Razia Sultân (st.1240), Akbar (st. 1605) und die „Kopfsteuer“ in Indien

In meinem heutigen Beitrag geht es um ein Thema, das in der islamischen Theologie durchaus umstritten war (und ist): die so genannte Kopfsteuer (Arabisch/Urdu: dschizya) für nicht-muslimische „Schutzbefohlene“ (dhimmî) in von Muslimen eroberten Gebieten.

Was ist die dschizya und wer musste sie bezahlen?

Für viele muslimische Theologen beruhte die Einführung der dschizya auf dem Koranvers (Sure 9, Vers 29, Übersetzung von Rudi Paret):

Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut entrichten!

Obwohl die Übersetzung Rudi Parets als wissenschaftlich anerkannt gilt, ist wohl die folgende Übersetzung der letzten beiden Sätze richtiger: „bis sie die Gegenleistung für die erfahrene Wohltat entrichten, die sie erfahren haben, als sie machtlos waren“.

Je weiter sich der Islam jedoch in Richtung Südasien ausdehnte, desto häufiger wurde er mit anderen Religionen als Judentum und Christentum konfrontiert. Als wichtigste Beispiele gelten der Zoroatrismus und natürlich der Hinduismus.

Grundsätzlich muss nach islamischer Lehre jeder körperlich und geistig gesunde Mann steuerpflichtig, während Kinder, Frauen, arme Menschen und Mönche von der Steuer ausgenommen waren. Steuern waren entweder in bar oder in Form von Lebensmitteln, die islamisch erlaubt (halâl) zu entrichten.

Was hieß das für Indien?:

Wie oben erwähnt bezog sich die Theorie der dschizaya auf die Religionen des Judentums und des Christentums. Deshalb stellte sich auch rein theologisch nach den ersten muslmischen Eroberungen durch die Ghaznaviden die Frage, wie mit der Mehrheit der Bevölkerung Südasiens, also den Hindus, umzugehen sei. Waren sie denn überhaupt „Schriftbesitzer“?. Viele muslimische Theologen neigen dazu, dass Hindus zwar Ungläubige seien, aber ihnen doch der Schutz der dhimmîs zustehe – schließlich hätten die Hindus mit dem Mahâbhârata und dem Râmâyana zwei bedeutende religiöse Schriften.

Die Erhebung der dschizya verlief aber in Indien in der Realität nicht wirklich so eindeutig, wie man anhand der Theologie glauben konnte. In vielen Quellen wird deutlich, dass die Erhebung der Kopfsteuer für Juden, Christen, Parsis und auch Hindus nicht zu allen Zeiten erfolgte – und manchmal wird in den Quellen nicht zwischen der dschizya und der im islamischen Recht beschriebenen Landsteuer (Arab./Urdu kharaj) unterschieden wurde. Fakt ist, dass die dschizya mit den wechselhaften Beziehungen zwischen den muslimischen Herrschern und den Hindu-Untertanen entweder erhoben wurde – oder eben nicht (J. Malik: Islam in South Asia, 106).

Razia Sultan und die dschizya im Delhi Sultanat

Razia Sultans (st. 1240) Vater, Sultan Iltutmish (st. 1236), war für seinen großen Gerechtigkeitssinn bekannt – laut der Quellen war ihm die Rechtssicherheit aller Untertanen – Muslime, Christen, Hindus u.a. – besonders wichtig. Ob er selbst die dschizya erhob, ist unklar. Es spricht einiges dagegen, denn Iltutmish war während seiner Regierungszeit auf die Kooperation der Hindu-Eliten angewiesen. Gleiches galt für Razia Sultan selbst: sie hatte schon mit ihren Gegnern innerhalb der türkischen Eliten und unter den Landbesitzern in verschiedenen Provinzen zu kämpfen. Weitere Konflikte mit ihren hinduistischen Untertanen hätte ihre Herrschaft noch weiter in Gefahr gebracht. In seinem Buch über Razia Sultan schrieb Rafiq Zakaria (Razia, Queen of Delhi, 81 ff.), dass Razia die dschizya aktiv aussetzen wollte – und dieses nach einigen Quellen auch getan hat. Zakaria sagte aber auch zurecht, dass die türkischen Eliten gegen die Abschaffung der dschizya für Hindus war – denn zugegebenermaßen war die dschizya immer eine wichtige Einnahmequelle für die Herrscher – ihre Aussetzung hätte eine große Einbuße bedeutet. Auch aus diesem Grunde waren muslimische Herrscher nicht daran interessiert, dass alle Untertanen zum Islam konvertierten – denn dann würde ja die dschizya wegfallen.

Endgültig kann also wieder nicht geklärt werden, ob Razia Sultan die dschizya wirklich abschaffte oder zumindest für einige Gruppen einschränkte.

Für das Sultanat von Delhi ist noch erwiesen, dass Firûz Shâh Tughluq (st. 1388) zur Förderung der Wirtschaft zum einen die so genannte Almosensteuer (zakât) für Muslime ein – und belegte die sogar die Brahmanen (Hindu-Gelehrte und Priester) mit der dschizya. Diese Gruppe war zuvor immer von der „Kopfsteuer“ ausgeschlossen. Auf Anraten einiger islamischer Gelehrter belegte er Hindus mit der Kopfsteuer, garantierte ihnen gleichzeittig Schutz und Sicherheit und organisierte eine spezielle Form des Kredits zur Steigerung von Handel und Kommerz, den hundi/hundee (J. Malik, S. 109).

Die dschizya unter Akbar

Der Mogulherrscher Akbar (reg. 1556-1605) war dafür bekannt, dass er eine sehr tolerante Religionspolitik bet rieb. Wichtig war auch seine Heiratspolitik, besonders im Konflikt mit den Rajputen, den Stämmen der Kriegerkaste, vorwiegend aus dem heutigen Rajathan – Jodha Begum, die Mutter von Akbars Sohn und Nachfolger Salîm / Dschahângîr war selbst eine Rajputenprinzessin.

Mit den zahlreichen Rajputenprinzessinnen kamen auch deren männliche Verwandte an den Hof und hatten bedeutende Positionen inne. Aus diesem Grund hielt Akbar es für angebracht, die dschizya im 1564 abzuschaffen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Akbar die Mehrheit der Rajputen für sich gewinnen können. Nur elf Jahre später (1575) führte Akbar die dschizya wieder ein – denn die alten, zentralasiatischen Eliten (z.B. auch Akbars Milchbruder Adham Khân) waren gegen den zunehmenden Einfluss der Hindus.

Es ist auf jeden Fall wichtig zu betonen, dass Akbar selbst die dschizya wieder wieder einführte – und nicht erst sein unpopulärer Urenkel Auranzeb ‚Âlamgîr (st. 1707). Es ist zwar richtig, dass Aurangzeb den Hindus die Kopfsteuer 1679 erneut auferlegte – doch in der Zwischenzeit wurde sie augenscheinlich nicht so strikt erhoben.

Es ist schwierig, anhand der vorliegenden Quellen die Erhebung der dschizya nachzuvollziehen – und die Herrschaft Aurangzebs, der heute als religiöser Fanatiker gilt, ist sowieso ein spannendes Thema, über das hier in Zukunft noch gebloggt wird.

Literatur:

Malik, Jamal: Islam in South Asia: a short history. Leiden et al., 2008.

Zakaria, Rafiq: Razia: Queen of India. Bombay, 1966.

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Das Betragsbild zeigt die unter Akbar verbreiteiteten Silberrupien. Das Bild ist Public Domain.

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