Eine persische Jesusbiographie für Akbar: „Spiegel der Heiligkeit“ (Osterspecial 2018)

Vor zwei Jahren habe ich im Osterspecial über die (einmaligen) Osterfeierlichkeiten am Mogulhof unter Dschahângîr (reg. 1605-1627) gebloggt. Diese Osterfeierlichkeiten folgten auf die Taufe von drei Neffen Dschahângîrs. Dieser hatte sich seit seiner Jugend für das Christentum und die gelehrten Gespräche mit den Jesuitenmönchen am Hof seines Vaters Akbar (reg. 1557-1605) interessiert.

Wie kein anderer Mogulherrscher vor oder nach ihm führte Akbar den Dialog mit allen Religionsgemeinschaften in seinem Reich. Eines der wie ich meine interessantesten (weil fassbarsten und nachhaltigsten) Produkte dieses Dialoges ist eine Geschichte des Lebens Jesu, die auf Persisch verfasst wurde. Das Buch trug den Titel Mir’ât al-quds („Spiegel der Heiligkeit“). Der Autor dieses einzigartigen Buches war der spanische Jesuitenpater Jerôme Xavier (st. 1617).

Zwei Dinge machen das Buch zu etwas ganz Besonderem. Erstens war der Autor der Großneffe von Francis Xavier (st. 1552), der als Leiter der Jesuitenmission länger am Hof Akbars und Dschahângîrs gelebt hatte. Zweitens – und das war noch wichtiger: Mir’ât al-quds wurde quasi auf Bestellung Akbars verfasst. Dass ein muslimischer Herrscher ein Buch über das Leben Jesu‘ bei einem katholischen Mönch in Auftrag gab, war wohl eine einmalige Sache. Schon 1578 hatte Akbar an die Jesuiten in Goa geschrieben und um Zusendung von religiösen Texten gebeten. Später wandte er sich 1582 mit demselben Anliegen an den portugiesischen König Philipp II. (st. 1598). So schrieb Akbar, dass er gehört habe, dass die Bibel, Psalmen und andere Texte ins Arabische und Persische übersetzt worden seien – und dass er darum bitte, dass Übersetzungen oder Originaltexte an ihn gesendet würden.

Wir wissen nichts darüber, ob der Monarch Akbars Bitte nachkam. Akbar beschäftigte sich aber weiterhin mit christlichen Lehren und erließ 1602 ein Dekret, dass Muslime unbehelligt zum Christentum konvertieren konnten. Im selben Jahr überreichte Jerôme Xavier dem Mogulkaiser Mir’ât al-quds.

Wie erfüllte Jerôme Xavier diese Aufgabe eine Biographie Jesu zu verfassen, und wie konnte er vermieden, dass sich religiöse und politische Dispute an Glaubensfragen entzündeten?

Jerôme Xavier griff in seiner Biographie der historischen Figur Jesu‘ auf die Texte des Neuen Testaments zurück, er nutzte aber auch viele apokryphe Texte, also Texte, die keinen Eingang in die Bibel gefunden hatten.

Die Wunder Jesu

Was Akbar an Jesus besonders interessierte, waren dessen besondere, übermenschliche Eigenschaften, seine Wohltaten und seine Wunder. Diese Darstellung von Jesus deckte sich mit den Biographien von islamischen „Heiligen“, den Sufis. Indische hinduistische Literatur (wie das Ramayana) wird ebenfalls von Wunderdarstellungen dominiert. Akbars Autobiographie stellt ebenfalls seine besonderen Taten, seine Fähigkeiten als Herrscher und seine Inspiration von Gott in den Mittelpunkt. Die Illustrationen stellen Akbar häufig mit Heiligenschein dar.

Akbar schien also die Biographie Jesu auch als Quelle seiner Autobiographie zu sehen. Xavier wusste natürlich, dass Akbar versuchte, sich selbst als auserwählter König darzustellen – Parallelen zu Jesus schienen dabei durchaus gewollt. Das hielt Xavier nicht davon ab, Jesus weiterhin als „König der Könige“ zu bezeichnen – was Akbar davon hielt, ist nicht überliefert.

Natürlich stellte Xavier den Kreuzigungstod Jesu und die Wiederauferstehung als grundlegende Lehren des Christentums dar. Die Unterschiede zur islamischen Theologie ließen sich in diesem Punkt auch nicht relativieren.

Maria / Maryam

Xavier stellte aber eine weitere wichtige christliche Lehre in den Mittelpunkt seines Werkes: das Dogma von der Jungfrauengeburt. Maria (Arab. Maryam) wird im Koran mehr als dreißig Mal erwähnt, sie ist die einzige Frau, die im Koran überhaupt genannt wird. Dort wird eine Jungfrauengeburt Jesu ebenfalls erwähnt.

Dass Akbar die Figur Maryams auch besonders schätzte, zeigte er dadurch, dass er seiner Mutter Hamîda Bâno den Titel Maryam al-Makânî (etwa: Maria des Ortes) verlieh – und seiner Hindu-Ehefrau Jodha den Titel Maryam az-Zamânî (Maria der Zeit).

Das Interesse des Herrschers für Jesus und Maria kann letzten Endes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Jesuiten ein Ziel nicht erreichten: Akbar konvertierte nicht zum Christentum.

Beitragsbild: Jesuiten im Ibadat-khana (Ausschnitt) / See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons

Literatur: Mir’at al-quds: A Life of Christ for the Emperor Akbar. A Commentary on Father Jerome Xavier’s Tex t andthe Miniatures of Cleveland Museum of Art,
Acc. No. 2005.145 / by Pedro Moura Carvalho. Leiden: Brill 2012.

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