Aktenzeichen XY…ungelöst – Der Mord an Nezâm ol-Molk revisited (Teil 2)

Im ersten Teil dieses Beitrags haben wir uns mit den Tatverdächtigen für den Mord an Nezâm ol-Molk und ihren Motiven vertraut gemacht. In Frage kommen:

  • die Assassinen, deren Burgen zum Mordzeitpunkt von den Truppen des Sultans belagert wurden,
  • der Nachfolger des Nezâm Tâdsch ol-Molk, den der alte Wesir beim weiteren Aufstieg behinderte,
  • die Sultansgattin Terken Châtûn, die ihren Sohn als Thronfolger gegen den vom Nezâm unterstützten Favoriten des Sultans durchsetzen wollte
  • und schließlich der Sultan selbst, dessen Plänen gegen das Kalifat sich der Wesir widersetzte.

Wir haben auch zwei der Mord-Theorien unter die Lupe genommen und festgestellt, daß die Hinweise in unseren Quellen die Assassinen und Tâdsch ol-Molk am verdächtigsten erscheinen lassen.

Die Assassinen sind besonders verdächtig, weil einige unserer Quellen angeben, daß sie diesen Mord in ihren eigenen Aufzeichnungen für sich reklamiert hätten. Tâdsch ol-Molk wiederum war derjenige, der am meisten zu gewinnen hatte und von der Nizâmiyya-Truppe, also der persönlichen Wache des Nezâm für den Schuldigen gehalten wurde.

Da Tâdsch ol-Molk außerdem ein Günstling der Sultansgattin Terken Châtûn war, liegt es nahe, eine Verschwörung dieser beiden anzunehmen.

Ein Komplott von Tâdsch ol-Molk und Terken Châtûn – Theorie 3

Tâdsch ol-Molk ist einer der Hauptverdächtigen, und manche Quellen unterstellen ihm Kontakte zu den Assassinen oder sogar einen Treueschwur gegenüber Hasan-e Sabbâh. Das mag falsch sein, doch wenn es solche Kontakte gab, so hätten sie die beiden verdächtigsten Parteien miteinander verbunden.

Auch die Sultansgattin hatte ein Motiv, dem Nezâm den Tod zu wünschen. Außerdem hatte sie Tâdsch ol-Molk in ihre Dienste genommen, und es hätte ihren Einfluß noch erhöht, wenn ihr Günstling zum Wesir des Sultans aufgestiegen wäre. Daher könnte es durchaus sein, daß sie sich seine Ambitionen und seine potentiellen Kontakte zu den Assassinen zunutze machte und sich in einem Mordkomplott mit ihm verbündete.

Für Tâdsch ol-Molk wiederum wäre die mächtige Sultansgatting als Verbündete eine Absicherung gewesen, sollten seine Machenschaften aufgedeckt werden. Ihre eigene Beteiligung wäre Anlaß genug gewesen, ihn gegen etwaige rachsüchtige Verwandte und Anhänger des Nezâm in Schutz zu nehmen – und womöglich gegen das Mißfallen des Sultans.

Ob überhaupt mit echtem Mißfallen des Sultans zu rechnen war, ist jedoch fraglich, hatte er doch selbst ein Motiv, den Nezâm beseitigen zu lassen.

Grabmal des Nezâm ol-Molk in Esfahân

Theorie 4: Terken Châtûn und Tâdsch ol-Molk beauftragten den Mord mit Billigung des Sultans

Die Vermutung, der Sultan könne an der Ermordung des Nezâm beteiligt gewesen sein, beruht im wesentlichen auf Quellenberichten über wiederholte Auseinandersetzungen zwischen Sultan und Wesir. Diese und der Umstand, daß der Sultan Anschuldigungen gegen den Nezâm nur zu gern sein Ohr lieh, deuten darauf hin, daß Malek-Schâh der Macht des Wesirs langsam überdrüssig wurde.

Dennoch ist er derjenige, dem ein Mord am wenigsten notwendig erschienen sein dürfte. Und wenn er den Wesir zu diesem Zeitpunkt wirklich dringend beseitigen wollte, es aber zu riskant fand, ihn abzusetzen, so ist es zumindest wahrscheinlich, daß er nicht als treibende Kraft hinter einem Mord erkannt werden wollte.

Zudem hätten die Assassinen, sofern sie denn beteiligt waren, vermutlich ungern die Wünsche des Sultans erfüllt, der ihre Burgen belagerte. Malek-Schâh wäre daher erheblich verdächtiger, hätte er seine Truppen kurz vor der Tat von den Burgen der Assassinen abgezogen.

Natürlich ist nicht sicher, daß die Assassinen überhaupt etwas mit dem Mord zu tun hatten, wie wir bereits im ersten Teil dieser „Morduntersuchung“ besprochen haben.

Dennoch scheint es plausibler, davon auszugehen, daß Malek-Schâh allenfalls Kenntnis von den Mordplänen hatte und sie nur stillschweigend billigte.

Auf diese Weise hätte er nicht kompromittiert werden und die Unterstützung der Anhänger des Nezâm verlieren können. Und diese Anhänger befanden sich nicht nur an den Schaltstellen der Macht in der Verwaltung, sondern auch unter den Truppen des Sultans. Sie hatten also durchaus Gewicht.

Aber wer weiß: Vielleicht ist der Ursprung der Idee, daß der Sultan in irgendeiner Weise beteiligt war, auch nur auf Äußerungen seines Mißfallen über den Wesir zurückzuführen, die wie bei Heinrich II. von England und dem Erzbischof von Canterbury Thomas Becket vom nächsten Umfeld mißverstanden wurden?

Die nächste interessante Frage, die sich hier anschließt, ist übrigens: Wurde Malek-Schâh ermordet und wenn ja, von wem?

Fazit

Wie es in der Wissenschaft häufig und in Mordermittlungen hoffentlich nur gelegentlich vorkommt, ist das Ergebnis unserer Überlegungen jedenfalls einmal mehr: Nichts Genaues weiß man nicht.

Sie können sich also aussuchen, welche Theorie Ihnen am plausibelsten erscheint. Ich persönlich bin unentschieden zwischen Tâdsch ol-Molk als treibende Kraft mit oder ohne Hilfe der Assassinen und im Alleingang oder einem Bündnis mit Terken Châtûn mit oder ohne Billigung des Sultans.

Welche Theorie ist Ihr Favorit?

Literatur

Carole Hillenbrand: „1092: A murderous year“. In: Proceedings of the 14th Congress of the Union Européenne des Arabisants et Islamisants – Budapest, 29th August-3rd September 1988. Part 2. Ed. by Alexander Fodor. Budapest 1995. (The Arabist, Budapest Studies in Arabic, 15-16). 281-296.

Bildnachweis

Beitragsbild: Der Mord an Nezâm ol-Molk
Quelle: Wikimedia Commons
gemeinfrei

Grabmal des Nezâm:
eigenes Bild

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Kurtisanen am Mogulhof – mehr als nur Prostituierte?!

Prostitution gilt als das „älteste Gewerbe“ der Welt – doch unabhängig vom Geschäft mit dem Sex gab es weltweit eine Gesellschaftsschicht der Prostituierten, die über eine hohe soziale Anerkennung verfügte. Als Beispiel seien die griechischen Hetären oder die japanischen Geishas zu nennen. Aber auch in Indien gibt es bereits mehrere Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung Berichte über königliche Kurtisanen, die sich ebenso wie diejenigen aus anderen Kulturen durch einen hohen Bildungsstand auszeichneten.

Mit der Eroberung Südasiens durch muslimische Herrscher etablierte sich auch eine „Kurtisanen-Kultur“ an den Höfen. Diese Frauen waren, obwohl häufig (zunächst) Sklavinnen, nicht ohne politischen Einfluss. Ein Beispiel war die (ehemalige) Sklavin und Kurtisane des berühmten Herrschers des Dehli Sultanants Iltutmish, Shah Turkan.Sie erreichte einen großen politischen Einfluss, nicht zuletzt auch, weil sie Mutter eines Sohnes und damit möglichen Thronfolgers wurde. Diese Konstruktion des islamischen Rechts wurde umm walad („Kindsmutter“) genannt. Sie besagte, dass die Frau nach dem Tod ihres Besitzers ebenso wie das Kind frei war.

Bewohnerinnen des Harem

Sklavinnen und Kurtisanen lebten im Harem der Herrscher. Im Falle einer Schwangerschaft wurden die Kinder nicht von ihren Müttern erzogen, sondern z.B. am Hofe Akbars von einer „rechtmäßigen“ Ehefrau, mit der der Kaiser einen Ehevertrag nach islamischem Recht (nikâh) eingegangen war. So wurden Murâd und Danyâl, die wohl beide Söhne von Kurtisanen waren, von Königin Salîma bzw. Maryam uz-Zamânî erzogen. Einige der Kurtisanen wurden ebenfalls bereits im Harem geboren und von den anderen Kurtisanen erzogen. Andere wuchsen in Bordellen auf und kamen später an den Hof. Entführungen und Sklavenhandel waren weitere Arten, auf die Frauen zu Kurtisanen wurden.

Bewahrerinnen der Kultur

Wichtig war, dass diese Frauen weit mehr als einfache Prostituierte waren. Sie hatten eine gründliche Ausbildung in Poesie, Gesang, Malerei und Tanz genossen. Somit waren sie bezüglich der Bildung den meisten „ehrbaren“ Frauen und vielen Männern überlegen. Im 19. Jahrhundert, also unter den letzten Mogulherrschern, war es üblich, dass die jungen Männer der islamischen Höfe ebenfalls zu Kurtisanen gingen, um die „hohe Kultur“ (tahzîb) und die Poesie zu erlernen. Einige Forscher(innen), die sich mit der Kultur der Kurtisanen auseinandersetzen, sind der Ansicht, dass die „ehrbaren“ Frauen (also die Ehefrauen) die Bewahrerinnen der genealogischen Linie waren, die Kurtisanen jedoch die Bewahrerinnen der (indo-muslimischen) Kultur. Fakt ist, dass die Kurtisanen Tanz (z.B. kathak) oder Poesie (wie die Kunst des ghazals) beherrschten. Bei Begegnungen mit Kurtisanen ging es eben nicht nur um Sex.

Das Ende der Kurtisanenkultur

Mit dem Beginn der britischen Kolonialherrschaft ab Mitte des 18. Jahrhunderts änderte sich die Situation. Vor allem ab 1857/58 haben die Briten mit ihren viktorianischen Moralvorstellungen dafür gesorgt, dass die Kurtisanen-Kultur beendet wurde. Kurtisanen und Sklavinnen mussten die Paläste verlassen und wurden zu gewöhnlichen Prostituierten. Die Briten zogen häufig das Vermögen der Kurtisanen ein – oder unterwarfen die Kurtisanen dem britischen Steuersystem. Diese Steuerlisten sind teilweise erhalten und geben ein Zeugnis davon ab, wie vermögend berühmte Kurtisanen waren. Später mussten Tänzerinnen, Prostituierte und Kurtisanen sich registrieren und sich regelmäßig untersuchen lassen. Die Briten begründeten diesen Schritt damit, dass britische Militärangehörige vor der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten geschützt werden müssten. Dass die Briten selbst sich diesen Untersuchungen nicht unterziehen mussten, soll hier nicht weiter kommentiert werden.

Neuere Forschungen zum Harem

Insgesamt liegen uns zu wenige Originalquellen vor, in denen das Leben der Kurtisanen geschildert werden – und die vorhandenen Quellen wurden von Männern geschrieben. Dazu kommen die Quellen, die von europäischen Männern, in denen von der Erotik und Exotik des Harems die Rede ist – oder auf der Leinwand zu sehen ist.

Von der Handlungsfreiheit („agency“) der Kurtisanen ist erst in neuen Forschungsarbeiten, z.B. von Roby Lal, die Rede. Diese Forschungen müssen unbedingt weiter geführt werden. Ich denke, ich werde sicherlich noch mehrere Blogbeiträge zu machen, um auch solche Berichte vorzustellen.

+++++++++++HINWEIS ++++++++++++++

Ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte

Aktenzeichen XY…ungelöst – Der Mord an Nezâm ol-Molk revisited (Teil 1)

Wir haben uns zwar schon einmal mit den mysteriösen Umständen rund um Nezâm ol-Molks Ableben beschäftigt. Aber diese faszinierende und vor allem ungelöste Kriminalgeschichte zieht mich doch immer wieder in ihren Bann. Also präsentiere ich Ihnen heute eine weitere Diskussion über die möglichen Täter und ihre Motive.

Nezâm ol-Molk, soviel ist klar, wurde am 14. Oktober 1092 durch einen Dolchstich getötet. Er befand sich zusammen mit dem Sultan Malek-Schâh (st. 1092) auf der Reise nach Bagdad und war eben dabei, sich vom Fastenbrechen in seine Zelte zurückzuziehen. Da er kurz zuvor krank gewesen und noch nicht vollständig genesen war, wurde er getragen.

Der Täter konnte sich dem Nezâm nähern, weil er sich als Bittsteller gab. Er war in die Tracht der Leute von Deylam südlich des Kaspischen Meeres gekleidet. Nachdem er auf den Nezâm eingestochen hatte, versuchte er zu fliehen, stolperte aber über Zeltschnüre. Leider wurde er sofort niedergemacht.

Er konnte also nicht verhört werden. Und wir haben so gut wie keine zeitgenössischen Quellen zur Verfügung. Wenn wir also wissen wollen, wer hinter diesem Mord steckte, müssen wir abwägen, was uns die vorhandenen, sehr viel später verfaßten Quellen mitteilen.

Statue des Nezâm in Maschhad

Tatverdächtige, Motive und Verschwörungstheorien

Dort finden wir verschiedene Möglichkeiten. Die Hauptverdächtigen und ihre Motive sind die folgenden:

  1. Die Assassinen: Sie wollten den den mächtigen Wesir aus dem Weg schaffen, da er ihr erklärter Feind war und zum Zeitpunkt des Mordes militärische Aktionen gegen sie stattfanden.
  2. Tâdsch ol-Molk: Er war ein Rivale des Nezâm und Günstling der Sultansgatting Terken Châtûn und stand auch bei Malek-Schâh bereits in Gunst. Er wollte den Weg freimachen, um selbst Wesir zu werden, da der Sultan den Nezâm nicht absetzte.
  3. Die Sultansgatting Terken Châtûn (st. 1094) selbst: Sie wollte ihren vierjährigen Sohn Mahmûd zum Thronfolger erklären lassen, doch der Nezâm unterstützte Malek-Schâh in seiner Präferenz des ältesten Sohnes Berkyârûq (st. 1104) von einer anderen Gattin des Sultans.
  4. Malek-Schâh: Der Sultan wollte sich endlich von der Bevormundung des Wesirs befreien und bei seinen Plänen gegen den Kalifen freie Hand haben, denen sich der Nezâm widersetzte. Er wagte aber nicht, den Wesir abzusetzen, da dieser viele Anhänger im Heer, eine beachtliche eigene Truppe und seine Angehörigen und Freund auf wichtigen Posten überall im Reich plaziert hatte.

Es gibt folgende Theorien über die möglichen Verantwortlichen für den Mord:

  1. Die Assassinen haben den Nezâm aus eigenem Antrieb ermordet.
  2. Tâdsch ol-Molk oder Terken Châtûn oder Malek-Schâh haben a) die Assassinen oder b) einen anderen Mörder beauftragt.
  3. Tâdsch ol-Molk und Terken Châtûn haben sich miteinander verbündet und a) die Assassinen oder b) einen anderen Mörder beauftragt.
  4. Tâdsch ol-Molk und Terken Châtûn haben gemeinsam und unter stillschweigender Billigung Malek-Schâhs a) die Assassinen oder b) einen anderen Mörder beauftragt.

Die Assassinen – Argumente für und gegen Theorie 1

Zu dem Zeitpunkt, als der Nezâm ermordet wurde, belagerten seldschukische Truppen zwei Festungen der sogenannten Assassinen, unter anderem deren Hauptburg Alamût. Unter der Bezeichnung „Assassinen“ ist ein iranischer Ableger der Ismailiten bekannt, der im Jahr 1092 formal noch der Oberhoheit des fatimidischen Kalifen in Kairo unterstand, sich aber nach dessen Tod im Jahre 1094 im Zuge von Nachfolgestreitigkeiten unabhängig machte und sich seitdem „Nizârîs“ nennt.

Hasan-e Sabbâh, Gravierung 19. Jh.

Doch zurück zur Frage des Mordes am Nezâm: Diese Belagerungen wären durchaus ein Grund gewesen, den Wesir als treibende Kraft in der Regierung des Sultans zu beseitigen. Zudem bestand die berechtigte Hoffnung, daß der Wegfall des Wesirs für einige Unordnung im Reich sorgen und damit die Aufmerksamkeit des Sultans auf andere Probleme lenken würde.

Allerdings bestand die Gefahr, daß der Sultan seine militärischen Maßnahmen auch ohne den Wesir weiterführen würde, und es wäre demnach effektiver gewesen, den Sultan selbst zu töten. Insbesondere mit Blick auf die Streitigkeiten über den Thronfolger wäre diese Strategie vielversprechend gewesen, denn die Truppen des Sultans wären dann dringend für interne Streitigkeiten benötigt worden.

Die Tatsache, daß der Mörder als „Jüngling aus Dailam“ beschrieben wird, also aus der Gegend, in der sich auch der Assassinen-Hauptsitz Alamût befand und das Umland kontrollierte, ist aber nicht der einzige Hinweis auf die Assassinen.

Zwei spätere persische Geschichtsschreiber, die ganz klar die Asssassinen beschuldigen, hatten auch Zugang zu den Aufzeichnungen der Assassinen selbst, da Alamût von den Mongolen erobert worden war. Demnach haben die Assassinen selbst den Mord für sich beansprucht.

Nur ist nicht sicher, daß die Geschichtsschreiber ihre Quellen korrekt zitieren. Doch selbst wenn die Assassinen den Mord tatsächlich für sich in Anspruch nahmen, ist noch immer nicht klar, ob sie wirklich für ihn verantwortlich waren. Immerhin wäre es möglich, daß sie einfach nur den Ruhm beanspruchen wollten, einen so mächtigen Gegner zu Fall gebracht zu haben.

Wir wissen also nicht, ob auf die Quellen, die für die Assassinen als Mörder sprechen, Verlaß ist. Außerdem ist nicht klar, warum die Assassinen den Wesir und nicht den Sultan aufs Korn genommen haben sollten. Und schließlich gibt es in den Quellen Hinweise auf andere Verdächtige. Auch das läßt Zweifel aufkommen.

Doch die Hinweise auf Quellen aus Alamût lassen zumindest einen starken Verdacht gegen die Assassinen bestehen.

Tâdsch ol-Molk, Terken Châtûn oder Malek-Schâh als treibende Kraft – Argumente für und gegen Theorie 2

Sowohl Tâdsch ol-Molk als auch die Sultansgattin und der Sultan selbst hatten ein Motiv, den Nezâm zu töten, und jeder von ihnen hätte einen Mörder beauftragen können.

Da manche Quellen Tâdsch ol-Molk bezichtigen, ein Anhänger des Assassinenführers Hasan-e Sabbâh (st. 1124) gewesen zu sein, wäre es also durchaus möglich, daß er die Assassinen um Hilfe für das geplante Attentat ersuchte und diese auch erhielt. Der Tod des Wesirs wäre ja auch den Assassinen zupaß gekommen.

Ob die Assassinen allerdings direkt mit Leuten der Sultansgattin oder des Sultans verhandelt oder ihnen gar bei der Durchführung eines Anschlags auf den Wesir geholfen hätten, ist schon zweifelhafter. Immerhin war es der Sultan, der zum selben Zeitpunkt ihre Burgen belagern ließ. Er wäre für die Assassinen daher wohl eher als Ziel denn als Verbündeter in Frage gekommen.

Denkbar ist jedoch, daß einer der genannten Verdächtigen absichtlich einen Dailamiten als Mörder anheuerte, um den Verdacht auf die Assassinen zu lenken. Das hätte zumindest das Risiko verringert, Schwierigkeiten mit der beträchtlichen Zahl von Anhängern des Nezâm und insbesondere seiner Truppe zu bekommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Assassinen zwar noch nicht als Mörder an hochgestellten Persönlichkeiten bekannt, doch den Anhängern einer von der Mehrheit abweichenden religiösen Überzeugung wird ja gemeinhin jede Schandtat zugetraut.

Von den dreien ist Tâdsch ol-Molk am verdächtigsten. Die Sklaventruppe des Nezâm soll sich nämlich nach dem Tod des Sultans nur deshalb auf die Seite seines ältesten Sohnes Berkyâruq geschlagen haben, weil Tâdsch ol-Molk auf der Gegenseite stand. Und als sie ihn schließlich zu fassen bekamen, brachten sie ihn gegen den Willen Berkyâruqs um – und nicht auf die appetitliche Art. All das taten sie, weil sie ihn für den Mord an ihrem Herrn verantwortlich machten.

Wenn wir also vermuten, daß die Nizâmiyya-Truppe womöglich mehr über die tatsächlichen Hintergründe des Mordes wußte als die Geschichtsschreiber späterer Zeiten oder gar wir, dann erhärtet dies doch den Verdacht gegen Tâdsch ol-Molk erheblich. Sein Motiv ist auch das stärkste, da er zu Lebzeiten des Nezâm kaum darauf hoffen konnte, zu Malek-Schâhs Wesir aufzusteigen.

Malek-Schâh dagegen konnte durchaus gegen den Willen seines mächtigen Wesirs agieren und tat dies auch gelegentlich. Es ist also fraglich, ob die Opposition des Nezâm gegen Malek-Schâhs Pläne für das abbasidische Kalifat von Bagdad in seinen Augen tatsächlich einen Mord nötig machte. Angesichts des hohen Alters des Wesirs hätte er ansonsten auch einfach abwarten können, bis die Natur das Problem für ihn gelöst hätte, statt unnötige Risiken mit dessen Gefolgsleuten einzugehen.

Miniatur des Malek-Schâh

Terken Châtûn ihrerseits hatte nicht wenig Einfluß auf den Sultan. Es war zwar ein Problem für sie, daß der Wesir und der Sultan sich in der Nachfolgefrage einig waren. Doch ob sie sich von der Beseitigung des Nezâm genug versprach, um einen Mord zu beauftragen, ist auch nicht klar. Zumindest stand der Nezâm ihr aber im Weg.

Doch angesichts der großen Anzahl an Tatverdächtigen mit unterschiedlich starken Motiven liegt es nahe, ein Komplott unter Beteiligung mehrerer Akteure zu vermuten. Damit befassen wir uns im nächsten Beitrag. Schauen Sie wieder herein! 😉

Literatur

Carole Hillenbrand: „1092: A murderous year“. In: Proceedings of the 14th Congress of the Union Européenne des Arabisants et Islamisants – Budapest, 29th August-3rd September 1988. Part 2. Ed. by Alexander Fodor. Budapest 1995. (The Arabist, Budapest Studies in Arabic, 15-16). 281-296.

Bildnachweis

Beitragsbild: Der Mord an Nezâm ol-Molk
Quelle: Wikimedia Commons
gemeinfrei

Statue des Nezâm:
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: Juybari
Lizenz: Creative Commons 3.0
unverändert übernommen

Abbildung des Hasan-e Sabbâh:
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: unbekannt
Lizenz: Creative Commons 4.0
unverändert übernommen

Miniaturbild des Malek-Schâh:
Quelle: Wikimedia Commons
gemeinfrei

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Sufi-Scheich gegen Religionsgelehrter – ʿObeyd-e Zâkânîs Anekdoten über Dargazînî und Îdschî

Stellen Sie sich vor: Sie sind kompetent auf Ihrem Arbeitsgebiet und erbringen ausgezeichnete Leistungen. In Ihrer unmittelbaren Umgebung bei der Arbeit weiß das auch jeder, aber in andere Abteilungen oder gar bis zum Chef der Firma hat es sich nicht herumgesprochen. Dafür gibt es einen Kollegen, der sein Arbeitsgebiet auch sehr gut beherrscht, aber viel mehr Kontakte hat und deshalb bei der halben Firma bekannt ist und kürzlich befördert wurde.

Wären Sie eifersüchtig auf diesen Kollegen? – Wenn ja, dann haben Sie den idealen Ausgangspunkt, um sich in den Religionsgelehrten Moulânâ ʿAzod od-Dîn-e Îdschî (st. 1355) hineinzuversetzen. Oder zumindest in die Version dieses Religionsgelehrten, die uns in ʿObeyd-e Zâkânîs (st. ca. 1371) humoristischen Anekdoten immer mal wieder begegnet.

In diesen Anekdoten begegnet der bekannte Gelehrte und Qâdî ʿAzod od-Dîn-e Îdschî nämlich immer wieder einem ebenso berühmten Sufi-Scheich: Scharaf od-Dîn-e Dargazînî (st. 1342). Und Îdschî verhält sich diesem Scheich gegenüber grundsätzlich sehr aggressiv, ohne direkt provoziert worden zu sein. Ein Beispiel für seine scharfzüngigen Attacken ist die folgende Anekdote:

Scheich Scharaf od-Dîn-e Dargazînî fragte Moulânâ ʿAzod od-Dîn: „Wo hat Gott der Erhabene die Scheiche im Koran erwähnt?“ Antwort: „Neben den Gelehrten (ʿolamâ) an der Stelle, wo er sagt: »Sind (etwa) diejenigen, die Bescheid wissen (yaʿlamûn), denen gleich(zusetzen), die nicht Bescheid wissen?«“ [Paret: Sure 39,9] (274)

Um diese Pointe zu verstehen, muß man wissen, daß das arabische Wort für „Religionsgelehrter“ – ʿâlim, im Plural: ʿulamâ‘ – von derselben Wortwurzel stammt wie das Wort „wissen“ (ʿalima, im Plural Präsenz: yaʿlamûn) und wörtlich auch nichts anderes als „Wissender“ bedeutet. „Diejenigen, die Bescheid wissen“ (yaʿlamûn) in dem Koranvers identifiziert Îdschî deshalb als die Gelehrten, um die Scheiche dann wenig charmant als diejenigen zu bezeichnen, „die nicht Bescheid wissen“.

Mit Blick auf Dargazînî ist das übrigens ziemlich unfair, denn dieser war nicht nur Sufi-Scheich, sondern auch schâfiʿitischer Rechtsgelehrter genau wie Îdschî selbst auch. Das dürfte seinen Groll auf Dargazînî aber auch nicht eben besänftigt haben. Daß seine Aggressivität in einem Gefühl der Eifersucht begründet gewesen sein könnte, darauf deutet die folgende Anekdote hin:

Scheich Scharaf od-Dîn-e Dargazînî und Moulânâ ʿAzod od-Dîn waren im Hause eines Großen. Als das Essen aufgetragen wurde, begannen die Leute aus dem Volk zu rumoren: „Wir wollen den Segen des Scheichs!“ Einer erkannte Moulânâ ʿAzod od-Dîn nicht und sagte: „Herr, gib mir ein Stück vom Halbgenossenen des Scheichs!“ Moulânâ sagte: „Das Halbgenossene des Scheichs fordere von einem anderen, denn ich habe, was der Scheich ganz genossen hat!“ (S. 295)

Îdschî wird hier also nicht erkannt, während der Mensch, der ihn anspricht, Dargazînî so verehrt, daß er eine Kontaktreliquie von ihm haben möchte – nämlich ein Stück angebissenes Essen. Îdschî mißversteht das absichtlich und verwendet ein Wortspiel um anzudeuten, daß Dargazînî ihm zu willen gewesen ist. Das, was der Scheich angeblich „ganz genossen“ – oder eben „in sich aufgenommen“ – hat, ist nämlich Îdschîs bestes Stück.

So eine Behauptung ist extrem rufschädigend. Man war zwar der Auffassung, es tue der Männlichkeit keinen Abbruch, wenn ein Mann einen anderen Mann penetrierte – immerhin war das eine „männliche“ Handlung, wie sie ja auch an Frauen durchgeführt wurde. Wenn aber ein erwachsener Mann sich penetrieren ließ, dann begab er sich damit gewissermaßen in die Lage einer Frau (oder eines „Nicht-Mannes“, doch dazu mehr ein anderes Mal). Und das war entwürdigend.

Îdschîs Bemerkung ist also mehr als spitz und deutet auf erheblich gekränkte Eitelkeit hin. Nicht nur, daß der Mann aus dem Volk ihn, den berühmten Gelehrten und Qâdî nicht kennt! Er will ihn auch noch zum Mittelsmann machen, um sich an der Verehrung Dargazînîs als eines Heiligen zu beteiligen, dessen bloße Berührung schon Segen spendet!

Ein klarer Fall von Eifersucht, wenn Sie mich fragen, aber doch irgendwie verständlich. Immerhin waren die Religionsgelehrten wichtige Bewahrer der Tradition, hochgebildet und verstanden sich als Autoritäten in religiösen Fragen.

Doch die Sufi-Scheiche gewannen gerade zu dieser Zeit Einfluß beim Volk, da man ihnen Wundertaten zuschrieb und sie wegen der damit einhergehenden Segenskraft auf bei den Mächtigen hoch angesehen waren und sich als Fürsprecher betätigten. Davon, daß die Sufis oft in ihren Niederlassungen auch eine Armenküche unterhielten und Speisen an Bedürftige ausgaben, gar nicht zu reden.

Und was sagen uns diese Anekdoten über den historischen Îdschî und sein Verhältnis zu dem eine Generation älteren Dargazînî? – So ganz eindeutig läßt sich das wie üblich nicht beantworten. Doch eines ist klar: Îdschî war zu dem Zeitpunkt, zu dem ʿObeyd seine Anekdotensammlung abfaßte, entweder noch am Leben oder erst kürzlich verstorben.

Wir müssen also davon ausgehen, daß Îdschî für die Leser/Hörer noch eine bekannte Größe war und daß ʿObeyd das berücksichtigt hat. Selbst wenn es sich also nicht um wahre Begebenheiten handelt – was nicht völlig auszuschließen ist -, so müssen die Anekdoten doch irgendwie zu Îdschî passen, um plausibel zu klingen. Vermutlich hatte er also tatsächlich eine scharfe Zunge und möglicherweise sogar eine Rivalität mit Dargazînî.

Möglich ist das jedenfalls, denn beide haben sich zeitweilig im Umfeld des letzten Îlchâns Abû Saʿîd (st. 1335) aufgehalten.

Quelle

Nezâm od-Dîn ʿObeydollâh-e Zâkânî: Kolliyyât-e ʿObeyd-e Zâkânî. Unter Heranziehung d. Ausg. v. ʿAbbâs-e Eqbâl hrsg. u. mit Übers. aus d. Arab. versehen v. Parvîz-e Atâbakî. 2. Aufl. Tehrân 1343 sch./1964-5. 274, 295.

Literatur

Susanne Kurz: „Eine biographische Hintertreppe? Das Nachleben bekannter Gelehrter in persischen humoristischen Anekdoten“. In: Differenz und Dynamik im Islam. Festschrift für Heinz Halm zum 70. Geburtstag. Herausgegeben von Hinrich Biesterfeldt und Verena Klemm/Difference and Dynamism in Islam. Festschrift for Heinz Halm on his 70th Birthday. Edited by Hinrich Biesterfeldt and Verena Klemm.  Würzburg: Ergon, 2012. 433-451.

Rudi Paret: Der Koran: Kommentar und Konkordanz. Mit einem
Nachtrag zur Taschenbuchausgabe. 5. Aufl. Stuttgart u. a.: Kohlhammer, 1993.

Bildnachweis

Beitragsbild: Gelehrte in einer Bibliothek in Bagdad aus einer Handschrift der Maqâmât des Harîrî aus dem 13. Jahrhundert
Quelle: Wikimedia Commons
Public domain

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Vom persischen Flüchtling zur Mogulkaiserin: die Karriere der Nûr Dschahân

Nachdem ich kürzlich über die erste (unglückliche) Ehe Dschahângîrs mit Mân Bai gebloggt hatte, soll es heute um die zwanzigste Ehe des Mogulherrschers mit Nûr Dschahân (st. 1645) gehen.

Deren Karriere kann nur als erstaunlich betrachtet werden, denn sie umfasste nicht nur politische Entscheidungen, sondern auch die Finanzverwaltung des Hofes, architektonische Großprojekte und künstlerische Fähigkeiten.

Dabei sah es zunächst nicht so aus, als ob das Schicksal gut mit Nûr Dschahân meinte. Die Eltern von Mehr un-Nisâ‘, wie Nûr Dschahân eigentlich hieß, waren persische Adelige. Ab 1501 hatten die Safawiden in Persien die Herrschaft übernommen und den schiitischen Islam zur Staatsreligion erhoben. Die Folge davon war, dass zahlreiche Mitglieder der herrschenden Eliten das Land verließen und in Indien am Mogulhof Zuflucht suchten. So auch Mehr un-Nisâ’s Vater Mîrzâ Ghiyâs (Ghiyâth) Beg und ihre Mutter ‚Asmat Begum.

Flucht nach Indien

Ihre Flucht nach Indien verlief sehr abenteuerlich. ‚Asmat Begum Mutter war hochschwanger mit ihrer Tochter, drei weitere Kinder waren mit dabei. Die Familie hatte sich einer Karawane von Kaufleuten angeschlossen, von der sie sich Schutz und Sicherheit erhoffte. Die Karawane wurde allerdings überfallen – und das gesamte Vermögen der Familie bis auf zwei Reittiere gestohlen. Nur mit Hilfe des Karawanenführers konnte die Familie die Reise fortsetzen. 1577 kam Mehr un-Nisâ‘ in einem sarâ’î bzw. einer Karawansarai nahe Kandahar (heute Afghanistan) zur Welt. Die Familie setzte die Reise anschließend vor.

Es ist wahrscheinlich, dass der Karawanenführer derjenige war, der Ghiyâs Beg und seine Familie am Mogulhof Akbars, vorstellte. Ghiyâs Beg erlangte schnell einen großen Einfluss bei Hof und erhielt den Beinamen I’timâd ad-Daula (Stütze des Reiches).

Die erste Ehe

Aufgrund seines Einflusses konnte Ghiyâs Beg seine Tochter Mehr un-Nisâ‘ verheiraten – und zwar mit einem Mann, der ebenfalls ein persischer Flüchtling war: ‚Alî Qûlî, der später den Beinamen Sher Afghân erhielt. Die 17-jährige Mehr un-Nisâ‘ – so erzählt es die Legende – soll nicht glücklich in der Ehe mit dem wahrscheinlich wesentlich älteren Sher Afghan gewesen sein. Der von Akbar angeordneten Eheschließung konnte sich jedoch wohl keiner der Beteiligten entziehen. Mehr un-Nisâ‘ brachte 1605 ihr einziges Kind, eine Tochter namens Ladlî Begum, zur Welt. Auch diese wird später im Hofleben noch von Bedeutung sein.

Interessant – vor allem im Hinblick auf die spätere Ehe mit Dschahângîr – ist jedoch folgendes: Mehr un-Nisâ’s Ehemann und auch Teile ihrer Familie haben noch zu Akbars Lebzeiten die Rebellion von Akbars Enkel Khushraw gegen seinen Vater Dschahângîr unterstützt: Khushraw wollte direkt seinem Großvater Akbar auf den Mogulthron folgen und seinen Vater in der Herrschaftsabfolge übergehen.

Dschahângîr fand nach Akbars Tod die Beteiligung Sher Afghâns an der Rebellion Khushraws gegen ihn heraus: und Sher Afghan wurde 1607 unter ungeklärten Umständen getötet.

Mehr un-Nisâ’s Bruder Âsaf Khân war jedoch ein enger Freund Dschahângîrs und konnte weitere Probleme für die Familie verhindern. Zudem war Âsaf Khâns Tochter Ardschumand Begum (die später den Beinamen Mumtâz Mahal erhielt) seit 1607 mit Dschahângîrs Sohn Khurram (dem späteren Herrscher Schâh Dschahân) verheiratet.

Die zweite Ehe mit Dschahângîr

Aufgrund dieser zahlreichen familiären Verflechtungen erscheint es mir persönlich als extrem zweifelhaft, dass sich Dschahângîr und Mehr un-Nisâ‘ wirklich erst am Nourûz-Fest 1611 erstmals sah.

Geheiratet wurde noch im selben Monat. Die Ehe, die für die Braut die 2., für den Bräutigam die 20. war, blieb kinderlos.

Innerhalb kürzester Zeit gelang es Mehr un-Nisâ‘, die nun den Beinamen Nûr Dschahân (Licht der Welt) erhielt, ihre Familie an weitere einflussreiche Positionen zu bringen und große Einkünfte zu erzielen.

Dschahângîr war zu diesem Zeitpunkt bereits schwer krank: seine Opium- und Alkoholsucht ließen ihn nur noch selten die Regierungsgeschäfte lenken. Dokumente waren zum Teil nur dann gültig, wenn sie auch das Siegel Nûr Dschahâns trugen. Es ist wahrscheinlich, dass Nûr Dschahân, ihr Bruder und Khurram die Regierung des Reiches innehatten.

Für mich eine besonders spannende Geschichte ist, wie Nur Dschahân ihren Mann so manipulierte, dass er Treffen mit dem britischen Gesandten Sir Thomas Roe absagte bzw. den Briten keine Zusagen machte. Roe konnte die wahre Verantwortliche Nûr Dschahân nur schemenhaft hinter den Vorhängen der purdah erahnen, während er den Schmuck der Frauen wahrnahm. Nûr Dschahân war für den Briten ein Zeichen des dekadenten, sexuell ausschweifenden Orients mit seiner Korruption und den Palastintrigen. Auf der anderen Seite schrieb er, dass Nûr Dschahân als besonders schön und charmant galt.

Nûr Dschahân überlebte Dschahângîr um 18 Jahre, Jahre, in denen sie als Bauherrin, Designerin und (gescheiterte) Politikerin tätig war. Doch darum soll es in einem zweiten Blogbeitrag gehen.

Literatur Der Beitrag basiert vor allem auf

Nandini Battacharchya: Reading the splendid body. Newark u.a. 1998.

Beitragsbild: Nur Jahan, das Bild ist Public Domain

+++++++++++HINWEIS ++++++++++++++

Ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte

Was wissen wir über Shah Turkan (Razia Sultan)?

In einem Beitrag habe ich kürzlich einmal erklärt, warum es so schwierig ist, über die Mogulgeschichte zu bloggen.

Im Falle der Geschichte des Delhi Sultanats sieht es nicht besser aus. Nur wenige zeitgenössische Chroniken liegen vor, Quellen aus Literatur oder Malerei sind so gut wie nicht existent. Viele Informationen können wir jedoch aus den Münzen bzw. der Architektur ableiten. Dieses gilt jedoch nicht für Shah Turkan (Schâh Turkân), die wichtigste Gegenspielerin von Razia Sultan. Dabei ist es schon interessant, dass zwei muslimische Frauen und ihre jeweiligen Herrschaftsansprüche die Geschichte des Delhi Sultanats bestimmten.

Muslimische Frauenbilder

Sowohl die wenigen Quellen als auch Filme und Serien Bollywoods stellen einen kompletten Gegensatz der beiden Frauenfiguren dar: zum einen Razia als Frau mit Gerechtigkeitssinn, die eigensinnig den Palast verlässt und sich in Gefahren begibt, auf der anderen Seite Shah Turkan, die nur ihre eigene Interessen verfolgt und dabei den Sultan Iltutmish mit ihrer Erotik, Tanz und Poesie umgarnt. Razia ist eine Frau, die in männlicher Kleidung ohne Schleier die Vorstellungen einer „ehrbaren“ muslimischen Frau bricht, Shah Turkan ist als Kurtisane ebenfalls außerhalb der Gesellschaftsordnung.

Langfristig kann sich Razia durchsetzen, indem sie fast vier Jahre über das Delhi Sultanat herrschte.

Eine ehrgeizige Frau

Doch was wissen wir über Shah Turkan? Leider ziemlich wenig. So ist es zum Beispiel nicht belegt, wann und wo sie geboren wurde – lediglich ihr Todesjahr 1236 ist bekannt. Zunächst (in ihrer Kindheit) war sie wohl eine einfache Dienerin, die später die Gunst Iltutmishs erlangte und seine Geliebte wurde. Als Kurtisane verfügte sie über eine Ausbildung in Tanz, Musik und Poesie. Später brachte sie Rukn ud-Din Firuz zur Welt. Als Sohn Iltutmishs wurde er als Krieger ausgebildet – Iltutmish sorgte ebenfalls dafür, dass auch Rukn ud-Din die Fähigkeiten eines zukünftigen Herrschers erhielt. Leider interessierte sich der junge Mann nur wenig für die Verantwortlichkeiten des Regierens. Seine Mutter sorgte jedoch trotzdem dafür, dass Iltutmish Rukn ud-Dins Ansprüche nicht vergaß. Vor allem arbeitete sie kontinuierlich daran, ihren eigenen Status zu verbessern.

Terror im Harem?

Schließlich erreichte Shah Turkan ihr Ziel: Iltutmish heirate sie, d.h., er ging einen Ehevertrag nach islamischem Recht mit ihr ein. Anschließend beauftragte er Shah Turkan mit der Aufsicht über den königlichen Harem am Hofe Delhis.Shah Turkan nutzte ihre Position allerdings, um sich für die vergangenen Kränkungen durch die Angehörigen des Adels zu rächen. So ließ sie einige der Frauen des Harems hinrichten – und ließ auch einen der jüngeren Söhne Iltutmishs blenden und anschließend töten, damit er Rukn ud-Dins Ansprüche nicht gefährdete.Auch Razia war Shah Turkan ein Dorn im Auge: Iltutmish hatte ihr bereits mehrfach während seiner Abwesenheit die Herrschaft übergeben und sich positiv über ihre Fähigkeiten als Herrscherin geäußert.So ist es überliefert, dass sie plante, Razia zu töten, indem sie auf ihrer täglichen Reitstrecke einen Graben ausheben und mit Büschen bedecken ließ. Der Plan wurde jedoch aufgedeckt – Razia entkam diesem geplanten Reitunfall….

Eine kurze Herrschaft

Als Iltutmish 1236 starb, schien Shah Turkan am Ziel zu sein. Rukn ud-Din wurde Nachfolger seines Vaters. Er fiel jedoch durch Inkompetenz und Verschwendungssucht auf.

Razia konnte die Stimmung im Volk für sich nutzen: ein aufgebrachter Mob tötete Rukn ud-Din und Shah Turkan nach nur sechs Monaten an der Macht. Razia wurde zur Herrscherin ernannt.

Insgesamt sind die Quellen bezüglich Shah Turkan alle negativ – ob diese Überlieferungen alle so eindeutig sind wie es scheint, muss eine zukünftige Forschung zeigen.

Beitragssbild: G.K.L. Richter (st. 1884): Odalisque. Das Bild ist Public Domain

Literatur:

Eraly, Abraham: The Age of Wrath: a History of the Delhi Sultanate. Delhi: Penguin, 2015.

+++ Hier gibt es einen Überblick über unsere Beiträge zum Sultanat von Delhi ++++

Das „Buch der Staatskunst“: ein Blick ins Innenleben des Seldschukenwesirs Nezâm ol-Molk – oder nicht?

Zu den frühen Groß-Seldschuken im 11. Jahrhundert haben wir kaum zeitgenössische Quellen. Die meisten Texte wurden erst 100 oder mehr Jahre später verfaßt, auch wenn sie manchmal zeitgenössische Quellen zitieren.

Aber eines haben wir: das Siyâsat-nâme („Buch der Staatskunst“), auch bekannt unter dem Titel Siyar ol-molûk („Lebensführung der Könige“), verfaßt vom Seldschukenwesir Nezâm ol-Molk persönlich, einem der berühmtesten Inhaber dieses Amtes.

Ein Werk aus dem engsten Kreise der Macht also, voller Informationen aus erster Hand, gespeist von intimer Kenntnis des Seldschukenreichs, seiner Verwaltung und Herrschaftsstrukturen und nicht zuletzt seiner Herrscher, der Sultane. Nicht zu vergessen: Anekdoten, die Einblicke in das Gefühlsleben und die Situation des Wesirs gewähren. Eine bessere Quelle kann man sich als Historiker gar nicht wünschen. Wenn es da nicht zwei Probleme gäbe…

Ideal und Wirklichkeit

Erstens gibt es im Siyâsat-nâme zwar zahlreiche Kapitel über die Herrschaftsorganisation und Staatsverwaltung, doch handelt es sich dabei um normative Ausführungen. Das heißt, der Verfasser beschreibt nicht die tatsächliche Situation, die den Historiker am meisten interessiert, sondern ein Ideal.

Mit anderen Worten: Aus dem Siyâsat-nâme können wir erfahren, wie die Herrschaft und Verwaltung nach Auffassung des Verfassers im Idealfall aussehen sollte – nicht aber, wie sie tatsächlich gehandhabt wurde.

Natürlich kann man auch daraus Rückschlüsse ziehen: Wenn im Siyâsat-nâme erläutert wird, wie die Dinge zu handhaben sind, dann kann man davon ausgehen, daß sie vermutlich zum Abfassungszeitpunkt anders gehandhabt wurden.

Auch unter dieser Voraussetzung wäre ein Werk, das vom zweitmächtigsten (oder manche meinen: vom mächtigsten) Mann des Seldschukenreiches verfaßt worden ist, immer noch eine wertvolle historische Quelle. Aber da ist auch noch das zweite Problem…

Das ewige Problem der Autorschaft

Wir wissen nämlich gar nicht sicher, ob der Verfasser des Werkes wirklich Nezâm ol-Molk war. Zweifel gab es zwar schon immer, da der Stil in unterschiedlichen Kapiteln nicht einheitlich ist und unterschiedliche Versionen von Vor- und Nachwort ebenfalls zu denken geben.

Statue des Nezâm in Maschhad

Doch in Ermangelung eindeutiger Informationen hat sich die Fachwelt bis vor kurzem der üblichen Autorzuschreibung angeschlossen. Da der Verfasser im Siyâsat-nâme auch immer wieder Anekdoten aus seinem Leben am Hofe und mit den Sultanen erzählt, wäre es auch zu schade um diese Berichte aus erster Hand.

Andererseits muß man in der Wissenschaft doch immer wieder von lieb gewonnenen Vorstellungen Abstand nehmen. Und dies scheint ein solcher Fall zu sein.

Im Jahr 2015 hat nämlich ein Forscher namens Alexey Khismatulin einen Aufsatz vorgelegt, in dem er gegen Nezâm ol-Molks Autorschaft argumentiert. Oder eher dagegen, daß der Nezâm den Text in der vorliegenden Form oder überhaupt ein Buch geschrieben hat. Und leider klingt diese Argumentation ziemlich überzeugend.

Er hat sich nämlich zwei Gruppen von Handschriften angesehen und festgestellt, daß bislang ein Element des Gesamttextes in der Forschung übersehen worden ist – hauptsächlich weil es in den meisten Editionen des Textes weggelassen wurde: eine qasîde, also ein Lobgedicht, am Ende des Textes.

Das vergessene Gedicht

Dieses Lobgedicht preist die Erfolge des Seldschukensultans Mohammad b. Malekschâh (reg. 1105-1118), und die Beschreibung paßt auf seine Eroberung der Ismailitenburg Schâhdez bei Esfahân im Jahre 1107. Es enthält aber auch eine umfangreiche Passage, die das Siyâsat-nâme würdigt und als Werk des Nezâm ol-Molk bezeichnet.

Wer aber war der Verfasser des Lobgedichts? Die Wendungen, mit denen in der qasîde das Siyâsat-nâme beschrieben wird, sind fast dieselben wie im Vorwort des Buches. Der Verfasser des Vorworts könnte also mit dem Verfasser der qasîde identisch sein.

Das Vorwort wiederum stammt nicht von Nezâm ol-Molk selbst, sondern vom Sekretär des Privatarchivs des Sultans, dem der Wesir das Buch nach Fertigstellung zwecks Abschrift und Aufbewahrung übergeben habe. An sich, so Khismatulin, ist es überflüssig, das eigens zu sagen, da es das übliche Vorgehen war. Doch der Sekretär hatte seine Gründe, wie wir gleich sehen werden.

Über die Entstehung des Werkes berichtet er: Der Sultan habe von seinen höchsten Würdenträgern einen Bericht über Mißstände im Reich und Lösungsvorschläge gefordert. Daraufhin habe der Nezâm zunächst 39 kurze Abschnitte aus dem Stegreif niedergeschrieben und dem Sultan präsentiert, der sie für gut befand. Längere Zeit danach habe er diese Abschnitte ergänzt und 11 weitere hinzugefügt und das Gesamtwerk dann kurz vor seinem Tod an den Sekretär übergeben.

Karte des Seldschukenreiches aus der deutschen Übersetzung des Siyâsat-nâme

Seine, des Sekretärs Absicht, sei es nun, dieses wertvolle Kleinod der Staatsmannskunst aus höchst berufener Feder dem Sultan zugänglich zu machen und sich dem Sultan wieder zum Dienst zu empfehlen. Es war nämlich durchaus üblich, durch die Abfassung eines Werkes die Aufmerksamkeit des Herrschers auf sich zu lenken in der Hoffnung, eine (bessere) Position angeboten zu bekommen.

Mit dem Zeitintervall zwischen der Erstschrift des Nezâm mit den 39 Kapiteln und dem endgültigen Werk erklärt der Sekretär den Unterschied in der Länge zwischen manchen Kapiteln des Werkes. Dadurch rückt er aber auch die Länge der Kapitel ins Zentrum der Aufmerksamkeit, so daß der Leser davon abgelenkt wird, daß auch der Stil zwischen den kurzen und den später ergänzten langen Kapiteln erheblich abweicht.

Warum möchte der Sekretär das aber vertuschen? Hat er womöglich mehr getan, als das Werk nur abzuschreiben?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir noch einmal auf die Frage zurückkommen, ob der Sekretär, der das Vorwort verfaßt hat, mit dem Verfasser des beigefügten Lobgedichts identisch ist.

Khismatulin ist aufgrund der sehr ähnlichen Passagen der Auffassung, daß Vorwort und Lobgedicht denselben Verfasser haben. Des weiteren muß der Verfasser des Lobgedichts in höchsten Kreisen verkehrt haben, denn das Gedicht ist direkt an den Sultan gerichtet. Da der Verfasser des Vorworts Sekretär des sultanischen Privatarchivs unter Malekschâh war, würde das passen.

Da erstaunt es schon, daß der Name des Sekretärs, der das Vorwort verfaßt hat, nirgendwo zu finden ist. Er lautet: Mohammad-e Maghrebî.

Ein bedeutungsvoller Vers

Jetzt wird es interessant: In dem Lobgedicht am Ende des Siyâsat-nâme gibt es nämlich einen Vers, der Khismatulin auf eine Spur gebracht hat: In diesem Vers weist der Verfasser darauf hin, daß er dem Herrscherhaus über dreißig Jahre lang gedient habe und dafür mehr Respekt verdiene.

Das ist keine übliche Wendung, sondern eine Formulierung, die nur in einem weiteren Gedicht vorzukommen scheint: in einem Lobgedicht von Sultan Malekschâhs „Dichterkönig“ Amîr Mo’ezzî (ca. 1048-1125 oder 1127) an Malekschâhs Sohn Sandschar (1084 oder 1086-1157), einem Bruder des oben erwähnten Mohammad b. Malekschâh und Herrscher über Ostiran.

Amîr Mo’ezzî hatte nach Malekschâhs Tod im Jahr 1092 in den Wirren des Nachfolgekriegs zwischen den Söhnen des Sultans seine Position bei Hofe verloren und sein Glück zunächst im Osten bei Sandschar versucht, dann im Westen bei Mohammad b. Malekschâh, der 1105 nach dem Tod eines weiteren Bruders zum Sultan, dem Herrscher über das gesamte Seldschukenreich aufgestiegen war.

Ein Vergleich des Stils des Lobgedichts aus dem Siyâsat-nâme mit den Werken Mo’ezzîs hat ebenfalls ein hohes Maß an Übereinstimmung ergeben. Das Lobgedicht stammt also wohl von Mo’ezzî. Was fangen wir aber mit der Information an, daß das Vorwort des Siyâsat-nâme, das vom selben Verfasser stammt wie das Lobgedicht, angeblich von einem Mohammad-e Maghrebî geschrieben wurde?

Das Kreuz mit der arabischen Schrift

Khismatulin schlägt folgende Lösung vor: Es gab überhaupt keinen Mohammad-e Maghrebî. Vielmehr sei der Verfasser des Vorworts Mohammad-e Mo’ezzî, also eben jener Dichter Amîr Mo’ezzî, der nach Khismatulins Analyse auch der Verfasser des Lobgedichts ist.

Diese Idee ist viel plausibler als es scheint, wenn man nur die Lateinschrift kennt.

„Maghrebî“ sieht in arabischer Schrift nämlich so aus:
مغربی

„Mo’ezzî“ so:
معزی

Wie Sie sehen, unterscheiden sich beide Wörter nur durch zwei Punkte und einen Bogen. Wenn man Handschriften in arabischer Schrift kennt, so kann man sich leicht vorstellen, daß der Punkt in „Mo’ezzî“ fälschlicherweise dem nächsten Buchstaben auf der rechten Seite zugeordnet worden ist.

Zusätzlich könnte eine Unsauberkeit oder ein Klecks unter dem ersten Buchstaben von links in „Mo’ezzî“ als Signal dafür gelesen worden sein, daß der Bogen über dem ersten Punkt von links in „Maghrebî“ durch schnelles Schreiben zu klein geraten war und ergänzt werden mußte. Und schon wird aus „Mo’ezzî“ das Wort „Maghrebî“.

Ein solcher Abschreibefehler wäre durchaus nicht untypisch.

Auch Mo’ezzîs Lebenssituation stimmt mit dem Ziel des Verfassers des Vorworts überein, nämlich sich dem Sultan für eine Erneuerung seines Dienstes bei Hofe zu empfehlen. Vermutlich hoffte er, am Hof des neuen Oberherrn des Seldschukenhauses wieder zu alter Größe aufsteigen zu können.

Amîr Mo’ezzî hat also vermutlich das Vorwort des Siyâsat-nâme verfaßt. Heißt das aber auch, daß er in den Haupttext eingegriffen hat? Denn genau das unterstellt Khismatulin, wenn er die Ansicht vertritt, daß das Siyâsat-nâme in der Form, in der wir es kennen, nicht von Nezâm ol-Molk stammt, ja, daß der Wesir überhaupt kein Buch verfaßt habe.

Terminologische Fallschlingen

Zunächst einmal spricht die Tatsache, daß nicht der Wesir selbst ein Vorwort verfaßt hat, dafür, daß er das Werk nicht ganz fertig gestellt oder zumindest nicht in endgültiger und präsentabler Form hinterlassen hatte. Wäre der Text vollendet gewesen, so hätte ein Vorwort des Autors dazugehört.

Zum anderen fiel ja immer schon auf, daß nicht nur die Länge, sondern auch der Stil der Kapitel sehr uneinheitlich ist. Man hat also immer schon vermutet, daß ein oder mehrere Herausgeber am Werk waren und das Buch zumindest ergänzt haben.

Die längeren Kapitel enthalten eine Reihe von illustrierenden Koranversen und Prophetenüberlieferungen, aber auch von Anekdoten, die Beispiele liefern. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch handelt es sich dabei um den typischen Stil eines adîb, eines Literaturkenners und Literaturschaffenden.

Dieses Kenntnisprofil traf zwar auch auf viele Sekretäre zu, also auf die „Berufsgruppe“ des Wesirs. Aber ein Sekretär, der zugleich Dichter war, wie Mo’ezzî, dürfte in diesen Kenntnissen besonders bewandert gewesen sein.

Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis der deutschen Übersetzung des Siyâsat-nâme

Das wichtigste Argument gewinnt Khismatulin aber aus dem Vorwort des Siyâsat-nâme selbst: Dort wird nicht nur berichtet, daß der Nezâm 39 Abschnitte (fasl) aus dem Stegreif schnell niedergeschrieben habe, sondern auch, daß Malekschâh diese für gut befunden, das „Buch“ (ketâb) gelobt und zur Richtschnur für seine Befehle (farmân) gemacht habe.

Khismatulin hat sich die in diesem Bericht enthaltenen Originalbegriffe genau angeschaut und festgestellt, daß ihre Bedeutung in der Kanzlei- und Hofsprache der Seldschuken nicht der üblichen Wiedergabe entspricht.

Fasl bedeutet dort nicht einfach „Abschnitt“ oder „Kapitel“, sondern „Ansicht, Entscheidung“. Das Wort ketâb kann wohl „Buch“ bedeuten, aber auch einfach „Schriftstück“.

Wenn nun ein Wesir sein Amt antrat, faßte er üblicherweise ein Schriftstück ab, das eine Art Dienstvertrag war und in dem er die Bereiche seiner Pflichten und seine Verfahrensweise niederlegte – in mehreren fasl. Der Herrscher nahm sie in Augenschein und gab, wenn er damit zufrieden war, seine schriftliche Zustimmung. Dann diente dieses Schriftstück auch als Grundlage zum Erlaß von farmân – Dekreten.

Bescheid wissen wir über dieses Verfahren und über mögliche Inhalte solcher Dienstverträge aus Abo l-Fazl-e Beyhaqîs Târîch-e Mas’ûdî – einem Werk das nur wenige Jahrzehnte vor dem Siyâsat-nâme entstanden ist (mehr zu diesem einzigartig reichhaltigen Geschichtswerk erfahren Sie in meinem kleinen E-Book). Und dort findet sich ein Beispiel für einen weniger umfangreichen Dienstvertrag, der sich auf einen kleineren Posten am Ghaznavidenhof bezog.

Khismatulin hat dieses Beispiel mit dem Siyâsat-nâme verglichen und festgestellt, daß einige Kapitelüberschriften des Siyâsat-nâme mit denen dieses Dienstvertrages übereinstimmen. Auch der knappe, trockene und unpersönliche Stil der sehr kurzen Kapitel des Siyâsat-nâme paßt dazu.

Schließlich sind die – angeblich vom Nezâm – später hinzugefügten längeren 11 Kapitel des Werkes mit dem Problem der Ismailiten befaßt, gegen die Mohammad b. Malekschâh wieder militärisch vorgegangen war.

Rekonstruktion einer Fälschung

Daher geht Khismatulin davon aus, daß folgendes geschehen ist:

Amîr Mo’ezzî hatte als Sekretär von Malekschâhs Privatarchiv Zugang zu Schriftstücken wie dem Dienstvertrag des Nezâm. Als er nach Malekschâhs Tod seine Position verloren hatte und versuchte, sie unter dessen Söhnen wiederzuerlangen, kam er auf den Gedanken, sich durch ein wertvolles Geschenk in Erinnerung zu bringen: einem Herrschaftsratgeber des berühmten Wesirs der Goldenen Zeiten der Seldschuken.

Zu diesem Zwecke schmückte er das Vertragsdokument mit Anekd

Eines der kurzen Kapitel in Darke’s Edition des Siyâsat-nâme

oten und erbaulichen Zitaten aus und ergänzte es um einige Kapitel, die den Bedürfnissen der Zeit entsprachen. Da er aber nicht für jedes Thema passende Beispiele finden konnte, blieben einige Kapitel in der ursprünglichen sehr knappen Form und im trockenen Stil des Vertrages.

Um über diese auffälligen Stilbrüche hinwegzutäuschen und die Autorität des Nezâm für das Werk in Anspruch nehmen zu können, verfaßte er dann das Vor- und Nachwort und das Lobgedicht, erklärte die Diskrepanzen im Text indirekt durch die Entstehungsgeschichte mit angeblich zwei Phasen der Abfassung und lenkte die Aufmerksamkeit vom Stil ab und auf die Kapitellänge.

Fazit: Ein Nezâm-Mo’ezzî-Mix

So enttäuschend es ist, daß also gerade die lebendigen Anekdoten und Bemerkungen über das Verhältnis des Nezâm zu den Sultanen und über seine persönlichen Empfindungen wahrscheinlich nicht aus seiner eigenen Feder stammen – ein wenig Nezâm steckt auch nach Khismatulins Analyse im Siyâsat-nâme.

Auch der Wert als Quelle zur Hofkultur und Verwaltung der Groß-Seldschuken ist damit nicht völlig zerstört. Denn immerhin hatte Amîr Mo’ezzî am Hofe Malekschâhs gelebt und gearbeitet. Auch seine Auffassungen und Schilderungen sind also durchaus als die eines kundigen Zeitzeugen zu betrachten, wenn auch unter etwas anderen Vorzeichen.

Fazit: Trotz aller Ernüchterung bleibt das Siyâsat-nâme eine der wenigen zeitgenössischen Quellen für die Zeit der ersten Groß-Seldschuken. Damit läßt es sich leben.

Literatur

Alexey Khismatulin: „Two Mirrors for Princes Fabricated at the Seljuk Court: Nizâm al-Mulk’s Siyar al-mulûk and al-Ghazâlî’s Nasîhat al-mulûk„. In: Edmund Herzig, Sarah Stewart (eds.): The age of the Seljuqs. London, New York: I.B. Tauris, [2015]. (The idea of Iran, 6). 94-130.

Bildnachweis

Bild der Statue des Nezâm in Maschhad:
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: Juybari
Lizenz: Creative Commons 3.0
unverändert übernommen

Alle übrigen: eigene Aufnahmen.

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Eheprobleme am Mogulhof: Dschahângîr und seine erste Ehefrau Mân Bai

Dass eine arrangierte Ehe innerhalb der Familie nicht immer ein Glücksgriff sein muss, zeigt das Beispiel von Salîm (später der Mogulherrscher Dschahângîr) und seiner Cousine ersten Grades Mân Bai (st 1605). Salîm war 15 Jahre alt, als diese Eheschließung von Akbar und seiner rajputischen Ehefrau Jodha (Maryam zu-Zamânî) beschlossen wurde. Mân Bai war die Tochter von Raja Bhagwan Das von Amber, Jodhas Bruder. Sie war zudem die Schwester von Mân Singh, der als einer der Neun Juwelen zur Elite am Hofe Akbars gehörte. Abû l-Fazl, Akbars Hofchronist, notierte, dass Mân Bai eine außerordentlich schöne und intelligente Frau sei.

Akbar selbst hoffte, dass die Verbindung der beiden Familien durch die Ehe der beiden zu stärken und zudem, viele Nachkommen zu bekommen. Zudem sollte nicht verschwiegen werden, dass Mân Bais Familie eine beträchtliche Mitgift zahlte.

Die Hoffnung auf Nachkommen erfüllte sich bald. Nachdem die Ehe Salîms und Mân Bais 1585 geschlossen wurde (d.h. der Bräutigam war 15, die Braut 13), wurde bereits im April 1586 eine Tochter namens Sultân un-Nisâ‘ geboren. Im August 1587 kam Khusrau, Dschahângîrs erster Sohn, zur Welt. Nach seiner Geburt bekam Mân Bai den Titel Shâh Begum verliehen.

Doch es gab kein harmonisches Familienleben. Einer der Vertrauten Dschahângîrs, schrieb (zitiert nach Eraly, 274) , dass Mân Bai argwöhnisch den möglichen Aufstieg anderer Bewohner(innen) des harem beobachtete, und jedes Mal gewalttätig wurde, wenn es nicht nach ihrem Willen ging.

Auch Dschahângîr wusste zu berichten, dass seine Frau gelegentlich zu Stimmungsschwankungen und Depressionen neigte. Viel schwerwiegender war jedoch, dass auch Khusraus Beziehungen zu seinem Vater sich permanent verschlechterten und schließlich in einer offenen Revolte endete. Auch zu seinen Brüdern, vor allem zu Khurram (später Shâh Dschahân) hatte Khusrau ein sehr schlechtes Verhältnis, das schon früh unter der Frage der Thronfolge litt.

Mân Bai versuchte die Wogen zwischen Vater und Sohn zu glätten, was ihr allerdings nicht gelang. Nur kurze Zeit vor Akbars Tod und Dschahângîrs Thronbesteigung beging Mân Bai Selbstmord mit Opium. Es gibt Hinweise in den Quellen, dass ihr Vater Bhagwan Das ebenfalls versucht hatte, sich zu töten, allerdings erfolglos. Die Umstände seines Todes sind allerdings ebenso bis heute ungeklärt. Auch Mân Bais Brüder sollen unter Depressionen gelitten haben.

Obwohl Dschahângîr das Verhältnis zu seiner ersten Ehefrau und Cousine als belastet empfand und 19 weitere Frauen zur Ehefrau nahm, berichtete er in seinen Memoiren Jahângîr-nâme, dass er unter dem Tod Mân Bais litt und sehr trauerte:

Ich verbrachte einige Tage ohne jegliche Vergnügungen des Lebens, und für vier Tage nahm ich weder Speisen noch Getränke zu mir.

Auch auf Alkohol und Opium soll er verzichtet haben, was für seine Verhältnisse ungewöhnlich war. .

Mân Bai war Salîms erste Frau – und er schrieb in seinen Memoiren, dass er durch die Eheschließung erwachsen wurde. Seine bedeutendste Ehefrau war jedoch seine 20. Frau: Nûr Dschahân. Doch das ist ein anderes Thema.

Literatur:
Eraly, Abraham: Emperors of the Peacock Throne. New Delhi, 1997.
Das Beitragsbild zeigt das Grabmal Mân Bais in Allahabad.
Es unterliegt der Wikimedia Commons License.

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„Der erfolgreichste aller Sklavenkönige“ – einige Bemerkungen zu Iltutmish

Er sei der „erfolgreichste aller Sklavenkönige“ – so urteilen in Indien nicht nur muslimische Historiker über den Herrscher Iltutmish (st. 1236), den Vater Razia Sultans.

Sowohl durch seine militärischen Erfolge als auch durch seine administrativen Fähigkeiten konnte Iltutmish das noch in der Entstehung begriffene Sultanat von Delhi retten und zusätzlich die Verbreitung des Islam im heutigen Nordindien stärken.

Es gibt viele Varianten der Biographie Iltutmishs, da sich einige Legenden um seine Lebensgeschichte ranken. So wird behauptet, dass Iltutmish selbst zum türkischen Adel gehörte, sein Bruder aber aus Eifersucht dafür gesorgt habe, dass Iltutmish in die Sklaverei verkauft wurde. So wurde Iltutmish zum Sklave (ghulâm) Ein wohlhabender Kaufmann namens Jamâl ud-Dîn habe ihn gekauft und ihn wie einen Sohn behandelt. Schließlich wurde er zum persönlichen Sklaven von Qutb ud-Dîn Aibek, dem Begründer des Delhi Sultanats und Begründer der Sklavendynastie. Qutb ud-Dîn soll einer weiteren Legende nach die Führungsqualitäten Iltutmishs sehr früh erkannt haben. So verheirate er nicht nur seine Tochter mit Iltutmish, sondern machte ihn zum Statthalter des oberen Gangestals.

Als Qutb ud-Dîn beim Polo (chauhan) tödlich verunglückte, übernahm zunächst Ârâm Shâh die Herrschaft – wobei nicht klar ist, ob er mit Qutb ud-Dîn verwandt war. Iltutmish besiegte ihn schließlich und konnte schließlich ein großes Gebiet in Nordindien unter seiner Herrschaft vereinen. Dieses war zum einen in den militärischen Fähigkeiten begründet, die ihre Grundlagen in einer beweglichen Kavallerie hatten. Daran zeigte sich der Unterschied zur Kriegsführung der Rajas und Rajputen, die traditionell mit einer großen Infanterie kämpften.

Die militärischen Fähigkeiten Iltutmishs zeigten sich auch in dem Sieg, den er über die Mongolen erringen konnten. Dschingis Khan hatte mit seinen Truppen den Choresm Shâh Dschalâl ud-Dîn geschlagen und diesen mit seinen Truppen bis in die Provinz Punjab verfolgt. Als Dschalâl ud-Dîn um Asyl bei Iltutmish ersuchte, lehnte dieser ab: fürchtete er sowohl um seine Herrschaft von Seiten Dschalâl ud-Dîns als auch eine Niederlage durch die Mongolen. Schließlich konnte Iltutmish die Invasion der Mongolen verhindern. Diese konnten eine Herrschaft in Afghanistan etablieren und schließlich unter Bâbur die Mogulherrschaft in Indien errichten.

Iltutmish zeichnete sich aber auch seine administrativen Fähigkeiten aus. Er führte ein Münzsystem ein. Vierzig Sklaven wurden von Iltutmish ernannt, um ein Gegengewicht zu den türkischen Eliten zu bilden. Gerade diese vierzig (ehemaligen) Sklaven, die später selbst großen Einfluss in der Verwaltung erlangten, bildeten später eine große Opposition zu Razia Sultan. Unter Iltutmishs Herrschaft waren sie aber eine große Stütze des entstehenden Reiches.

Ein weiterer Verdienst Iltutmishs war der Ausbau Delhis zur Hauptstadt – aber die Architektur Delhis wird Thema eines weiteren Beitrages sein.

Das Beitragsbild zeigt das Grab Iltutmishs in Delhi. Das Bild unterliegt der Wikimedia Commons Licence 3.0

By Rajsb (Own work) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

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Mogulkaiser mit Heiligenschein? (Weihnachtsspecial 2017)

Die Malerei der Mogulzeit Indiens ist reich an Portraits von Herrschern, ihrer Ehefrauen und der Eliten des Hofes. Dabei fällt auf, dass der Mogulkaiser einen Heiligenschein trägt. Wie kommt es, dass indo-muslimische Herrscher ab Mitte des 16. Jahrhunderts mit Heiligenscheinen abgebildet sind, die für uns „im Westen“ eng mit der christlichen Tradition verbunden sind?

Zunächst einmal gibt es in der Kunst vieler Kulturen Lichtdarstellungen, die entweder nur den Kopf oder aber den ganzen Körper umstrahlen Der Fachausdruck für einen Heiligenschein oder Nimbus (lat.: Wolke) ist Gloriole oder Glorienschein. Man unterscheidet eine Aureole, die zumeist kreisförmig ist und den Kopf einer Figur umgibt, und die Mandorla, die mandelförmig ist und meistens den ganzen Körper erleuchtet.

Doch stammt die Darstellung des Nimbus wirklich aus der christlichen Kunst? Nein, interessanterweise wurde der Heiligenschein bei der Darstellung Buddhas verwendet, etwa ab dem 1. Jahrhundert. Auch hinduistische Werke zeigen große Heiligenscheine. Islamische Darstellungen von Propheten (inklusive Muhammads) enthielten häufig „Heiligenscheine“ in Form von Flammen, die das Prophetentum von Abraham, Moses, Jesus oder eben Muhammads anzeigten. Derartige Darstellungen stammten meist aus dem schiitisch geprägten Teil der islamischen Welt.

Nach Indien kehrte der Heiligenschein in der Kunst jedoch wahrscheinlich eher über die Kontakte zur christlichen Kunst wieder nach Indien: in meinem Beitrag über die Ostereier am Mogulhof hatte ich bereits die Kontakte Akbars und Dschahângîrs zu den portugiesischen Jesuiten-Mönchen erwähnt.

Christliche Einflüsse lassen sich auch in Akbars neu begründeter Religion, der dîn-e illâhî („die göttliche Religion“) finden.

In der Malerei ließen sich bereits zur Zeit Akbars Portraits mit Heiligenscheinen finden, jedoch waren besonders unter Dschahângîr und Shâh Dschahâns Abbildungen der Mogulherrscher mit Nimbus verbreitet. Nach den Mogulherrschern übernahmen auch andere regionale Herrscher den Heiligenschein als Symbol ihrer Macht.

Der Herrscher, im wörtlichen Sinne eine „Lichtgestalt“, strahlt Macht und Autorität aus. Dabei spielt das Licht eine große Rolle:

Akbars Chronist Abû l-Fazl schrieb in seinem Werk Akbarnâma über die Symbolik des Lichtes:

So war es für die Schüler Seiner Majestät (i.e. Akbar, C.P.) notwendig, sich vor dem Herrscher niederzuwerfen (sajda). Sie betrachten das Niederwerfen vor Seiner Majestät wie das NiederwerLifen vor Gott. Das Königtum ist das Symbol für die Macht Gottes, und ein lichtspendender Strahl von der Sonne des Absoluten (zitiert nach Qaisar/Verma (eds.): Arts and Culture. New Delhi 2002, S. 48)

Die Mogulmalerei zeigt also sehr deutlich , dass die Mogulherrscher sich selbst als besondere Gestalt sah, die von Gott mit besonderer Macht und Autorität ausgestattet wurde. Der Herrscher wurde gleichsam zu einem Heiligen wurde, der sich von allen seinen Untertanen abhob.

PS: Für diejenigen, die meinen, dass Weihnachten ja schon vorbei sei: die Weihnachtliche Festzeit endet erst am Sonntag nach dem 6. Januar 🙂