In der Bollywood Serie Jodha Akbar spielt sie eine große Rolle als Lieblingskind des Mogulherrschers Akbar: Ârâm Bâno. Ihre Mutter Daulat Shâd wird zwar erwähnt, aber sie ist in der Serie nicht zu sehen. Schließlich war sie ja auch keine von Akbars Hauptfrauen, wie Ruqaya Begum, Salima Begum und Maryam uz-Zamânî (Jodha Bai).
Dennoch löste Akbar durch seine Heirat mit Daulat Shâd einen großen Skandal am Mogulhof aus. In diesem Beitrag beleuchten wir diese Ehe Akbars, die auf ungewöhnliche Weise zustande kam.
Akbar verliebt sich in Daulat Shâd
Wie seiner Vorgänger und viele seiner Nachfolger ließ Akbar (st. 1605) ja seine Memoiren aufschreiben. Das Akbar-nâma (“Das Buch von Akbar”) wurde von Akbars Sekretär Abû l-Fazl geschrieben. Abû l-Fazl zählte zu Akbars Vertrauten und den “Neun Juwelen am Mogulhof”. Seine Memoiren Akbars waren mehr als freundlich und wohlwollend. Doch es gab auch zweite Version von Akbars Memoiren, die kritischer mit dem Verhalten des Mogulherrschers umgingen: das Werk Muntakhab al-tawâ’rikh (“Auswahl der Chroniken”) von ‘Abd ul-Qâdir Badâ’ûnî (st. 1602).
Badâ’ûnî kritisierte Akbar für seine Auslegung des Islam und für seinen Alkoholkonsum. Er war es auch, der uns von dem Skandal 1562 um Akbar und Daulat Shâd berichtete und durchblicken ließ, dass er Akbars Verhalten alles andere als richtig fand.
Der Skandal um Daulat Shâd nimmt Fahrt auf
Badâ’ûnî schildert die Geschichte so: Akbar war im Jahr 1562 knapp 20 Jahre alt und bereits seit 6 Jahren Herrscher des Mogulreiches. Seine Herrschaft war nicht unangefochten, und so versuchte er, in die bedeutenden Familien Delhis einzuheiraten und so seine Macht auszudehnen.
Akbar schickte die Eunuchen (hijras) seines Harems in die Familien Delhis, um deren Töchter anzuschauen und eventuell an den Hof zu bringen. Doch abgesehen von diesen Heiratsplänen ging Akbar auf viele Festivitäten. Dort sah er eines Tages eine junge Frau, in die er sich sofort verliebte. Sie stammte aus dem Umfeld von Akbars Milchbruder Adham Khân, dem Sohn von Akbars Amme Mâham Anga.
Ihr Name war Daulat Shad, was allerdings nicht erwähnt wird. Das Problem: Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet. Ihr Mann ‘Abd ul-Wâsi’ gehörte ebenfalls zu den Notabeln des Mogulreiches – dennoch muss er sich dem Willen des Herrschers fügen und seine Frau freigeben.
Daulat Shâds Zwangsscheidung
Badâ’ûnî schreibt, dass dieser “Brauch” der erzwungenen Scheidung auf den alten Traditionen der Mongolen seit Dschingis Khân beruhten, von denen die indischen Moguln ja abstammen. Ob das wirklich so ist, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Fakt ist jedoch, dass ‘Abd ul-Wâsi‘ sich nicht traute, seinem Herrscher zu widersprechen.
So soll er völlig ernüchtert den Koranvers (Sure IV, Vers 100) zitiert haben:
“Die Erde ist weitläufig –
und ihn dann ergänzte
für einen Meister der Welt ist die Welt nicht eingeengt”.
Mit dem “Meister der Welt” ist natürlich Akbar gemeint, dem, so berichtet Bâdâ’ûnî, in seinem Handeln keine Grenzen gesetzt sind. Bâdâ’ûnî macht ihm – im Rahmen seiner Möglichkeiten – deutlich, dass er das Verhalten Akbars gegenüber ‘Abd ul-Wâsi’ für skandalös hielt.
‘Abd ul-Wâsi‘ fügte sich also seinem Schicksal. Er sprach aber nicht, wie eigentlich üblich, seiner Frau gegenüber persönlich die dreifache Scheidungsformel aus (s.u.). Stattdessen heftete er ihr ein Dokument mit der Scheidungsformel an ihre Kleidung. Die Scheidung war somit gültig und vollzogen. Inwieweit Daulat Shâd von den ganzen Ereignissen um sie herum wusste, ist anhand der Quellen nicht klar.
Über das Schicksal von ‘Abd ul-Wâsi’ ist wenig bekannt. So soll er den Mogulhof verlassen und sich in Bidar auf dem Dekkan niedergelassen haben. Bidar, eines der islamischen Dekkansultanate, zählte zu den Gebieten, die (noch) nicht von den Moguln regiert wurden. Laut Badâ’ûnî “wurde nie wieder etwas von ihm gehört.”…
EXKURS: SCHEIDUNG IM (hanafitischen) ISLAM: Wie funktioniert die Scheidung im Islam? Zunächst einmal: hier geht es um die Scheidung im südasiatischen, sunnitischen Islam. Die Mehrheit der indischen Sunniten gehört, wie die meisten türkischen Muslime, der hanafitischen Rechtsschule an. Die Scheidung wird unter südasiatischen Muslimen als tîn talâq (“dreifache Scheidung – Trennung”) oder auf Englisch als triple talâq) bezeichnet. Die Scheidung kann in dieser Form nur vom Ehemann ausgehen. Der Ehemann sagt die Scheidungsformel “talâq, talâq, talâq” oder 3 Mal die arabische Formal “anti tâliq” (“Du bist frei / geschieden”). Durch das dreifache Aussprechen ist die Scheidung bereits gültig. Umstritten ist, ob die Scheidung auch dann gültig ist, wenn die Scheidung nur zum Scherz ausgesprochen wird, in großer Wut oder unter Alkohol- bzw. Drogeneinfluss. Umstritten sind auch heutzutage Diskussionen, ob Scheidung per SMS, Telefon oder Fax gültig sind. (Weitere Infos zum Thema Scheidung in meiner Doktorarbeit, s.u.).
Daulat Shâd wurde diese “Entscheidung zur Scheidung” also völlig aus der Hand genommen – die frisch Geschiedene wurde Teil des Harems von Akbar.
Der Mordanschlag auf Akbar – alles wegen Daulat Shâd?
Zur selben Zeit wie diese Zwangsscheidung wurde ein Mordanschlag auf Akbar verübt. Als Akbar in Delhi unterwegs war, schoss ein Sklave namens Fulâd einen Pfeil auf Akbar. Der Pfeil streifte Akbar nur leicht und war somit keine wirkliche Bedrohung für ihn. Als der Sklave sah, dass er Akbar verfehlt hatte, gab er seinen Plan auf und versuchte zu fliehen. Akbar und seine Soldaten konnten ihn jedoch fassen. Akbar befahl, ihn direkt in die Wüste zu bringen und dort hinzurichten.
Bâdâ’ûnî war, wenn man seinen Text genau liest, nicht wirklich mit Akbars Vorgehen einverstanden. Er hätte lieber genaue Untersuchungen in dieser Sache gehabt, um herauszufinden, wer hinter dem Attentat auf Akbar steckte. War es eine politisch motivierte Tat? Oder waren es, wie man auch annehmen kann, ‘Abd ul-Wâsi‘ und seine Familie, um sich für die erzwungene Scheidung zu rächen? Letzten Endes wird es nicht mehr zu klären sein. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Scheidung und dem Attentat lässt sich zumindest nicht von der Hand weisen.
Daulat Shâd als Ehefrau und Mutter von zwei Töchtern
Nachdem Akbar die Scheidung von Daulat Shâd und ‘Abd ul-Wâsi‘ erzwungen hatte, heiratete er selbst Daulat Shâd im Jahr 1562. ABER: Daulat Shâd wurde keine von Akbars Hauptfrauen. Akbar war, als er Daulat Shât heiratete, bereits mit seiner Cousine 1. Grades Ruqayya Sultân Begum und seiner Cousine 2. Grades Salîma Sultân verheiratet. Diese Eheschließungen erfolgten als Islamische Eheschließung mit einem regulären Ehevertrag (nikâh). Gemäß dem islamischen Recht konnte Akbar vier Frauen mit nikâh heiraten. Eine nikâh-Ehe wäre nach islamischem Recht auch nach einer Scheidung möglich gewesen, wenn auch vielleicht nicht üblich. Akbar heiratete Daulat Shâd (wahrscheinlich) nach der als im schiitischen Islam anerkannten Zeitehe (mut’a). Das ist vor allem zu vermuten, weil der Einfluss von persischen Gelehrten an Akbars Hof groß war.
Interessant ist, dass Akbar in dem Jahr, in dem Daulat Shâd heiratete, auch Jodha (Maryam uz-Zamânî) ehelichte. So ist dann die Frage, warum Daulat Shâd nicht die dritte Hauptfrau wurde. Diese Frage lässt sich nicht klären.
Ebenso interessant ist, dass Akbar weiterhin (zumindest offiziell) zunächst keine Kinder hatte: weder seine Cousinen noch andere Frauen des Harems hatten Kinder geboren. Lediglich Maryam uz-Zamânî hatte 1564 die Zwillinge Hasan und Hussain zur Welt gebracht – diese starben jedoch schon nach wenigen Monaten. Erst nach der Geburt von Akbars ältestem Sohn und Nachfolger Salîm /Jahângir 1569 wurden zahlreiche weitere Kinder von den Zweitfrauen oder Konkubinen Akbars geboren.
Daulat Shâd brachte 1572 ihre älteste Tochter Shakar un-Nisâ’ zur Welt, die ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Bruder Jahângir hatte.
1584 kam dann Daulat Shâds zweite Tochter Ârâm Bâno Begum zur Welt, die, wie ja erwähnt, die Lieblingstochter Akbars war.
Daulat Shâd hatte auch nach Akbars Tod 1605 eine wichtige Rolle im Mogulharem. So vermittelte sie zusammen mit Ruqaiya Begum und Maryam uz-Zamânî in Jahângîrs Streit mit seinem Sohn Khurram.
Somit ist klar, dass Daulat Shâd, obwohl sie nicht zu den Hauptfrauen Akbars gehört hatte, einen hohen Stellenwert im Harem hatte, der weit über den anderer Ehefrauen Akbars hinausging.
Was zunächst mit einem Skandal begann, endete für Daulat Shâd zumindest mit großem Einfluss. Ob sie gesagt hätte, dass alles “gut” endete – wer kann es schon sagen?
Bilder:
Das Beitragsbild zeigt eine Szene aus dem Harem des Mogulhofs. Quelle unbekannt. Bild aus dem Privatbesitz von Claudia Preckel
Literatur:
Abdul-Qadir Ibn-i-Muluk Shah, known as Badaoni: A History of India: Muntakhabu-t-tawarikh / Transl. Georg S.A. Ranking. Vol. II. New Delhi 1990 (Reprint).
Preckel, Claudia: Islamische Bildungsnetzwerke und Gelehrtenkultur im Indien des 19. Jahrhunderts. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2009. (online).