Die verborgene Prinzessin

In den letzten Jahren haben wir am Internationalen Frauentag immer eine Liste unserer Publikationen zu bedeutenden muslimischen Frauen veröffentlicht. Mit unseren Forschungen wollen wir zeigen, dass muslimische Frauen in der Vergangenheit oft über viel Einfluss und Handlungsspielraum in der von Männern dominierten Welt der Herrscherhöfe hatten.

Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht abereine Frau, deren Freiheit und Handlungsspielraum von einem Mann massiv eingeschränkt wurde: Zeb-un-Nisâ Begum (1638-1702). Der Mann, der sie schließlich mehr als 20 Jahren einsperrte, war ihr eigener Vater, der Mogulherrscher Aurangzeb ‚Alamgîr (st. 1707).

Zeb-un-Nisâs Vater Aurangzeb

Aurangzeb war der Urenkel des berühmten Mogulkaisers Akbar (st. 1605). Unter Aurangzebs Herrschaft hatte das Mogulreich seine größte Ausdehnung. Im heutigen Indien hat Aurangzeb einen denkbar schlechten Ruf. Ihm wird religiöser Fanatismus und Gewalt gegen andere Religionsgemeinschaften nachgesagt. So soll er die Zerstörung einiger Hindu-Tempel angeordnet haben, die „Kopfsteuer“ (jizya) für Nicht-Muslime eingeführt und die Aufstellung hinduistischer Götterstatuen verboten haben. Außerdem ließ er wahrscheinlich mehrere Familienmitglieder hinrichten. Es ist durchaus glaubwürdig, dass Aurangzeb diese ihm vorgeworfenen Taten wohl wirklich begangen hat beziehungsweise diese in Auftrag gab. Eine Beurteilung der historischen Figur Aurangzebs steht jedoch noch aus. Doch zurück zu Aurangzebs Tochter Zeb-un-Nisâ.

Zeb-un-Nisâs Familie

Wie alle seine Vorgänger und Nachfolger hatte Aurangzeb mehrere Ehefrauen, namentlich bekannt sind uns vier. Seine Hauptfrau war seine erste Ehefrau Dilrâs Bâno Begum (st. 1657). Dilrâs Bâno gehörte zur Herrscherdynastie Persiens, den Safaviden. Die Moguln pflegten seit Akbars Vater Humâyûn enge Beziehungen mit den persischen Herrschern – schließlich hatte Humâyûn am Hof der Safaviden Zuflucht gefunden, nachdem er beinahe das ganze Mogulreich im Krieg verloren hatte. Die Ehe von Dilrâs Bâno und Aurangzeb war also ganz klar eine politische Entscheidung.

Die Quellen berichten leider nicht viel Persönliches über Dilrâs Bâno und ihr Leben an der Seite Aurangzebs. Schon kurz nach der Eheschließung verließen der Mogulprinz Aurangzeb und Dilrâs Bâno Agra und ließen sich in Daulatabad nieder, weil Aurangzeb zu diesem Zeitpunkt Vizekönig des Dekkan war.

Bereits neun Monate nach der Hochzeit brachte Dilrâs Bâno am 15. Februar 1638 ihr erstes Kind zur Welt: Zeb-un-Nisâ. Es folgten die Geburten von zwei weiteren Töchtern (Zînat-un-Nisâ und Zubdat-un-Nisâ) und zwei Söhnen (Muhammad ‘Azam Schâh und Sultân Muhammad Akbar). Nach der Geburt von Muhammad Akbar im Jahr 1657 erkrankte Dilrâs Bâno am Kindbettfieber, woran sie schließlich einen Monat später starb.

Zeb-un-Nisâ – Lieblingskind von Aurangzeb

Schon kurz nach ihrer Geburt wurde deutlich, dass Zeb-un-Nisâ Aurangzebs Lieblingskind war. Auf ihre Erziehung und Bildung legte ihr Vater besonderen Wert. Das betraf vor allem ihre religiöse Ausbildung. Wie üblich begann sie im Alter von etwa vier Jahren, den Qur’ân auswendig zu lernen. Mit sieben Jahren war sie eine Hafiza, sie beherrschte den gesamten Text des Koran auswendig. Ihr Vater ließ zu dieser Gelegenheit in Delhi große Feierlichkeiten ausrichten und Geld an die Bedürftigen verteilen.

Zeb-un-Nisâ bekam eine Lehrerin für Arabisch. Sie lernte die Sprache in vier Jahren und schrieb viele Verse auf Arabisch. Auch für Persisch wurde ihr ein Tutor zugeteilt. Er leitete sie beim Schreiben von Gedichten an. Mit dem Geld, das sie von ihrem Vater erhielt, lud sie berühmte Dichter an den Hof ihres Vaters ein.

Zeb-un-Nisâ wurde nicht nur in Literatur und Dichtung ausgebildet, sondern auch in Mathematik und Astronomie. Außerdem beherrschte sie die Kunst der Kalligraphie und kopierte viele Bücher.

Zeb-un-Nisâ‘ wird erwachsen

Aurangzeb, der sich nach Darstellung der Quellen immer mehr zu einem strikt religiösen Menschen entwickelte, förderte seine älteste Tochter und hörte in vielen Angelegenheiten auf ihren Rat. Als Aurangzeb 1659 zum Mogulherrscher gekrönt wurde, war Zeb-un-Nisâ 21 Jahre alt. Sie durfte sogar an vielen Beratungen Aurangzebs mit seinem Hofstaat teilnehmen. Dort erschien sie immer verschleiert.

Zwischen Zeb-un-Nisâ und ihrem Vater kam es im Laufe der Zeit allerdings zu einigen Konflikten. Während Aurangzeb wie erwähnt ein striktes Bild vom Islam verfolgte, fühlte sich Zeb-un-Nisâ dem mystischen Islam verbunden. Deshalb verstand sie sich besonders gut mit ihrem Onkel Dârâ Schukoh (st. 1659), der ebenfalls ein islamischer Mystiker war. Von ihrem Großvater Schâh Dschahân war Zeb-un-Nisâ mit Dârâs Sohn Sulaimân Schukoh verlobt worden. Diese Ehe mit ihrem Cousin kam jedoch nicht zustande, weil Dârâ Schukoh von Aurangzeb als Hauptkonkurrent um den Mogulthron angesehen wurde. Aurangzeb ließ zunächst seinen ältesten Bruder Dârâ hinrichten und bestieg den Thron. 1662 wurde dann Sulaimân Schukoh hingerichtet.

Nach dem Tod Sulaimân Schukohs gab es weitere Bewerber, die Zeb-un-Nisâ heiraten wollten. Darunter waren auch einige hochrangige persische Prinzen. Eine Ehe kam jedoch nicht zustande.

Eine Affäre in Lahore?

1666 erkrankte Aurangzeb schwer, und seine Ärzte empfahlen ihm einen Ortswechsel. Der gesamte Hofstaat reiste daraufhin von Delhi nach Lahore. Dort traf Zeb-un-Nisâ auf ‚Aqîl Khân, den Sohn des Gouverneurs (Wazir) von Lahore. Einige Quellen berichten, dass Zeb-un-Nisâ und ‚Aqîl Khân eine kurze Beziehung hatten. Aurangzeb hat diese (angebliche) Affäre entdeckt und begann Zeb-un-Nisâ zu misstrauen. Einerseits holte er ihren Rat nicht mehr ein, andererseits missfiel ihm ihr Lebensstil und vor allem ihr Interesse an Poesie, Musik und islamischer Mystik. Vor allem aber schien er davon überzeugt, dass Zeb-un-Nisâ auf der Seite ihres jüngeren Bruders Muhammad Akbar stand, der gegen 1681 gegen den Vater rebellierte und dessen Absetzung forderte.

Zeb-un-Nisâs Gefangenschaft

Schließlich ließ Aurangzeb seine Tochter Zeb-un-Nisâ im Fort von Salimgarh am Rand des heutigen „Old Delhi“ unter Hausarrest stellen. Dort lebte Zeb-un-Nisâ die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens. In dieser Zeit verfasste sie zahlreiche Verse und Gedichte unter ihrem Künstlernamen „Makhfî“. Bezeichnenderweise bedeutete der Name „Der/die Verborgene“.

Ihr Gedichtband (Diwân) wurde erst 1929 in Delhi gedruckt und bereits 1913 teilweise ins Englische übersetzt.

Während ihrer Gefangenschaft unterstützte Zeb-un-Nisâ weiterhin andere Dichter und wohltätige Zwecke – bis Aurangzeb ihr alle Geldmittel kürzte.

Zeb-un-Nisâs Tod

Nach über 20 Jahren Gefangenschaft starb Zeb-un-Nisâ 1701 nach einer kurzen Erkrankung. Ihr Vater Aurangzeb war zu diesem Zeitpunkt nicht in Delhi. Zeb-un-Nisâ wurde in einem Garten in der Nähe des Forts bestattet. Als die Briten ab 1858 anfingen, die Eisenbahn in Old Delhi zu bauen, wurde Zeb-un-Nisâs Grab in den Gräberkomplex um Akbars Mausoleum in der Nähe von Agra verlegt.

Zeb-un-Nisâ und ihr Talent leben in ihren Gedichten weiter.

Ihr Aussehen wird anhand der Quellen so beschrieben:

„Sie war groß und schlank. Ihr Gesicht war rund und hatte einen hellen Teint, mit zwei Leberflecken oder Schönheitsflecken auf ihrer linken Wange. Ihre Augen und ihr volles Haar waren schwarz, und sie hatte dünne Lippen und kleine Zähne. Im Museum von Lahore gibt es ein zeitgenössisches Portrait von ihr, das sich mit dieser Beschreibung deckt. Sie färbte sich nicht die Zahnzwischenräume Schwarz und färbte sich nicht ihre Wimpern, obwohl das zu ihrer Zeit Mode war. Ihre Stimme war so schön, dass sie, wenn sie den Qur’ân rezitierte, ihre Zuhörer zu Tränen rührte. Ihre Bekleidung war stets einfach und schmucklos; als sie älter wurde, trug sie immer weiße Kleidung, und ihr einziger Schmuck war ein Perlenhalsband. In ihrem Verhalten war sie sehr bescheiden, freundlich, geduldig und philosophisch in ihrem Umgang mit Problemen.“

Einleitung zur englischen Ausgabe ihres Diwan, S. 14.

Unsere Beiträge zum Thema Nouruz (Nouruz-Special 2021)

Susanne Kurz hat in diesem Blog schon einige Beiträge zum Thema Nouruz verfasst – einfach aus dem Grunde, dass sie es selbst auch feiert und uns alle an ihren Vorbereitungen des Festes teilhaben lässt.

Nouruz (Persisch: naurûz, Türkisch nevruz) bedeutet „Neuer Tag“. An diesem Tag, der in jedem Jahr auf den 20. oder 21. März fällt, wird der Beginn des Frühlings beziehungsweise des neuen Jahres gefeiert. Astronomisch ist es der Tag der Tagundnachtgleiche (Äquinox).

Als ich in Vorbereitung auf die Zusammenstellung unserer Beiträge noch einmal etwas zum Thema Nouruz gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass sogar die Vereinten Nationen bereits 2010 diesen Tag zum „Internationalen Nouruz Tag“ erklärt haben:

dass der Nouruz, der Tag der Frühlingstagundnachtgleiche, von mehr als 300 Millionen Menschen in der ganzen Welt als Beginn des neuen Jahres begangen und im Balkan, im Kaukasus, im Nahen Osten, im Schwarzmeerbecken, in Zentralasien und in anderen Regionen seit über 3.000 Jahren gefeiert wird

… und mit der weiteren Begründung, dass die UN die kulturelle Bedetuung und der Vielfalt des Nouruz Tages anerkennt. Dieses kann man HIER nachlesen.

Aber es soll ja hier sowohl um Praxis als auch Geschichte des Nouruz Tages gehen 🙂

Zum Fest allgemein und den Bräuchen :

… Und wieder naht Nouruz (2018)

Nouruz in der vorislamischen Zeit (anhand des Nouruz-Nama v. Omar Khayyam)

Susannes Mini-Serie zum Nouruz:

Teil 1: Erste Vorbereitungen

Teil 2: Nouruz in der Vorislamischen Zeit

Teil 3: Das Haft-Sîn-Special

Teil 4: Nach der muslimischen Eroberung

Und auch in Indien, vor allem im Mogulreich, wurde Nouruz gefeiert:

Nourouz, wie es bei Salîm / Dschahângîr gefeiert wurde

„Das wichtigste aller Feste“ – Nouruz bei den Moguln

Und so wünsche ich allen, die Nouruz feiern,

Sal-e nou mubarak („Ein gesegnetes neues Jahr“)

Das Beitragsbild habe ich aus unserem Archiv (Susanne Kurz)

So schwer wie Säcke voll Gold: die Aufwiegezeremonie am Mogulhof (Weihnachtsspecial 2020)

Bei der Aufwiegezeremonie ließen sich die Mogulherrscher gegen Gold, Silber und andere Kostbarkeiten aufwiegen – Ganze Säcke gefüllt mit wertvollen Dingen und mit Lebensmitteln wurden an die Untertanen verteilt.

Schon seit vielen Jahrhunderten ließen sich hinduistische Herrscher Indiens in Gold aufwiegen. Diese Zeremonie war als tulâdhâna bekannt. Als die muslimischen Mogulherrscher von Zentalasien aus Indien eroberten, übernahmen sie diesen Brauch. Einige Quellen sagen, dass schon der erste Mogul-Kaiser Bâbur (st. 1530) die Aufwiegezeremonie am Mogulhof einführte. In den Memoiren von Bâburs Enkel Akbar (st. 1605) finden wir eine ausführliche Beschreibung der Aufwieg- Zeremonien.

Das Aufwiegen (wazn) am Hof Dschahângîrs

Doch besonders umfassende Berichte haben wir aus der Zeit von Akbars Sohn Dschahângîr (st. 1627). Der englische Diplomat Sir Thomas Roe (st. 1644), der sich eine längere Zeit an Dschahângîrs Hof aufhielt, beschrieb die Feierlichkeit und die großen Reichtümer, gegen die Dschahângîr aufgewogen und die an die Bedürftigen verteilt wurden:

Der erste September war der Geburtstag des Königs, und die Feierlichkeiten des Aufwiegens, die ich besuchte, wurden in einem großen und wunderschönen Garten gefeiert. In der Mitte des Gartens befand sich ein mit Wasser gefülltes Viereck, an der Seite standen Blumen und Bäume. Auf einer Anhöhe wurde die Waage vorbereitet. Diese wurde in ein ein großes Gestell gehängt, die Waagschalen waren aus reinem Gold. An ihren Rändern waren sie mit Rubinen und Türkisen besetzt. Die Ketten der Waage waren aus massivem Gold, aber dennoch verstärkt mit Kordeln aus reiner Seide.

Die Adeligen des Hofes nahmen an der Zeremonie teil, sie saßen auf Teppichen, bis der König endlich kam.

Er (Dschahângîr) war bekleidet oder besser – beladen – mit Diamanten, Rubinen, Perlen und anderen kostbaren Eitelkeiten. So großartig! So ruhmreich! Ebenso überladen waren sein Schwert, sein Schild, sein Thron. Zudem sein Kopf, sein Nacken, seine Brust, Arme, Oberarme und seine Handgelenke. An jedem seiner Finger trug er zwei oder drei Ringe, die mit Ketten verbunden waren. Rubine so groß wie Nüsse, einige sogar noch größer, und Perlen so groß wie meine Augen konnten bewundert werden.

Plötzlich bestieg er (Dschahângîr) die Waagschalen und setzte sich wie eine Frau auf seine Beine. Dann wurden in die anderen Waagschalen viele Säcke mit Kostbarkeiten getan, um sein Gewicht zu erreichen. Diese wurden sechs mal ausgetauscht. Sie sagten, dass es sich um Silber handelt (….) , danach um Gold, Juwelen und Edelsteine. Allerdings habe ich nichts davon gesehen, und da es in Säcken war, könnten es auch Kieselseine gewesen sein.

Danach wurde Dschahângîr erneut aufgewogen, dieses Mal gegen kostbare Stoffe, die mit Gold durchwirkt waren und gegen Stoffe aus Seide und Leinen. Zumindest musste ich das so glauben, da die Stoffe in Bündeln waren. Zuletzt wurde der Herrscher gegen Lebensmittel wie Getreide und Butter aufgewogen. Diese wurden ebenfalls an die Bedürftigen verteilt.

In jedem Jahr ließ sich Dschahângîr mindestens zwei Mal aufwiegen: zu Beginn eines Sonnenjahres (das 365 Tage andauert) und zu Beginn eines Mondjahres (das 354 Tage hat) sowie an seinem Geburtstag und anderen außergewöhnlichen Gelegenheiten.

Dschahângîr lässt Khurram aufwiegen

In Dschahângîrs Memoiren, dem Dschahângîr-nâma („Nachrichten über Dschâhângîr“) findet sich ein Bericht über die Aufwiegezeremonie von Prinz Khurram, dem späteren Mogulherrscher Schâh Dschahân (st. 1666).

Khurram, der später für seine Frau Mumtâz Mahal das Tâj Mahal erbauen ließ, war der Lieblingsenkel seines Großvaters Akbar, mit seinem Vater Dschahângîr war das Verhältnis eher schwierig.

Als Khurram kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag im Mondjahr stand, veranstaltete Dschahângîr ein Aufwiegefest für seinen Sohn. Ein Grund war, dass das Horoskop für Khurram laut der Hofastrologen ungünstig für das kommende Jahr war. Zudem kränkelte Khurram.

Zu diesem Zeitpunkt hielt die Familie sich in Kabul auf, und Dschahângîr veranstaltete die Aufwiegezeremonie im Haus Khurrams im Orta Bagh („Garten“). Khurram wurde bei der Zeremonie gegen Gold, Silber und andere Metalle aufgegwogen, und das Gold wurde an die Bedürftigen verteilt.

Als Khurram später zum Mogulherrscher Schâh Dschahân wurde, führte er die Tradition der Aufwiegezeremonien weiter. Nachdem seine Tochter Dschahânâra Begum sich von ihren schweren Brandverletzungen erholt hatte, ließ er sie gegen Gold und andere Metalle aufwiegen.

Obwohl Thomas Roe argwöhnisch meinte, dass Dschahângîr nicht wirklich gegen Gold und Edelsteine aufgewogen wurde, gibt es daran aufgrund der Reichtümer der Moguln keinen Zweifel.

Literatur:

Jahangir. The Jahangirnama : memoirs of Jahangir, Emperor of India / transl., ed. and annotated by Wheeler M. Thackston. Oxford: OUP, 1999, S. 81.

Beitragsbild:

„Dschahângîr lässt Khurram (später Schâh Dschahân) aufwiegen“

Mughal Style, Public domain, via Wikimedia Commons

Der Wazwan in Kaschmir: Kulinarisches Festmahl und kaschmirische Lebensart

Kashmiriyat, so nennen die Kaschmiris ihre Lebensweise. Sie bezeichnet nicht nur das traditionell harmonische Zusammenleben der Religionen Hinduismus, Islam und Sikhismus, sondern auch die regionale Kultur, die Kleidung und die traditionelle Küche. Ich frage meinen Freund Younis, der in Srinagar geboren wurde, nach weiteren Beispielen für Kashmiriyat. „Schau Dir die Legende der Mystikerin Lal Ded an, Lal Ded oder Lalleswari lebte im 14. Jahrhundert. Ihre mystischen Verse wurden von Hindus und Muslimen zugleich zitiert. Als sie starb, verwandelte sich ihr Körper in eine Figur aus Blüten, von denen die eine Hälfte von Hindus, die andere von Muslimen nach ihren Riten bestattet wurde“. „Das ist Kashmiriyat“, erklärt Younis. „Und natürlich der Wazwan …“.

Ich fahre mit vier anderen Ehrengästen zur Hochzeit eines Facebook-Freundes in der Nähe Srinagars.  Dass ich zu den Ehrengästen der „Walima“, des Hochzeitsempfanges, zähle, war schon deutlich, als meine Freunde angekündigten, dass uns ein Wazwan serviert würde. Ich also entsprechend vorbereitet und trug auch einen Shalwar kameez, ein langes Hemd, das locker über einer Hose getragen wird. Als Schal oder Kopfbedeckung trägt man eine dupatta. Mein Shalwar kameez ist türkis, mit pastellfarbenen Blüten bestickt. Ich fühle mich wohl im Shalwar kameez und bin voller Vorfreude auf die Feier und den Wazwan.

Das traditionell aus 36 Gängen bestehende Menü ist bereits seit Jahrhunderten ein königliches Festmahl, das auch an den Höfen der Herrscher Kaschmirs aufgetischt wurde. Die Zubereitung ist nicht einfach „Kochen“, sondern Kunst. Die Zubereitung nimmt mehr als 36 Stunden in Anspruch. Vegetarier kommen beim Wazwan nicht auf ihre Kosten, denn Hammel- und Hähnchenfleisch in verschiedenen Saucen gekocht gehören zu den Hauptzutaten. Vorsorglich halte ich am Tag der Hochzeit das Frühstück knapp.

Wazwan – eine Herausforderung für Vegetarier

Bei unserer Ankunft am Ort der Feierlichkeiten sehe ich auf der linken Seite des Grundstückes ein großes Zelt, in dem die Braut mit allen weiblichen Gästen feiert – zumindest in dieser Familie feiert man also nach Geschlechtern getrennt. Die Frauen, in traditionelle kaschmirische Trachten oder wie ich in Shalwar Kameez gekleidet, genießen ein großes Buffet. Zwei Frauen winken mir zu – ich winke zurück.

Wir betreten das Haus und werden in das sehr große Zimmer geleitet, das für den Empfang von Besuch gedacht ist, und wo man gewöhnlich an große Kissen gelehnt auf dem Boden sitzt. Heute jedoch stehen knapp 30 Stühle in dem Raum, auf denen schon etwa 25 weitere Ehrengäste Platz genommen haben. Männliche Ehrengäste, denn ich bin die einzige Frau. Als nicht-Muslimin stehe ich außerhalb des gesellschaftlichen Systems und kann mich frei sowohl in der männlichen als auch der weiblichen Gesellschaft bewegen.

Nach dem obligatorischen Tee, Knabbereien und Small-Talk beginnt der Höhepunkt der Feier, der Wazwan: Die Stühle werden aus dem Raum geschafft, alle nehmen in Gruppen zu 4-6 Personen auf dem Boden Platz. Alle – nur ich nicht. Ich bleibe auf dem Stuhl sitzen und bekomme einen kleinen Tisch zugeteilt. Dann folgt der erste obligatorische Teil: Bedienstete tragen das tash-t-naer herein, ein „Handwaschbecken“, in dem jeder sich die Hände reinigt. Auch ich bekomme eine kleine Extraversion davon und reinige meine Hände. Vor die Männer wird nun eine große Servierplatte gestellt, auf denen sich ein Berg Reis und pro Person zwei Sheekh-Kebab-Spieße befinden – dann werden in schneller Reihenfolge folgende Köstlichkeiten auf die Platte gelegt: Lamm oder Huhn mit  Bockshornklee (methi),  zwei gekochte Lammrippen, in Milch und Gewürzen geschmort und dann in Butter gebraten, Huhn in weißer Sauce (safed kokur)  und Huhn in Safransauce (zafran kokur).

Ich erhalte alles auf einer kleineren Version der Servierplatte, aber natürlich dieselben Gerichte. Köstlich sind sie, diese Speisen, die verschiedenen Gewürze, die hellen und dunklen Saucen, der Wechsel von milderen und pikanteren Aromen. Ich schmecke Bockshornklee, Kurkuma, Joghurt, Safran… Ich esse unter anerkennendem Nicken der anderen Gäste. Trotz des Genusses bin ich erleichtert, als das gushtaba, das Fleisch-„Bällchen“ in Joghurtsauce serviert wird – denn ich weiß, dass es der letzte Gang ist. Nein, nicht ganz der letzte Gang, denn es kommt ja noch der Milchreis zum Dessert.

Mengenmäßig war der Wazwan eine Herausforderung, geschmacklich war er königlich. Bevor ich die Feier verlasse, gehe ich natürlich auch noch kurz in das Zelt der Frauen, um zu gratulieren.

Das Abendessen habe ich an dem Tag ausfallen lassen

Wenn ich heute meine indischen Freunde wiedersehe, sprechen wir oft davon, wie wir zusammen in Kaschmir den Wazwan aßen.

Beitragsbild: Das Beitragsbild unterliegt der Creative Commons License.

Das Bild zeigt eine Servierplatte mit einem Wazwan.

Oniongas, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Eine fast verhinderte Ehe: Akbar und Salîms Hochzeiten

Prinz Parviz Persophonie

Susanne und ich haben hier auf der Persophonie schon einiges über den Mogulherrscher Akbar (st. 1605) und das schwierige Verhältnis zu seinem Sohn Salîm (dem späteren Herrscher Dschahângîr, st. 1627) berichtet. Auch Salîms Ehen mit Mân Bai, mit Sâliha Bâno Begum und schließlich mit Nûr Dschahân standen hier schon im Mittelpunkt .

Salîm und seine Ehefrauen

Salîm ging im Laufe seines Lebens zwanzig offizielle Ehen ein- viele seiner Beziehungen wurden jedoch von seinem Vater Akbar geplant und aus machtpolitischen Erwägungen durchgesetzt. So heiratete Salîm zahlreiche Töchter lokaler Fürsten, so z.B. die die Tochter des Fürsten von Bikaner oder des Herrschers von Ladakh. Die Quellen unterscheiden sich auch häufig bei den Hochzeitsdaten und/oder bei den Namen der Frauen bzw. ihrer Väter, so dass die Namen aller Ehefrauen Dschahângîrs nicht ganz geklärt werden konnte. Doch über einige liegen uns mehr Informationen vor.

Salîm verliebt sich in Sâhib-i Dschamâl

Interessant ist, dass wir in einigen Quellen lesen können, dass Salîm sich spontan in eine seiner späteren Ehefrauen verliebte. Die erste, bei der das der Fall war, war Sâhib-i Dschamâl. Das, was eigentlich wie ein Name klingt, ist ein Titel – ihren eigentlichen Namen erfahren wir aus den Quellen nicht. Zu diesem Titel kommen wir später…

Sâhib-i Dschamâl wurde in Herat im heutigen Afghanistan geboren. Teile Afghanistans gehörten ja nach Akbars Sieg über seine Stiefmutter Mâh Chûchak weiterhin zum Mogulreich und wurde direkt von Akbar bzw. seinen Gouverneueren verwaltet. Akbar und sein Hofstaat bereisten regelmäßig Kabul.

Bei einer dieser Gelegenheiten im Oktober 1586 verliebte sich Salîm /Dschahângîr in Sâhib-i Dschamâl aufgrund ihrer Schönheit. Akbar befürwortete eine Hochzeit der beiden – und so wurde Sâhib-i Dschamâl die dritte Ehefrau des Thronfolgers Salîm. Während der prunkvollen Hochzeit der beiden bekam Sâhib-i Dschamâl ihren Titel, der „Herr(in) der Schönheit“ bedeutet, von Akbar persönlich verliehen.

Akbar hatte diese Ehe nicht zuletzt auch deshalb befürwortet, weil Sâhib-i Dschamâl die Cousine von Akbars Milchbruder Zain ud-Dîn Kokâ (st. 1601) war. Susanne und ich hatten ja hier schon öfter auf die Bedeutung von Akbars Ammen wie Mâham Anga oder Jîjî Anga oder seiner Milchbrüder wie Adham Khân hingewiesen. Zain ud-Dîns Mutter, bekannt als Pîja Anga, war eine von mehreren Ammen Akbars.

Sâhib-i Dschamâls Cousin Zain ud-Dîn machte als Milchbruder Akbars ebenfalls Karriere am Hof. Zunächst wurde er militärischer Befehlshaber, dann beförderte Akbar ihn zum Gouverneur von Kabul. Eine enge familiäre Bindung zwischen Akbar und Zain ud-Dîn war also im Interesse beider.

Salîm und Sâhib-i Dschamâls Ehe

Leider sind die Quellen nicht sehr auskunftsfreudig in Bezug auf Sâhib-i Dschamâls Charakter oder den weiteren Verlauf dieser Ehe. Das, was wir erfahren, ist, dass Sâhib-i Dschamâl zwei Kinder zur Welt brachte: zum einen eine Tochter, die allerdings bereits während ihrer Kindheit starb – zum anderen Dschahângîrs zweiten Sohn Parvîz Mîrzâ (1589-1626). Parvîz wurde in Kabul geboren, und wir wissen somit nicht, ob Sâhib-i Dschamâl ständig am Hof Dschahângîrs lebte.

Wie oben bereits erwähnt, war Dschahângîr für seine Impulsivität in Bezug auf Frauen bekannt. 1596 verliebte sich Dschahângîr erneut unsterblich in eine Frau – und wollte sie sofort heiraten. Doch sein Vater Akbar war dieses Mal gegen die Eheschließung. Was war der Grund dafür?

Salîm verliebt sich in Khâs Mahal

Salîm Angebetete, die später den Titel Khâs Mahal erhielt, war die Tochter von Akbars oben erwähntem Milchbruder Zain ud-Dîn Kokâ – also die Cousine 2. Grades von Sâhib-i Dschamâl . Akbar war dagegen, dass sein Sohn gleich zwei miteinander verwandte Frauen heiratete. Er verweigerte zunächst die Zustimmung. Dschahângîr betonte jedoch dass sein „Herz von dieser Liebe übermäßig betroffen“ sei, und schließlich gab Akbar nach.

Dschahângîr durfte Zain ud-Dîn Kokâs Tochter heiraten. Die Hochzeit fand am 28. Juni 1596 im Palast von Akbars Mutter Hamîda Bâno Begum statt. Die Feierlichkeiten sollen besonders prunktvoll gewesen sein. Während der Zeremonie erhielt Zain ud-Dîn Kokâs Tochter (deren eigentlichen Namen wir ebenfalls nicht kennen) von Akbar den Titel Khâs Mahal („Exzellenz des Palastes“).

Wie Sâhib-i Mahal, ihre Cousine 2. Grades, verfügte auch Khâs Mahal nicht über eine außergewöhnliche Schönheit, sondern auch über eine umfangreiche Bildung. Zudem kannten beide Frauen die Hofetikette. In den Augen der Briten, die Dschahângîr in dessen letzten Regierungsjahren besuchten, war Khâs Mahal eine der wichtigsten vier Frauen Dschahângîrs, dennoch haben wir nur wenige Informationen.

Sâhib-i Mahal starb bereits 1599. Noch heute kann man ihr Grabmal in Lahore besichtigen. Über das Todesdatum Khâs Mahals wissen wir nichts, sie lebte aber noch 1642 in der Regierungszeit von Salîms Dschahângîrs Sohn Schâh Dschahân (st. 1666). Über eventuelle Kinder Khâs Mahals erfahren wir ebenfalls nichts – es ist somit davon auszugeben, dass sie entweder kinderlos blieb oder die Kinder schon sehr früh verstarben.

Wie sich die Ehe der beiden Cousinen Sahib-i Dschamâl und Khâs Mahal mit demselben Mann auf ihre Beziehung auswirkte, bleibt ebenfalls unbekannt.

Also muss man auf die Entdeckung neuer Quellen hoffen, um mehr über das Leben im Mogulharem zu erfahren.

Beitragsbild

Das Beitragsbild zeigt Sahib-i Dschamâls Sohn Parvîz Mîrza – es unterliegt der Wikimedia Commons License.

+++HIER +++gibt es einen Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte

Jodhas letzte Ruhestätte? Das Grab Maryam uz-Zamânîs

Auch nach dem berühmten Film Jodhaa Akbar von Ashutosh Gowariker aus dem Jahr 2008 und der Serie Jodha Akbar (2013-2015) ist die historische Figur der Jodha umstritten. So gibt es nach wie vor Zweifel daran, dass der muslimische Mogulkaiser Akbar (st. 1605) die Tochter eines Rajputenfürsten geheiratet hatte. Viele Historiker sind jedoch zwischenzeitlich überein gekommen, dass Akbar Harka Bai oder Hira Kunwari, die Tochter des Rajas von Amber, Bharmal (st. 1574), offiziell nach islamischem Recht geheiratet hatte. Uneinigkeit herrscht nach wie vor darüber, ob Harka Bai denn wirklich den Beinamen Jodha Bai getragen hat.

Der Mangel an verlässichen Quellen über Jodha

Durch den Mangel an verlässlichen Quellen wird die Sache nicht einfacher. Sowohl Akbars Biographie Akbar-nâma von Abû l-Fazl als auch die seines Sohnes Salîm / Dschahângîrs, Dschahângîr-nâma, erwähnen eine gewisse Jodha Bai nicht – Dschahângîrs Mutter ist nur mit ihrem Ehrentitel Maryam uz-Zamânî („Maria ihrer Zeit „) bekannt. Diesen Ehrentitel erhielt sie nach Salîms / Dschahângîrs Geburt – wobei manche Quellen behaupten, sie habe den Titel erst nach ihrem Tod erhalten. Trotz dieses Titels und trotz der Tatsache, dass sie den Thronfolger geboren hatte, war Jodha nicht Akbars Hauptfrau. Dieses blieb Akbars Cousine und erste Ehefrau, Ruqaiya Begum, die als Pâdschâh Begum bekannt war.

Über Maryam uz-Zamânîs Bedeutung, ihr eigenes Einkommen und ihre Handelsaktivitäten hatte ich ja hier schon ausführlicher geschrieben. Ansonsten erfahren wir von Dschahângîr nur wenig über seine Mutter. Interessant ist, dass während Dschahângîrs Regierungszeit alle wichtigen Familienfeiern im Palastteil Maryams am Hof in Agra stattfanden.

Leider ist Dschahângîr in Bezug auf persönliche Details und Anekdoten über seine Mutter sehr wortkarg – wir erfahren nichts über ihr Leben und ihren Alltag am Hof.

Selbst über den Tod seiner Mutter verliert Dschahângîr kaum ein Wort. Wir erfahren lediglich, dass sie am 19. Mai 1623 verstorben ist.

Zu dieser Zeit erreichte uns die Nachricht aus Agra, dass Ihre Majestät Maryam uz-Zamânî verstorben ist. Möge Gott sie mit einem Meer von Barmherzigkeit überschwemmen!

The Jahangirnama / Ed. and transl. Wheeler M. Thackston. Oxford: OUP, 1999, S. 397, Übersetzung aus dem Englischen CP

Maryam uz-Zamânî wurde über 80 Jahre alt. Sie überlebte Akbar 18 Jahre.

Jodhas/ Maryams Grabmal in Sikandra

Aus Akbars Biographie wissen wir, dass er selbt persönlich den Leichnam enger Verwandter, wie den seiner Mutter, seiner Ziehmütter oder Tante zum Grab geleitete. Dschahângîr geleitete den Leichnam seiner Mutter Maryam uz-Zamânî nicht zu ihrem Grab – er hielt sich zum Zeitpunkt auf einer Militärmission in Ajmer auf.

Interessant ist, dass Maryam uz-Zamânî nicht, wie im Hinduismus üblich, verbrannt, sondern bestattet wurde. Dieses lässt Raum für Spekulationen über ihre Religionsangehörigkeit – und könnte auch aufzeigen, dass Jodha Bai / Maryam uz-Zamânî im Laufe ihrer Ehe mit Akbar zum Islam konvertiert war.

Wie allgemein üblich, wurde ein Leichnam der kaiserlichen Familie provisorisch innerhalb eines Tages bestattet, zumindest wenn noch kein Grabmal erbaut worden war. Es war und ist bis heute in der muslimischen Gemeinschaft Indiens nicht üblich, Männer und Frauen gemeinsam zu bestatten, vor allem die Bestattung mit den Ehepartnern ist ungewöhnlich. So sind in Akbars Grab mit ihm zwei seiner unverheirateten Töchter, eine Ur-Ur-Enkelin sowie andere männliche Nachfahren bestattet.

Doch zurück zu Maryam uz-Zamânîs Grab. Dieses wurde von Dschanhângîr kurz nach dem Tod seiner Mutter in Auftrag gegeben. Die Bauzeit betrug vier Jahre.

Interessant ist, dass Dschahângîr kein neues Grabmal bauen ließ, sondern ein bestehendes Monument zu einem Grab umgestaltete. Das Grab Maryam uz-Zamânîs befindet sich nur einen knappen Kilometer von Akbars Grab entfernt – und ist somit das einzige Grab von Akbars Ehefrauen, das sich in der Nähe seines Grabes befindet. Dschahângîr wählte für das Grabmal seiner Mutter einen offenen Pavillion (baradari), der bereits Ende des 15. Jahrhunderts vom (muslimischen) Herrscher des Delhi Sultanats, Sikander Lodî (st. 1517) erbaut worden war. Auf diese Struktur wurden kleine kuppelförmige Pavillions, so genannte chhattris, aufgesetzt (auf dem Beitragsbild zu sehen).

Das ganze Grabmal hat drei Grabsteine: einen in der unteren Grabkammer, in der sich das eigentliche Grab Maryam uz-Zamânîs befindet, einen am Kenotaph (Scheingrab) genau über der Grabkammer und einen am Scheingrab auf einer Terrasse.

Die Verzierungen der Wände enthalten viele Blumenmotive und geometrische Formen, die auf den vorherigen Gebrauch des Gebäudes als Pavillion hindeuten. Dschahângîr gestaltete den ganzen Grabkomplex inklusive der Gartenanlage im klassischen Mogulstil. Für knapp 200 Jahre blieb das Grab in der errichteten Form bestehen.

War Jodha / Maryam uz-Zamânî eine Christin?

Während der britischen Kolonialzeit, also irgendwann nach 1857, wurde das Grabmal an die Church Missionary Society übergeben. Diese errichtete einen großen Komplex rund um das Grab. Noch heute existieren dort eine Schule und eine Kirche. In der Grabstelle Maryam uz-Zamânîs wurde die Krypta geschlossen.

Heutzutage ist das Grab wieder eine Grabstätte, die unter der offiziellen Beaufsichtigung des Archaeological Survey of India steht. Es ist somit ein geschütztes Denkmal, das au

Dass das Grab der christlichen Church Missionary Society übergeben wurde, liegt wahrscheinlich an einem Missverständnis: so war man bei der Church Missionary Society überzeugt, dass Maryam uz-Zamânî eine christliche Frau Akbars gewesen sei. Dieser Irrtum ging laut Frederic Fanthome auf die portugiesischen Jesuiten-Mönche zurück, die sich an Akbars Hof aufhielten. Sie erkannten zwar, dass Maryam die arabisch-persische Variante des Namens Maria ist, ihnen war aber wohl nicht bekannt, dass Maria (Maryam) auch im Islam eine bedeutende Rolle hat. Die gesamte Sure 19 ist nach ihr benannt, die Jungfrauengeburt Jesu ist in Sure 21 erwähnt.

Wie dem auch sei, in den Originalquellen gibt es keinerlei Hinweise auf eine christliche Ehefrau Akbars – und genauso wenig darauf, dass Jodha/Maryam uz-Zamânî eine Christin gewesen ist.

Wie fast immer am Ende eines Beitrages muss ich schreiben, dass es in den Quellen noch viel Neues zu entdecken gibt – vielleicht erfahren wir eines Tages ja noch mehr über Jodha, Maryam uz-Zamânî und die Grabstelle in Sikandra.

Literatur:

Fanthome, Frederic: Reminescences of Agra. 2nd ed. Calcutta: Thacker & Spink, 1895.

Smith, Edmund W.: Akbar’s Tomb at Sikandrah, near Agra. Allahabad, 1909. (Archaeological Survey of India)

Das Beitragsbild zeigt ein Detail des Grabes von Maryam uz-Zamânî.

Es unterliegt der Creative Commons License. 4.0 / Wikijib / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

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Gefährliche Liebschaften: die Affären zweier Mogulprinzessinnen (17. Jh.)

Kürzlich habe ich in einem Beitrag einiges zum Klatsch um das Sexualleben des Mogulherrschers Schâh Dschahân (reg. 1628-1658) geschrieben. Im Fokus des Beitrags stand auch die angebliche sexuelle inzestuöse Beziehung des Herrschers zu seiner Tochter Dschahânârâ Begum (st. 1681). Ich hatte schon in dem Beitrag auf die Rolle der beiden Reisenden Francois Bernier (st. 1688) und Niccolò Manucci (st. 1717) verwiesen. Diese behaupteten beide, ihr Wissen aus engsten Hofkreisen bekommen zu haben.

In diesem Beitrag geht es um die angeblichen Affären und Liebschaften, die zwei der Mogulprinzessinnen im 17. Jahrhundert erlebten, nämlich um die Schwestern Roschanârâ Begum (1617-1671) und Dschahânârâ Begum. Diese waren wie oben erwähnt die Töchter des Mogulherrschers Schâh Dschahân und seiner Frau Mumtâz Mahal, für die das Taj Mahall erbaut wurde – und somit auch die Enkelinnen von Dschahângîr (st. 1627) und die Urenkelinnen Akbars (st. 1605).

Dschahânârâ Begum – die ältere Prinzessin wird bevorzugt

Roschanâra Begum war die zweite Tochter Schâh Dschahâns und Mumtâz Mahals. Ihr Vater schien jedoch Zeit seines Lebens seine ältere Tochter Dschahânâra Begum zu bevorzugen: sie war es ja, die nach dem Tod der Mutter Mumtâz Mahal die „First Lady“ des Mogulreiches wurde. Schâh Dschahân bevorzugte sie jedoch auch in finanzieller Hinsicht: es sind mehrere Gelegenheiten bekannt, an denen Schâh Dschahân Dschahânârâ mit Gold, Schmuck und Edelsteinen überhäufte. Über Roschanârâ uns solche Geschichten nicht bekannt.

Auch unsere beiden europäischen Reisenden Bernier und Manucci nahmen die Unterschiede der beiden Mogulprinzessinen wahr. Dschahânâra wurde von beiden Europäern übereinstimmend als hübschere der beiden Schwestern beschrieben. Roschanârâ, so berichteten sowohl Manucci als auch Bernier, sei zwar nicht so gut aussehend wie Dschahânârâ, aber mindestens genauso intelligent und schlagfertig gewesen. Manucci schrieb, dass Roschânârâ einen größeren Sinn für Humor und Scherze gehabt habe als ihre Schwester. Sowohl Manucci als auch Bernier deuten an, dass Roshanârâ wie ihre ältere Schwester heimliche Liebschaften im Palast einging. Doch zumindest für die Lebenszeit ihres Vaters Schâh Dschahân sind uns keine Einzelheiten bekannt.

Dieses sieht bei Dschahânâra Begum anders aus.

Zwei „tödliche“ Affären Dschahanârâs

Sowohl Bernier als auch Manucci berichten von Gerüchten über viele Affären Dschahânârâs noch zu Lebzeiten Schâh Dschahâns. Doch Bernier schildert gleich zwei Affären, die tödlich endeten – in beiden Fällen für die jeweiligen Liebhaber. Lassen wir Bernier persönlich zu Wort kommen (Bernier: Travels, S. 12, Übersetzung aus dem Englischen von CP)

Es wird erzählt, dass die Begum-Saheb (also Dschahânârâ Begum, CP), obwohl sie eingeschränkt im Serail (im Harem, CP) lebte und von Frauen bewacht wurde, Besuche von einem jungen Mann empfing, der zwar nicht von hohem Rang, aber eine akzeptable Person war. Es war kaum möglich, dass ihr Verhalten unentdeckt blieb, da sie von Frauen umgeben war, deren Neid sie erweckte. Schâh Dschahân erfuhr von ihrer Schuld, und betrat sehr entschlossen ihre Gemächer zu einer ungewohnten und unerwarteten Zeit. Das geschah zu schnell, um zu ihr zu ermöglichen, dieses zu vertuschen. Der verschreckte Liebhaber flüchtete sich in einen großen Kessel, der normalerweise für Bäder benutzt wude. Der König ließ weder Überraschung noch Ablehnung noch Unmut erkennen – er unterhielt sich mit seiner Tochter über ganz normale Themen.

Doch dann beendete er das Gespräch damit, dass er sie (Dschahânârâ) darauf hinwies, dass der Zustand ihrer Haut darauf hinwies, das sie ihre üblichen Waschungen vernachlässigt habe, und ein Bad nehmen müsse. Dann forderte er (Schâh Dschahân) einen Eunuch auf, ein Feuer unter dem Kessel anzuzünden – und er zog sich nicht eher zurück, bis man ihm zu verstehen gegeben hatte, dass sein armes Opfer nicht mehr lebte.

Bernie: Travels, S. 12.

Auch die zweite angebliche Affäre endete wie erwähnt tödlich für den angeblichen Liebhaber. So soll Dschahânârâ eine Affäre mit einem jungen Mann aus der Hofverwaltung gehabt haben – einem Perser namens Nâzir Khân, der zwar nicht adeliger Herkunft, aber eine „akzeptable Person“ war. Schâh Dschahâns Onkel Schâita Khân, der ebenfalls persischer Herkunft war, war der Ansicht, dass der junge Mann einen guten Ehemann für Dschahânârâ Begum abgeben würde. Als Schâh Dschahân dieser Vorschlag unterbreitet wurde, reagierte er wenig erfreut. Ihm waren bereits Gerüchte über die Beziehung der beiden zu Ohren gekommen.

So servierte Schâh Dschahân Nâzir Khân am Ende des Abends pân, was eigentlich eine große Ehre ist. Pân besteht aus den Blättern der Betelpalme, die aufgerollt und mit verschiedenen Füllungen versehen werden – unter anderem mit Scheiben der Nuss der Betelpalme – oder manchmal auch mit Opium. Pân regt den Speichelfluss an und fördert die Verdauung. Nâzir Khân sollte jedoch nicht in den Genuß der Vorteile von pân kommen – denn das vorgebliche Ehrung von Schâh Dschahân enthielt ein langsam wirkendes Gift. Der junge Mann erlebte nach Schilderung Manuccis jedenfalls den nächsten Morgen nicht mehr.

Roschânânrâs letzte Äffäre

Berniers detaillierte Schilderung wurde von Manucci nicht bestätigt. Manucci war vielmehr der Ansicht, dass diese Anekdoten reine Erfindungen waren – Schâh Dschahân hätte, so Manucci, Dschahânârâ Begum niemals durch die öffentlichen „Hinrichtungen“ ihrer Liebhaber gedemütigt.

Dass solche Gerüchte überhaupt entstanden, hatte mit der Nachfolge Schâh Dschahâns zu tun. Während Dschahânârâ ihren Bruder Dâra Schikoh unterstützte, verhalf Roschanârâ ihrem Bruder Aurangzeb zur Macht – und wurde später seine „First Lady“ Pâdschâh Begum. Auch zwischen Aurangzeb und Dschahânârâ fand später eine Versöhnung statt.

Aurangzeb, der als strenger Muslim bekannt war (darüber später einmal), duldete keine Musik, kein Glücksspiel, keinen Alkohol und keine Affären seiner beiden Schwestern. Auch das machte er deutlich klar.

Roschanârâ hatte bereits, so schrieben sowohl Manucci als auch Bernier, eine Warnung ihres Bruders erhalten, als sie zwei Männer über Tage in ihren privaten Gemächern versteckt hielt.

Diese Warnungen ignorierte Roschanârâ nachdrücklich, denn 1671 versteckte sie über mehrere Tage 9 junge Männer in ihren Räumen. Eine von Aurangzebs Töchtern erfuhr davon. Sie fragte ihre Tante, ob sie ihr nicht zwei der jungen Männer überlassen könne. Als Roschanâra dieses ablehnte, erzählte Auranzebs Tochter ihrem Vater von Roschanârâs Verfehlungen.

Aurangzeb ließ in der darauffolgenden Zeit alle 9 Männer foltern und töten. Diesmal wurde auch Roschanâra für ihre Affären bestraft: Aurangzeb ließ Roschanâra vergiften. Sie starb „aufgedunsen wie ein Faß“ am 11. September 1671.

Das Beispiel der Schwestern Dschahânârâ und Roschanârâ zeigt, dass die Frauen des Harem am Mogulhof sich zwar einige Freiheiten und Handlungsspielraum erkämpfen konnten, der Bereich der Sexualität aber von Männern reglementiert und kontrolliert wurde.

Inwieweit es doch Ausnahmen gab, müssen weitere Forschungen in den verschiedenen Quellen zeigen.

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Literatur:

Bernier, Francois: Travels in the Mogul Empire, AD 1656-1668. Oxford: OUP, 1916.

Lal, Ruby: Domesticity and Power in the Early Mughal World. Cambridge: CUP, 2005.

Das Beitragsbild zeigt ein Bild Roschanârâ Begums von Abbé Antoine François Prévost – es ist Public Domain.

Ein vorhergesagter Tod? Jahângîr, seine Ehefrau Sâliha Bâno und die Astrologie

Zwanzig Ehefrauen hatte er, der indische Mogulherrscher Salim, besser bekannt unter seinem Herrschernamen Nûr ud-Dîn Jahahângîr (regierte 1605-1627). Auf diesem Blog haben Susanne und ich schon häufiger über Jahhângîr gebloggt: sei es über seinen Alkoholkonsum, seine (angebliche) Affäre mit Anarkali, der Kurtisane seines Vaters Akbar, seine unglückliche Ehe mit seiner Cousine Mân Bai, die mit ihrem Selbstmord endete, seine Ehe mit Jagat Gosain und schließlich die letzte und zwanzigste Ehe mit NûrJahân, von der Jahângîr, wie man heute sagen würde, emotional abhängig war.

Heute soll es um eine von Jahângîrs unbekannteren Ehefrauen gehen, die dennoch am Hof von großer Bedeutung war: Sâliha Bâno Begum (st. 1620).

Was wissen wir über Sâliha Bâno Begum?

Leider sind die Quellen über Sâliha Bâno Begum nicht sehr ausführlich – wie wir später sehen, wissen wir die meisten Details zu ihrem Tod.

Noch nicht einmal ihr Geburtsjahr ist bekannt. Über ihre Familie wissen wir zumindest einiges: bereits Sâlihas Großvater hatte unter Akbar am Mogulhof gedient, ebenso ihr Vater Qâ’im Khân. Über Sâlihas Bruder ‚Abd ur-Rahîm wurde gesagt, dass er in die Kreise des Mogulhofs hineingeboren wurde. Nach der Hochzeit Dschahângîrs mit seiner Schwester stieg Abd ur-Rahîm weiter die Karriereleiter am Hof auf und erhielt den Ehrentitel Tarbîyat Khân.

Durch die hohe Stellung erhielt Sâliha Bâno Begum die übliche Ausbildung der Frauen des Moguladels, die neben religiöser Grundbildung auch Poesie und Musik umfasste.

Bekannt ist, dass Jahângîr Sâliha Bâno 1608 heirate, als er bereits 39 Jahre alt und im dritten Jahr seiner Herrschaft war. Zu dieser Zeit hatte er bereits die meisten seiner zwanzig Frauen geheiratet. Auch vier potentielle Thronfolger waren bereits geboren.

In den offiziellen Quellen findet sich auch nichts zu Nachkommen von Jahângîr und Sâliha Bâno Begum – es ist aber wahrscheinlich, dass eventuelle Kinder bereits im Säuglingsalter starben.

Sâliha Bâno hatte also wahrscheinlich keine eigenen Kinder, aber war für die Erziehung ihres Neffen (den Sohn Tarbiyat Khâns) im königlichen Harem verantwortlich.

Sâliha Bâno Begum als Pâdshâh Begum Jahângîrs

Obwohl Sâliha Begum zeitlich gesehen nicht zu den ersten Frauen Dschahângîrs zählte und auch keinen potentiellen Thronerben zur Welt brachte, ernannte Jahahângîr sie zur offiziellen Kaiserin und damit zu seiner Hauptfrau. Das ging mit dem offiziellen Titel Pâdshâh Begum oder Pâdshâh Mahal einher. Sâliha Bâno war somit Jahângîrs Hauptfrau – so wie Ruqaiya Begum diejenige Akbars gewesen war.

Scheinbar waren Dschahângîr und Sâliha Bâno Begum auf eine besondere Weise verbunden, die sich heute anhand der offiziellen Quellen nicht mehr nachvollziehen lässt.

1611 wurde die Beziehung zwischen Sâliha Bâno und ihrem Ehemann auf eine harte Probe gestellt, denn Dschahângîr verliebte sich in Nûr Dschahân und heiratete sie nur kurze Zeit später. Jagat Gosain war dafür bekannt, dass sie ständig im Harem spitze Bemerkungen zu der neuen Favoritin Dschahângîrs machte, allerdings konnte keine der Frauen den zunehmenden Einfluss Nûr Dschahâns am Hof verhindern.

William Hawkins, der Gesandte der britischen East India Company am Hof Jahahângîrs, berichtete von vier Hauptfrauen des Herrschers, wobei er Sâliha als Pâdshâh Begum zuerst erwähnte, dann Nûr Jahahân, und erst dann zwei seiner früheren Ehefrauen, auf die wir hier nicht eingehen wollen.

Leider liegen uns wie gesagt keine weiteren Infos zum Leben der Frauen im Harem und ihren Rivalitäten vor. Weitere Informationen zur Biographie Sâliha Bâno Begums haben wir leider erst aus dem Jahr 1620 – anlässlich ihres Todes.

Astrologen, Prophezeiungen und der Tod Sâliha Bâno Begums

Aus dem Jahângîr-nâma, den Memoieren Jahângîrs, erfahren wir, dass Sâliha Bâno Begum am 1. Juni 1620 starb, und dass Dschahângîr sehr betroffen war:

Am Mittwoch, dem 1. Juni starb Padishah Begum, and der Schmerz über dieses traurige Ereignis belastete mich sehr. Ich hoffe sehr, dass Gott der Allmächtige sich ihrer erbarmen wird.

Was diesen Eintrag so besonders macht, ist dass Dschahângîr eine Prophezeiung seines Astrologen überlieferte, die zu diesem Zeitpunkt ein paar Monate alt war und – wie Jahahângîr meinte – den Tod Sâlihas voraussagte. Was war passiert?

Zunächst einmal war es seit Akbar üblich, einen „kaiserlichen Astrologen“ am Hofe zu ernennen. Der offizielle Titel dieser Astrologen, die immer aus der Religionsgemeinschaft der Hindus stammte, war Jyotisaraja. In den persischen Herrschermemoiren war die Bezeichnung dafür Jotik Rai.

Wie sein Vater Akbar legte Jahângîr großen Wert auf die Weissagungen der Astrologen – vor allem, wenn sich die Prophezeiungen als wahr erwiesen: als Jahângîr einmal schwer erkrankte, prophezeite der Joti Rai eine schnelle Genesung – als diese dann tatsächlich eintraf, ließ Jahângîr den Astrologen gegen 500 Gold- und 7000 Silbermünzen aufwiegen.

Eine weitere Prophezeiung trat kurz von Sâliha Bâno Begums Tod ein. Der gesamte Haushalt Jahângîrs befand sich auf einer Reise nach Kaschmir. An einem Tag fiel der etwa dreijährige Enkel Jahângîrs, Shâh Shujâ‚, aus dem Fenster, landete aber halb auf einem Teppich, halb auf einem Diener. Der Astrologe sagte vorher, dass der Prinz schnell wieder geheilt würde. Obwohl die Verletzungen Shâh Shujâ’s sehr schwer waren, beharrte der Jotik Rai darauf, dass er wieder komplett gesund werden würde. Als die Heilung eintrat, ließ Jahângîr den Astrologen gegen Silbermünzen aufwiegen.

Wir wissen nicht, ob Sâliha Bâno Begum ebenfalls mit nach Kaschmir gereist war. Der Jotik Rai verkündete zur Zeit der Erkrankung Shâh Shujâ’s eine Prophezeiung, dass „ein Bewohner des Harems der Keuschheit in die himmlischen Gefilde entschwinden“ würde. Als Sâliha Bâno bald darauf verstarb, war Jahângîr erschrocken und betroffen – auch darüber, dass der Jotik Rai erneut scheinbar Recht hatte.

Seine Betroffenheit über den Tod Sâliha Bâno Begums brachte Dschahângîr in seinen Memoiren zum Ausdruck – und beschrieb ihren Tod ausführlicher als z.B. den Jagat Gosains.

Den Titel seiner Hauptfrau, der Pâdshâh Begum, übergab Dschahângîr an Nûr Dschahân.

Die Moguln behielten die Position des Hofastrologen, des Jotik Rai, weiterhin bei.

Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Jahângîrs, gemalt von Abû l-Hasan. Es ist Public Domain.

Abu al-Hasan (1589-1630) / Public domain

Literatur:

Jahangir: The Jahangirnama. Memoirs of Jahangir, Emperor of India / Translated by Wheeler M. Thackston New York [et al.]: Oxford Univ. Press, 1999.

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Die Pest in Agra: Infektion, üble Ausdünstungen und Ansteckung im 17. Jahrhundert

Während die Covid-19-Pandemie derzeit in weltweit in immer mehr Ländern Infizierte und Todesopfer fordert, zweifeln gleichzeitig immer mehr Menschen die Gefährlichkeit des Virus sowie die Erkenntnisse der Wissenschaft über Reproduktionsraten bzw. die Letalität („Tödlichkeit“) des Virus SARS-CoV-2 an.

Kritik an der der Wissenschaft?!

Diese Kritik am wissenschaftlichem Arbeiten resultiert häufig aus einer Unkenntnis heraus, wie es funktioniert: der Weg zur Erkenntnis, zur „Wahrheit“ über Infektion, Diagnose und Behandlung einer Krankheit hat viele Umwege und Fehlschläge. Viele Erkenntnisse der heutigen „westlichen“ Medizin, auch Biomedizin oder Schulmedizin genannt, haben sich erst nach jahrhundertelanger Forschung durchgesetzt. Es gehört  zum wissenschaftlichen Arbeiten dazu, die eigenen Forschungsergebnisse immer wieder kritisch zu hinterfragen, zu überprüfen und eventuell auch zu korrigieren, wenn sich andere Beobachtungen bzw. Quellen ergeben.

In meinem heutigen Blogbeitrag geht es um Infektionen mit der Pest – mit Sicherheit eine der tödlichsten Krankheiten in der Menschheitsgeschichte. Leider bricht diese Krankheit auch heute immer wieder in Indien aus. Es ist interessant, dass der indo-islamische Mogulherrscher Dschahângîr (st. 1627) in seiner Hauptstadt Agra beim Ausbruch der Pest Infektionswege beobachtete und in seiner Chronik niederschrieb .

Die graeco-islamische Medizin und Infektionen

Bis heute ist in Südasien die graeco-islamische Medizin (Englisch: Unani Medicine, Tibb-e yûnânî) eine der Medizintraditionen, die staatliche Förderung erhalten und neben der „Schulmedizin“  im Alltag etabliert ist.  Zur Zeit der Mogulherrscher, also vom 15. bis ins 19. Jahrhundert, war die graeco-arabische Medizin auch das vorherrschende System am Mogulhof. Parallel wurde natürlich auch Ayurveda weiterhin praktiziert. Ihren Ursprung hatte die graeco-islamische Medizin in den Lehren der griechischen und römischen Antike, wie Hippokrates (Buqrât, st. ca. 370 v. Chr.) oder Galen (Dschalînus, st. 129 n. Chr.).

Die graeco-islamische Medizin basiert auf der Annahme, dass es im Körper vier Körpersäfte gibt,  die von den Organen Leber, Lunge, Galle und Herz produziert wurden: Gelbe Galle, Schwarze Galle, Blut und Phlegma waren die Körpersäfte. Waren sie im Gleichgewicht, so die Lehre der Unani Medicine, war der Körper gesund. Dementsprechend erklärte man sich das Entstehen von Krankheiten durch einen Überschuss eines Körpersafts im Körper: so sei beispielsweise die Cholera durch einen Überschuss an Gelber Galle verursacht.

Miasma – „üble Ausdünstung“

Es gab aber auch in der Geschichte der graeco-islamischen Medizin Theorien, diejenige vom Ungleichgewicht der Körpersäfte als Infektionsursache als hinausging. Schon Hippokrates  hatte in seinen Schriften von Miasmen (Singular: Miasma) üble Ausdünstungen für Krankheiten und Seuchen verantwortlich gemacht. Diese Dämpfe steigen, so Hippokrates, von fauliger Luft und fauligem Wasser auf und sorgten dafür, dass auch die Körpersäfte im Körper „verklebten“ oder sogar „versteinerten“. Diesen Vorstellungen von üblen, schädlichen Dämpfen folgten bereits in der Antike und im Mittelalter Regelungen zur Quarantäne: Kranke wurden von Gesunden getrennt, Leichen von Seuchenkranken vor den Stadtmauern verbrannt. Diese Ideen von Quarantäne wurden sowohl in Europa  als auch in islamisch geprägten Kulturen praktiziert, zumal auch Ibn Sînâ, im Westen bekannt als Avicenna (st. 1037) in seinem Werk al-Qânûn fi-t-tibb („Der Kanon der Medizin“) die Notwendigkeit der Quarantäne bei Seuchen beschrieb.

Dieses Werk ist auch in Südasien für die graeco-islamische Medizin ein wichtiges Grundlagenwerk.

Bakterien als Ursache der Infektion

Die Theorien der Miasmen hielt sich sowohl in der europäischen als auch in indischen Medizintradition sehr lange – Bakterien als Seuchenursache wurden erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Bereits in den 1660ern hatte der niederländische Textilhändler Antoni van Leeuwenhoek (st. 1723) die Existenz von Bakterien nachgewiesen. Doch auch der Ausbruch großer Choleraepidemien sowohl in Großbritannien als auch in Indien ab den 1820ern konnten denjenigen, die von Bakterien als Infektionsursache überzeugt waren, mit ihren Forschungen noch nicht zum Durchbruch verhelfen. Sowohl Robert Koch, Ignaz Semmelweis und Louis Pasteur konnten ebenfalls Mikroorganismen nachweisen, doch zumindest für Großbritannien und seine Kolonien waren die Forschungen von John Snow (ja wirklich, st. 1858) maßgeblich: er entdeckte, dass die Wasserqualität in London und die dortigen Choleraausbrüche unmittelbar miteinander zusammenhingen – und Bakterien dafür verantwortlich waren. Snows Beobachtungen führten schließlich dazu, dass sowohl in Großbritannien als auch in den indischen Kolonien Maßnahmen zur öffentlichen Hygiene getroffen wurden und ein ein Sanitärsystem errichtet wurde.

Was die Pest angeht, so wurde der Pesterreger Yersinia pestis erst im Jahr 1894 entdeckt – und nach seinem Entdecker Alexandre Émile Jean Yersin (st. 1943) benannt.

Zoonosen – Infektion von Tier zu Mensch und Mensch zu Tier

Yersin gelang es in einem Wettstreit mit vielen internationalen Wissenschaftlern, den Erreger der Pest aus den Lymphknoten Pestkranker zu isolieren. Er wies ebenso nach, dass derselbe Erreger für das Rattensterben in Hongkong verantwortlich war und belegte dadurch, dass durch den Biss von Rattenflöhen die Pest von Tieren auf Menschen übertragbar war. Ebenso überträgt sich die Pest aber auch von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion.

Dieser Typ von Erkrankungen, die von Tier zu Mensch (und umgekehrt) übertragbar sind, nennt man Zoonosen. Neben der Pest sind Salmonellen ein weiteres Beispiel. Wie auch in Europa war die Pest in Südasien weit verbreitet.

Ratten, Infektion und Dschahângîrs Memoiren

Auch unter der der Herrschaft der indischen Moguln forderten zahlreiche Ausbrüche der Pest unzählige Opfer. In den Chroniken des Herrschers Akbar (st. 1605) gibt es keine medizinischen Erklärungen zu diesen Pestausbrüchen, sondern es wird vom Chronisten Abû l-Fazl ein Zusammenhang zwischen der Konstellation von Planeten, dem Auftreten von Kometen und Epedemien hergestellt (The Akbarnama of Abul Fazl, translated by H. Beveridge, Vol.3, S. 313).

1616, also unter der Herrschaft von Akbars Sohn Dschahângîr , kam es zu einem großen Pestausbruch im Punjab. Die Epidemie verbreitete sich schnell bis in Dschahângîrs Hauptstadt Agra. Dschahângîr berichtete in seinen Memoiren, im Dschahângîr-nâma über diesen Ausbruch. Es ist interessant, dass man anhand dieser Beschreibung auf eine Übertragung von Tier zu Mensch schließen konnte – ohne, dass dieses zu diesem Zeitpunkt in der „westlichen“ Medizin bekannt gewesen wäre.

Dschahângîr machte die beschriebenen Beobachtungen der Pestinfektion durch Ratten bzw. Mäuse nicht selbst, sondern die Tochter seines Schwagers Âsaf Khân berichtete von diesen Ereignissen (Âsaf Khân war der Bruder von Dschahângîrs bedeutender Ehefrau Nûr Dschahân) Dschahângîr fand diese Beschreibung „erstaunlich“ :

Die Tochter des verstorbenen Âsaf -Khân, die sich im Hause des ‚Abdullah, des Sohnen von Khân-e A’zam aufhält, hat einen erstaunlichen und befremdlichen Bericht gegeben und hat seine Richtigkeit (tashîh) aufs äußerste bekräftigt. Er wird (hier) wegen seiner merkwürdigen Inhalte (gharâ’eb) verzeichnet. Sie sagte:

Eines Tages kam im Hof des Hauses eine Maus (oder Ratte, mûs) ins Blickfeld, die verwirrt, in der Art der Betrunkenheit immer wieder hinfallend und aufstehend, in alle Richtungen lief und nicht wusste, wohin sie gehen sollte. Ich sagte einer der Dienerinnen, sie solle sie am Schwanz packen und der Katze hinwerfen. Die Katze sprang mit Begeisterung und Freude von ihrem Platz auf und nahm die Maus ins Maul, ließ sie aber sofort wieder los und zeigte Abscheu. Nach und nach traten in ihrem Gesicht die Spuren des Leidens an Schmerzen in Erscheinung. Am folgenden Tag war sie nahe daran zu sterben. Es kam mir in den Sinn, dass man ihr etwas vom besten Theriak (…) geben sollte. Als ihr Maul geöffnet wurde, sahen Gaumen und Zunge schwarz aus, und nachdem sie drei Tage lang in elendem Zustand verbracht hatte, kam sie am vierten Tag wieder zu Bewusstsein. Danach erschein eine Pestbeule (…) an einer Dinerin, und wegen des Übermaßes an Übelkeit und des Anwachsens der Schmerzen fand sie keine Ruhe und Rast. Ihre Hautfarbe veränderte sich zu einem Gelb, das zum Schwarz hinneigte, und sie bekam hohes Fieber. Am folgenden Tag gab sie etwas von oben von sich, und es trat hinten aus (d.h.: sie musste erbrechen und sie hatte Durchfall), und sie starb. In derselben Weise wurden in jenem Haus sieben, acht, Personen zunichte, und einige waren krank, als wir diesen Wohnsitz verließen und in die Gartenanlage zogen. Diejenigen, welche die Krankheit hatten, verstarben im Garten, aber kein anderer mehr bekam die Pestbeulen. Zusammengefasst traten innerhalb von acht, neuen, Tagen siebzehn Personen die Reise ins Jenseits an.

Sie (i.e. die Tochter von Âsaf Khân, C.P.) sagte auch:

Wenn diejenigen, die Beulen bekommen hatten, jemand anderen um Wasser zum Trinken oder Waschen baten, ging es sofort auch auf diesen über (…), und am Ende kam es soweit, dass sich ihnen aus lauter Furcht niemand mehr näherte.

Susanne Kurz, Stefan Reichmuth: Der Fallbericht in der graeco-islamischen Medizin, S. 248-249, Übersetzung aus dem Persischen von Susanne Kurz.

Das detaillierte Beispiel der Übertragung von Bakterien von Tieren auf Menschen zeigt, dass bei weltweit auftretenden Erkrankungen ein Blick in die Quellen / Beobachtungen verschiedener kultureller Kontexte lohnt, um die Erforschung und Heilung von Krankheiten voranzutreiben. Dieses ist in heutigen Zeiten selbstverständlich einfacher als zur Mogulzeit.

Nur durch internationale Zusammenarbeit, die auch unterschiedliche Konzepte von Körper und Krankheit berücksichtigt, kann (medizinische) Forschung erfolgreich sein.

Beitragsbild:

Bâbu Râm: Usûl-i Kokashastra. Muradabad, 1901, S. 19. (British Library)

Literatur:

Abû l-Fazl: The Akbarnama of Abu’l Fazl / transl. by H. Beveridge. 1st ed. Calcutta 1939.

Kurz, Susanne; Stefan Reichmuth. „Zwischen Standardisierung und Literarisierung: Der Fallbericht in der graeco-islamischen Medizin“. In Der ärztliche Fallbericht, ed. by Rudolf Behrens and Carsten Zelle (Wiesbaden: Harrassowitz, 2012), 235 ff.

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Fast wie eine Mutter – Akbars (Stief-)Mutter Bega Begum

Kürzlich habe ich knapp zwei Wochen in New Delhi verbracht. Einer der Höhepunkte meiner Reise war die Besichtigung des Grab des zweiten Mogulherrschers Humâyûn (st. 1556), das unter dem englischen Begriff Humayun’s Tomb bzw. unter dem Urdu-Begriff Maqbara-ye Humâyûn bekannt.

Auf dieses Grab, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, möchte ich in einem eigenen Beitrag eingehen. Heute geht es zunächst um die Frau, die das Grabmal in Auftrag gegeben hat. Dieses war nämlich nicht, wie viele meinen, Hamîda Begum (st. 1604), also die leibliche Mutter des Mogulherrschers Akbar, sondern Bega Begum (st. 1582), die erste Ehefrau des Herrschers.

Anders als Mâh Chûchak, der dritten Ehefrau seines Vaters, lebte Bega Begum fast ununterbrochen mit Humâyûn zusammen und folgte ihm auch an den Hof von Delhi – während ja Mâh Chûchak in Kabul lebte.

Bega Begum hatte nicht nur großen Einfluss auf die anderen Frauen ihrer Generation (z.B. auf Humâyûns zweite Ehefrau und Akbars Mutter, Hamîda Begum und Humâyûns Schwester Gulbadan Bâno), sondern auch auf Akbar selbst, der ja bereits 1556 im Alter von nur 14 Jahren die Nachfolge seines Vaters

Die enge Beziehung zwischen Akbar und Bega Begum wurde auch von Akbars Biographen erwähnt, die sie als „zweite Mutter“ Akbars bezeichneten.

Konkurrenz unter Humâyûns Ehefrauen

Dass die Beziehungen der  einzelnen Ehefrauen Humâyûns untereinander nicht immer einfach waren, zeigt das folgende Beispiel aus Akbars Kindheit. So soll Akbar als kleiner Junge einmal unter schweren Zahnschmerzen gelitten haben. Als Bega Begum ihm eine Medizin verabreichen wollte, versuchte Hamîda Begum, sie daran zu hindern – zu groß war die Angst, dass Bega Begum eventuell versuchen könnte, Akbar zu vergiften. Bega Begum trank daraufhin vor Hamîda Begums Augen einen Teil der Medizin – und rieb dann, als sie sich als harmlos erwies, den Rest der Arznei auf Akbars Zähne.

Bega Begams Zuneigung für Akbar mag sicherlich auch damit zusammenhängen, dass ihre eigenen Kinder von Humâyûn nicht überlebt hatten…

Doch der Reihe nach..

Bega Begums Herkunft und die Heirat mit Humâyûn

Bega Begum wurde etwa 1511 geboren, ein genaues Datum liegt uns in den Quellen aber nicht vor. Ihr Vater Yâdgâr Beg war ein persischer Adeliger aus der Provinz Khorasan. Bega Begam war somit eine Cousine ersten Grades ihres späteren Ehemanns Humâyûn. In ihrer Kindheit und Jugend erhielt sie die übliche (religiöse) Ausbildung sowie in Dichtung und Musik. Ein besonderes Interesse Bega Begums galt der Medizin – so lässt sich auch die oben erwähnte Geschichte über die Arznei gegen Akbars Zahnschmerzen erklären.

Als Bega Begum etwa 16 Jahre alt war, heiratete sie ihren Cousin Humâyûn, der zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt war. Die Hochzeit fand in Badakshan statt, wo Humâyûn zu diesem Zeitpunkt Vizekönig war. Bereits im November 1528 brachte Bega Begum ihr erstes Kind zur Welt, einen Sohn namens al-Amân Mirzâ. Die Ankunft des Erben wurde von der gesamten Familie gefeiert – doch al-Amân starb bereits im Säuglingsalter.

1530 wurde Bega Begums Ehemann Humâyûn Kaiser des Mogulreiches. Sie war zu dem Zeitpunkt 19 Jahre, ihr Mann 23 Jahre alt. Humâyûn verlegte den Mittelpunkt des Mogulreiches von Kabul im heutigen Afghanistan nach Agra. Bega Begum begleitete ihren Mann nach Agra, und nur kurze Zeit brachte Begum ihr zweites Kind zur Welt: eine Tochter, die ‚Aqîqa Begum genannt wurde.

Der Verlust der Macht und der Tod ‚Aqîqa Begums

1539 erlitt das Mogulreich unter Humâyûn einen großen Machtverlust. Sher Schâh Sûrî (st. 1545) besiegte Humâyûn und etablierte das Suri-Reich mit der Hauptstadt Delhi. Im Juli 1539 hatte Bega Begum Humâyûn auf eine Militäraktion nach Chausa (heute im indischen Bundesstaat Bengalen) begleitet. Sher Schâh Sûrî konnte während eines Überraschungsangriffes auf Humâyûns Heer etliche der Frauen des Harems gefangen nehmen. Viele Frauen versuchten, sich mit einem Boot vor der Gefangennahme zu retten, doch in den Wirren des Kampfes und der Flucht von Humâyûns Heer sank das Boot und ‚Aqîqa Begum ertrank – erst 8 Jahre alt.

Humâyûn war untröstlich und machte sich Selbstvorwürfe, dass er Frau und Tochter auf den Feldzug mitgenommen hatte.

Doch ihm blieb keine lange Zeit zu trauern: schließlich war auch Bega Begum von Sher Schâh Sûrî gefangen genommen worden – übrigens die erste und einzige Frau eines Mogulherrschers, die jemals von Gegnern des Reiches gefangen genommen wurde. Glauben wir den Quellen, wurde Bega Begam während ihrer Gefangenschaft gut behandelt. Später wurde sie wieder an Humâyûn zurück gegeben.

Doch Humâyûn konnte die Herrschaft über das Reich nicht halten. Nach diversen militärischen Niederlagen verlor Humâyûn eine Mehrheit seiner Anhängerschaft. Humâyun und seine Unterstützer zogen durch Nordindien, das heutige Afghanistan und schließlich ins Exil nach Persien. Nicht zuletzt seine rebellischen Brüder sorgten dafür, dass Humâyun 14 Jahre lang nicht über Indien herrschte.

Bega Begum war die ganze Zeit an der Seite ihres Ehemannes, sie begleitete ihn auch in das Exil an de Hof des safawidischen Herrschers Tahmasp I. (st. 1576). 1541 heirate Humâyûn seine zweite Ehefrau Hamîda Begum, die 1542 den Thronfolger Akbar zur Welt brachte. 1546 heirate der Herrscher Mâh Chuchak Begum, die ebenfalls einen Sohn zur Welt brachte.

Als es Humâyûn schließlich 1554 wieder gelang, Herrscher über Indien zu werden, begleiteten ihn nur Bega Begum und Hamîda Begum nach Agra, Mâh Chuchak verblieb in Kabul. Bereits zwei Jahre später, 1556 wurde Bega Begum Witwe, nachdem Humâyûn nach einem Treppensturz verstarb.

Bega Begum als Witwe Humâyûns

Bereits kurz nach Humâyûns Tod fasste Bega Begum den Entschluss, ein Grabmal für ihren verstorbenen Gatten zu erbauen. Bevor sie ihren ergeizigen Plan umsetzte, ging sie zunächst einmal auf die Pilgerfahrt nach Mekka. Für mehr als drei Jahre war sie auf Reisen. Als sie 1560 nach Indien zurückkam, reiste sie nicht nach Agra an den Hof Akbars, sondern blieb in Delhi, um das Grabmal für Humâyûn errichten zu lassen. Von ihrer Reise hatte Bega Begum zahlreiche iranische und arabische Handwerker mitgebracht, die den von Bega Begum geplanten Bau ausführen sollten. Als Architekten hatte Bega Begum zwei Afghanen ausgesucht.

Über das Grabmal an sich werde ich noch in einem gesonderten Beitrag etwas schreiben. Es ist aber deutlich, dass die Vollendung dieses Bauwerkes das wichtigste Lebenswerk Bega Begums war – zeitweise überwachte sie persönlich die Bauarbeiten und schlug sogar ihr Lager neben der Baustelle auf.

Neben dem Grabmal finanzierte Bega Begum auch den Bau anderer Bauwerke und finanzierte auch viele wohltätige Projekte.

1582 starb sie. Akbar, zu dem sie wie gesagt eine sehr enge Verbindung hatte, war laut Aussagen seiner Biographen untröstlich. Er begleitete den Leichnam zur Bestattung – Bega Begum wurde ebenfalls in dem von ihr finanzierten Grabmal ihres Mannes beigesetzt.


„Szenen einer Ehe“: Bega Begum und Humâyûn

Ich möchte meinen Beitrag mit einer Begebenheit beschließen, die uns Bega Begums Schwägerin Gulbadan Begum in ihrer Biographie Humâyûns beschreibt. Sie schildert ungewohnt deutlich eine eheliche Auseinandersetzung zwischen Bega Begum und ihrem Mann. Es geht darum, dass Humâyûn – ganz gegen das islamische Gebot der Gleichbehandlung aller Ehefrauen durch den Ehemann – Bega Begum vernachlässigte.

Sie begann sich zu beklagen, und sagte zu ihm : seit einigen Tagen habt diesen Garten besucht, aber Ihr seid nicht in unsem Haus erschienen. Es wurden keine Dornen auf dem Weg dahin gepflanzt. Wir hoffen, dass Ihr demächst wieder in unser Haus kommen werdet, und dort eine Feier und soziale Zusammenkünfte abhaltet. Wie lange werdet Ihr uns Hilflosen Eure Ungnade zeigen? Wir haben auch ein Herz. Drei Mal habt Ihr andere Orte (gemeint ist: Eure anderen Frauen, CP) mit Eurer Anwesenheit beehrt und Euch Tag und Nacht mit Amüsement und Unterhaltungen beschäftigt.

Als sie mit ihren Ausführungen fertig war, schwieg der Herrscher – und seine Schwester fügte hinzu: „Jeder wusste, dass seine Majestät verärgert war. Schließlich antwortete Humâyûn seiner Frau Bega Begum:
Mir wurde die Notwendigkeit auferlegt, sie alle glücklich zu machen. Ich schäme mich vor ihnen, dass ich mich so selten bei ihnen blicken lasse. Ich bin ein Opium-Konsument. Falls es zu Verzögerungen bei meinem Kommen und Gehen kommt, seid nicht ärgerlich mit mir.

Gulbadan Begum: Humayun-nama, S. 190, zitiert nach S.S.Gupta: Mahal, eBook.

Diese Antwort ihres Gatten beruhigte Bega Begum scheinbar überhaupt nicht, und sie antworte: „Was für eine Wahl haben wir? Ihr seid der Herrscher! Eure Erklärung erscheint schlimmer als der Fehler!.

Schließlich versöhnten sich die Eheleute wieder… Gulbadan Begums Schilderung macht sehr deutlich, dass der königliche Harem eine Familienangelegenheit war – wie alle anderen Familien auch.

Literatur:

Subhadra S. Gupta: Mahal: Power and Pageantry in the Mughal Harem. Gurugram: Hachette, 2019 (eBook)

Das Beitragsbild zeigt den Mogulherrscher Humâyûn bei einem darbâr (Versammlung des Hofes), aus einem Manuskript des Akbar-nâma (British Library). Es ist Public Domain.

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