des Herrschers.

Anders als Mâh Chûchak, der dritten Ehefrau seines Vaters, lebte Bega Begum fast ununterbrochen mit Humâyûn zusammen und folgte ihm auch an den Hof von Delhi – während ja Mâh Chûchak in Kabul lebte.

Bega Begum hatte nicht nur großen Einfluss auf die anderen Frauen ihrer Generation (z.B. auf Humâyûns zweite Ehefrau und Akbars Mutter, Hamîda Begum und Humâyûns Schwester Gulbadan Bâno), sondern auch auf Akbar selbst, der ja bereits 1556 im Alter von nur 14 Jahren die Nachfolge seines Vaters

Die enge Beziehung zwischen Akbar und Bega Begum wurde auch von Akbars Biographen erwähnt, die sie als “zweite Mutter” Akbars bezeichneten.

Konkurrenz unter Humâyûns Ehefrauen

Dass die Beziehungen der  einzelnen Ehefrauen Humâyûns untereinander nicht immer einfach waren, zeigt das folgende Beispiel aus Akbars Kindheit. So soll Akbar als kleiner Junge einmal unter schweren Zahnschmerzen gelitten haben. Als Bega Begum ihm eine Medizin verabreichen wollte, versuchte Hamîda Begum, sie daran zu hindern – zu groß war die Angst, dass Bega Begum eventuell versuchen könnte, Akbar zu vergiften. Bega Begum trank daraufhin vor Hamîda Begums Augen einen Teil der Medizin – und rieb dann, als sie sich als harmlos erwies, den Rest der Arznei auf Akbars Zähne.

Bega Begams Zuneigung für Akbar mag sicherlich auch damit zusammenhängen, dass ihre eigenen Kinder von Humâyûn nicht überlebt hatten…

Doch der Reihe nach..

Bega Begums Herkunft und die Heirat mit Humâyûn

Bega Begum wurde etwa 1511 geboren, ein genaues Datum liegt uns in den Quellen aber nicht vor. Ihr Vater Yâdgâr Beg war ein persischer Adeliger aus der Provinz Khorasan. Bega Begam war somit eine Cousine ersten Grades ihres späteren Ehemanns Humâyûn. In ihrer Kindheit und Jugend erhielt sie die übliche (religiöse) Ausbildung sowie in Dichtung und Musik. Ein besonderes Interesse Bega Begums galt der Medizin – so lässt sich auch die oben erwähnte Geschichte über die Arznei gegen Akbars Zahnschmerzen erklären.

Als Bega Begum etwa 16 Jahre alt war, heiratete sie ihren Cousin Humâyûn, der zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt war. Die Hochzeit fand in Badakshan statt, wo Humâyûn zu diesem Zeitpunkt Vizekönig war. Bereits im November 1528 brachte Bega Begum ihr erstes Kind zur Welt, einen Sohn namens al-Amân Mirzâ. Die Ankunft des Erben wurde von der gesamten Familie gefeiert – doch al-Amân starb bereits im Säuglingsalter.

1530 wurde Bega Begums Ehemann Humâyûn Kaiser des Mogulreiches. Sie war zu dem Zeitpunkt 19 Jahre, ihr Mann 23 Jahre alt. Humâyûn verlegte den Mittelpunkt des Mogulreiches von Kabul im heutigen Afghanistan nach Agra. Bega Begum begleitete ihren Mann nach Agra, und nur kurze Zeit brachte Begum ihr zweites Kind zur Welt: eine Tochter, die ‘Aqîqa Begum genannt wurde.

Der Verlust der Macht und der Tod ‘Aqîqa Begums

1539 erlitt das Mogulreich unter Humâyûn einen großen Machtverlust. Sher Schâh Sûrî (st. 1545) besiegte Humâyûn und etablierte das Suri-Reich mit der Hauptstadt Delhi. Im Juli 1539 hatte Bega Begum Humâyûn auf eine Militäraktion nach Chausa (heute im indischen Bundesstaat Bengalen) begleitet. Sher Schâh Sûrî konnte während eines Überraschungsangriffes auf Humâyûns Heer etliche der Frauen des Harems gefangen nehmen. Viele Frauen versuchten, sich mit einem Boot vor der Gefangennahme zu retten, doch in den Wirren des Kampfes und der Flucht von Humâyûns Heer sank das Boot und ‘Aqîqa Begum ertrank – erst 8 Jahre alt.

Humâyûn war untröstlich und machte sich Selbstvorwürfe, dass er Frau und Tochter auf den Feldzug mitgenommen hatte.

Doch ihm blieb keine lange Zeit zu trauern: schließlich war auch Bega Begum von Sher Schâh Sûrî gefangen genommen worden – übrigens die erste und einzige Frau eines Mogulherrschers, die jemals von Gegnern des Reiches gefangen genommen wurde. Glauben wir den Quellen, wurde Bega Begam während ihrer Gefangenschaft gut behandelt. Später wurde sie wieder an Humâyûn zurück gegeben.

Doch Humâyûn konnte die Herrschaft über das Reich nicht halten. Nach diversen militärischen Niederlagen verlor Humâyûn eine Mehrheit seiner Anhängerschaft. Humâyun und seine Unterstützer zogen durch Nordindien, das heutige Afghanistan und schließlich ins Exil nach Persien. Nicht zuletzt seine rebellischen Brüder sorgten dafür, dass Humâyun 14 Jahre lang nicht über Indien herrschte.

Bega Begum war die ganze Zeit an der Seite ihres Ehemannes, sie begleitete ihn auch in das Exil an de Hof des safawidischen Herrschers Tahmasp I. (st. 1576). 1541 heirate Humâyûn seine zweite Ehefrau Hamîda Begum, die 1542 den Thronfolger Akbar zur Welt brachte. 1546 heirate der Herrscher Mâh Chuchak Begum, die ebenfalls einen Sohn zur Welt brachte.

Als es Humâyûn schließlich 1554 wieder gelang, Herrscher über Indien zu werden, begleiteten ihn nur Bega Begum und Hamîda Begum nach Agra, Mâh Chuchak verblieb in Kabul. Bereits zwei Jahre später, 1556 wurde Bega Begum Witwe, nachdem Humâyûn nach einem Treppensturz verstarb.

Bega Begum als Witwe Humâyûns

Bereits kurz nach Humâyûns Tod fasste Bega Begum den Entschluss, ein Grabmal für ihren verstorbenen Gatten zu erbauen. Bevor sie ihren ergeizigen Plan umsetzte, ging sie zunächst einmal auf die Pilgerfahrt nach Mekka. Für mehr als drei Jahre war sie auf Reisen. Als sie 1560 nach Indien zurückkam, reiste sie nicht nach Agra an den Hof Akbars, sondern blieb in Delhi, um das Grabmal für Humâyûn errichten zu lassen. Von ihrer Reise hatte Bega Begum zahlreiche iranische und arabische Handwerker mitgebracht, die den von Bega Begum geplanten Bau ausführen sollten. Als Architekten hatte Bega Begum zwei Afghanen ausgesucht.

Über das Grabmal an sich werde ich noch in einem gesonderten Beitrag etwas schreiben. Es ist aber deutlich, dass die Vollendung dieses Bauwerkes das wichtigste Lebenswerk Bega Begums war – zeitweise überwachte sie persönlich die Bauarbeiten und schlug sogar ihr Lager neben der Baustelle auf.

Neben dem Grabmal finanzierte Bega Begum auch den Bau anderer Bauwerke und finanzierte auch viele wohltätige Projekte.

1582 starb sie. Akbar, zu dem sie wie gesagt eine sehr enge Verbindung hatte, war laut Aussagen seiner Biographen untröstlich. Er begleitete den Leichnam zur Bestattung – Bega Begum wurde ebenfalls in dem von ihr finanzierten Grabmal ihres Mannes beigesetzt.


“Szenen einer Ehe”: Bega Begum und Humâyûn

Ich möchte meinen Beitrag mit einer Begebenheit beschließen, die uns Bega Begums Schwägerin Gulbadan Begum in ihrer Biographie Humâyûns beschreibt. Sie schildert ungewohnt deutlich eine eheliche Auseinandersetzung zwischen Bega Begum und ihrem Mann. Es geht darum, dass Humâyûn – ganz gegen das islamische Gebot der Gleichbehandlung aller Ehefrauen durch den Ehemann – Bega Begum vernachlässigte.

Sie begann sich zu beklagen, und sagte zu ihm : seit einigen Tagen habt diesen Garten besucht, aber Ihr seid nicht in unsem Haus erschienen. Es wurden keine Dornen auf dem Weg dahin gepflanzt. Wir hoffen, dass Ihr demächst wieder in unser Haus kommen werdet, und dort eine Feier und soziale Zusammenkünfte abhaltet. Wie lange werdet Ihr uns Hilflosen Eure Ungnade zeigen? Wir haben auch ein Herz. Drei Mal habt Ihr andere Orte (gemeint ist: Eure anderen Frauen, CP) mit Eurer Anwesenheit beehrt und Euch Tag und Nacht mit Amüsement und Unterhaltungen beschäftigt.

Als sie mit ihren Ausführungen fertig war, schwieg der Herrscher – und seine Schwester fügte hinzu: “Jeder wusste, dass seine Majestät verärgert war. Schließlich antwortete Humâyûn seiner Frau Bega Begum:
Mir wurde die Notwendigkeit auferlegt, sie alle glücklich zu machen. Ich schäme mich vor ihnen, dass ich mich so selten bei ihnen blicken lasse. Ich bin ein Opium-Konsument. Falls es zu Verzögerungen bei meinem Kommen und Gehen kommt, seid nicht ärgerlich mit mir.

Gulbadan Begum: Humayun-nama, S. 190, zitiert nach S.S.Gupta: Mahal, eBook.

Diese Antwort ihres Gatten beruhigte Bega Begum scheinbar überhaupt nicht, und sie antworte: “Was für eine Wahl haben wir? Ihr seid der Herrscher! Eure Erklärung erscheint schlimmer als der Fehler!.

Schließlich versöhnten sich die Eheleute wieder… Gulbadan Begums Schilderung macht sehr deutlich, dass der königliche Harem eine Familienangelegenheit war – wie alle anderen Familien auch.

Literatur:

Subhadra S. Gupta: Mahal: Power and Pageantry in the Mughal Harem. Gurugram: Hachette, 2019 (eBook)

Das Beitragsbild zeigt den Mogulherrscher Humâyûn bei einem darbâr (Versammlung des Hofes), aus einem Manuskript des Akbar-nâma (British Library). Es ist Public Domain.

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Das Osterfest an Akbars Hof (Osterspecial 2020)

Ja, der Mogulherrscher Akbar (starb 1605) war Muslim – und wahrscheinlich auch der mächtigste und wohlhabendste muslimische Herrscher seiner Zeit. Dennoch interessierte er sich für viele Religionen – sei es der Zoroastrismus, der Hinduismus oder eben das Christentum.

Wir hatten hier auf diesem Blog schon einige Male beschrieben, dass Akbar durch die Missionen der zumeist portugiesischen Jesuitenpater, die an seinen Hof in Agra, Fatehpur Sikri beziehungsweise in Lahore kamen, viel über das Christentum erfuhr. Vor allem die Biographie und die Wundertaten Jesu interessierten Akbar sehr. Im Osterspecial 2018 hatte ich bereits darüber geschrieben, dass Akbar sich so sehr für Jesus interessierte, dass portugiesische Jesuitenpater für ihn eine persische Jesusbiographie verfassten. Diese hieß Mir’at al-quds (“Spiegel der Heiligkeit”) und enthielt viele Antworten auf viele Fragen, die Akbar während der gelehrten Diskussionen den Jesuitenpatern gestellt hatte.

Sowohl Jesus als auch Moses sind auch in der islamischen Theologie Propheten. Akbar war von der Schilderung ihrer Wundertaten so fasziniert, dass er sich in seiner Biographie selbst als jemand darstellen ließ, der schon als Kind Wunder vollbringen konnte – darüber habe ich HIER berichtet.

Portugiesische Jesuiten, Akbar und das Osterfest

Vor allem ein Jesuitenpater genoss scheinbar besonders großes Vertrauen Akbars: der ursprünglich aus Italien stammende Jesuit Rodolfo Acquaviva (1550-1583), der als Teil der portugiesischen Jesuitenmission aus Goa an den Hof Akbars kam. Es ist bekannt, dass Akbar vor allem mit ihm häufig über das Christentum debattierte – das zeigt auch das Beitragsbild: ein Gemälde das die theologischen gelehrten Diskussionen zwischen Akbar und Rodolfo Acquaviva darstellte – rechts ist der Pater im gelben Gewand zu sehen. Scheinbar war es auch üblich, dass Acquaviva dem Herrscher ein Ostergeschenk überbrachte – um was es sich dabei handelte, erfahren wir leider nicht.

Zu einem anderen Zeitpunkt kam derselbe Pater Aquauiua (gemeint ist Rodolfo Acquaviva, CP ) zum König, um ihm seine bonne Pasques oder auch Ostergeschenke zu überreichen. Es war der Abend der Wiederauferstehung unseres Erlösers. Seine Majestät war sehr erfreut. Er erwies dem Pater große Ehre, und unterhielt sich mit ihm bis spät in die Nacht. Er stellte ihm viele Fragen, hauptsächlich bezüglich des Wunders der Wiederauferstehung (Jesu). Außerdem fragte er (i.e. Akbar), welche Regeln Christen befolgen, wenn sie zu Gott beten. Diese und andere Fragen wurden beantwortet, und er (i.e. Akbar) entließ ihn mit großer Freundlichkeit.

Rodolfo Acquaviva schien tatsächlich aufgrund seiner positiven Erfahrungen mit Aktbar und des großen Interesses am Christentum geglaubt zu haben, Akbar würde zum Christentum konvertieren. Als sich dieses nicht bewahrheitete, kehrten die Jesuiten nach Goa zurück. Dort geriet Acquaviva zwischen die Fronten eines lokalen Krieges und wurde 1583 ermordet. 1893 wurde Acquaviva zusammen mit anden Jesuiten selig gesprochen.

Akbar und die Christen in Lahore

Obwohl Akbar ja niemals zum Christentum konvertierte, interessierte er sich weiterhin für diese Religion. Eine weitere portugiesische Jesuiten-Mission kam an seinen Hof, als Akbar seine Hauptstadt nach Lahore ins heutige Pakistan verlegte. Von 1585 bis 1598 war Lahore Akbars Hauptstadt. 1595 erlaubt er den Jesuitenpatern den Bau einer Kirche in Lahore. Auch die Feierlichkeiten zu Ostern und zu Weihnachten durften in Lahore gefeiert werden. So berichteten die Jesuiten:

Wir lesen von einer Prozession am (Grün-)Donnerstag in der Karwoche in Lahore, die durch die Stadt bis zur Kirche führte – angeführt von einem Kruzifix und Kindern, die Litaneien sangen, begleitet von einer Gruppe Büßern (gemeint ist: Menschen, die sich selbst geißelten, CP ), deren Aktionen von den Hindu Zuschauern sowohl mit Horror als mit Bewunderung angeschaut wurden.

Maclagan S. 291-92

Für das Jahr 1599 (also ein Jahr, nachedem Akbar Lahore als Hauptstadt aufgegeben hatte) liegen uns Quellen über besonders prachtvolle Osterprozessionen der Christen Lahores vor – dieses hängt aber wohl nicht damit zusammen, dass Akbar nun nicht mehr persönlich in der Stadt residierte:

Am Vorabend des Osterfestes desselben Jahres (i.e. 1599, CP) nutzten die Priester das Dach der Kirche in Lahore für Beleuchtung und Feuerwerk, und am Ostertag startete eine Osterprozession im Morgengrauen. Sie bestand aus Christen in Feiertagskleidung, die Kerzen in ihren Händen hielten und die sich ihren Weg durch eine riesige Menschenansammlung bahnten. Angeführt wurde die Prozession von einem Kreuz, das mit Blumen geschmückt war, danach kamen die Kirchenmusiker und anschließend die Pater in ihren Gewändern, die “das Beste sangen” (cantando como podiam) und ein Bild trugen, das Jesus als Kind zeigte und das aus Portugal kam.

Maclagen, S. 291

Es ist offensichtlich, dass ein Teil der Religionspoitik Akbar die Toleranz und weitgehende Glaubensfreiheit der Religionen des Mogulreiches war. Akbar sah das Christentum als eine wichtige Religion seines Reiches. Auch wenn diese Ansichten Akbars nicht zu allen Zeiten seiner Herrschaft und auch nicht von allen Mitgliedern seines Hofes geteilt wurde, blieb Akbars Religionspolitik bis heute ein wichtiges Zeichen der religiösen Toleranz Indiens.

Literatur:


Carvalho, Pedro de Moura: Mirʼāt al-quds (Mirror of Holiness): a Life of Christ for Emperor Akbar: a Commentary on Father Jerome Xavier’s Text and the Miniatures of Cleveland Museum of Art, Acc. no. 2005.1 / edited and translated by W. M. Thackston. Leiden; Boston: Brill, 2012.

Jarric, Pierre du: Akbar and the Jesuits: an account of the Jesuit missions to the court of Akbar by Father Pierre du Jarric / edited with introduction and notes by C.H. Payne. New York et al. : Harper, 1926.

Maclagan, E.D. : The Jesuits and the Great Mogul. London: Burns, Oates & Washbourne, 1932.

Beitragsbild:

“Rodolfo Acquaviva diskutiert mit dem Großmogul” – Bild eines unbekannten Malers aus dem Jahr 1847. Das Bild ist Public Domain.

Sex am Mogulhof – Schâh Dschahân und die Frauen

Susanne Kurz und ich haben vor einigen Jahren an der Ruhr-Uni Bochum im Fach Islamwissenschaften ein Seminar über “Sexualität und Drogen am Mogulhof” gegeben. Schon damals war uns die große Zahl an Quellen über das (angeblich) ausschweifende Sexualleben des Mogulherrschers Schâh Dschahân (starb 1666) aufgefallen.

Schaut man heute in Internetforen über die Geschichte der Mogulzeit, fallen einem sofort Threads über das Liebesleben Schâh Dschahâns ins Auge. Die zumeist sehr negativen Aussagen umfassen die folgenden Vorwürfe:

  • Die sexuellen Ausschweifungen Schâh Dschahâns hätten in der Familie gelegen: Ebenso wie sein Großvater Akbar sei Schâh Dschahân ein unersättlicher Liebhaber gewesen, der auch vor der eigenen Familie nicht zurückgeschreckt sei (s.u.). Akbar habe zwar ca. 8000 Frauen in seinem Harem gehabt, aber auch mit den Ehefrauen seines Sohns Salîm/ Dschahângîr geschlafen. Dschahângîr habe aus diesem Grund nicht mehr gewusst, ob seine Kinder (wie Schâh Dschahân) nicht seine Geschwister gewesen sein.
  • Die Geschichte der Liebe zwischen Schâh Dschahân, seiner Frau Mumtâz Mahal und dem Taj Mahal als Symbol der ewigen Liebe entspreche nicht der Wahrheit: Schâh Dschahân habe Mumtâz Mahal niemals geliebt, sie sei ja nur eine von mehreren Ehefrauen gewesen.
  • Bereits kurz innerhalb einer Woche nach dem Tod von Mumtâz Mahal hat Schâh Dschahân Mumtâz Mahals Schwester geheiratet.
  • Da seine Tochter Dschahânâra Begum ihrer Mutter Mumtâz Mahal sehr ähnlich sah, begann Schâh Dschahân ein Verhältnis auch mit ihr.

Welche Quellen gibt es über das Sexualleben Schâh Dschahâns? Stimmen sie?

Zugegeben, diese Anschuldigungen gegen Schâh Dschahân klingen, als ob sie der heutigen Boulevardpresse entnommen wären. Sie stammen jedoch aus zwei zeitgenössischen Reiseberichten – zum einen aus dem Reisebericht des italienischen Abenteurers, Reisenden und Autors Niccol(a)o Manucci (starb ca. 1717). Manucci, der aus Venedig stammte, bereiste Indien, beherrschte die türkische und die persische Sprache und hielt sich länger am Mogulhof auf. Später arbeitete er an mehreren Höfen Indiens als Arzt, ohne jedoch jemals Medizin studiert zu haben.

Der zweite Reisebericht stammt von Francois Bernier (st. 1688), einem französischen Reisenden, Arzt und Philosophen. Er war der Leibarzt von Schâh Dschahâns Sohn Auranzeb (st. 1707), als dieser Nachfolger seines Vaters wurde.

In beiden Reiseberichten finden sich umfangreiche Berichte über Schâh Dschahâns Liebesleben. Zunächst lässt sich sagen, dass es keinerlei Hinweise darüber gibt, dass Schâh Dschahân tatsächlich nur eine Woche nach Mumtâz Mahals Tod ihre Schwester heiratete. Über das angebliche inzestuöse Verhältnis Schâh Dschahâns finden wir Andeutungen nur bei Bernier, Manucci berichtet uns nichts darüber.

Eindeutig (und auch aus anderen Quellen des Hofes bestätigt) ist, dass Schâh Dschahân erst nach dem Tod Mumtâz Mahals mit seinem ausschweifenden Liebesleben begann.

Schâh Dschahâns Prunk

Bernier und Manucci waren sich darüber einig, dass Schâh Dschahân zahlreiche Affären hatte. Legendär ist seine Vorliebe für Musik, Tanzdarbietungen – und Sängerinnen.

Manucci beschreibt auch sehr eindrücklich, dass Schâh Dschahân keine Kosten und Mühen scheute, seine Favoritinnen mit seinem Reichtum zu beeindrucken (Manucci Vol. 1, 196):

Zur größeren Befriedigung seiner Gelüste ordnete Schâh Dschahân den Bau einer großen Halle (ca. 10 x4 Meter) an, geschmückt mit großen Spiegeln. Das Gold alleine kostete 15 Millionen Rupien, die Arbeiten mit Emaille und Edelsteinen nicht mit eingerechnet. An der Decke der besagten Halle, zwischen den Spiegeln, waren goldene Streifen, die mit Edelsteinen verziert waren. An den Ecken der Spiegel waren große “Trauben” von Perlen, und die Wände waren mit Jaspis geschmückt. Diese ganzen Ausgaben wurden gemachten, damit er sich in obszöner Weise mit seinen Favoritinnen amüsieren konnte.

Sowohl Manucci als auch Bernier berichten zudem, dass zu diesen Favoritinnen des Herrschers vor allem die Frauen seiner Gouverneure, Amîre und Wazîre zählten. Manucci war besonders empört darüber, dass zu Schâh Dschahâns  Geliebten auch die Frau seines Schwagers Abû Tâlib (genannt Shâ’ista Khân) gehört hat. Noch empörter war Manucci darüber, dass Schâh Dschahâns Tochter Dschahânâra Begum ihm scheinbar dabei half, die Frauen zu verführen. So schreibt (Manucci Vol. 1, 197, Übersetzung aus dem Englischen C.P)

Schâh Dschahâns Favoritinnen

Schâh Dschahân verschonte auch die Frau seines Schwagers Schâ’ista Khan nicht, – auch wenn das mit Hilfe eines Tricks geschah, zu dem sie nicht zugestimmt hätte. Die Kupplerin in dieser Affäre war Begum Sahib, die Tochter Schâh Dschahâns, die aus Gefälligkeit für ihren Vater die besagte Frau zu einer Feier einlud, an dessen Ende Schâh Dschahân sie verletzte (Englisch: violated, gemeint ist wohl “vergewaltigte” C.P.) Die Frau war davon so getroffen, dass sie, nachdem sie wieder nach Hause ging, weder aß noch ihre Kleidung wechselte – und so beendete sie voller Schmerz ihr Leben. Schâ’ista Khan zog sich zurück und hoffte, dass die Zeit seiner Rache kommen würde.

Schâh Dschahân und Meena Bazâr

Dieser Vorfall liest sich sehr dramatisch – andere Beispiele klingen weniger drastisch. Sie endeten, glaubt man Manucci, allerdings genau so. Sowohl Bernier als auch Manucci schreiben, dass Schâh Dschahân vor allem eine Gelegenheit nutzte, um Frauen zu treffen und sie zu seiner Geliebten zu machen: den Meena Bazâr.

Akbar hatte während seiner Herrschaft den Meena Bazâr erstmals ausgerichtet. An acht Tagen waren auf einem von der Öffentlichkeit abgeschirmten Gelände die Frauen des Harems sowie die Frauen von Prominenten des Hofes als Händlerinnen tätig. Es war normalerweise nicht üblich, dass Frauen auf dem Bazâr handelten. Zutritt zum Meena Bazâr hatten nur Frauen und hijras (“Eunuchen”, “das dritte Geschlecht”).

Eine Ausnahme wurde allerdings gemacht: der Herrscher selbst und häufig seine engsten männlichen Verwandten waren die einzigen männlichen Besucher, die den Meena Bazâr besuchen durften. Dieses soll Schâh Dschahân ausgenutzt haben. So soll er in den acht Tagen rund um das persische Nourûz-Fest täglich zwei Mal den Meena Bazâr aufgesucht haben – zum alleinigen Zweck, dort Frauen zu treffen. So schrieb Manucci (Übersetzung aus dem Englischen C.P.):

Er (i.e. Schâh Dschahân) saß dabei auf einem kleinen Thron, der von einigen tartarischen Frauen getragen wurde. Begleitet wurde er von einigen älteren Frauen (des Harems), die Stäbe aus emaillierten Gold in den Händen hielte, und zahlreichen Eunuchen. Außerdem waren einige Musikerinnen dabei.

Schâh Dschahân ging an den Ständen sehr aufmerksam vorbei, und wenn eine der Verkäuferinnen seine Aufmerksamkeit erregt, geht er zu diesem Stand, spricht sehr höflich vor, wählt etwas aus und ordnet an, dass bezahlt würde, was die Verkäuferin verlangt.

Wenn der König ein vereinbartes Zeichen gibt, und er bereits weiter gegangen ist, kümmern sich die älteren Frauen des Harems, die diese Angelegenheit bereits kennen, um die (auserwählte, C.P.) Frau und sorgen dafür, dass sie zur passenden Zeit zum König kommen. Viele von ihnen kehren reich und zufrieden aus dem Palast zurück, während andere dort mit der Würde einer Konkubine verweilen.

Manucci, Vol. 1, 196.

Nun, was soll man abschließend zu diesen Berichten sagen? Manucci und Bernier hatten zwar den Herrscher auch mehrfach persönlich erlebt, doch zählten sie als Fremde nicht zum engeren Zirkel des Hofes. Dennoch hörten sie scheinbar viele Gerüchte, die in Hofkreisen umhergingen. So ist natürlich nicht auszuschließen, dass an diesen Gerüchten etwas Wahres dran war. Dass die offiziellen Chroniken zu diesen Dingen schweigen, ist verständlich, bedeutet aber nicht, dass sie nicht passiert sind.

Vielleicht finden sich ja eines Tages weitere Quellen zu diesem Thema, das, wie erwähnt, auch heute noch die Menschen beschäftigt.

Literatur:
Bernier, Francois: Travels in the Mogul Empire: AD 1656-1668. 2.ed. London et al. 1916.
Eraly, Abraham: Last Spring: The Lives and Times of the Great Mughals. Kindle Edition (Ursprünglich Delhi 2000).
Manucci, Niccolao: Storia do Mogor, or Mogul India. 1653-1708. Vol 1-3./ transl. William Irvine. London 1907.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait von Schâh Dschahân, gemalt von Bichitr (ca. 1630).

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