Heute möchte ich eine kleine neue Serie zur Mogulgeschichte starten: es soll um die Navaratnas, die neun Juwelen am Hofe Akbars, gehen. Damit sind neun herausragende Gelehrte und Künstler gemeint, die besondere Kenntnisse und Fähigkeiten besaßen. Durch die Navratnas entstand am Hofe eine besondere Atmosphäre, die die Verwaltung effektiv machte und kulturelle und religiöse Reformen erst ermöglichte. In der indischen Geschichte gab es sowohl vor Akbar als auch nach Akbar jeweils einen Hof mit neun Juwelen: zum einen den des legendären Königs Vikramaditya (dessen Lebensdaten nicht als gesichert gelten) und zum anderen den von Krishnachandra Roy (st. 1783)
Die neun Edelsteine
Folgende Gelehrte, Künstler und Verwaltungsexperten waren die neun Edelsteine am Hofe Akbars:
- Faizî, bedeutender Poet
- Abû l -Fazl, Berater und Autor des Akbarnâma
- Todar Mal, Finanzminister
- Mullâh Dô Piâza, Religiöser Berater, Vertreter des orthodoxen Islam
- ‘Abd ul-Rahîm Khan-e Khânân, Poet, Autor, Verwaltungsberater
- Raja Man Singh, General, Militärberater
- Tansen, Musiker
- Faqir Aziao Dîn, Mystiker, Berater
- Birbal, Premierminister
‘Abd ul-Rahîm
Seit seiner Kindheit lebte ‘Abd ul-Rahîm am Mogulhof, sein Vater war Akbars berühmter Ziehvater Bairam Khân (st. 1561). Seine Mutter war die Tochter eines Rajputenfürsten aus Mewat (heute: Harayana). Die Dynastie dieser Rajputen konvertierte erst unter Humâyûns Herrschaft zum Islam- und Humâyûn war es auch, der die Ehe zwischen Bairam Khân und Jamâl Khâns Tochter arrangierte, um seine eigene Herrschaft in der Region zu festigen. ‘Abd ul-Rahîm wurde 1556 in Lahore geboren. Später lebten er und seine Eltern aber in Agra am Mogulhof – ‘Abd ul-Rahîm wuchs im Harem auf. Als Bairam Khân 1561 in Ungnade fiel, verließen er und seine Familie Agra. Zwischenzeitlich hatte Bairam Khân ja Akbars Cousine Salîma Sultân Begum zur zweiten Frau genommen – auch diese schien mit Bairam Khân Agra in Richtung Mekka verlassen zu haben. Nach Bairam Khâns Ermordung berichten die Quellen, dass Salîma zusammen mit ‘Abd ul-Rahîm nach Agra zurück kehrten – von Bairam Khâns erster Frau ist nicht mehr die Rede.
Salîma heirate bekanntermaßen Akbar, wodurch ‘Abd ul-Rahim Akbars Stiefsohn wurde. Er wurde am Mogulhof erzogen, hatte aber bereits in frühester Kindheit sowohl Elemente der (hinduistischen) Rajputen-Kultur seiner Mutter als auch die turksprachige Kultur seines Vaters kennen gelernt. Er beherrschte sowohl Persisch als auch Sanskrit so gut, dass er in beiden Sprachen Verse schrieb. Berühmt wurde er auch durch die Übersetzung des Bâbur-nâmas, der Autobiographie von Akbars Großvater Babur, vom Chagatai-Türkischen ins Persische.
Der Dichter
Obwohl ‘Abd ul-Rahîm von Geburt aus Muslim war und auch als Muslim erzogen wurde, verehrte er die hinduistische Gottheit Krishna sehr. Dieses wird in seinen Zweizeilern (dohas) deutlich. Dabei interpretierte er häufig religiöse Symbole, die aus dem Volksglauben bekannt waren und sind. Aus diesem Grund kennt man bis heute viele dieser Zweizeiler.
Ein Zweizeiler (den ich aus dem Englischen übersetze), gefiel mir gut (Sumita Roy: Poet Saints of India, S. 57) :
Rahim beobachtet, dass der Kuckuck zu Beginn der Regenzeit leise wurde- Die Frösche lärmen jedoch herum, so dass der Dichter fürchtet, dass man die Worte der anderen nicht mehr vernimmt.
Neben seinen Aktivitäten als Dichter verfasste ‘Abd ul-Rahîm auch zwei Werke zur Astrologie. Überhaupt interessierte er sich für die Landschaften, Tiere und Pflanzen in Indien und schrieb häufig Gedichte über diese Themen. Seine umfangreiche Bibliothek, die er in Ahmedabad (Gujarat) errichtete, enthielt einige Schriften zu diesen Themen.
Neuer Herrscher – der Khân-e Khânân in Ungnade
An Akbars Hof hatte ‘Abd ul-Rahîm seinen Ehrentitel Khân-e Khânân (“Fürst der Fürsten”) erhalten. Er war nicht nur Hofdichter, sondern auch als Verwaltungs- und Militärexperte gefragt. Als Akbar 1605 nach fast 60 Jahren Herrschaft starb, hatte ‘Abd ul-Rahîm zunächst unter Dschahângîr weiterhin eine hohe Stellung inne. Doch obwohl Dschahângîr den Khân-e Khanân seit seiner Jugend kannte, misstraute er ihm – und umgekehrt hielt ‘Abd ul-Rahîm wohl auch nicht viel von Akbars Nachfolger Prinz Salîm.
Die Situation endete jedoch in einer blutigen Tragödie: Dschahângîr ließ die beiden Söhne ‘Abd ul-Rahîms hinrichten, um seine Machtstellung deutlich klarzumachen. Mutter der beiden Getöteten war übrigens Mah Bano, eine Tochter von Akbars zweitem Ziehvater Atga Khân. Die Quellen sagen uns leider nichts darüber, wie ‘Abd ul-Rahîm nach diesen Ereignissen weiterhin mit und für Dschahângîr arbeiten konnte.
Als es jedoch zwischen Dschahângîr und seinen Söhnen zum Machtkampf kam, wandte sich ‘Abd ul-Rahîm vom Herrscher ab: Als 1622 die persische Armee Kandahar eroberte, wurde Prinz Khurram (der spätere Schâh Dschahân) vom Khân-e Khânân unterstützt und beraten.
Dschahângîr schrieb darüber in seiner Autobiographie (Waqâ’î-ye Dschahângîrî, zitiert nach Edwardes / Garnett: The Mughal Rule in India, New Delhi 1995, S. 63):
Khan Khanân, der die außerordentliche Ehre hatte, mein Lehrer zu sein, wurde nun zu einem Rebell. Im seinem 70. Lebensjahr wurde sein Gesicht schwarz vor Undankbarkeit. Allerdings war er schon von Natur aus ein Verräter und Rebell. Sein Vater (Bairam Khan) hatte sich meinem Vater gegenüber in derselben schamlosen Weise verhalten. Er folgte nun dem Weg seines Vater und entehrte sich selbst im hohen Alter. (Übersetzung aus dem Englischen CP).
Khurram unterlag jedoch seinem Vater, ‘Abd ul-Rahîm fiel – wieder einmal – in Ungnade.
‘Abd ul-Rahîm konnte es nicht sehr gut ertragen, seinen Einfluss am Hof verloren zu haben – was ihn aber neben dem Verlust seiner beiden Söhne wirklich bedrückte, war der Verlust seiner finanziellen Mittel, mit denen er auch andere Menschen unterstützt hatte. So schrieb er (Roy: Poet Saints of India, S. 59):
Freunde, sucht nicht meine Gesellschaft. Dieser Rahim ist nicht der alte Rahim. Nun lebt er unglücklicherweise selbst vom Betteln.
Dschahângîr konnte aber scheinbar erneut nicht lange auf ‘Abd ul-Rahim verzichten und holte den Khân-e Khânân erneut an den Hof. Zermürbt von den Machtspielen am Hof starb der Khân-e Khânân 1627 mit 71 Jahren.
Er wurde im Mausoleum bestattet, dass er selbst in Delhi für seine Frau hatte errichten lassen. Dieses befindet sich nicht weit vom Grab des berühmten Heiligen Nizamuddin Auliya. 1999 habe ich dieses Grabmal einmal fotografiert, aber leider habe ich die Bilder nicht zur Hand. Da muss ich doch wohl wieder tätig werden….
Angaben zum Beitragsbild: Das Bild zeigt den Khân-e Khânân.- By Hashim (Freer and Sackler Gallery) [Public domain], via Wikimedia Commons.
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Ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte
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