Susanne hat in ihrem Beitrag über das Taj Mahal (Tâdsch Mahal) gefragt, ob dieses ein Liebesbeweis oder eine Machtdemonstration sei. Fakt ist, dass sowohl die zeitgenössischen persischen Quellen als auch die britischen Berichte aus der Kolonialzeit von der “größten Liebesgeschichte aller Zeiten” zwischen dem Mogulherrscher Schâh Dschahân (st. 1666) und seiner Ehefrau Ardschumand Begum, genannt Mumtâz Mahal (st. 1631) berichteten – und das Tâj Mahal wurde und wird bis heute als “Monument der Liebe” bezeichnet. In diesem Beitrag möchte ich noch einmal auf die Geschichte dieses Paares eingehen.
Schâh Dschahân wurde 1592 als Prinz Khurram ( Persisch: “blühend”, “fröhlich”) geboren. Sein Vater Salîm / später Dschahângîr (st. 1627) war zu diesem Zeitpunkt noch Kronprinz, denn Khurrams Großvater, der Mogulherrscher Akbar (st. 1605) war zu diesem Zeitpunkt noch am Leben. Schâh Dschahâns Mutter war die Rajputenprinzessin Jagat Gosain.
Akbar und Khurram verbrachten viel Zeit miteinander, was auch daran lag, dass Khurram von Akbars erster Ehefrau und Cousine Ruqaiya Begum erzogen wurde. Khurrams Großvater und sein Vater Dschahângîr hatten hingegen kein gutes Verhältnis zueinander, was sich auch auf das Vater-Sohn Verhältnis auswirkte.
Als Akbar 1605 starb und Khurrams Bruder gegen Dschahângîr rebellierte, verbesserte sich auch Khurrams Verhältnis zu seinem Vater. Khurram wurde zum Kronprinzen ernannt, erhielt ein eigenes Siegel und – sehr ungewöhnlich – schon als Kronprinz seinen späteren Herrschernamen Schâh Dschahân.
Verlobung mit Mumtâz Mahal
Schâh Dschahân war knapp 16 Jahre alt, als er mit Ardschumand Begum, der späteren Mumtâz Mahal, verlobt wurde. Ardschumand war 14 Jahre alt und die Tochter des berühmten Generals Mirzâ Asaf Khân, der einst als Kind als Flüchtling aus Persien gekommen war. Seine Schwester war die berühmte Nûr Dschahân Begum, die selbst einige Jahre später die 20. Ehefrau des Herrschers Dschahângîr werden sollte.
Ardschumand Begum, die später den Titel Mumtâz Mahal (“Die Exzellenz des Palastes”), kam also aus einer Familie, die durch die Flucht aus Persien zwar alle ihre Besitztümer verloren hatte, aber über persische Kultur und Bildung verfügte. Sie war in arabischer und persischer Sprache ausgebildet und dichtete auch auf Persisch. Es ist anzunehmen, dass sie wie andere Frauen der Elite ihrer Zeit sowohl eine Ausbildung in religiösen Disziplinen als auch in Poesie, Dichtung und Musik erhalten hatte.
Ardschumand Begum galt zudem als intelligente Schönheit, die auch einen angenehmen, umgänglichen Charakter hatte. So gab es mehrere Interessenten für eine Eheschließung, doch hatte selbstverständlich der Thronfolger Vorrang.
Eine lange Verlobungszeit und eine erste Ehefrau
Doch interessanterweise dauerte die Verlobungszeit von Schâh Dschahân und Ardschumand Begum über 5 Jahre! Und nicht nur das: in dieser Zeit heiratete Schâh Dschahân seine erste Ehefrau Qandahârî Begum, eine Tochter des Ur-Enkels des Gründers des persischen Safavidenherrschers Schâh Ismâ’îls I. (st. 1594). Diese Ehe wurde aus politischen Erwägungen geschlossen. Qandahârî Begum brachte 1611 ihr einziges Kind zur Welt, eine Tochter namens Parhez Bâno Begum. Über sie ist sehr wenig bekannt, außer, dass Dschâhângîr anordnete, dass Parhez – wie er selbst und Schâh Dschahân auch – von Ruqaiya Begum, der Witwe Akbars, aufgezogen wurde.
Weitere Ehefrauen und Kinder Schâh Dschahâns
Fünf Jahre nach der Heirat mit Ardschumand heirate Schâh Dschahân seine dritte Ehefrau, ‘Izz un-Nisâ’ Begum, genannt Akbarrabâdî Begum. Auch sie gehörte der Hofelite bzw. sogar der Mogulfamilie an: ihr Großvater war ‘Abdur Rahîm Khân, der (angenommene) Sohn von Akbars Cousine und Ehefrau Salîma Sultân Begum. Auch Akbarabâdî Begum brachte ein Kind von Schâh Dschâhân zur Welt, einen Jungen. Dieser starb jedoch im frühren Kindesalter.
Die Quellen berichten außerdem, dass Schâh Dschahân zudem eine Rajputenprinzessin heirate – doch über ihren Namen und etwaige Kinder ist nichts bekannt. Auch über Kinder von Konkurbinen erfahren wir in den Quellen nichts.
Ardschumand soll zu Schâh Dschâhân gesagt haben (A. Eraly: Last Spring, S. 63) : Zieh die Kinder (gemeint sind wohl die Söhne) anderer Frauen nicht groß – es könnte zwischen ihnen und unseren Kindern zu Nachfolgekämpfen kommen.
Während Ardschumand die anderen Ehefrauen als Konkurrenz nicht ernst nahm, schien sie die Kinder der anderen Ehefrauen als Bedrohung wahrnahm. Folgt man den Quellen, lebte Schâh Dschahân mit Ardschumand / Mumtâz Mahal fast monogam, die Ehen schienen nur auf dem Papier zu bestehen. Auch die zeitgenössischen Quellen und Hofchroniken berichten, dass Schâh Dschahân die anderen Ehefrauen komplett vernachlässigte, nachdem sie jeweils ein Kind zur Welt gebracht hatten. So schrieb einer von Schâh Dschahâns Chronisten, dass er für die anderen Frauen nicht ein Tausendstel von dem empfunden habe, was er für Mumtâz Mahal empfunden habe.
Die Ehe mit Ardschumand / Mumtâz Mahal
Für Mumtâz Mahal empfand er nicht nur eine tiefe Zuneigung, sondern er vertraute ihr auch in Regierungsangelegenheiten völlig und ließ sich ständig von ihr beraten. Heutzutage würde man wahrscheinlich sagen, dass Schâh Dschahân emotional von Mumtâz Mahal abhängig war. Er ertrug es nicht, von ihr getrennt zu sein. Die Teile des Roten Forts in Agra, die das Paar bewohnte, waren mit Marmor, Blattgold und Juwelen besonders geschmückt. Mumtâz Mahal erhielt bei vielen öffentlichen Anlässen zudem große Zuwendungen in Gold und Edelsteinen.
Obwohl Mumtâz Mahal in den 19 Jahren ihrer Ehe ständig schwanger war, bestand sie darauf, Schâh Dschahân auch auf seinen Feldzügen ständig zu begleiten.
Insgesamt brachte Mumtâz Mahal 14 Kinder zur Welt, 8 Söhne und 6 Töchter. Nur 7 von ihnen erreichten das Erwachsenenalter. Mumtâz Mahal starb, als sie ihren Mann auf den Feldzug in den Dekkan begleitete. Sie lag knapp 30 Stunden in den Wehen, bevor sie eine Tochter zur Welt brachte – Gauhar Ârâ Begum. Nur kurze Zeit später erlag Mumtâz Mahal schweren inneren Blutungen.
Mumtâz Mahal wurde zunächst in Burhanpur, wo sie starb, bestattet. Anschließend wurde ihr Leichnam nach Agra überführt, wo eine Grabstätte am Fluß Yamuna erbaut wurde. Erst über zwanzig Jahre später fand Mumtâz Mahal ihre letzte Ruhestätte im Tâj Mahal, das Schâh Dschahân für sie erbauen ließ.
Endlose Trauer um Mumtâz Mahal? Der trauernde Witwer Schâh Dschahân
Folgt man den Quellen, so kannte Schâh Dschahâns Trauer keine Grenzen. Eine Woche habe er sich komplett zurückgezogen und sich auch nicht um seine Staatsgeschäfte gekümmert. Vom vielen Weinen sei hätte seine Sehkraft so nachgelassen, dass er eine Brille habe tragen müssen. Sein Bart sei ergraut. Viele seine Gewohnheiten, so zum Beispiel das Musikhören und das Anschauen von Tanzdarbietungen, habe er aufgegeben. Er habe sogar daran gedacht, den Thron vollständig aufzugeben und abzudanken.
Es gibt jedoch auch andere, wenig schmeichelhafte Berichte über den Witwer Schâh Dschahân, die von sexuellem Mißbrauch und ständig wechselnden Sexualpartnerinnen berichten. Doch das ist mir einen eigenen Blogbeitrag wert.
Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Mumtâz Mahals, wahrscheinlich aus dem 17. oder 18. Jahrhundert. Es ist Public Domain.
Literatur:
Eraly, Abraham: Last Spring: The Lives and Times of the Great Mughals. New Delhi: Penguin, 2017.
+++HIER +++gibt es einen Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte
Pingback: Das Rote Fort in Agra: Akbars Herrschaftssymbol - Persophonie: Kultur-Geschichte