Ein vorhergesagter Tod? Dschahângîr, seine Ehefrau Sâliha Bâno und die Astrologie

Zwanzig Ehefrauen hatte er, der indische Mogulherrscher Salim, besser bekannt unter seinem Herrschernamen Nûr ud-Dîn Dschahângîr (regierte 1605-1627). Auf diesem Blog haben Susanne und ich schon häufiger über Dschahângîr gebloggt: sei es über seinen Alkoholkonsum, seine (angebliche) Affäre mit Anarkali, der Kurtisane seines Vaters Akbar, seine unglückliche Ehe mit seiner Cousine Mân Bai, die mit ihrem Selbstmord endete, seine Ehe mit Jagat Gosain und schließlich die letzte und zwanzigste Ehe mit Nûr Dschahân, von der Dschahângîr, wie man heute sagen würde, emotional abhängig war.

Heute soll es um eine von Dschahângiîrs unbekannteren Ehefrauen gehen, die dennoch am Hof von großer Bedeutung war: Sâliha Bâno Begum (st. 1620).

Was wissen wir über Sâliha Bâno Begum?

Leider sind die Quellen über Sâliha Bâno Begum nicht sehr ausführlich – wie wir später sehen, wissen wir die meisten Details zu ihrem Tod.

Noch nicht einmal ihr Geburtsjahr ist bekannt. Über ihre Familie wissen wir zumindest einiges: bereits Sâlihas Großvater hatte unter Akbar am Mogulhof gedient, ebenso ihr Vater Qâ’im Khân. Über Sâlihas Bruder ‘Abd ur-Rahîm wurde gesagt, dass er in die Kreise des Mogulhofs hineingeboren wurde. Nach der Hochzeit Dschahângîrs mit seiner Schwester stieg Abd ur-Rahîm weiter die Karriereleiter am Hof auf und erhielt den Ehrentitel Tarbîyat Khân.

Durch die hohe Stellung erhielt Sâliha Bâno Begum die übliche Ausbildung der Frauen des Moguladels, die neben religiöser Grundbildung auch Poesie und Musik umfasste.

Bekannt ist, dass Dschahângîr Sâliha Bâno 1608 heirate, als er bereits 39 Jahre alt und im dritten Jahr seiner Herrschaft war. Zu dieser Zeit hatte er bereits die meisten seiner zwanzig Frauen geheiratet. Auch vier potentielle Thronfolger waren bereits geboren.

In den offiziellen Quellen findet sich auch nichts zu Nachkommen von Dschahângîr und Sâliha Bâno Begum – es ist aber wahrscheinlich, dass eventuelle Kinder bereits im Säuglingsalter starben.

Sâliha Bâno hatte also wahrscheinlich keine eigenen Kinder, aber war für die Erziehung ihres Neffen (den Sohn Tarbiyat Khâns) im königlichen Harem verantwortlich.

Sâliha Bâno Begum als Pâdshâh Begum Dschahângîrs

Obwohl Sâliha Begum zeitlich gesehen nicht zu den ersten Frauen Dschahângîrs zählte und auch keinen potentiellen Thronerben zur Welt brachte, ernannte Dschahângîr sie zur offiziellen Kaiserin und damit zu seiner Hauptfrau. Das ging mit dem offiziellen Titel Pâdshâh Begum oder Pâdshâh Mahall einher. Sâliha Bâno war somit Dschahângîrs Hauptfrau – so wie Ruqaiya Begum diejenige Akbars gewesen war.

Scheinbar waren Dschahângîr und Sâliha Bâno Begum auf eine besondere Weise verbunden, die sich heute anhand der offiziellen Quellen nicht mehr nachvollziehen lässt.

1611 wurde die Beziehung zwischen Sâliha Bâno und ihrem Ehemann auf eine harte Probe gestellt, denn Dschahângîr verliebte sich in Nûr Dschahân und heiratete sie nur kurze Zeit später. Jagat Gosain war dafür bekannt, dass sie ständig im Harem spitze Bemerkungen zu der neuen Favoritin Dschahângîrs machte, allerdings konnte keine der Frauen den zunehmenden Einfluss Nûr Dschahâns am Hof verhindern.

William Hawkins, der Gesandte der britischen East India Company am Hof Dschahângîrs, berichtete von vier Hauptfrauen des Herrschers, wobei er Sâliha als Pâdshâh Begum zuerst erwähnte, dann Nûr Dschahân, und erst dann zwei seiner früheren Ehefrauen, auf die wir hier nicht eingehen wollen.

Leider liegen uns wie gesagt keine weiteren Infos zum Leben der Frauen im Harem und ihren Rivalitäten vor. Weitere Informationen zur Biographie Sâliha Bâno Begums haben wir leider erst aus dem Jahr 1620 – anlässlich ihres Todes.

Astrologen, Prophezeiungen und der Tod Sâliha Bâno Begums

Aus dem Dschahângîr-nâma, den Memoieren Dschahângîrs, erfahren wir, dass Sâliha Bâno Begum am 1. Juni (1620) starb, und dass Dschahângîr sehr betroffen war:

Am Mittwoch, dem 1. Juni starb Padishah Begum, and der Schmerz über dieses traurige Ereignis belastete mich sehr. Ich hoffe sehr, dass Gott der Allmächtige sich ihrer erbarmen wird.

Was diesen Eintrag so besonders macht, ist dass Dschahângîr eine Prophezeiung seines Astrologen überlieferte, die zu diesem Zeitpunkt ein paar Monate alt war und – wie Dschahângîr meinte – den Tod Sâlihas voraussagte. Was war passiert?

Zunächst einmal war es seit Akbar üblich, einen “kaiserlichen Astrologen” am Hofe zu ernennen. Der offizielle Titel dieser Astrologen, die immer aus der Religionsgemeinschaft der Hindus stammte, war Jyotisaraja. In den persischen Herrschermemoiren war die Bezeichnung dafür Joti Rai.

Wie sein Vater Akbar legte Dschahângir großen Wert auf die Weissagungen der Astrologen – vor allem, wenn sich die Prophezeiungen als wahr erwiesen: als Dschahângîr einmal schwer erkrankte, prophezeite der Joti Rai eine schnelle Genesung – als diese dann tatsächlich eintraf, ließ Dschahângîr den Astrologen in 500 Gold- und 7000 Silbermünzen aufwiegen.

Eine weitere Prophezeiung trat kurz von Sâliha Bâno Begums Tod ein. Der gesamte Haushalt Dschahângîrs befand sich auf einer Reise nach Kaschmir. An einem Tag fiel der etwa dreijährige Enkel Dschahângîrs, Schâh Schudschâ’, aus dem Fenster, landete aber halb auf einem Teppich, halb auf einem Diener. Der Astrologe sagte vorher, dass der Prinz schnell wieder geheilt würde. Obwohl die Verletzungen Schâh Schudschâ’s sehr schwer waren, beharrte der Jotik Rai darauf, dass er wieder komplett gesund werden würde. Als die Heilung eintrat, ließ Dschahângîr den Astrologen gegen Silbermünzen aufwiegen.

Wir wissen nicht, ob Sâliha Bâno Begum ebenfalls mit nach Kaschmir gereist war. Der Jotik Rai verkündete zur Zeit der Erkrankung Schâh Schudschâ’s eine Prophezeiung, dass “ein Bewohner des Harems der Keuschheit in die himmlischen Gefilde entschwinden” würde. Als Sâliha Bâno bald darauf verstarb, war Dschahângîr erschrocken und betroffen – auch darüber, dass der Jotik Rai erneut scheinbar Recht hatte.

Seine Betroffenheit über den Tod Sâliha Bâno Begums brachte Dschahângîr in seinen Memoiren zum Ausdruck – und beschrieb ihren Tod ausführlicher als z.B. den Jagat Gosains.

Den Titel seiner Hauptfrau, der Pâdshâh Begum, übergab Dschahângîr an Nûr Dschahân.

Die Moguln behielten die Position des Hofastrologen, des Jotik Rai, weiterhin bei.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Dschahângîrs, gemalt von Abû l-Hasan. Es ist Public Domain.

Abu al-Hasan (1589-1630) / Public domain

Literatur:

Jahangir: The Jahangirnama. Memoirs of Jahangir, Emperor of India / Translated by Wheeler M. Thackston New York [et al.]: Oxford Univ. Press, 1999.

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Die Pest in Agra: Infektion, üble Ausdünstungen und Ansteckung im 17. Jahrhundert

Während die Covid-19-Pandemie derzeit in weltweit in immer mehr Ländern Infizierte und Todesopfer fordert, zweifeln gleichzeitig immer mehr Menschen die Gefährlichkeit des Virus sowie die Erkenntnisse der Wissenschaft über Reproduktionsraten bzw. die Letalität (“Tödlichkeit”) des Virus SARS-CoV-2 an.

Kritik an der der Wissenschaft?!

Diese Kritik am wissenschaftlichem Arbeiten resultiert häufig aus einer Unkenntnis heraus, wie es funktioniert: der Weg zur Erkenntnis, zur “Wahrheit” über Infektion, Diagnose und Behandlung einer Krankheit hat viele Umwege und Fehlschläge. Viele Erkenntnisse der heutigen “westlichen” Medizin, auch Biomedizin oder Schulmedizin genannt, haben sich erst nach jahrhundertelanger Forschung durchgesetzt. Es gehört  zum wissenschaftlichen Arbeiten dazu, die eigenen Forschungsergebnisse immer wieder kritisch zu hinterfragen, zu überprüfen und eventuell auch zu korrigieren, wenn sich andere Beobachtungen bzw. Quellen ergeben.

In meinem heutigen Blogbeitrag geht es um Infektionen mit der Pest – mit Sicherheit eine der tödlichsten Krankheiten in der Menschheitsgeschichte. Leider bricht diese Krankheit auch heute immer wieder in Indien aus. Es ist interessant, dass der indo-islamische Mogulherrscher Dschahângîr (st. 1627) in seiner Hauptstadt Agra beim Ausbruch der Pest Infektionswege beobachtete und in seiner Chronik niederschrieb .

Die graeco-islamische Medizin und Infektionen

Bis heute ist in Südasien die graeco-islamische Medizin (Englisch: Unani Medicine, Tibb-e yûnânî) eine der Medizintraditionen, die staatliche Förderung erhalten und neben der “Schulmedizin”  im Alltag etabliert ist.  Zur Zeit der Mogulherrscher, also vom 15. bis ins 19. Jahrhundert, war die graeco-arabische Medizin auch das vorherrschende System am Mogulhof. Parallel wurde natürlich auch Ayurveda weiterhin praktiziert. Ihren Ursprung hatte die graeco-islamische Medizin in den Lehren der griechischen und römischen Antike, wie Hippokrates (Buqrât, st. ca. 370 v. Chr.) oder Galen (Dschalînus, st. 129 n. Chr.).

Die graeco-islamische Medizin basiert auf der Annahme, dass es im Körper vier Körpersäfte gibt,  die von den Organen Leber, Lunge, Galle und Herz produziert wurden: Gelbe Galle, Schwarze Galle, Blut und Phlegma waren die Körpersäfte. Waren sie im Gleichgewicht, so die Lehre der Unani Medicine, war der Körper gesund. Dementsprechend erklärte man sich das Entstehen von Krankheiten durch einen Überschuss eines Körpersafts im Körper: so sei beispielsweise die Cholera durch einen Überschuss an Gelber Galle verursacht.

Miasma – “üble Ausdünstung”

Es gab aber auch in der Geschichte der graeco-islamischen Medizin Theorien, diejenige vom Ungleichgewicht der Körpersäfte als Infektionsursache als hinausging. Schon Hippokrates  hatte in seinen Schriften von Miasmen (Singular: Miasma) üble Ausdünstungen für Krankheiten und Seuchen verantwortlich gemacht. Diese Dämpfe steigen, so Hippokrates, von fauliger Luft und fauligem Wasser auf und sorgten dafür, dass auch die Körpersäfte im Körper “verklebten” oder sogar “versteinerten”. Diesen Vorstellungen von üblen, schädlichen Dämpfen folgten bereits in der Antike und im Mittelalter Regelungen zur Quarantäne: Kranke wurden von Gesunden getrennt, Leichen von Seuchenkranken vor den Stadtmauern verbrannt. Diese Ideen von Quarantäne wurden sowohl in Europa  als auch in islamisch geprägten Kulturen praktiziert, zumal auch Ibn Sînâ, im Westen bekannt als Avicenna (st. 1037) in seinem Werk al-Qânûn fi-t-tibb (“Der Kanon der Medizin”) die Notwendigkeit der Quarantäne bei Seuchen beschrieb.

Dieses Werk ist auch in Südasien für die graeco-islamische Medizin ein wichtiges Grundlagenwerk.

Bakterien als Ursache der Infektion

Die Theorien der Miasmen hielt sich sowohl in der europäischen als auch in indischen Medizintradition sehr lange – Bakterien als Seuchenursache wurden erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Bereits in den 1660ern hatte der niederländische Textilhändler Antoni van Leeuwenhoek (st. 1723) die Existenz von Bakterien nachgewiesen. Doch auch der Ausbruch großer Choleraepidemien sowohl in Großbritannien als auch in Indien ab den 1820ern konnten denjenigen, die von Bakterien als Infektionsursache überzeugt waren, mit ihren Forschungen noch nicht zum Durchbruch verhelfen. Sowohl Robert Koch, Ignaz Semmelweis und Louis Pasteur konnten ebenfalls Mikroorganismen nachweisen, doch zumindest für Großbritannien und seine Kolonien waren die Forschungen von John Snow (ja wirklich, st. 1858) maßgeblich: er entdeckte, dass die Wasserqualität in London und die dortigen Choleraausbrüche unmittelbar miteinander zusammenhingen – und Bakterien dafür verantwortlich waren. Snows Beobachtungen führten schließlich dazu, dass sowohl in Großbritannien als auch in den indischen Kolonien Maßnahmen zur öffentlichen Hygiene getroffen wurden und ein ein Sanitärsystem errichtet wurde.

Was die Pest angeht, so wurde der Pesterreger Yersinia pestis erst im Jahr 1894 entdeckt – und nach seinem Entdecker Alexandre Émile Jean Yersin (st. 1943) benannt.

Zoonosen – Infektion von Tier zu Mensch und Mensch zu Tier

Yersin gelang es in einem Wettstreit mit vielen internationalen Wissenschaftlern, den Erreger der Pest aus den Lymphknoten Pestkranker zu isolieren. Er wies ebenso nach, dass derselbe Erreger für das Rattensterben in Hongkong verantwortlich war und belegte dadurch, dass durch den Biss von Rattenflöhen die Pest von Tieren auf Menschen übertragbar war. Ebenso überträgt sich die Pest aber auch von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion.

Dieser Typ von Erkrankungen, die von Tier zu Mensch (und umgekehrt) übertragbar sind, nennt man Zoonosen. Neben der Pest sind Salmonellen ein weiteres Beispiel. Wie auch in Europa war die Pest in Südasien weit verbreitet.

Ratten, Infektion und Dschahângîrs Memoiren

Auch unter der der Herrschaft der indischen Moguln forderten zahlreiche Ausbrüche der Pest unzählige Opfer. In den Chroniken des Herrschers Akbar (st. 1605) gibt es keine medizinischen Erklärungen zu diesen Pestausbrüchen, sondern es wird vom Chronisten Abû l-Fazl ein Zusammenhang zwischen der Konstellation von Planeten, dem Auftreten von Kometen und Epedemien hergestellt (The Akbarnama of Abul Fazl, translated by H. Beveridge, Vol.3, S. 313).

1616, also unter der Herrschaft von Akbars Sohn Dschahângîr , kam es zu einem großen Pestausbruch im Punjab. Die Epidemie verbreitete sich schnell bis in Dschahângîrs Hauptstadt Agra. Dschahângîr berichtete in seinen Memoiren, im Dschahângîr-nâma über diesen Ausbruch. Es ist interessant, dass man anhand dieser Beschreibung auf eine Übertragung von Tier zu Mensch schließen konnte – ohne, dass dieses zu diesem Zeitpunkt in der “westlichen” Medizin bekannt gewesen wäre.

Dschahângîr machte die beschriebenen Beobachtungen der Pestinfektion durch Ratten bzw. Mäuse nicht selbst, sondern die Tochter seines Schwagers Âsaf Khân berichtete von diesen Ereignissen (Âsaf Khân war der Bruder von Dschahângîrs bedeutender Ehefrau Nûr Dschahân) Dschahângîr fand diese Beschreibung “erstaunlich” :

Die Tochter des verstorbenen Âsaf -Khân, die sich im Hause des ‘Abdullah, des Sohnen von Khân-e A’zam aufhält, hat einen erstaunlichen und befremdlichen Bericht gegeben und hat seine Richtigkeit (tashîh) aufs äußerste bekräftigt. Er wird (hier) wegen seiner merkwürdigen Inhalte (gharâ’eb) verzeichnet. Sie sagte:

Eines Tages kam im Hof des Hauses eine Maus (oder Ratte, mûs) ins Blickfeld, die verwirrt, in der Art der Betrunkenheit immer wieder hinfallend und aufstehend, in alle Richtungen lief und nicht wusste, wohin sie gehen sollte. Ich sagte einer der Dienerinnen, sie solle sie am Schwanz packen und der Katze hinwerfen. Die Katze sprang mit Begeisterung und Freude von ihrem Platz auf und nahm die Maus ins Maul, ließ sie aber sofort wieder los und zeigte Abscheu. Nach und nach traten in ihrem Gesicht die Spuren des Leidens an Schmerzen in Erscheinung. Am folgenden Tag war sie nahe daran zu sterben. Es kam mir in den Sinn, dass man ihr etwas vom besten Theriak (…) geben sollte. Als ihr Maul geöffnet wurde, sahen Gaumen und Zunge schwarz aus, und nachdem sie drei Tage lang in elendem Zustand verbracht hatte, kam sie am vierten Tag wieder zu Bewusstsein. Danach erschein eine Pestbeule (…) an einer Dinerin, und wegen des Übermaßes an Übelkeit und des Anwachsens der Schmerzen fand sie keine Ruhe und Rast. Ihre Hautfarbe veränderte sich zu einem Gelb, das zum Schwarz hinneigte, und sie bekam hohes Fieber. Am folgenden Tag gab sie etwas von oben von sich, und es trat hinten aus (d.h.: sie musste erbrechen und sie hatte Durchfall), und sie starb. In derselben Weise wurden in jenem Haus sieben, acht, Personen zunichte, und einige waren krank, als wir diesen Wohnsitz verließen und in die Gartenanlage zogen. Diejenigen, welche die Krankheit hatten, verstarben im Garten, aber kein anderer mehr bekam die Pestbeulen. Zusammengefasst traten innerhalb von acht, neuen, Tagen siebzehn Personen die Reise ins Jenseits an.

Sie (i.e. die Tochter von Âsaf Khân, C.P.) sagte auch:

Wenn diejenigen, die Beulen bekommen hatten, jemand anderen um Wasser zum Trinken oder Waschen baten, ging es sofort auch auf diesen über (…), und am Ende kam es soweit, dass sich ihnen aus lauter Furcht niemand mehr näherte.

Susanne Kurz, Stefan Reichmuth: Der Fallbericht in der graeco-islamischen Medizin, S. 248-249, Übersetzung aus dem Persischen von Susanne Kurz.

Das detaillierte Beispiel der Übertragung von Bakterien von Tieren auf Menschen zeigt, dass bei weltweit auftretenden Erkrankungen ein Blick in die Quellen / Beobachtungen verschiedener kultureller Kontexte lohnt, um die Erforschung und Heilung von Krankheiten voranzutreiben. Dieses ist in heutigen Zeiten selbstverständlich einfacher als zur Mogulzeit.

Nur durch internationale Zusammenarbeit, die auch unterschiedliche Konzepte von Körper und Krankheit berücksichtigt, kann (medizinische) Forschung erfolgreich sein.

Beitragsbild:

Bâbu Râm: Usûl-i Kokashastra. Muradabad, 1901, S. 19. (British Library)

Literatur:

Abû l-Fazl: The Akbarnama of Abu’l Fazl / transl. by H. Beveridge. 1st ed. Calcutta 1939.

Kurz, Susanne; Stefan Reichmuth. “Zwischen Standardisierung und Literarisierung: Der Fallbericht in der graeco-islamischen Medizin”. In Der ärztliche Fallbericht, ed. by Rudolf Behrens and Carsten Zelle (Wiesbaden: Harrassowitz, 2012), 235 ff.

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Fast wie eine Mutter – Akbars (Stief-)Mutter Bega Begum

Kürzlich habe ich knapp zwei Wochen in New Delhi verbracht. Einer der Höhepunkte meiner Reise war die Besichtigung des Grab des zweiten Mogulherrschers Humâyûn (st. 1556), das unter dem englischen Begriff Humayun’s Tomb bzw. unter dem Urdu-Begriff Maqbara-ye Humâyûn bekannt.

Auf dieses Grab, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, möchte ich in einem eigenen Beitrag eingehen. Heute geht es zunächst um die Frau, die das Grabmal in Auftrag gegeben hat. Dieses war nämlich nicht, wie viele meinen, Hamîda Begum (st. 1604), also die leibliche Mutter des Mogulherrschers Akbar, sondern Bega Begum (st. 1582), die erste Ehefrau des Herrschers.

Anders als Mâh Chûchak, der dritten Ehefrau seines Vaters, lebte Bega Begum fast ununterbrochen mit Humâyûn zusammen und folgte ihm auch an den Hof von Delhi – während ja Mâh Chûchak in Kabul lebte.

Bega Begum hatte nicht nur großen Einfluss auf die anderen Frauen ihrer Generation (z.B. auf Humâyûns zweite Ehefrau und Akbars Mutter, Hamîda Begum und Humâyûns Schwester Gulbadan Bâno), sondern auch auf Akbar selbst, der ja bereits 1556 im Alter von nur 14 Jahren die Nachfolge seines Vaters

Die enge Beziehung zwischen Akbar und Bega Begum wurde auch von Akbars Biographen erwähnt, die sie als “zweite Mutter” Akbars bezeichneten.

Konkurrenz unter Humâyûns Ehefrauen

Dass die Beziehungen der  einzelnen Ehefrauen Humâyûns untereinander nicht immer einfach waren, zeigt das folgende Beispiel aus Akbars Kindheit. So soll Akbar als kleiner Junge einmal unter schweren Zahnschmerzen gelitten haben. Als Bega Begum ihm eine Medizin verabreichen wollte, versuchte Hamîda Begum, sie daran zu hindern – zu groß war die Angst, dass Bega Begum eventuell versuchen könnte, Akbar zu vergiften. Bega Begum trank daraufhin vor Hamîda Begums Augen einen Teil der Medizin – und rieb dann, als sie sich als harmlos erwies, den Rest der Arznei auf Akbars Zähne.

Bega Begams Zuneigung für Akbar mag sicherlich auch damit zusammenhängen, dass ihre eigenen Kinder von Humâyûn nicht überlebt hatten…

Doch der Reihe nach..

Bega Begums Herkunft und die Heirat mit Humâyûn

Bega Begum wurde etwa 1511 geboren, ein genaues Datum liegt uns in den Quellen aber nicht vor. Ihr Vater Yâdgâr Beg war ein persischer Adeliger aus der Provinz Khorasan. Bega Begam war somit eine Cousine ersten Grades ihres späteren Ehemanns Humâyûn. In ihrer Kindheit und Jugend erhielt sie die übliche (religiöse) Ausbildung sowie in Dichtung und Musik. Ein besonderes Interesse Bega Begums galt der Medizin – so lässt sich auch die oben erwähnte Geschichte über die Arznei gegen Akbars Zahnschmerzen erklären.

Als Bega Begum etwa 16 Jahre alt war, heiratete sie ihren Cousin Humâyûn, der zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt war. Die Hochzeit fand in Badakshan statt, wo Humâyûn zu diesem Zeitpunkt Vizekönig war. Bereits im November 1528 brachte Bega Begum ihr erstes Kind zur Welt, einen Sohn namens al-Amân Mirzâ. Die Ankunft des Erben wurde von der gesamten Familie gefeiert – doch al-Amân starb bereits im Säuglingsalter.

1530 wurde Bega Begums Ehemann Humâyûn Kaiser des Mogulreiches. Sie war zu dem Zeitpunkt 19 Jahre, ihr Mann 23 Jahre alt. Humâyûn verlegte den Mittelpunkt des Mogulreiches von Kabul im heutigen Afghanistan nach Agra. Bega Begum begleitete ihren Mann nach Agra, und nur kurze Zeit brachte Begum ihr zweites Kind zur Welt: eine Tochter, die ‘Aqîqa Begum genannt wurde.

Der Verlust der Macht und der Tod ‘Aqîqa Begums

1539 erlitt das Mogulreich unter Humâyûn einen großen Machtverlust. Sher Schâh Sûrî (st. 1545) besiegte Humâyûn und etablierte das Suri-Reich mit der Hauptstadt Delhi. Im Juli 1539 hatte Bega Begum Humâyûn auf eine Militäraktion nach Chausa (heute im indischen Bundesstaat Bengalen) begleitet. Sher Schâh Sûrî konnte während eines Überraschungsangriffes auf Humâyûns Heer etliche der Frauen des Harems gefangen nehmen. Viele Frauen versuchten, sich mit einem Boot vor der Gefangennahme zu retten, doch in den Wirren des Kampfes und der Flucht von Humâyûns Heer sank das Boot und ‘Aqîqa Begum ertrank – erst 8 Jahre alt.

Humâyûn war untröstlich und machte sich Selbstvorwürfe, dass er Frau und Tochter auf den Feldzug mitgenommen hatte.

Doch ihm blieb keine lange Zeit zu trauern: schließlich war auch Bega Begum von Sher Schâh Sûrî gefangen genommen worden – übrigens die erste und einzige Frau eines Mogulherrschers, die jemals von Gegnern des Reiches gefangen genommen wurde. Glauben wir den Quellen, wurde Bega Begam während ihrer Gefangenschaft gut behandelt. Später wurde sie wieder an Humâyûn zurück gegeben.

Doch Humâyûn konnte die Herrschaft über das Reich nicht halten. Nach diversen militärischen Niederlagen verlor Humâyûn eine Mehrheit seiner Anhängerschaft. Humâyun und seine Unterstützer zogen durch Nordindien, das heutige Afghanistan und schließlich ins Exil nach Persien. Nicht zuletzt seine rebellischen Brüder sorgten dafür, dass Humâyun 14 Jahre lang nicht über Indien herrschte.

Bega Begum war die ganze Zeit an der Seite ihres Ehemannes, sie begleitete ihn auch in das Exil an de Hof des safawidischen Herrschers Tahmasp I. (st. 1576). 1541 heirate Humâyûn seine zweite Ehefrau Hamîda Begum, die 1542 den Thronfolger Akbar zur Welt brachte. 1546 heirate der Herrscher Mâh Chuchak Begum, die ebenfalls einen Sohn zur Welt brachte.

Als es Humâyûn schließlich 1554 wieder gelang, Herrscher über Indien zu werden, begleiteten ihn nur Bega Begum und Hamîda Begum nach Agra, Mâh Chuchak verblieb in Kabul. Bereits zwei Jahre später, 1556 wurde Bega Begum Witwe, nachdem Humâyûn nach einem Treppensturz verstarb.

Bega Begum als Witwe Humâyûns

Bereits kurz nach Humâyûns Tod fasste Bega Begum den Entschluss, ein Grabmal für ihren verstorbenen Gatten zu erbauen. Bevor sie ihren ergeizigen Plan umsetzte, ging sie zunächst einmal auf die Pilgerfahrt nach Mekka. Für mehr als drei Jahre war sie auf Reisen. Als sie 1560 nach Indien zurückkam, reiste sie nicht nach Agra an den Hof Akbars, sondern blieb in Delhi, um das Grabmal für Humâyûn errichten zu lassen. Von ihrer Reise hatte Bega Begum zahlreiche iranische und arabische Handwerker mitgebracht, die den von Bega Begum geplanten Bau ausführen sollten. Als Architekten hatte Bega Begum zwei Afghanen ausgesucht.

Über das Grabmal an sich werde ich noch in einem gesonderten Beitrag etwas schreiben. Es ist aber deutlich, dass die Vollendung dieses Bauwerkes das wichtigste Lebenswerk Bega Begums war – zeitweise überwachte sie persönlich die Bauarbeiten und schlug sogar ihr Lager neben der Baustelle auf.

Neben dem Grabmal finanzierte Bega Begum auch den Bau anderer Bauwerke und finanzierte auch viele wohltätige Projekte.

1582 starb sie. Akbar, zu dem sie wie gesagt eine sehr enge Verbindung hatte, war laut Aussagen seiner Biographen untröstlich. Er begleitete den Leichnam zur Bestattung – Bega Begum wurde ebenfalls in dem von ihr finanzierten Grabmal ihres Mannes beigesetzt.


“Szenen einer Ehe”: Bega Begum und Humâyûn

Ich möchte meinen Beitrag mit einer Begebenheit beschließen, die uns Bega Begums Schwägerin Gulbadan Begum in ihrer Biographie Humâyûns beschreibt. Sie schildert ungewohnt deutlich eine eheliche Auseinandersetzung zwischen Bega Begum und ihrem Mann. Es geht darum, dass Humâyûn – ganz gegen das islamische Gebot der Gleichbehandlung aller Ehefrauen durch den Ehemann – Bega Begum vernachlässigte.

Sie begann sich zu beklagen, und sagte zu ihm : seit einigen Tagen habt diesen Garten besucht, aber Ihr seid nicht in unsem Haus erschienen. Es wurden keine Dornen auf dem Weg dahin gepflanzt. Wir hoffen, dass Ihr demächst wieder in unser Haus kommen werdet, und dort eine Feier und soziale Zusammenkünfte abhaltet. Wie lange werdet Ihr uns Hilflosen Eure Ungnade zeigen? Wir haben auch ein Herz. Drei Mal habt Ihr andere Orte (gemeint ist: Eure anderen Frauen, CP) mit Eurer Anwesenheit beehrt und Euch Tag und Nacht mit Amüsement und Unterhaltungen beschäftigt.

Als sie mit ihren Ausführungen fertig war, schwieg der Herrscher – und seine Schwester fügte hinzu: “Jeder wusste, dass seine Majestät verärgert war. Schließlich antwortete Humâyûn seiner Frau Bega Begum:
Mir wurde die Notwendigkeit auferlegt, sie alle glücklich zu machen. Ich schäme mich vor ihnen, dass ich mich so selten bei ihnen blicken lasse. Ich bin ein Opium-Konsument. Falls es zu Verzögerungen bei meinem Kommen und Gehen kommt, seid nicht ärgerlich mit mir.

Gulbadan Begum: Humayun-nama, S. 190, zitiert nach S.S.Gupta: Mahal, eBook.

Diese Antwort ihres Gatten beruhigte Bega Begum scheinbar überhaupt nicht, und sie antworte: “Was für eine Wahl haben wir? Ihr seid der Herrscher! Eure Erklärung erscheint schlimmer als der Fehler!.

Schließlich versöhnten sich die Eheleute wieder… Gulbadan Begums Schilderung macht sehr deutlich, dass der königliche Harem eine Familienangelegenheit war – wie alle anderen Familien auch.

Literatur:

Subhadra S. Gupta: Mahal: Power and Pageantry in the Mughal Harem. Gurugram: Hachette, 2019 (eBook)

Das Beitragsbild zeigt den Mogulherrscher Humâyûn bei einem darbâr (Versammlung des Hofes), aus einem Manuskript des Akbar-nâma (British Library). Es ist Public Domain.

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Das Osterfest an Akbars Hof (Osterspecial 2020)

Ja, der Mogulherrscher Akbar (starb 1605) war Muslim – und wahrscheinlich auch der mächtigste und wohlhabendste muslimische Herrscher seiner Zeit. Dennoch interessierte er sich für viele Religionen – sei es der Zoroastrismus, der Hinduismus oder eben das Christentum.

Wir hatten hier auf diesem Blog schon einige Male beschrieben, dass Akbar durch die Missionen der zumeist portugiesischen Jesuitenpater, die an seinen Hof in Agra, Fatehpur Sikri beziehungsweise in Lahore kamen, viel über das Christentum erfuhr. Vor allem die Biographie und die Wundertaten Jesu interessierten Akbar sehr. Im Osterspecial 2018 hatte ich bereits darüber geschrieben, dass Akbar sich so sehr für Jesus interessierte, dass portugiesische Jesuitenpater für ihn eine persische Jesusbiographie verfassten. Diese hieß Mir’at al-quds (“Spiegel der Heiligkeit”) und enthielt viele Antworten auf viele Fragen, die Akbar während der gelehrten Diskussionen den Jesuitenpatern gestellt hatte.

Sowohl Jesus als auch Moses sind auch in der islamischen Theologie Propheten. Akbar war von der Schilderung ihrer Wundertaten so fasziniert, dass er sich in seiner Biographie selbst als jemand darstellen ließ, der schon als Kind Wunder vollbringen konnte – darüber habe ich HIER berichtet.

Portugiesische Jesuiten, Akbar und das Osterfest

Vor allem ein Jesuitenpater genoß scheinbar besonders großes Vertrauen Akbars: der ursprünglich aus Italien stammende Jesuit Rodolfo Acquaviva (1550-1583), der als Teil der portugiesischen Jesuitenmission aus Goa an den Hof Akbars kam. Es ist bekannt, dass Akbar vor allem mit ihm häufig über das Christentum debattierte – das zeigt auch das Beitragsbild: ein Gemälde das die theologischen gelehrten Diskussionen zwischen Akbar und Rodolfo Acquaviva darstellte – rechts ist der Pater im gelben Gewand zu sehen. Scheinbar war es auch üblich, dass Acquaviva dem Herrscher ein Ostergeschenk überbrachte – um was es sich dabei handelte, erfahren wir leider nicht.

Zu einem anderen Zeitpunkt kam derselbe Pater Aquauiua (gemeint ist Rodolfo Acquaviva, CP ) zum König, um ihm seine bonne Pasques oder auch Ostergeschenke zu überreichen. Es war der Abend der Wiederauferstehung unsers Erlösers. Seine Majestät war sehr erfreut. Er erwies dem Pater große Ehre, und unterhielt sich mit ihm bis spät in die Nacht. Er stellte ihm viele Fragen, hauptsächlich bezüglich des Wunders der Wiederauferstehung (Jesu).Außerdem fragte er (i.e. Akbar), welche Regeln Christen befolgen, wenn sie zu Gott beten. Diese und andere Fragen wurden beantwortet, und er (i.e. Akbar) entließ ihn mit großer Freundlichkeit.

Rodolfo Acquaviva schien tatsächlich aufgrund seiner positiven Erfahrungen mit Aktbar und des großen Interesses am Christentum geglaubt zu haben, Akbar würde zum Christentum konvertieren. Als sich dieses nicht bewahrheitete, kehrten die Jesuiten nach Goa zurück. Dort geriet Acquaviva zwischen die Fronten eines lokalen Krieges und wurde 1583 ermordet. 1893 wurde Acquaviva zusammen mit anden Jesuiten selig gesprochen.

Akbar und die Christen in Lahore

Obwohl Akbar ja niemals zum Christentum konvertierte, interessierte er sich weiterhin für diese Religion. Eine weitere portugiesische Jesuiten-Mission kam an seinen Hof, als Akbar seine Hauptstadt nach Lahore ins heutige Pakistan verlegte. Von 1585 bis 1598 war Lahore Akbars Hauptstadt. 1595 erlaubt er den Jesuitenpatern den Bau einer Kirche in Lahore. Auch die Feierlichkeiten zu Ostern und zu Weihnachten durften in Lahore gefeiert werden. So berichteten die Jesuiten:

Wir lesen von einer Prozession am (Grün-)Donnerstag in der Karwoche in Lahore, die durch die Stadt bis zur Kirche führte – angeführt von einem Kruzifix und Kindern, die Litaneien sangen, begleitet von einer Gruppe Büßern (gemeint ist: Menschen, die sich selbst geißelten, CP ), deren Aktionen von den Hindu Zuschauern sowohl mit Horror als mit Bewunderung angeschaut wurden.

Maclagan S. 291-92

Für das Jahr 1599 (also ein Jahr, nachedem Akbar Lahore als Hauptstadt aufgegeben hatte) liegen uns Quellen über besonders prachtvolle Osterprozessionen der Christen Lahores vor – dieses hängt aber wohl nicht damit zusammen, dass Akbar nun nicht mehr persönlich in der Stadt residierte:

Am Vorabend des Osterfestes desselben Jahres (i.e. 1599, CP) nutzten die Priester das Dach der Kirche in Lahore für Beleuchtung und Feuerwerk, und am Ostertag startete eine Osterprozession im Morgengrauen. Sie bestand aus Christen in Feiertagskleidung, die Kerzen in ihren Händen hielten und die sich ihren Weg durch eine riesige Menschenansammlung bahnten. Angeführt wurde die Prozession von einem Kreuz, das mit Blumen geschmückt war, danach kamen die Kirchenmusiker und anschließend die Pater in ihren Gewändern, die “das Beste sangen” (cantando como podiam) und ein Bild trugen, das Jesus als Kind zeigte und das aus Portugal kam.

Maclagen, S. 291

Es ist offensichtlich, dass ein Teil der Religionspoitik Akbar die Toleranz und weitgehende Glaubensfreiheit der Religionen des Mogulreiches war. Akbar sah das Christentum als eine wichtige Religion seines Reiches. Auch wenn diese Ansichten Akbars nicht zu allen Zeiten seiner Herrschaft und auch nicht von allen Mitgliedern seines Hofes geteilt wurde, blieb Akbars Religionspolitik bis heute ein wichtiges Zeichen der religiösen Toleranz Indiens.

Literatur:


Carvalho, Pedro de Moura: Mirʼāt al-quds (Mirror of Holiness): a Life of Christ for Emperor Akbar: a Commentary on Father Jerome Xavier’s Text and the Miniatures of Cleveland Museum of Art, Acc. no. 2005.1 / edited and translated by W. M. Thackston. Leiden; Boston: Brill, 2012.

Jarric, Pierre du: Akbar and the Jesuits: an account of the Jesuit missions to the court of Akbar by Father Pierre du Jarric / edited with introduction and notes by C.H. Payne. New York et al. : Harper, 1926.

Maclagan, E.D. : The Jesuits and the Great Mogul. London: Burns, Oates & Washbourne, 1932.

Beitragsbild:

“Rodolfo Acquaviva diskutiert mit dem Großmogul” – Bild eines unbekannten Malers aus dem Jahr 1847. Das Bild ist Public Domain.

Sex am Mogulhof – Schâh Dschahân und die Frauen

Susanne Kurz und ich haben vor einigen Jahren an der Ruhr-Uni Bochum im Fach Islamwissenschaften ein Seminar über “Sexualität und Drogen am Mogulhof” gegeben. Schon damals war uns die große Zahl an Quellen über das (angeblich) ausschweifende Sexualleben des Mogulherrschers Schâh Dschahân (starb 1666) aufgefallen.

Schaut man heute in Internetforen über die Geschichte der Mogulzeit, fallen einem sofort Threads über das Liebesleben Schâh Dschahâns ins Auge. Die zumeist sehr negativen Aussagen umfassen die folgenden Vorwürfe:

  • Die sexuellen Ausschweifungen Schâh Dschahâns hätten in der Familie gelegen: Ebenso wie sein Großvater Akbar sei Schâh Dschahân ein unersättlicher Liebhaber gewesen, der auch vor der eigenen Familie nicht zurückgeschreckt sei (s.u.). Akbar habe zwar ca. 8000 Frauen in seinem Harem gehabt, aber auch mit den Ehefrauen seines Sohns Salîm/ Dschahângîr geschlafen. Dschahângîr habe aus diesem Grund nicht mehr gewusst, ob seine Kinder (wie Schâh Dschahân) nicht seine Geschwister gewesen sein.
  • Die Geschichte der Liebe zwischen Schâh Dschahân, seiner Frau Mumtâz Mahal und dem Taj Mahal als Symbol der ewigen Liebe entspreche nicht der Wahrheit: Schâh Dschahân habe Mumtâz Mahal niemals geliebt, sie sei ja nur eine von mehreren Ehefrauen gewesen.
  • Bereits kurz innerhalb einer Woche nach dem Tod von Mumtâz Mahal hat Schâh Dschahân Mumtâz Mahals Schwester geheiratet.
  • Da seine Tochter Dschahânâra Begum ihrer Mutter Mumtâz Mahal sehr ähnlich sah, begann Schâh Dschahân ein Verhältnis auch mit ihr.

Welche Quellen gibt es über das Sexualleben Schâh Dschahâns? Stimmen sie?

Zugegeben, diese Anschuldigungen gegen Schâh Dschahân klingen, als ob sie der heutigen Boulevardpresse entnommen wären. Sie stammen jedoch aus zwei zeitgenössischen Reiseberichten – zum einen aus dem Reisebericht des italienischen Abenteurers, Reisenden und Autors Niccol(a)o Manucci (starb ca. 1717). Manucci, der aus Venedig stammte, bereiste Indien, beherrschte die türkische und die persische Sprache und hielt sich länger am Mogulhof auf. Später arbeitete er an mehreren Höfen Indiens als Arzt, ohne jedoch jemals Medizin studiert zu haben.

Der zweite Reisebericht stammt von Francois Bernier (st. 1688), einem französischen Reisenden, Arzt und Philosophen. Er war der Leibarzt von Schâh Dschahâns Sohn Auranzeb (st. 1707), als dieser Nachfolger seines Vaters wurde.

In beiden Reiseberichten finden sich umfangreiche Berichte über Schâh Dschahâns Liebesleben. Zunächst lässt sich sagen, dass es keinerlei Hinweise darüber gibt, dass Schâh Dschahân tatsächlich nur eine Woche nach Mumtâz Mahals Tod ihre Schwester heiratete. Über das angebliche inzestuöse Verhältnis Schâh Dschahâns finden wir Andeutungen nur bei Bernier, Manucci berichtet uns nichts darüber.

Eindeutig (und auch aus anderen Quellen des Hofes bestätigt) ist, dass Schâh Dschahân erst nach dem Tod Mumtâz Mahals mit seinem ausschweifenden Liebesleben begann.

Schâh Dschahâns Prunk

Bernier und Manucci waren sich darüber einig, dass Schâh Dschahân zahlreiche Affären hatte. Legendär ist seine Vorliebe für Musik, Tanzdarbietungen – und Sängerinnen.

Manucci beschreibt auch sehr eindrücklich, dass Schâh Dschahân keine Kosten und Mühen scheute, seine Favoritinnen mit seinem Reichtum zu beeindrucken (Manucci Vol. 1, 196)

Zur größeren Befriedigung seiner Gelüste ordnete Schâh Dschahân den Bau einer großen Halle (ca. 10 x4 Meter) an, geschmückt mit großen Spiegeln. Das Gold alleine kostete 15 Millionen Rupien, die Arbeiten mit Emaille und Edelsteinen nicht mit eingerechnet. An der Decke der besagten Halle, zwischen den Spiegeln, waren goldene Streifen, die mit Edelsteinen verziert waren. An den Ecken der Spiegel waren große “Trauben” von Perlen, und die Wände waren mit Jaspis geschmückt. Diese ganzen Ausgaben wurden gemachten, damit er sich in obszöner Weise mit seinen Favoritinnen amüsieren konnte.

Sowohl Manucci als auch Bernier berichten zudem, dass zu diesen Favoritinnen des Herrschers vor allem die Frauen seiner Gouverneure, Amîre und Wazîre zählten. Manucci war besonders empört darüber, dass zu Schâh Dschahâns  Geliebten auch die Frau seines Schwagers Abû Tâlib (genannt Shâ’ista Khân) gehört hat. Noch empörter war Manucci darüber, dass Schâh Dschahâns Tochter Dschahânâra Begum ihm scheinbar dabei half, die Frauen zu verführen. So schreibt (Manucci Vol. 1, 197, Übersetzung aus dem Englischen C.P)

Schâh Dschahâns Favoritinnen

Schâh Dschahân verschonte auch die Frau seines Schwagers Schâ’ista Khan nicht, – auch wenn das mit Hilfe eines Tricks geschah, zu dem sie nicht zugestimmt hätte. Die Kupplerin in dieser Affäre war Begum Sahib, die Tochter Schâh Dschahâns, die aus Gefälligkeit für ihren Vater die besagte Frau zu einer Feier einlud, an dessen Ende Schâh Dschahân sie verletzte (Englisch: violated, gemeint ist wohl “vergewaltigte” C.P.) Die Frau war davon so getroffen, dass sie, nachdem sie wieder nach Hause ging, weder aß noch ihre Kleidung wechselte – und so beendete sie voller Schmerz ihr Leben. Schâ’ista Khan zog sich zurück und hoffte, dass die Zeit seiner Rache kommen würde.

Schâh Dschahân und Meena Bazâr

Dieser Vorfall liest sich sehr dramatisch – andere Beispiele klingen weniger drastisch. Sie endeten, glaubt man Manucci, allerdings genau so. Sowohl Bernier als auch Manucci schreiben, dass Schâh Dschahân vor allem eine Gelegenheit nutzte, um Frauen zu treffen und sie zu seiner Geliebten zu machen: den Meena Bazâr.

Akbar hatte während seiner Herrschaft den Meena Bazâr erstmals ausgerichtet. An acht Tagen waren auf einem von der Öffentlichkeit abgeschirmten Gelände die Frauen des Harems sowie die Frauen von Prominenten des Hofes als Händlerinnen tätig. Es war normalerweise nicht üblich, dass Frauen auf dem Bazâr handelten. Zutritt zum Meena Bazâr hatten nur Frauen und hijras (“Eunuchen”, “das dritte Geschlecht”).

Eine Ausnahme wurde allerdings gemacht: der Herrscher selbst und häufig seine engsten männlichen Verwandten waren die einzigen männlichen Besucher, die den Meena Bazâr besuchen durften. Dieses soll Schâh Dschahân ausgenutzt haben. So soll er in den acht Tagen rund um das persische Nourûz-Fest täglich zwei Mal den Meena Bazâr aufgesucht haben – zum alleinigen Zweck, dort Frauen zu treffen. So schrieb Manucci (Übersetzung aus dem Englischen C.P.):

Er (i.e. Schâh Dschahân) saß dabei auf einem kleinen Thron, der von einigen tartarischen Frauen getragen wurde. Begleitet wurde er von einigen älteren Frauen (des Harems), die Stäbe aus emaillierten Gold in den Händen hielte, und zahlreichen Eunuchen. Außerdem waren einige Musikerinnen dabei.

Schâh Dschahân ging an den Ständen sehr aufmerksam vorbei, und wenn eine der Verkäuferinnen seine Aufmerksamkeit erregt, geht er zu diesem Stand, spricht sehr höflich vor, wählt etwas aus und ordnet an, dass bezahlt würde, was die Verkäuferin verlangt.

Wenn der König ein vereinbartes Zeichen gibt, und er bereits weiter gegangen ist, kümmern sich die älteren Frauen des Harems, die diese Angelegenheit bereits kennen, um die (auserwählte, C.P.) Frau und sorgen dafür, dass sie zur passenden Zeit zum König kommen. Viele von ihnen kehren reich und zufrieden aus dem Palast zurück, während andere dort mit der Würde einer Konkubine verweilen.

Manucci, Vol. 1, 196.

Nun, was soll man abschließend zu diesen Berichten sagen? Manucci und Bernier hatten zwar den Herrscher auch mehrfach persönlich erlebt, doch zählten sie als Fremde nicht zum engeren Zirkel des Hofes. Dennoch hörten sie scheinbar viele Gerüchte, die in Hofkreisen umhergingen. So ist natürlich nicht auszuschließen, dass an diesen Gerüchten etwas Wahres dran war. Dass die offiziellen Chroniken zu diesen Dingen schweigen, ist verständlich, bedeutet aber nicht, dass sie nicht passiert sind.

Vielleicht finden sich ja eines Tages weitere Quellen zu diesem Thema, das, wie erwähnt, auch heute noch die Menschen beschäftigt.

Literatur:
Bernier, Francois: Travels in the Mogul Empire: AD 1656-1668. 2.ed. London et al. 1916.
Eraly, Abraham: Last Spring: The Lives and Times of the Great Mughals. Kindle Edition (Ursprünglich Delhi 2000).
Manucci, Niccolao: Storia do Mogor, or Mogul India. 1653-1708. Vol 1-3./ transl. William Irvine. London 1907.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait von Schâh Dschahân, gemalt von Bichitr (ca. 1630).

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Der verhinderte Mordanschlag – und warum Razia Sultan trotzdem Herrscherin wurde

Razia Sultan ist und bleibt auch knapp 780 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod im Jahr 1240 eine Frau, die Menschen in Indien und in der bewegt und inspiriert. Sowohl in Comics, Romanen, einem Kinofilm und in der TV-Serie Serie Razia Sultan – Die Herrscherin von Delhi wurde die Figur Razias dargestellt.

Razia Sultan war nicht die einzige muslimische Herrscherin im 13. Jahrhundert – in Ägypten herrschte fast zur selben Zeit Schadscharat ad-Durr, der ich hier auch schon einen Beitrag gewidmet habe. Doch zunächst sah es nicht so aus, als ob Razia jemals Herrscherin werden würde.

Zwar hatte ihr Vater Sultân Iltutmish ausdrücklich festgelegt, dass seine Tochter ihm nachfolgen sollte, jedoch war der Widerstand gegen sie als weibliche Herrscherin stark.

“Kein Land wird je….” –

Vor allem das Beratergremium des Sultans, das traditionell eine Mitsprache in allen wichtigen Regierungsangelegenheiten hatte, war gegen eine Frau auf dem Thron. Die Chihalgani ( Turkân-e Chihâlgânî, “die Gruppe der 40”) berief sich hierbei auf eine islamische Argumentation, die auch heutzutage immer noch vorgebracht wird, wenn es um weibliche Herrschaftsansprüche geht.

Dabei geht es um einen als “besonders glaubwürdigen” (sahîh) Ausspruch des Propheten Muhammad (hadîth), in dem er sagte: “Kein Land wird je in Wohlstand gedeihen, wenn seine Angelegenheiten von einer Frau geregelt werden (Arabisch: lan yufliha qawmun wa-law amrahumu imraatun, Sahîh Bukhârî, Bd. 9. Buch 88, Hadîth 219).

Heutige Gelehrte (u.a. die marokkanische feministische Islamwissenschaftlerin Fatima Mernissi, st. 2015), legen diese Überlieferung so aus, sie zum einen nicht von so vertrauenswürdigen Personen überliefert wurden. Zum anderen sei sie nur im Zusammenhang mit dem persischen König Chosrau I. (st. 579), von dem Muhammad erfahren habe, dass er seine Tochter Turandocht zur Erbin gemacht habe. Zudem gäbe es ja noch Bilqîs, die Königin von Saba, die gemäß koranischer Überlieferung ein großes Reich geführt habe (siehe Sure 27). Und schließlich habe der Prophet selbst auch Frauen, wie beispielsweise seine Ehefrau Aisha (st. 678) um Rat in Staatsangelegenheiten befragt.

Und doch eine Frau an der Macht?

Doch zurück zu den Zeiten Razias, in denen die Gelehrten den weiblichen Einfluss am Hof von Delhi begrenzt wissen wollten. Dennoch ließen sich sich die 40 Emire von einer anderen Frau manipulieren: von Shah Turkan, der ehemaligen Kurtisane und späteren zweiten Ehefrau von Razias Vater Iltutmish. Schah Turkan wollte um jeden Preis ihren Sohn Rukn ud-Dîn auf dem Thron installieren. Iltutmish jedoch hatte bereits befürchtet, dass alle seine Söhne unfähige Herrscher sein würden und hatte deshalb seine Tochter als seine Nachfolgerin vorgesehen.

Als Iltutmish jedoch 1236 verstarb, waren die 40 Emire nicht gewillt, Razia die Macht zu überlassen, sondern sie wollten Rukn ud-Dîn auf dem Thron sehen. Aus diesem Grund unterstützten sie Shah Turkan.

Shâh Turkan scheute sich nicht, Rukn ud-Dîns Konkurrenten zu beseitigen und ließ Iltutmishs jüngsten Sohn töten. Anschließend versuchte sie, auch Razia töten zu lassen.

Der Mordanschlag auf Razia

Der Mordanschlag, der Razia galt, sollte während Razias täglichen Ausritts ausgeführt werden – es war bekannt, dass Razia morgens immer ausritt, sowie ihr üblicher Weg bekannt war. Shah Turkan ließ einen Graben ausheben und mit Laub bedecken, dort sollte Razias Pferd zu Fall kommen.

Loyale Anhänger Razias konnten diesen Anschlag vereiteln – aber nicht verhindern, dass Rukn ud-Din Herrscher wurde – als Marionette seiner Mutter Shah Turkan.

Letzten Endes waren die 40 Emire erfolgreich und Razias Bruder Mu’izz ud-Dîn bestieg den Thron – die weibliche muslimische Herrschaft in Indien war erst einmal beendet.

Das Beitragsbild zeigt ein Marwari-Pferd – eine Rasse, die ursprünglich aus Zentralasien stammt. Das Bild ist Public Domain. Bildnachweis: Virendra.kankariya [Public domain]

Mumtâz Mahal – die Frau, für die das Tâj Mahal gebaut wurde

Susanne hat in ihrem Beitrag über das Taj Mahal (Tâdsch Mahal) gefragt, ob dieses ein Liebesbeweis oder eine Machtdemonstration sei. Fakt ist, dass sowohl die zeitgenössischen persischen Quellen als auch die britischen Berichte aus der Kolonialzeit von der “größten Liebesgeschichte aller Zeiten” zwischen dem Mogulherrscher Schâh Dschahân (st. 1666) und seiner Ehefrau Ardschumand Begum, genannt Mumtâz Mahal (st. 1631) berichteten – und das Tâj Mahal wurde und wird bis heute als “Monument der Liebe” bezeichnet. In diesem Beitrag möchte ich noch einmal auf die Geschichte dieses Paares eingehen.

Schâh Dschahân wurde 1592 als Prinz Khurram ( Persisch: “blühend”, “fröhlich”) geboren. Sein Vater Salîm / später Dschahângîr (st. 1627) war zu diesem Zeitpunkt noch Kronprinz, denn Khurrams Großvater, der Mogulherrscher Akbar (st. 1605) war zu diesem Zeitpunkt noch am Leben. Schâh Dschahâns Mutter war die Rajputenprinzessin Jagat Gosain.

Akbar und Khurram verbrachten viel Zeit miteinander, was auch daran lag, dass Khurram von Akbars erster Ehefrau und Cousine Ruqaiya Begum erzogen wurde. Khurrams Großvater und sein Vater Dschahângîr hatten hingegen kein gutes Verhältnis zueinander, was sich auch auf das Vater-Sohn Verhältnis auswirkte.

Als Akbar 1605 starb und Khurrams Bruder gegen Dschahângîr rebellierte, verbesserte sich auch Khurrams Verhältnis zu seinem Vater. Khurram wurde zum Kronprinzen ernannt, erhielt ein eigenes Siegel und – sehr ungewöhnlich – schon als Kronprinz seinen späteren Herrschernamen Schâh Dschahân.

Verlobung mit Mumtâz Mahal

Schâh Dschahân war knapp 16 Jahre alt, als er mit Ardschumand Begum, der späteren Mumtâz Mahal, verlobt wurde. Ardschumand war 14 Jahre alt und die Tochter des berühmten Generals Mirzâ Asaf Khân, der einst als Kind als Flüchtling aus Persien gekommen war. Seine Schwester war die berühmte Nûr Dschahân Begum, die selbst einige Jahre später die 20. Ehefrau des Herrschers Dschahângîr werden sollte.

Mumtâz Mahals Vater Mirzâ Asaf Khân, gemalt von Bichitr (st. nach 1650). Das Bild ist Public Domain.

Ardschumand Begum, die später den Titel Mumtâz Mahal (“Die Exzellenz des Palastes”), kam also aus einer Familie, die durch die Flucht aus Persien zwar alle ihre Besitztümer verloren hatte, aber über persische Kultur und Bildung verfügte. Sie war in arabischer und persischer Sprache ausgebildet und dichtete auch auf Persisch. Es ist anzunehmen, dass sie wie andere Frauen der Elite ihrer Zeit sowohl eine Ausbildung in religiösen Disziplinen als auch in Poesie, Dichtung und Musik erhalten hatte.

Ardschumand Begum galt zudem als intelligente Schönheit, die auch einen angenehmen, umgänglichen Charakter hatte. So gab es mehrere Interessenten für eine Eheschließung, doch hatte selbstverständlich der Thronfolger Vorrang.

Eine lange Verlobungszeit und eine erste Ehefrau

Doch interessanterweise dauerte die Verlobungszeit von Schâh Dschahân und Ardschumand Begum über 5 Jahre! Und nicht nur das: in dieser Zeit heiratete Schâh Dschahân seine erste Ehefrau Qandahârî Begum, eine Tochter des Ur-Enkels des Gründers des persischen Safavidenherrschers Schâh Ismâ’îls I. (st. 1594). Diese Ehe wurde aus politischen Erwägungen geschlossen. Qandahârî Begum brachte 1611 ihr einziges Kind zur Welt, eine Tochter namens Parhez Bâno Begum. Über sie ist sehr wenig bekannt, außer, dass Dschâhângîr anordnete, dass Parhez – wie er selbst und Schâh Dschahân auch – von Ruqaiya Begum, der Witwe Akbars, aufgezogen wurde.

Weitere Ehefrauen und Kinder Schâh Dschahâns

Fünf Jahre nach der Heirat mit Ardschumand heirate Schâh Dschahân seine dritte Ehefrau, ‘Izz un-Nisâ’ Begum, genannt Akbarrabâdî Begum. Auch sie gehörte der Hofelite bzw. sogar der Mogulfamilie an: ihr Großvater war ‘Abdur Rahîm Khân, der (angenommene) Sohn von Akbars Cousine und Ehefrau Salîma Sultân Begum. Auch Akbarabâdî Begum brachte ein Kind von Schâh Dschâhân zur Welt, einen Jungen. Dieser starb jedoch im frühren Kindesalter.

Die Quellen berichten außerdem, dass Schâh Dschahân zudem eine Rajputenprinzessin heirate – doch über ihren Namen und etwaige Kinder ist nichts bekannt. Auch über Kinder von Konkurbinen erfahren wir in den Quellen nichts.

Ardschumand soll zu Schâh Dschâhân gesagt haben (A. Eraly: Last Spring, S. 63) : Zieh die Kinder (gemeint sind wohl die Söhne) anderer Frauen nicht groß – es könnte zwischen ihnen und unseren Kindern zu Nachfolgekämpfen kommen.

Während Ardschumand die anderen Ehefrauen als Konkurrenz nicht ernst nahm, schien sie die Kinder der anderen Ehefrauen als Bedrohung wahrnahm. Folgt man den Quellen, lebte Schâh Dschahân mit Ardschumand / Mumtâz Mahal fast monogam, die Ehen schienen nur auf dem Papier zu bestehen. Auch die zeitgenössischen Quellen und Hofchroniken berichten, dass Schâh Dschahân die anderen Ehefrauen komplett vernachlässigte, nachdem sie jeweils ein Kind zur Welt gebracht hatten. So schrieb einer von Schâh Dschahâns Chronisten, dass er für die anderen Frauen nicht ein Tausendstel von dem empfunden habe, was er für Mumtâz Mahal empfunden habe.

Die Ehe mit Ardschumand / Mumtâz Mahal

Für Mumtâz Mahal empfand er nicht nur eine tiefe Zuneigung, sondern er vertraute ihr auch in Regierungsangelegenheiten völlig und ließ sich ständig von ihr beraten. Heutzutage würde man wahrscheinlich sagen, dass Schâh Dschahân emotional von Mumtâz Mahal abhängig war. Er ertrug es nicht, von ihr getrennt zu sein. Die Teile des Roten Forts in Agra, die das Paar bewohnte, waren mit Marmor, Blattgold und Juwelen besonders geschmückt. Mumtâz Mahal erhielt bei vielen öffentlichen Anlässen zudem große Zuwendungen in Gold und Edelsteinen.

Obwohl Mumtâz Mahal in den 19 Jahren ihrer Ehe ständig schwanger war, bestand sie darauf, Schâh Dschahân auch auf seinen Feldzügen ständig zu begleiten.

Insgesamt brachte Mumtâz Mahal 14 Kinder zur Welt, 8 Söhne und 6 Töchter. Nur 7 von ihnen erreichten das Erwachsenenalter. Mumtâz Mahal starb, als sie ihren Mann auf den Feldzug in den Dekkan begleitete. Sie lag knapp 30 Stunden in den Wehen, bevor sie eine Tochter zur Welt brachte – Gauhar Ârâ Begum. Nur kurze Zeit später erlag Mumtâz Mahal schweren inneren Blutungen.

Mumtâz Mahal wurde zunächst in Burhanpur, wo sie starb, bestattet. Anschließend wurde ihr Leichnam nach Agra überführt, wo eine Grabstätte am Fluß Yamuna erbaut wurde. Erst über zwanzig Jahre später fand Mumtâz Mahal ihre letzte Ruhestätte im Tâj Mahal, das Schâh Dschahân für sie erbauen ließ.

Endlose Trauer um Mumtâz Mahal? Der trauernde Witwer Schâh Dschahân

Folgt man den Quellen, so kannte Schâh Dschahâns Trauer keine Grenzen. Eine Woche habe er sich komplett zurückgezogen und sich auch nicht um seine Staatsgeschäfte gekümmert. Vom vielen Weinen sei hätte seine Sehkraft so nachgelassen, dass er eine Brille habe tragen müssen. Sein Bart sei ergraut. Viele seine Gewohnheiten, so zum Beispiel das Musikhören und das Anschauen von Tanzdarbietungen, habe er aufgegeben. Er habe sogar daran gedacht, den Thron vollständig aufzugeben und abzudanken.

Es gibt jedoch auch andere, wenig schmeichelhafte Berichte über den Witwer Schâh Dschahân, die von sexuellem Mißbrauch und ständig wechselnden Sexualpartnerinnen berichten. Doch das ist mir einen eigenen Blogbeitrag wert.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Mumtâz Mahals, wahrscheinlich aus dem 17. oder 18. Jahrhundert. Es ist Public Domain.

Literatur:

Eraly, Abraham: Last Spring: The Lives and Times of the Great Mughals. New Delhi: Penguin, 2017.

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Akbar als kaiserlicher Heiler (Weihnachtsspecial 2019)

Die Hände des Königs sind Hände eines Heilers, und so soll der rechtmäßige König erkannt werden.

J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. III. Die Rückkehr des Königs. 10. Aufl. Stuttgart 1983, S. 153.

Wirklich, ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, eines Tages in der #Persophonie ein Zitat aus meinem Lieblingsbuch Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien anbringen zu können. Doch natürlich hat sich Tolkien diese Beschreibung für Aragorn, den späteren König von Gondor, nicht nur ausgedacht.

In Europa – vor allem in England und Frankreich – gibt es eine lange Tradition von heilenden Königen. Man sagte, dass Könige allein durch das Handauflegen Krankheiten wie Epilepsie, Unfruchtbarkeit oder “Skrofulose” (Hauttuberkulose) heilen könnten.

Dahinter steckte der Glaube, dass die Könige eine besondere Verbindung zu Gott hatte. Zudem sahen sich Könige in der Nachfolge von Jesus Christus. “Christus” ist Griechisch und bedeutet “der Gesalbte” – und die Könige des Mittelalters wurden in ihrer Krönungszeremonie ebenfalls gesalbt.

Wie wir sehen, lassen sich diese Erkenntnisse auch auf andere Kulturkreise übertragen, in diesem Fall auf den muslimischen Mogulherrscher Akbar (st. 1605).

Akbar, Medizin und Heilung

Akbar interessierte sich Zeit seines Lebens für Fragen der Medizin. Dieses zeigt sich darin, dass er viele hakîms, ausgebildete Ärzte der graeco-islamischen Medizin, in seine Verwaltungselite berief. Sowohl sein Vertrauter und Biograph Abû l-Fazl (st. 1602) als auch sein Hofdichter Faizî (st. 1595) waren in der graeco-islamischen Medizin ausgebildet. Dazu kamen zahlreiche hakîms, die aus Persien an Akbars Hof gekommen waren. Durch die Förderung am Hof wurde die graeco-islamische Medizin (Unani Medizin) zur vorherrschenden Medizin im Mogulreich.

Von Akbar wissen wir, dass er sich selbst von hakîms behandeln ließ und die Heilmittel der Unani Medizin anwendete. Doch darüber hinaus haben wir viele Berichte darüber, dass Akbar sich selbst als Heiler sah. Im dritten Teil seiner persischen Biographie, dem ‘Ain-i Akbarî vom oben genannten Abû -Fazl finden sich einige Beispiele dieser Glaubensheilungen. Sein Biograph Abû l-Fazl schrieb, dass Akbar sich sowohl mit Heilmitteln als auch mit spirituellen Heilungen auskannte.

Aber es ist unmöglich, einen vollständigen Bericht über die Art zu geben, mit der Seine Majästät Weisheit vermittelt, gefährliche Krankheiten heilt und Heilmittel bei den schwersten Leiden anwendet.

Abul Fazl: ‘Ain i Akbari. Vol. 1, S.166

Akbars Wunderheilungen

In meinem Beitrag über Akbars Amme Jîjî Anga hatte ich schon berichtet, dass Akbar schon als Baby und als kleiner Junge Wundertaten vollbracht haben soll. In den Berichten darüber wird deutlich, dass Akbar sich selbst mit Moses (Mûsâ) und Jesus (Îsâ b. Maryâm) verglich, die beide auch im Islam wichtige Propheten sind.

Akbar fühlte sich Zeit seines Lebens von Gott besonders erleuchtet – das ist auch im wörtlichen Sinne zu sehen. Auf dem Beitragsbild ist er auch mit einem Heiligenschein zu sehen, was auf den ersten Blick ja im islamischen Kontext ja ungewöhnlich zu sein scheint. Auch darüber hatte ich hier ja schon einmal etwas geschrieben.

Doch Akbars religiöse Lehren, die er in der “Göttlichen Religion” (Dîn-e Illâhî) zusammenfasste, stießen nicht nur auf Unterstützung. Einige islamische Gelehrte warfen ihm vor, die Einheit Gottes / Allâhs zu verletzen.

Die portugiesischen Jesuiten, die an Akbars Hof versuchten, wichtige Würdenträger zu konvertieren, störten sich scheinar ebenfalls daran, dass Akbar versuchte, sich wie ein Prophet und Heiler zu inszenieren. Sie schilderten, dass Akbar sich jeden Morgen wie ein Prophet und Heiler geradezu verehren ließ und spirituelle Heilungen vollog:

Er (i.e. Akbar) zeigte sich jeden Morgen an einem Fenster, vor dem unzählige Menschen erschienen und sich niederwarfen. Frauen brachten ihre kranken Kinder, um sie von ihm segnen zu lassen, wenn sie wieder gesund waren, brachten sie ihm Geschenke.

Hugh Murray: Historical Accounts, Vol. 2, S. 96

Akbar soll vielen Kranken alleine durch seine Segnungen Hoffnung gegeben und Krankheiten geheit haben:

Viele Menschen mit enttäuschten Hoffnungen, deren Krankheiten von ausgebildeten Ärzten als unbehandelbar erklärt wurden, wurden durch diese göttliche Art und Weise geheilt.

Abul Fazl: ‘Ain i Akbari, Vol. 1, S. 166.

Akbars Biograph gab uns noch ein schönes Beispiel für eine spirituelle Heilung Akbars::

Eine bemerkenswerte Geschichte war die folgende: Ein einfältiger Einsiedler schnitt sich selbst die Zunge ab und warf sie über die Schwelle des Palastes. Dabei dachte er: ‘Wenn der selige Gedanke, den ich gerade habe, von Gott in mein Herz gepflanzt wurde, wird meine Zunge wieder heilen, da die Aufrichtigkeit meines Glaubens zu einem guten Ende führen wird.’ Der Tag war noch nicht zu Ende, bevor sein Wunsch erfüllt war.

Abul Fazl: ‘Ain i Akbari, Vol 1., S. 165

Ob es Beweise gibt, dass diese Heilungen wirklich erfolgt sind? Konnte Akbar sowohl Krankheiten mit Heilmitteln oder auf spirituelle Weise heilen?

Nicht nur in der Weihnachtszeit glauben sowohl Christen als auch Muslime an die Fähigkeiten von spiritueller Heilern, Propheten und von Heiligen. Dieser Glauben findet sich – wie im Falle von Der Herr der Ringe – auch in der Literatur wieder.

In diesem Sinne wünsche ich allen von uns, die Weihnachten feiern, ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Akbars, gemalt vom berühmten Maler Govardhan (lebte im 17. Jahrhundert) – Metropolitan Museum of Art [Public domain]

Weiterführende Literatur:

Abul Fazl Allami: ‘Ain i Akbari / transl. E. Blochmann. 2 Vols. Calcutta, 1878.

Murray, Hugh: Historical Account of Discoveries and Travels in Asia. Vol. II.. Edinburgh, 1820.

Stumpfe, Klaus-Dietrich: Glaubensheilungen in Geschichte und Gegenwart. Köln, 2007.

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“Ein Fluss von Milch zwischen uns”: Akbar und sein Milchbruder Mirzâ Azîz Koka

Susanne und ich haben ja auf diesem Blog schon häufig über die Rolle von Akbars Ammen und die seiner Milchbrüder gebloggt. In der islamischen Theologie ist die Milchbruderschaft fast der Blutsverwandtschaft gleichgestellt. So heißt es in Sure 4, Vers 23, dass es Männern verboten ist, ihre Ammen oder Milchschwestern zu heiraten.

Frauen ist es gestattet, ihre traditionelle islamische Verschleierung (hidschâb) vor ihren Milchbrüdern wegzulassen, denn diese sind ihren Brüdern und anderen Männern, die sie nicht heiraten kann, gleich gestellt.

Akbar und seine Milchbrüder

Der Mogulherrscher Akbar wurde 1542 in unruhigen politischen Zeiten geboren. Während seine Mutter Hamîda Begum und Humâyûn im persischen Exil lebten, wurde Akbar von den Beratern seines Vaters und seinen Ammen versorgt. Mahâm Anga und Jîjî Anga waren Akbars bedeutendste Ammen, die über mehr (Mahân Anga) oder weniger (Jîjî Anga) öffentlichen Einfluss verfügten. Dschahângîr schrieb später in seinen Memoiren, dass zwischen Kind und Amme durch das Stillen eine besondere Vertrautheit herrschte, diei sich auch auf die Milchbrüder übertrug. Akbar verlieh seinen Milchbrüdern auch Macht und Einfluss an seinem Hof. Sie genossen durch die Milchbruderschaft einen Vertrauensvorschuss des Herrschers.

Mahâm Anga schaffte es, ihren Sohn Adham Khân (st. 1562) als Berater und Feldherren am Hof zu platzieren, wo er bald zum engsten Führungskreis der Verwaltung gehörte. Auch Jîjî Angas Sohn Mirzâ ‘Azîz Koka war seit frühester Jugend als Berater in der Verwaltung des Mogulhofes tätig.

Zudem war er als Soldat bzw. Feldherr aktiv, er selbst beschrieb sich auch häufig als Soldat.

Der Tod von Atga Khân, Mirzâ ‘Azîzs Vater

1562 passierte etwas Einschneidendes im Leben unserer drei Protagonisten: Adham Khân ermordete Mirzâ ‘Azîzs Vater Atga Khân. Dafür tötete Akbar Adham Khân, indem er ihn von einer Veranda des Roten Forts in Agra warf. Da Adham Khân den ersten Sturz überlebte, warf Akbar ihn erneut herunter. Susanne hat das hier ja eindrücklich beschrieben.

Mirzâ ‘Azîz ließ für seinen Vater Atga Khân ein Grabmal in Delhi in der Nähe von Nizâm ud-Dîn Auliyâs Grabanlage errichten. Diese Anlage ist als Chausath Khamba bekannt (64 Säulen). Dort wurde Mirzâ ‘Azîz auch selbst bestattet.

Doch zurück zur Ermordung Atga Khâns. Der Verrat von Adham Khân traf Akbar scheinbar schwer. Dennoch vertraute er seinem Milchbruder ‘Azîz Koka weiterhin und betraute Mirzâ ‘Azîz Koka weiterhin mit Verwaltungsaufgaben. Schließlich verlieh er ihm den Ehrentitel Khân ‘Azam – “der große Khân”.

1573 wurde Mirzâ ‘Azîz Koka Gouverneur Akbars in Gujarat, anschließend führte er immer wieder mehr oder weniger erfogreiche Militäraktionen durch.

Konflikte und die Pilgerfahrt Mirzâ ‘Azîz Kokas

Doch auch zwischen Mirzâ Azîz und Akbar gab es mehr oder weniger offene Konflikte. Ein Punkt war die von Akbar begründete Lehre des Dîn-e Illâhî (“die göttliche Religion”), die Elemente von Islam, Hinduismus und Christentum enthielt. Akbar, so lautete der Vorwurf von ‘Azîz Koka, ließ sich wie ein Gott verehren. Susanne hat HIER ja einiges zur Dîn-e Illâhî geschrieben, was noch einmal nachgelesen werden kann.

Als der Konflikt zwischen Mirzâ ‘Azîz und Akbar weiter zu eskalieren drohte, brach Mirzâ ‘Azîz nach Mekka zur Pilgerfahrt (hajj) auf. Dort spendete er sehr große Summen für den Erhalt islamischer Heiligtümer.

1592 kehrte Mirzâ ‘Azîz Koka an Akbars Hof zurück. Der Herrscher erklärte alle vorhergehenden Konflikte für beendet und gab Mirzâ ‘Azîz seine Positionen zurück.

Akbar sagte einmal den Satz über Mirzâ ‘Azîz den Satz, der auch dem Blogbeitrag den Titel gab: “

Es fließt ein Fluss von Milch zwischen uns, der nicht überquert werden kann”.

Familienbande

Mirzâ ‘Azîz Koka war jedoch nicht nur als Berater und Militärführer erfolgreich – er schaffte es auch, seinen hohen Rang für seine Familie einzusetzen. Seine Tochter Habîba Bâno Begum heiratete Akbars Sohn Prinz Murâd. Das Paar hatte zwei Söhne.

Eine andere namentlich nicht genannte Tochter Mirzâ ‘Azîzs heiratete Dschahângîrs ältesten Sohn Khusraû.

Somit schaffte Mirzâ ‘Azîz zu Akbars Lebzeiten – zumindest theoretisch – die Basis für einen weiteren Aufstieg seiner Familie durch enge Verbindungen zum Herrscherhaus.

Mirzâ ‘Azîz Karriere unter Dschahângîr

Unter Dschahangîrs Herrschaft kam es jedoch zum Zerwürfnis zwischen Mirzâ ‘Azîz und dem Hof. Mirzâ ‘Azîz verlor die meisten seiner Positionen sowie den Großteil seines Vermögens. Grund dafür war sein Schwiegersohn Khusraû – dieser hatte 1606 gegen seinen Vater Dschahângîr rebelliert, weil er selbst Akbars Nachfolge antreten wollte.

Auch im Streit zwischen Khusraû und seinen Brüdern stellte sich Mirzâ ‘Azîz ebenfalls auf die Seite seines Schwiegersohnes – was Dschahângîr verständlicherweise nicht für positiv befand.

Den Verrat und die Illoyalität mir gegenüber einmal beiseite. Doch was ist mit meinem Vater, der Dich und Deine Familie aus dem Staub der Straße gezogen und bezüglich Wohlstand und Rang so weit nach oben gebracht hat, dass Deinesgleichen Dich darum beneiden? Warum hast Du derartige Dinge geschrieben, die Dich in den Kreis der Undankbaren und Elenden stellen? Was kan bei einer solchen Bestimmung und angeborenen Neigung noch getan werden? Dein Charakter (eigentlich: dein Ton, C.P.) wurde mit dem Charakter der Iloyalität gemischt – was ist da noch zu erwarten?

Mirzâ ‘Azîz soll sich nicht zu den Vorwürfen geäußert haben – Dschahângîr entzog ihm aber dennoch seine Landgüter.

Über Mirzâ ‘Azîs weiteres Schicksal haben wir keine Informationen – er soll etwa 1624 im Alter von 81 oder 82 Jahren verstorben sein. Das Schicksal seines Schwiegersohnes Khusra’û Mirzâ verlief weitaus tragischer – doch darüber werden wir in einem anderen Blogpost berichten.

+++HIER +++gibt es einen Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte

Buchtipp: Abenteuer Seidenstraße

In der Adventszeit ist es ja vielleicht einmal angezeigt, dass wir von der #Persophonie einmal einen Buchtipp abgeben. Man könnte auch sagen: einen Geschenktipp für all diejenigen, die kulturgeschichtlich oder an der #Persophonie interessiert sind..

Das Werk “Abenteuer Seidenstraße” von Alfred de Montesquiou verdient die Bezeichnung Buchtipp WIRKLICH. Im Sommer 2019 habe ich in der Stadtbücherei meiner Heimatstadt gearbeitet, und eine Leserin meinte völlig begeistert nach der Lektüre zu mir: “Das ist das beste Buch, das Sie derzeit hier in der Bücherei haben!”.

Auch mich hat das Buch auch wirklich begeistert, sodass ich es gerne hier empfehle.

Dezeit wird zumeist das von China initiierte Megaprojekt “Neue Seidenstraße” diskutiert, das Handelsnetzwerke zwischen Asien, Afrika und Europa aufbaut. Der französische Journalist Alfred de Montesquiou (geb. 1978) hat sich aber der ursprünglichen, “alten” Seidenstraße gewidmet und drehte eine 15-teilige TV-Serie, die in Deutschland auf dem Sender ARTE ausgestrahlt wurde. Nun liegt seit Februar 2019 das entsprechende Buch vor. De Montesquiou hat den Orient bereits für einige Reportagen bereist – so zum Beispiel für Reportagen über den Arabischen Frühling und vor allem über den Sturz Muammar al-Gaddafis in Libyen.

Doch zurück zur Seidenstraße. Man merkt Montesquiou seine Begeisterung für kulturgeschichtliche Themen an. Bereits im ersten Teil über Venedig gibt Montesquiou Einblicke in die Handwerkskünste der Herstellung von Mosaiken und von Damast. Beide Künste entstanden, wie Montesquiou zeigt, im ständigen Dialog mit dem Orient.

Von besonderem Interesse für die Leser der #Persophonie sind natürlich die Teile über Iran, in denen Montesquiou die kulturelle und religiöse Vielfalt des Landes vorstellt. Die Fida’i, also die Assassinen des Mittelalters, interessieren europäische Leser sehr – auch Susanne hat ja hier über das Thema schon gebloggt.

Vielen westlichen ist auch die große Anzahl christlicher Kirchen in Iran nicht bekannt. Montesquiou beleuchtet die Situation der armenischen Christen in Iran und (für die TV Dokumentation) Interviews mit Armeniern in Täbris.

Apropos Täbris: man merkt Montesquiou seine Faszination besonders bei der Darstellung des Bazars von Täbris an, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Auch heute wird dort klar, dass ein Bazar nicht nur ein Handelszentrum war, sondern auch im sozialen Leben einer städtischen Gemeinschaft eine große Rolle spielt. Und letztendlich sprechen auch die auf dem Bazar angebotenen Waren vom Austausch zwischen Ost und West.

De Montesquiou stellt im übrigen gleich zu Anfang seines Buches klar, dass sich die Seidenstraße “weder zeitlich noch geographisch genau verorten lässt” (S. 9). Auch der Name “Seidenstraße” sei beliebig, da auf der Handelsroute auch Gewürze und viele andere Güter gehandelt wurden.

Der Name Seidenstraße, der wohl auf viele von uns eine geradezu magische Wirkung ausübt, stammt im übrigen vom deutschen Geographen und Forschungsreisenden Friedrich von Richthofen (st. 1905), auf dessen Aufzeichnungen wichtige Informationen über China basieren.

Doch natürlich wird in Montesquious Buch auch der Mann zu Wort, auf dessen Spuren er wandelt: Marco Polo. Das Buch enthält zahreiche Zitate aus Marco Polos Reiseberichten.

Diese Zitate, Montesquious Anekdoten, das Karten- und Bildmaterial machen dieses Buch zu einem Leseerlebnis.

De Montesquiou, Alfred: Abenteuer Seidenstraße: 12.000 Kilometer von Venedig bis Xi’an. Eine Reise auf den Spuren von Marco Polo in den Orient, nach Zentralasien, den Iran, Usbekistan und China. München: Knesebeck, 2019. – Das Beitragsbild zeigt das Titelbild des Buches.

Das Bild im Beitrag zeigt den historischen Bazar von Täbris.

Nachweis: Navid Sadighi [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]