Bekanntermaßen bin ich immer wieder besonders begeistert vom indischen Mogulherrscher Dschahângîr (regierte 1605-1627) und seinen Memoiren, in denen er wie einem Tagebuch von den Ereignissen am Mogulhof berichtet. Besonders interessant sind seine Schilderungen der Tiere und Pflanzen Indiens. Doch es klingen auch persönliche Töne an, so zum Beispiel über seine unglückliche erste Ehe mit seiner Cousine Mân Bai. – seine Affäre mit der Kurtisane Anarkali (falls es sie denn je gegeben hat), wurde jedoch nicht erwähnt.
Erst mit seiner 20. und letzten Ehefrau Mehr un-Nisâ (genannt Nûr Dschahân) schien er auch sein privates Glück gefunden zu haben. In einem älteren Beitrag habe ich von Nûr Dschahâns Aufstieg vom persischen Flüchtling zur einflussreichen indischen Mogulkaiserin an der Seite des Herrschers Dschahângîrs berichtet.
Heute beleuchte ich nochmals die Figur der Nûr Dschahân und zeige, wie diese ihren Aufstieg zur wichtigsten Person am Mogulhof vollzog.
Unterstützung in Hofkreisen
Als Dschahângîr 1611 Nûr Dschahân zu seiner zwanzigsten Ehefrau (!) machte, war die Braut am Hof des Mogulkaisers keine Unbekannte. Ihr Vater Ghiyâs ud-Dîn (st. 1622) war bereits unter Dschahângîrs Vater Akbar (reg. 1556 bis 1605) im Staatsdienst gewesen. Auch Nûr Dschahâns erster Ehemann Shêr Afghân (ermordet 1607) war am Hof tätig gewesen. Kurz nachdem Nûr Dschahân verwitwet war, wurde sie zur Hofdame von Akbars Witwe Ruqaiya Begum (st. 1626) ernannt. Nun siedelten Nûr Dschahân und ihre Tochter Ladlî Begum endgültig nach Agra in den königlichen Harem über.
Zwei Frauen traten dabei als besondere Förderinnen Nûr Dschahâns auf: Dschahângîrs leibliche Mutter Jodha Bai / Maryam uz-Zamânî und Ruqaiya Begum selbst, in deren engstem Umfeld Nûr Dschahân nun lebte. Ruqaiya Begum hatte ja Dschahângîr großgezogen und stets eine enge Beziehung zu ihm gehabt.
Ruqaiya Begum dürfte eine entscheidende Bedeutung für die Begegnung ihres Ziehsohnes und ihrer Hofdame gehabt haben, die zur Heirat im Jahr 1611 führte.
Danach gab es mehrere Bereiche, in denen sich in der Folgezeit Nûr Dschahâns Einfluss widerspiegelte:
- Nûr Dschahâns Anordnungen und Edikte in ihrem Namen
- Münzen mit ihrem Namen
Zunächst einmal ist es interessant, dass Dschahângîr seiner Ehefrau den offiziellen Namen Nûr Dschahân – Licht der Welt – verlieh. Dieses entspricht der Bedeutung der Lichtsymbolik, die er selbst für sich als so wichtig erachtete. Sein eigener Beiname war Nûr ud-Dîn – Licht der Religion. So wie sein Vater Akbar war Dschahângîr davon überzeugt, dass der Herrscher göttliches Licht aufnimmt und ausstrahlt. In der Mogulkunst zeigte sich das in der Kunst: so wurden die Mogulherrscher von Akbars Herrschaftszeit an oft mit einem Heiligenschein dargestellt. Es gibt im übrigen auch mehrere Bilder, auf denen Nûr Dschahân genau wie Dschahângîr mit einem Heiligenschein zu sehen ist.
Doch Nûr Dschahân hatte am Hof andere Freiheiten, die ansonsten nur den Männern des Hofes vorbehalten war. Akbar hatte Wert darauf gelegt, dass die Frauen seines Hofes die strengen Richtlinien des Harems einhielten. Nûr Dschahân jedoch trat auch öffentlich in Erscheinung. Zudem sind, wie erwähnt, ihre Spuren in verschiedenen Dokumenten und auf Münzen zu finden.
Die Erlasse Nûr Dschahâns
Ich hatte bereits in einem Beitrag über Dschahângîrs leibliche Mutter Jodha geschrieben, dass diese Verfügungen erlassen durfte, die vor allem mit dem Handel zu tun hatten. Auch Akbars Mutter Hamîda Bano Begum war bekannt für einige Erlasse. Diese Erlasse von einer Königinmutter waren nach der zentralasiatischen Tradition als hukm bekannt. Erlasse von einer Schwester oder Ehefrau eines Herrschers waren als nishân bekannt. Sie befassten sich mit weniger bedeutenden Angelegenheiten als die Verfügungen des Herrschers, die man farmân nennt. Nûr Dschahâns Erlasse jedoch waren viel weitreichender als die der anderen Frauen bei Hofe – in ihnen erfolgten militärische Ernennungen, Festsetzungen von Landbesitz und Besteuerungen (Lal: Empress, S. 141). Nûr Dschahân hatten also Inhalte wie ein farmân und waren unterzeichnet mit Nûr Dschahân Pâdshâh Begum – und Pâdshâh bedeutet “Großkönig”. Einige von Nûr Dschahâns Erlassen sind übrigens noch bis heute erhalten und befinden sich in verschiedenen Museen dieser Welt.
Die Münzen
Ebenso erhalten sind einige Münzen, die neben dem Namen Dschahângîrs auch den Nûr Dschahâns enthielt – ebenso mit dem Titel Pâdshâh Begum. Der Text auf einer Münze lautet (Lal: Empress, S. 143).
Durch die Order von Shâh Dschahângîr
Wurde dem Gold hundert Ehren hinzugefügt
Durch die Hinzufügung des ihres Namens auf ihm
Nûr Dschahân Pâdschâh Begum
Diese Erwähnung des Namens ist sehr ungewöhnlich und zeigt die Macht der Nûr Dschahâns.
Es gab noch weitere Beispiele zu Nûr Dschahâns außergewöhnlicher Stellung bei Hof, so zu Beispiel ihre (halb-)öffentlichen Auftritte bei Paraden des (männlichen) Hofstaates, die Erwähnung ihres Namens beim Freitagsgebet (zusätzlich zu dem des Herrschers) oder ihre Fähigkeiten bei der Tigerjagd.
Nûr Dschahân war wahrscheinlich eher die Frau “neben” Dschahângîr, nicht “hinter” ihm, auch wenn die Ihr Beispiel zeigt, dass Frauen des Harems zu großer Macht und Einfluss gelangen konnten – selbst wenn es sich “nur” um Einzelfälle handelte.
Literatur:
Ruby Lal: Empress. The Astonishing Reign of Nur Jahan. New York et al., 2018 (Kindle Edition)
Das Beitragsbild zeigt eine idealisierte Darstellung Nûr Jahâns. LACMA [1] [Public domain]
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