Heute ist Sîzdah-be-dar

Eigentlich hatte ich ja Samstag, den 1. April 2017, ausgerechnet, weil der Jahreswechsel an Nourûz dieses Jahr am 20. März schon vor der Mittagszeit stattgefunden hat. Aber der iranische Kalender sagt tatsächlich, daß der 1. April erst der 12. Farvardîn ist (das ist der erste Monat des iranischen Jahres). Also ist Sîzdah-be-dar heute, am 2. April.

„Sîzdah-be-dar“ heißt nämlich ungefähr „der Dreizehnte (nach) draußen“. Gemeint ist, daß es sich um den 13. Farvardîn, also den 13. Tag des ersten Monats im iranischen Jahr handelt, und daß man sich an diesem Tag im Freien aufhält.

Tatsächlich gehen die Iraner am Sîzdah-be-dar in der Regel picknicken. Immerhin ist es ja Frühling, und das heißt in Iran meistens auch sonniges und bereits relativ warmes Wetter. In diesem Jahr sind wir ja auch in Deutschland mit frühlingshaften Temperaturen gesegnet und können uns diesem Brauch anschließen. (Wir machen das aber eher mit einer Radtour als mit einem Picknick.)

Zum Picknick nimmt man das sabze vom Nourûz-Haft-Sîn mit, also das Getreide, das sie vor Nourûz angepflanzt haben, um damit den traditionellen Nourûz-Tisch Haft Sîn zu schmücken. Man wirft es dann nach Möglichkeit in ein fließendes Gewässer, um es so der Natur zurückzugeben.

Dieses Jahr hat mein sabze gerade so mit Mühe bis Sîzdah-be-dar überlebt, denn ich hatte ja „geschummelt“ und Kresse ausgesät. Der Vorteil von Kresse ist: Sie wächst schnell. Sehr hilfreich, wenn man den richtigen Anpflanzzeitpunkt mal wieder verpaßt hat. Der Nachteil von Kresse ist: Sie wächst schnell. Und lebt entsprechend weniger lange.

Unser diesjähriges Haft-Sîn mit Kresse-sabze vorn in der Mitte

Natürlich habe ich meine Kresse auch anders als üblich in die Natur zurückgeführt: Ich habe sie nämlich nicht in den Neckar geworfen, sondern gegessen. 🙂

Einen Nachteil hat der Sîzdah-be-dar in Iran übrigens: Da jeder weiß, daß sich fast alle Leute außerhalb ihrer Häuser aufhalten, ist das der große Tag für Einbrecher. Die können am Sîzdah-be-dar nämlich weitgehend unbehelligt „arbeiten“.

Mit dem 13. Farvardîn enden auch die Nourûz-Feierlichkeiten, in Iran gehen die Ferien zu Ende, und der Alltag zieht langsam wieder ein. So auch bei uns: Nächste Woche wird es hier auf dem Blog um ein anderes Thema gehen.

Bildnachweis

Beitragsbild: Iraner in Holland beim Sîzdah-be-dar
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: PersianDutchNetwork
Lizenz: Creative Commons 3.0
unverändert übernommen

Haft-Sîn-Bild im Text: eigenes Foto

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Nourûz am Mogulhof: „Das wichtigste aller Feste“

Susanne Kurz hat sich in diesem Blog ja schon in vielen Beiträgen dem Thema Nourûz-Feierlichkeiten gewidmet. In einem dieser Beiträge hat sie auch schon über Nourûz am Hofe Dschahângîrs berichtet. Ich möchte das Thema nochmals aufgreifen.

Und falls Sie denken: Nourûz ist doch schon vorbei – richtig! ABER: vor allem am Hof Akbars und seiner Nachfolger wurde das Nourûz-Fest 19 Tage lang gefeiert!

Diese ausführlichen Fest- und Feiertage gab es unter den ersten Moguln noch nicht, obwohl belegt ist, dass das Neujahrsfest des persischen Kalenders gefeiert wurde. Bâbur, der erste Mogulherrscher, schrieb im Jahr 1505 (also noch zu seiner Zeit in Kabul) ein Gedicht anlässlich der Tatsache, dass das Nourûz-Fest und das Fest des Fastenbrechens nach dem Ramadan (‚îd al-fitr, türkisch: bairam) fast zusammenfielen. Das Gedicht ist in Bâburs Autobiographie Bâbur-nâma enthalten. Ich gebe hier die englische Übersetzung aus dem Tschagatai-Türkischen wieder, wie sie von A.S. Beveridge angefertigt wurde. (Beveridge (transl.): Bâbur-nâma, 236)

Glad is the Bairam-moon for him who sees both the face of the Moon and the
Moon-face of his friend ;
Sad is the Bairam-moon for me, far away from thy face and from thee.
Babur ! dream of your luck when your Feast is the meeting, your New-year
the face ;
For better than that could not be with a hundred New-years and Bairams.

Der zweite Mogulherrscher Humâyûn (st. 1556) lebte, nachdem er von der Sûrî-Dynastie zeitweise entmachtet worden war, einige Zeit im persischen Exil beim Safavidenherrscher Schâh Tahmâsp. Eine Miniatur zeigt die beiden Herrscher bei den Nourûz-Festivitäten:

Wirklich ausschweifend gefeiert wurde Nourûz jedoch erst unter Akbar. Dieser hatte mit der Einführung seiner „Göttlichen Religion“ (dîn-e elâhî) auch eine Kalenderreform durchgeführt, die das Nourûz-Fest als „das wichtigste aller Feste“ kennzeichnete. Die aufwändigen Feierlichkeiten schilderte Akbars Hofschreiber Badâ’ûnî folgendermaßen (A. Eraly, The Mughal World, 70, Übersetzung CP):

Der Herrscher ordnete an, die privaten und öffentlichen Gemächer mit kostbaren Materialien zu dekorieren – und man stellte viele kostbare Artikel in vielen bunten Farben aus, europäische Vorhange, und viele unvergleichliche Gemälde wurden angefertigt und weiträumige Pavillions aufgestellt.

Die Basare der beiden Hauptstädte Âgra und Fatehpûr Sikrî wurden ähnlich dekoriert. Tausende von Tänzern und Musikanten traten auf, sowohl männliche als auch weibliche, sowohl Hindus als auch Muslime, wie Badâ’ûnî betonte. Auch Wein und verschiedene andere Arten von Drogen waren erhältlich.

Einer der Höhepunkte der Feierlichkeiten war  jedoch die „Aufwiegezeremonie“: Akbar ließ sich auf einer großen Waage gegen Kostbarkeiten wie Gold, Silber, Gewürze, Stoffe und Früchte aufwiegen – und die Güter wurden an Bedürftige verteilt. Auch an die Notabeln des Hofes verteilte Akbar Präsente und Titel.

Akbars Nachfolger Dschahângîr und Schâh Dschahân feierten das Nourûz-Fest anscheinend ebenso ausgelassen und mit einem Überangebot an Wein und feinen Speisen.

Dem britischen Diplomaten Sir  Thomas Roe (st. 1644), Abgesandter des britischen Königs am Hofe Dschahângîrs, war das dann wohl doch ein wenig zu viel – und er schrieb: (Eraly: Mughal World, 71)

Ich sah, was zu sehen war: Geschenke, Elefanten, Pferde – und jede Menge Huren!

Interessant ist zum einen, dass Roe als eifriger Zechkumpan Dschahângîrs galt, hier aber plötzlich moralische Bedenken äußerte – und zum anderen Schâh Dschahâns Nachfolger Aurangzêb mit ähnlichen Argumenten die Nourûz-Feiern wieder abschaffte.

Es zeigt sich also wieder einmal, dass Feste und Feierlichkeiten sowohl Gemeinsamkeiten als auch Trennendes hervorbringen und interessante Schlaglichter auf die (Kultur-)Geschichte des Mogulreiches werfen .

Ich hoffe auch, dass alle Leser unseres Blogs  ein schönes Nourûz gefeiert haben – ob mit oder ohne Pomp!

Das Beitragsbild wurde mir heute von Susanne Kurz zur Verfügung gestellt.

Nourûz naht, und wir haben tatsächlich Frühling!

Zumindest hier im deutschen Südwesten war es bis vor kurzem sonnig und warm. So richtig schön frühlingshaft, inklusive Vogelzwitschern. Da bekommt man richtig Lust auf ein Frühlingsfest wie Nourûz.

So heißt das iranische Neujahrsfest, das nicht nur im heutigen Iran, sondern auch im Rest der aktuellen und zum Teil auch der ehemaligen „Persophonie“ sowie allgemein unter iranischen Völkern gefeiert wird, zu denen zum Beispiel auch die Kurden gehören.

Dieses Jahr ist es am Montag soweit, und zwar schon gegen 12 Uhr mittags. Genau können Sie es zum Beispiel auf dieser Website am Countdown verfolgen:

http://www.7seen.com/

Auch wir werden natürlich wieder unser extrem deutsches (weil ziemlich nüchternes) „Haft-Sîn“ aufstellen – also die Nourûz-Tischdekoration. Sie muß sieben Gegenstände enthalten, deren Bezeichnungen mit dem Buchstaben „sîn“ beginnen. Das ist ein scharfes „s“.

Mit dem sabze habe ich dieses Jahr geschummelt und statt Getreide Kresse gezogen. Das sieht natürlich deutlich dürftiger aus, kann aber hinterher gegessen werden und wächst vor allem schneller. Ja, ich habe es mal wieder verschlafen, gleich zu Monatsbeginn auszusäen. Das aktuelle Ergebnis sehen Sie hier:

Seit 2014 habe ich zu Nourûz aber nicht nur jedes Jahr ein „Haft-Sîn“ aufgestellt, sondern auch Blogbeiträge verfaßt – zunächst über historische Hintergründe und die Bräuche. Dann habe ich aus dem ʿOmar Khayyâm zugeschriebenen Nourûz-nâme die Passage über die höfischen Feierlichkeiten im vorislamischen Iran für Sie ins Deutsche übertragen und letztes Jahr Nourûz bei den Moguln nach der Schilderung des Mogulherrschers Dschahângîr vorgestellt.

In diesem Jahr wären also entweder die Safaviden (1501-1722) oder die Ghaznaviden (977-1186) an der Reihe. Beide Herrscherhäuser haben Nourûz offiziell und mit viel Prunk begangen – die Ghaznaviden zusätzlich auch das Herbstfest  Mehrgân (zu dem auch mal ein Beitrag fällig wäre).

Nur habe ich keine griffigen Quellenpassagen zur Safavidengeschichte zur Hand, die ich Ihnen übersetzen könnte, damit Sie eine direkte Schilderung bekommen. Und die unter den Ghaznaviden anläßlich des Nourûzfestes angefertigten Verse der ghaznavidischen Hofdichter Manûtschehrî und Farrochî (st. ca. 1037/38) verlieren ein wenig an Reiz, wenn man sie ins Deutsche überträgt.

Eine Schilderung von Feierlichkeiten am Safavidenhof, wie man sie der einschlägigen Literatur entnehmen kann, habe ich, soweit ich mich erinnere, bereits in meine historischen Nourûz-Beiträge integriert.

Also belasse ich es in diesem Jahr dabei, Sie auf die älteren Beiträge zu Nourûz hinzuweisen und ein bißchen Feierstimmung zu verbreiten. Hier die Liste der älteren Beiträge:

1) Meine Nourûz-Miniserie zu Bräuchen und historischen Hintergründen:

2) Nourûz im vorislamischen Iran nach dem Nourûz-nâme

3) Nourûz bei den Moguln

Und wie üblich, wenn ich Feierstimmung verbreiten will, muß ein bißchen Musik her und ich auf YouTube zurückgreifen.

Für diejenigen, die eher sanfte Musik mit schönen Frühlingsbildern bevorzugen, hätte ich dies hier anzubieten:

Wenn Sie eher an Discomusik interessiert sind, finden Sie in diesem Mix sicher etwas Passendes. Einfach mal Vorspulen (den Anfang finde ich persönlich nicht so umwerfend, aber das ist ja bekanntlich Geschmackssache):

Falls Sie sehen und hören wollen, wie bei einer öffentlichen Nourûz-Feier in Iran musiziert und getanzt wird, schauen Sie sich doch mal dieses Video vom Grabmal des Dichters Hâfez (Hafis) in Schiras an:

Und wenn Sie eher professioneller Tanz zu Nourûz im Weißen Hause interessiert, wird Ihnen das hier vielleicht gefallen (so etwas werden wir demnächst wohl eher nicht mehr zu sehen bekommen, vermute ich):

Ich hoffe, es ist etwas Passendes für Sie dabei!

Schließlich darf zu Nourûz ein Geschenk nicht fehlen, wenn Festtagsstimmung aufkommen soll. Deshalb gibt es dieses Jahr auch eine Nourûz-Preisaktion für mein Beyhaqî-E-Book: Heute bekommen Sie es zum halben Preis. Die Links zu den Stores finden Sie hier.

Bleibt uns von der Persophonie noch, all denen, die es feiern, ein schönes Fest zu wünschen:

عید شما مبارک

Bildnachweis

Beitragsbild: Haft-Sîn
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: Hessam M. Armandehi
Lizenz: Creative Commons 3.0

Bild im Beitrag: eigenes Bild vom 17.03.2017

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Unser Blogprofil oder warum wir nicht über Politik bloggen

Im Moment habe ich Urlaub, befasse mich ziemlich intensiv mit einigen meiner Hobbies und bin dementsprechend mäßig einfallsreich. Ideale Bedingungen, um endlich zu tun, was ich schon lange vorhatte und was kürzlich ausdrücklich nachgefragt wurde: einen Beitrag zum Profil dieses Blogs verfassen.

Darüber habe ich deshalb schon länger nachgedacht, weil ich den Eindruck hatte, mein Profil auf den recht ausführlichen Vorstellungsseiten zu meiner Person reicht nicht aus, um das Profil des Blogs zu vermitteln.

Dabei entsprach das Blogprofil lange Zeit ziemlich genau meinem wissenschaftlichen Profil zuzüglich einiger „beruflicher Hobbies“ – also Themen, über die ich nicht systematisch geforscht habe, mit denen ich mich aber aus reinem Interesse befasse.

Da ich seit letztem Sommer nicht mehr allein blogge, empfiehlt es sich nun umso mehr, für Klarheit zu sorgen. Dabei besteht natürlich die Gefahr, daß wir uns zu sehr festlegen. Ein gewisses Maß an Ambiguität hat ja auch den Vorteil, Freiheiten zu schaffen.

Nehmen Sie die folgenden Ausführungen also bitte als Orientierung, wenn Sie wissen wollen, mit welcher Art von Inhalten Sie hier einigermaßen regelmäßig rechnen können. Aber bleiben Sie offen für Überraschungen.

Worüber wir bloggen

Zunächst einmal blogge ich in erster Linie über das, was mich interessiert. Sonst macht es mir nämlich keinen Spaß. Außerdem ist meine These, daß etwas, was mich interessiert, auch andere interessieren kann. Denn es muß ja etwas Interessantes dran sein, wenn ich es interessant finde. 😉

Zu diesen Dingen, die mich interessieren, gehören:

  • Geschichte – auch Ereignisgeschichte (vor allem wenn sie spannend ist und weil man sie hierzulande nicht voraussetzen kann), über mehrere Jahrhunderte hinweg; besondere Steckenpferde: das 11. Jahrhundert mit den Ghaznaviden und Beyhaqîs Geschichtswerk über Mas’ûd, mit den Seldschuken und dem Wesir Nezâm ol-Molk sowie neuerdings die Moguln (16.-19. Jh., Indien).
  • Kulturgeschichte – in dem Sinne, daß die politischen Ereignisse eher als Hintergrundfolie dienen, vor der man die Denk- und Lebensweise sowie die Welt- und Wertvorstellungen und die Gefühlswelt der Menschen verstehen lernen kann. Dazu gehört auch die Geschichte von Wissenschaften wie der Medizin und natürlich der Humor. Ich möchte aber auch immer wieder zeigen, wieso kulturhistorische Kenntnisse nicht nur interessant, sondern auch unmittelbar nützlich sind. Zum Beispiel für das Verständnis der heutigen Kultur.
  • Kultur – im oben schon erwähnten Sinne: Wissenschaft, Denkweise, Vorstellungswelten, Literatur und Kunst, aber ohne zeitliche Einschränkung. Ich blogge also durchaus auch mal über Themen der aktuellen (Alltags-)Kultur sowohl in Iran und Deutschland als auch in anderen Regionen der (ehemaligen) Persophonie oder nehme Gastbeiträge dazu auf (z.B. zu Indien oder Flüchtlingen). Das können Reiseberichte sein, Beiträge zur Musik oder allgemeine Beobachtungen und Nachrichten. Dabei richte ich mich nach meinen eigenen Interessen, Erlebnissen und Erfahrungen.
  • Islam – Als ausgebildete Islamwissenschaftlerin brennt mir gelegentlich auch mal etwas zum Thema Religion unter den Nägeln. In solchen Fällen habe ich mich auch schon in Blogbeiträgen zum Islam oder der Islamwissenschaft geäußert. Da Religion aber nicht im engeren Sinne mein Arbeitsgebiet ist, übernimmt seit letztem Sommer überwiegend Claudia Preckel diesen Part.
  • Interkulturelle Kompetenz – Claudia Preckel ist es auch, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeit als interkulturelle Trainerin mit dem Islam im deutschen Alltag, der deutschen Politik und vor allem der Vermeidung interkultureller Mißverständnisse und Tips zum besseren Miteinander mit Muslimen beschäftigt. Sie ergänzt den Blog um einen Fokus auf diesem Thema. Ich selbst trage hier nur eigene Erfahrungen und Erkenntnisse aus meiner historischen Arbeit bei (s.o. unter Kulturgeschichte).

Worüber wir nicht bloggen und warum

  • Tagespolitik – Zwar erscheint mir ein weit gefaßter Kulturbegriff, der auch die Politik einschließt, in der wissenschaftlichen Arbeit durchaus sinnvoll. Dennoch sind wir keine Zeitung, die aktuelle Ereignisse berichtet, erläutert und kommentiert – auch nicht, wenn sie im (aktuellen und ehemaligen) persischen Sprach- und Kulturraum stattfinden oder einen Bezug dazu oder zum Islam haben.
  • längerfristige politische Zustände – Auch die politische Analyse gehört nicht zu unseren Kernkompetenzen. Keine von uns ist Politikwissenschaftlerin oder Soziologin. Daher beschränken sich unsere aktuellen Beiträge auf eigene Erfahrungen und Interessen und haben meist einen Bezug zur Alltagskultur, Kunst oder Literatur.
  • Auswirkungen von Politik auf Kunst und (Alltags-)Kultur – Es kann zwar vorkommen, daß wir am Rande darauf hinweisen, aber zum Gegenstand haben wir dieses Thema bisher nicht gemacht. Und das habe ich auch für die Zukunft nicht vor.

Die wichtigsten Gründe dafür, diese Themen nicht oder höchstens beiläufig zu behandeln, sind die folgenden:

  1. Sie liegen nicht innerhalb unserer fachlichen Kernkompetenzen. Das heißt: Es gibt Kollegen, die das besser können. Also überlassen wir es denen.
  2. Nach meinem bisherigen Eindruck ist es fast unmöglich, einen iran- oder orientbezogenen Blog zu finden, der sich NICHT maßgeblich mit Politik befaßt. Wer sich also hauptsächlich dafür interessiert, sollte genügend Auswahl haben. Eine (wahrscheinlich kommentierte) Linkliste dazu wollen wir auch demnächst noch erstellen, um Ihnen die Suche zu erleichtern.
  3. Mich persönlich interessieren viele der politischen Details einfach nicht genug, um mich intensiver damit zu befassen. (Am ehesten noch der dritte Punkt.) Das trifft auf Claudia Preckel nicht in dieser Form zu. Aber sie ist hier ja nicht allein, und das Konzept des Blogs stammt von mir. 🙂

Selbstverständlich gibt es neben meinem wissenschaftlichen Profil auch noch einen anderen handfesten Grund, warum unser Blog genau das hier beschriebene Profil hat und kein anderes. Nämlich diesen hier:

Zielsetzung des Blogs

Als von Natur aus widerborstiger Mensch habe ich eine Abneigung gegen alles, was auch nur entfernt nach Mainstream aussieht – auch innerhalb der Wissenschaft übrigens. Wenn es alle interessiert, ist das schon ein Grund, warum es mich allenfalls mäßig interessieren wird. Ist ja auch langweilig, das zu tun, was sowieso schon alle anderen machen.

Ein wesentliches Ziel dieses Blogs ist es deshalb, die Leser für das zu erwärmen, was mich selbst fasziniert: Die Themen, die eben nicht überall im öffentlichen Diskurs vertreten sind. Ich möchte Ihnen also neue Themen nahebringen, die ich für interessant, wichtig oder einen zentralen Bestandteil der persischsprachigen Kultur halte. Hier sollen Sie finden, was Sie anderswo eben nicht zu lesen bekommen. So können wir auch am ehesten einen Mehrwert schaffen.

Deshalb habe ich das Profil des Blogs von Anfang an so konzipiert, wie Sie es vor sich sehen. Mir ist klar, daß wir uns damit in einer Nische innerhalb einer Nische bewegen. Deshalb haben wir nach drei Jahren noch immer keine Millionen von Besuchern.

Trotzdem wachsen die Besucherzahlen stetig an. Und das scheint mir die beste Bestätigung dafür, daß es irgendwie doch funktioniert und unser Profil attraktiv ist. Oder?

Bildnachweis

Beitragsbild: eigenes Bild (Esfahân, Meydân-e Naqsch-e Dschahân)

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Hunde am Mogulhof: Jagdgefährten und Statussymbole

In meinem ersten Gastbeitrag in der Persophonie habe ich über Hunde im Islam geschrieben: darüber, dass vor allem schwarze Hunde gefürchtet sind, Überlieferungen über Hunde im Koran und dem hadîth-Korpus und die Rolle von Hunden als Jagdhunden. Hier ist durchaus bemerkenswert, dass man Tiere, die von Jagdhunden apportiert wurden, essen darf – obwohl ja der Speichel der Hunde die Beutetiere berührt hat.

In meinem heutigen Beitrag möchte ich auf die Rolle von Hunden am Hofe der Moguln näher eingehen.

Schon alleine die Bezeichnung von Hunden am Mogulhof war durchaus interessant, die Bezeichnung lautete sag-e tâzî, was zum einen „Windhunde“ oder auch „Rennhunde“ bedeutet, zum anderen aber auch für „arabisch“ steht. Als tâzî bezeichnete man sowohl am persischen Hof als auch am Mogulhof „arabische Pferde“, also „Araber“. Einige Autoren meinen, dass die Tiere nicht unter „arabische Hunde“, sondern unter „persische Hunde“ bekannt waren – doch zum Thema, woher Hunde denn überhaupt bezogen wurden, kommen wir später.

persophonie_sloughi

Ein Blick auf die am Mogulhof vertretenen Rassen zeigt, dass die Bezeichnung „arabische Hunde“ wahrscheinlich nicht ganz verkehrt ist: so ist der Sloughi auch als „Arabischer Windhund“ oder „Tâzî“ bekannt. Diese Rasse stammt aus Marokko, hat aber nichts mit dem Saluki zu tun – obwohl das ja dem Namen nach naheliegen würde. Salukis wurden übrigens nachweislich sehr oft am Mogulhof gehalten.

Windhunde verschiedenster Herkunft bildeten wohl die Mehrheit der am Hof vertretenen Hunderassen. Besonders berühmt waren die Afghanischen Windhunde.

Bâbur (st. 1530), der erste Mogulherrscher, klagte in seiner Autobiographie, dem Bâbur-nâma, über die von ihm besetzten Gebiete Hindustâns: (Bâbur-nâma, Übersetzung von A. S. Beveridge, S. 518)

Es gibt keine guten Pferde, keine guten Hunde, keine Trauben, keine (Kantalup)Melonen oder andere exzellenten Früchte, kein Eis oder kaltes Wasser, kein gutes Brot oder gekochtes Essen in den Bazaren, keine heißen Bäder oder Kerzen.

Im Gegensatz dazu war Afghanistan, von wo Bâbur das Mogulreich ausgedehnt hatte, auch bei britischen Reisenden, Händlern und Vertretern der späteren britischen Kolonialmacht immer für seine Windhunde bekannt gewesen.

Diese Haltung finden wir auch in Abû l-Fazls Chronik Ain-i Akbarî, der Chronik der Herrschaftszeit Akbars (Ain-i Akbarî I, 301): Dort wird über Akbar und seine Einstellung zu Hunden gesagt:

Seine Majestät schätzt diese Tiere (i.e. Hunde, C.P.) wegen ihrer hervorragenden Eigenschaften sehr und importiert Hunde aus allen Ländern. Exzellente Hunde kommen aus Kabul (i.e. Afghanistan), vor allem aus dem Hazara Distrikt. Sie schmücken die Hunde und geben ihnen sogar Namen. Hunde greifen jedes Tier an, und es ist bemerkenswert, dass sie sogar Tiger angreifen! Einige von ihnen tun sich zusammen und ringen den Feind nieder!

In der Tat wurden die Hunde auch am Mogulhof mit kostbaren Halsbändern und Leinen geschmückt und trugen Namen.

Während ja in oben genannter Quelle hauptsächlich von Afghanistan und Afghanischen Windhunden die Rede ist, erfahren wir aus dem Dschahângîr-nâma, der Autobiographie von Akbars Sohn Dschahângîr (st. 1627), dass er die Hunde an seinem Hof nicht nur aus Afghanistan, sondern auch vom safavidischen Herrscher Schâh ‘Abbâs bezog. So berichtete er im Jahr 1614, dass Mustafa Beg, der Abgesandte des Schâhs, ihm Pferde, Kamele, Textilien aus Aleppo und „neun europäische Jagdhunde“ überbrachte.

An dieser Stelle des Textes gibt es auch einen Hinweis, dass es hier einen Austausch bzw. Handel mit dem Osmanischen Reich gab. Auch dort genossen Jagdhunde einen hohen Stellenwert. Besonders erwähnenswert sind Mastiffs, die im heutigen Polen, Russland und Moldavien gefangen und nach Istanbul gebracht wurden. Wahrscheinlich handelte es sich bei den oben beschriebenen neun Hunden ebenfalls um Mastiffs.

persophonie_mastiff

Dschahângîr war von europäischen Hunden besonders angetan – so bat er den Vertreter der Briten an seinem Hof, Sir Thomas Roe, darum, ihm doch bitte aus Europa „noch mehr Mastiffs, Irische Windhunde (Irische Wolfshunde??) und andere Hunde, die in Eurem Land jagen“ zu besorgen. Hier wissen wir nicht, ob Roe diesem Ansinnen nachkam.

Dschahângîr präsentierte seinerseits bei etlichen Gelegenheiten den Würdenträgern seines Reiches „arabische Hunde“ als Geschenke, auch hier sind allerdings die Hunderassen nicht näher bekannt.

Dschahângîr war dafür bekannt, dass er in seiner Autobiographie auch besondere Erlebnisse und Beobachtungen die Natur in „Hindustân“ betreffend notierte. So berichtete er über die Jagd auf Schafe und Antilopen und andere Tiere, dass es zwölf sehr schneller Jagdhunde bedurft hatte, um einen Asiatischen Steinbock niederzuringen – und selbst diese hatten einige Probleme (Dschahângîr-nâma, S. 84). Er stellte zudem fest, dass man, um die Hunde in der indischen Hitze nicht zu überfordern, im Sommer früh am Morgen oder abends mit Hunden jagen sollte (S. 86).

Beenden möchte ich diesen Blogbeitrag mit Dschahângîrs Beschreibung der Tollwut bei einem Hund – allerdings nicht bei einem seiner Hofhunde.

Ich wusste, dass jedes Tier, das von einem tollwütigen Hund (in der englischen Übersetzung „mad dog“, C.P) gebissen wird, mit Sicherheit sterben würde, aber bis dahin war das bei Elefanten nicht bekannt. In einer Nacht während meiner Herrschaft gelangte ein tollwütiger Hund in den Bereich, in dem mein persönlicher Elefant Kachi angebunden war. Der Hund biss in das Bein des weiblichen Elefanten, der die Gefährtin meines Elefanten war. Der weibliche Elefant fing sofort an zu brüllen, so dass die Elefantenwärter sofort ankamen und den Hund in das Dorngebüsch in der Nähe warfen. Ein wenig später kam der Hund jedoch zurück, diesmal zu meinem Elefantenbullen, und biss ihn ins Bein. Der Elefant trat auf den Hund und tötete ihn. Einen Monat später wurde die Elefantenkuh während des Grasens vom Blitz getroffen. Sie fing an zu brüllen, alle Glieder zitterten, und sie warf sich auf den Boden. Sie stand wieder auf, speichelte und sabberte aber die nächsten sieben Tage. Dann fing sie wieder an zu brüllen. Keine Behandlung der Elefantenwärter war hilfreich. Am siebten Tag fiel sie tot um.

Einen Monat nach dem Tod der Elefantenkuh brachte man den Elefantenbullen zum Fluss, und es war ebenfalls bewölkt und gewittrig. Der Elefantenbulle geriet ebenfalls in Rage und zeigte dieselben Erscheinungen wie die Elefantenkuh. Obwohl die Elefantenwärter ihn sofort nach Hause brachten und jegliche Fürsorge zeigten, starb er auf dieselbe Weise wie die Elefantenkuh. Das ist wirklich erstaunlich. Es ist bemerkenswert, dass einem so großen Tier durch die Wunde eines so kleinen Tieres solche Schmerzen zugefügt werden können.

Diese Beschreibung Dschahângîrs ist nicht nur an sich interessant und bemerkenswert, sondern sie zeigt auch die Unterschiede zwischen den Hofhunden und den freilebenden Hunden, die häufig in der Tat von Tollwut betroffen waren.

Zusammengefasst zeigt sich, dass Hunde am Mogulhof ein wichtiges Statussymbol waren, mit dem sich die Herrscher auch gerne porträtieren ließen. Eine Zusammenstellung einiger Malereien aus Indien sehen Sie hier in meinem Pinterest-Account:

https://de.pinterest.com/claudiapreckelg/hunde-indien/

Das Beitrags-Bild zeigt den „Mastiff von Persepolis“, ca. 550 v. Chr. – Siehe die Creativ Commons License.

Das Bild hat mich persönlich sehr beeindruckt, deshalb habe ich es als Titelbild gewählt, obwohl es ja eigentlich nicht zum Thema MOGULHOF passt.

Statue of a molosser-type dog, the Mastiff of Persepolis, from the south east tower of the Apadana of Persepolis. National Museum, Tehran, Iran.
Datetaken in 2002-05
SourceOwn work
AuthorPhilippe Chavin (Simorg)
Permission
(Reusing this file)
Own work, copyleft: Multi-license with GFDL and Creative Commons CC-BY-SA-2.5 and older versions (2.0 and 1.0)

Das zweite Bild zeigt einen Sloughi,  dieses Bild ist unter Public Domain.

Das dritte Bild zeigt ein Gemälde des Mastiffs „Lucky’s Governor“ aus dem Jahr 1869. Es ist PUBLIC DOMAIN.

Fârsî, Darî, Persisch – oder was?

Vor einiger Zeit habe ich in meinem Beitrag zur „Weltsprache Persisch“ schon ein paar Dinge zur historischen und aktuellen Verbreitung des Persischen und den nationalen Varianten gesagt. Immerhin ist der persische Sprach- und Kulturraum in seiner historischen Entwicklung – die „Persophonie“ eben – Hauptthema dieses Blogs.

Angesichts der Ausführungen meiner ehemaligen Kollegin Kira Schmidt Stiedenroth in ihrem Beitrag über die Sprachen der Flüchtlinge erscheint mir aber ein weiterer kurzer Ausflug in die Wirren der aktuellen Sprachvarianten und ihrer Herkunft hilfreich.

Mittlerweile haben sich ja anstelle des deutschen „Persisch“ die Bezeichnungen nationaler Varianten wie „Fârsî“ und „Darî“ eingebürgert und sind dadurch auch in der allgemeinen deutschen Bevölkerung bekannter geworden. Was sich aber jeweils hinter diesen Bezeichnungen verbirgt, ist weniger bekannt.

Heute will ich zunächst einmal nur ein paar Schneisen in das Gewirr schlagen, ohne gleich die ganze, recht komplizierte Geschichte der Begriffe „Fârsî“ und „Darî“ in der neupersischen Literatur nachzuvollziehen- zumal sie alles andere als geklärt ist.  Jedenfalls kommen aber beide Begriffe schon in der frühen neupersischen Literatur unter anderem als Bezeichnungen des Neupersischen vor.

Zunächst wieder ein bißchen Geschichte

Das Neupersische ist die Sprachstufe des Persischen, die sich nach der arabischen Eroberung im Zuge der langsamen Islamisierung Irans unter Benutzung des arabischen Alphabets zur Literatursprache entwickelt hat und bis heute gesprochen wird. Man unterscheidet dann wiederum eine klassische und moderne Variante. Was heute gesprochen wird, ist also modernes Neupersisch.

Wie und warum sich das Neupersische zur Literatursprache entwickelt hat, nachdem auch das Arabische bereits von den Gebildeten als Literatur- und Wissenschaftssprache übernommen worden war, ist nicht restlos geklärt. Über die fragliche Zeit etwas herauszufinden, aus der wir keine erhaltenen Schriftzeugnisse kennen, ist naturgemäß gar nicht so einfach.

Wissen sollte man vor allem, daß es das Persische auch schon in einer mittleren und alten Sprachstufe und verschiedenen Varianten gegeben hat, bevor sich das Neupersische wahrscheinlich ab dem7./ 8. Jahrhundert herausgebildet hat. Die frühesten Textzeugnisse stammen erst aus dem 9. Jahrhundert.

Der Übergang zum Neupersischen vollzog sich möglicherweise auf Grundlage einer bereits vor der arabischen Eroberung im ganzen Reich verbreiteten gesprochenen Sprache mit der Bezeichnung „Darî“, deren Verhältnis zum geschriebenen Mittelpersisch, dem Pahlavî, ebenfalls nicht leicht zu bestimmen ist, die aber wohl Elemente verschiedener Lokalsprachen und -dialekte aufgenommen hatte.

Bei der Herausbildung des Neupersischen fand auch der Wechsel zum arabischen Alphabet statt, das immerhin das bestgeeignete ist, das bisher für das Persische verwendet wurde. Im Laufe der Zeit wurde es allerdings um einige Buchstaben ergänzt, die im Arabichen fehlen (z.B. das „gâf“ für den Laut „g“).

Dieses neue Persisch wird in unterschiedlichen frühen Texten aus verschiedenen Zeiten und Regionen mal als „Darî“, mal als „Fârsî“, manchmal auch als beides („fârsî-ye darî“) bezeichnet. „Darî“ könnte sich auf den (Fürsten-)Hof beziehen, da es dem Wort „dar“ (Tür, Tor, Schwelle, Fürstenhof) nahesteht, das übrigens auch im modernen Wort „darbâr“ (Fürstenhof) vorkommt. „Fârsî“ dagegen verweist auf die südwestliche iranische Provinz „Fârs“, also auf die Persis.

Endgültige Erkenntnisse haben wir über Verwendung und Bedeutung dieser Bezeichnungen noch nicht. Sicher ist aber, daß sich das Persische zunächst im Osten des iranischen Herrschaftsbereichs zur Literatursprache entwickelte und sich erst danach in Westiran verbreitete. Soviel zur Geschichte.

„Fârsî“ und „Darî“ heute

Heute nennen die Afghanen ihr afghanisches Persisch „Darî“, während die Iraner ihre Variante des Persischen als „Fârsî“ bezeichnen. Mit „Fârsî“ ist demnach das in Iran gesprochene Persisch gemeint, mit „Darî“ die heute in Afghanistan verbreitete Variante.

Beides ist Persisch, aber dennoch gibt es Unterschiede, die es rechtfertigen, unterschiedliche Bezeichnungen zu verwenden. Meine Kollegin Kira Schmidt Stiedenroth hat schon darauf hingewiesen, daß es zwischen iranischen Dolmetschern und afghanischen Flüchtlingen durchaus zu Verständigungsschwierigkeiten kommen kann – aber nicht muß.

Das hat mehrere Gründe: Zunächst einmal sind nicht alle Afghanen Persisch-Muttersprachler. Manche sprechen von Haus aus nicht Darî, sondern Paschtu. Das ist eine andere Sprache, die in Afghanistan aber sehr verbreitet ist. Ob ein Afghane also überhaupt Darî beherrscht, hängt davon ab, aus welchem Teil Afghanistans er kommt, ob er Paschtune ist und welche Schulbildung er genossen hat.

Doch selbst Afghanen, die Darî sprechen, können sich nicht immer gut mit Iranern verständigen. Das liegt daran, daß Persisch ähnlich wie Deutsch immer schon eine polyzentrische (oder plurizentrische) Sprache mit verschiedenen Standardvarietäten war.

Was sind polyzentrische Sprachen mit mehreren Standardvarietäten?

Am Beispiel des Deutschen erklärt: Es gibt nicht nur das in Deutschland verbreitete Deutsch, sondern auch noch die österreichische und die schweizerische Variante. Je nachdem, wo man in Deutschland aufgewachsen ist, kann man das österreichische und das Schweizer Deutsch besser, schlechter oder gar nicht verstehen. Das hängt davon ab, wie ähnlich oder unähnlich der Dialekt, in dessen Umfeld man aufgewachsen ist, der jeweiligen Variante ist.

Früher gab es wohl eine Art imperiale Haltung, die das Deutschland-Deutsche gegenüber den anderen Varianten privilegierte, weil es die größte Sprechergemeinschaft aufweist. Dementsprechend wurden österreichische und schweizerische Varianten in Sprachgebrauch und Grammatik manchmal als „falsch“ empfunden und auch so eingestuft.

Mittlerweile geht man in der Sprachforschung meines Wissens aber davon aus, daß es sich um gleichberechtigte Varianten des Deutschen handelt, die unterschiedliche Standards für „richtiges Deutsch“ aufweisen, weil sie sich um unterschiedliche geographische Zentren herum entwickelt haben.

Wenn man also bei dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch statt „Mir war kalt“ die ans Französische erinnernde Wendung „Ich hatte kalt“ liest, dann ist das nicht falsch, sondern richtig im Rahmen der schweizerischen Standardvarietät des Deutschen. Nehme ich jedenfalls an.

In diesem Fall wäre also das Schweizerdeutsche die Standardvarietät, weil es mit Blick auf die sprachlichen Regeln für richtigen oder falschen Sprachgebrauch – die Standards also – vom in Deutschland verbreiteten Deutsch abweicht, also eine Varietät bildet. Dasselbe gilt dann entsprechend für das Österreicherische.

Persisch als polyzentrische Sprache

Im Persischen ist das ganz ähnlich. Schon früh gab es zum Beispiel die indische Variante des Persischen, die sich in mancherlei Hinsicht vom östlichen und westlichen Persisch unterscheidet. Heute dagegen sind die Hauptvarianten eben „Fârsî“ und „Darî“.

Dabei hat das heutige „Darî“ der Afghanen einige Ähnlichkeiten mit dem Schweizerdeutschen: Im Darî sind viele Eigenarten und auch Vokabeln des älteren (klassischen) Neupersisch enthalten, die Aussprache orientiert sich ebenfalls zum Teil an historischen Gepflogenheiten, und die Sprechergemeinschaft ist kleiner als die iranische.

Zusätzlich haben sich auch vom iranischen Standard abweichende Redewendungen herausgebildet, und manche Wörter haben eine etwas andere Bedeutung.

Dagegen dominiert das iranische „Fârsî“ die internationale Wahrnehmung des Persischen, da es über eine größere Sprechergemeinschaft verfügt und in dem Land mit der größten politischen Bedeutung in der heutigen „Persophonie“ gesprochen wird.

Dabei ist das iranische Persisch ähnlich wie das Deutschland-Deutsche „moderner“, hat also in den letzten Jahrhunderten stärkere Veränderungen erfahren als das afghanische „Darî“.

Dadurch kann es für einen Afghanen und einen Iraner schwer sein, sich miteinander zu verständigen, ähnlich wie das einem Deutschen und einem Schweizer auch passieren könnte.

Wovon hängt die Verständigung noch ab?

Einiges hängt davon ab, wie gebildet beide sind. Das iranische „Fârsî“ verfügt über eine gewisse kulturelle Dominanz gegenüber dem afghanischen „Darî“, schon weil es eine viel umfangreichere Literaturproduktion in „Fârsî“ gibt. Ein gebildeter Afghane, der schon viel auf „Fârsî“ gelesen hat, kann sich also leichter mit einem Iraner verständigen als ein ungebildeter.

Umgekehrt kann ein Iraner, der nur das heutige iranische „Fârsî“ beherrscht, einen Afghanen ohne „Fârsî“-Vorbildung nicht so leicht verstehen wie ein Iraner, der sich gründlich mit der klassischen neupersischen Literatur beschäftigt hat – also mit den Formen des Neupersischen, die seit dem 9. Jahrhundert in Schriftform vorliegen.

Dort gibt es nämlich manche Wörter und Wendungen, die im „Darî“ heute noch vorhanden sind. Historische literarische Bildung ist hier also wieder mal ein klarer Vorteil für einen Sprach- und Kulturmittler.

Aber auch die Herkunftsregion und Lebensgeschichte eines afghanischen Flüchtlings spielen eine Rolle. Wer aus der Nähe der iranischen Grenze stammt, beherrscht eher „Fârsî“ als ein Afghane aus dem Osten des Landes.

Das ist ganz ähnlich wie im Deutschen auch: Ich als Schwäbin kann mich viel leichter ins Schweizerdeutsche einhören als meine Kollegin Claudia Preckel, die in Köln und im Münsterland aufgewachsen ist, dafür aber viel besser Holländisch versteht als ich.

Natürlich sprechen auch Afghanen, die sich längere Zeit in Iran aufgehalten haben oder sogar dort aufgewachsen sind, in der Regel ebenfalls astreines „Fârsî“. Nach allem, was ich höre, trifft das gar nicht so selten zu.

Fazit

Zusammengefaßt heißt das:

  1. Persisch ist nicht immer gleich Persisch, so wie Deutsch nicht immer gleich Deutsch ist.
  2. Persisch und Deutsch haben einige Gemeinsamkeiten.
  3. Historische literarische Bildung kann bei der Verständigung innerhalb der „Persophonie“ helfen – und damit sind auch historisch ausgebildete Orientkundler klar im Vorteil, auch wenn das auf den ersten Blick nicht auffällt (übrigens nicht nur mit Blick auf die Sprache).

Ich hoffe, dieser Beitrag hilft ein wenig dabei, die „Sprach-Verwirrung“ zu klären.

Persisch ist zur Zeit im übrigen noch aus einem anderen Grund eine nützliche Sprache: Es kommen nicht nur viele Afghanen und Iraner zu uns, sondern auch irakische Kurden. Und die meisten von denen sprechen auch ganz gut Persisch.

Sie sehen: Die „Persophonie“ liegt gerade voll im Trend. 😉

Bildnachweis

Beitragsbild: Verbreitung persischer Muttersprachler heute
Quelle: Wikimedia Commons
Lizenz: Creative Commons 3.0
Urheber: ArnoldPlaton
unverändert übernommen

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Akbars Amme Mâham Anga: Mogulgeschichte im TV (Jodha Akbar)

Kürzlich bin ich in meinem Beitrag schon einma kurz  auf die  Darstellung Mâham Angas in der TV-Serie Jodha Akbar eingegangen. Heute möchte ich noch einmal auf Akbars Amme Mâham Anga eingehen, die über einen großen Einfluß am Hof Akbars verfügte.

Akbars Vater Humâyûn (st. 1556) war durch eine militärische Niederlage gegen die Sur-Dynastie gezwungen, in Persien und Afghanistan im Exil zu leben. Später gelang es dem Mogul-Herrscher, die kurze Zwischenherrschaft der Suris zu beenden und als Herrscher nach Indien zurück zu kehren. Akbars Mutter Humaida Begum lebte mit ihrem Mann im Exil und ließ Akbar bei Mâham Anga zurück.

Mâham Anga hatte insgesamt vier Söhne und eine Tochter, von denen ja vor allem Akbars Milchbruder Adham Khân eine große Rolle spielte. Als Humâyûn 1556 starb, war Akbar erst 13 Jahre alt. Die Herrschaft übernahm Bairam Khân, ein bedeutender Militärführer, der zudem mit einer Halbschwester Humâyûns verheiratet war. Er konnte seinen Einfluss dadurch vergrößern, dass er wichtige Gegner der Moguln  besiegte.

Der Sturz Bairam Khâns

Mâham Anga war jedoch nicht ohne eigenen politischen Ehrgeiz – zudem wolte sie ihren Sohn Adham Khân in eine einflussreiche Stellung bringen. Die Machtkämpfe am Hof verschärften sich mit dem zunehmenden Alter Akbars. Dieser wollte die Macht nicht mehr ausschließlich in den Händen Bairam Khâns belassen, sondern selbst als Herrscher auftreten. Mâham Anga bestärkte Akbar in seiner Absicht, Bairam Khâns Macht zu beschränken – und so brach Bairam Khân zu einer Pilgerfahrt nach Mekka auf. 1561 wurde er ermordet.

Mâham Anga hatte ihr  Ziel erreicht, sie war de facto die Herrscherin am Mogulhof und zog in finanzieller und politischer Hinsicht die Fäden und beeinflusste die entscheidenden Netzwerke des Hofes.

Einfluss und Macht

Wie nahe Mâham Anga Akbar stand, zeigt das Bild, das ich hier als Beitragsbild verwende. Es zeigt eine Illustration aus dem Akbar-nâma – genauer gesagt stellt das Bild die Hochzeit Adham Khân dar. Mâham Anga ist direkt unterhalb es Herrschers zu sehen – ein deutlicher Hinweis auf Mâham Angas Stellung am Hof. Das Bild und die Beschreibung der Hochzeit im Akbar-nâma sind insofern schon erstaunlich, als Mâham  Anga ja nicht mit dem Herrscher verwandt war.

Dann beging  Adham Khân einen Fehler. Nach der Eroberung von Malwa in Zentralindien übergab Adham Khân die Kriegsbeute nicht – wie vorgeschrieben – dem Mogulherrscher, sondern behielt zwei  junge Frauen aus dem Harem Bâz Bahâdurs für sich. Als Mâham Anga dieses herausfand, ließ sie die beiden Frauen ermorden, um Adham Khâns Verfehlung zu vertuschen.

Erst mit der Ermordung  Ataga Khâns hatte Adham Khân und damit auch Mahâm Anga das Vertrauen Akbars verspielt. Akbar tötete  Adham Khân persönlich – und Mâham Anga soll sein Handeln als richtig empfunden haben. Sie starb aber bereits kurz darauf – und ist zusammen mit ihrem Sohn in einem Grab in Mehrauli (Delhi) bestattet.

Einige Historiker, z.B. I.H. Qureshi bezeichnen Mâham Anga als gerissene, intrigante Machtpolitikerin, die auch vor Mord nicht zurückschreckte. In ihrem Buch „Indian Feminism“ schrieb Rukhsana Iftekhar, dass diese Beschreibung nicht wirklich zutreffend sei – und schließlich seien diese Verhaltensweisen bei Männern akzeptiert.

Was ist Ihre Meinung dazu?

Beitragsbild: Illustration des Akbar-nâmahs, Hochzeit von Adham Khân, Public Domain.

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Ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte

Kontakt zur Autorin: claudia (at)preckel.org

Kürzlich veröffentlicht: Ghulâm Ahmad Qâdiyânî: „Der Messias der Christen in Indien“- Zur Entstehung der Ahmadiyya-Bewegung im 19. Jh.

Seit kurzer Zeit ist es auf dem Markt: das umfangreiche Quellenhandbuch, das von vier (ehemaligen) Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum herausgegeben wurde: Björn Bentlage (Orientalistik und Islamwissenschaft, früher Bochum, jetzt Halle), Marion Eggert (Koreanistik), Hans Martin Krämer (Japanologie, ehemals Bochum, jetzt Heidelberg) und Stefan Reichmuth (Orientalistik und Islamwissenschaft, Bochum) haben zahlreiche Quellentexte aus dem späten 19. Jahrhundert zusammengetragen, die die zunehmenden Verflechtungen von Handel, Politik und Kultur zwischen Asien, dem Nahen Osten und Europa belegen.

Die teilweise erstmals ins Englische übersetzten Texte stammen von bekannten und weniger bekannten Autoren, die über ihre eigene Religion und den Kontakt (manchmal auch die Konfrontation) mit „fremden“ Religionen nachdenken – zu einer Zeit, die von Imperialismus und Kolonialismus geprägt war.

Heute möchte ich Ihnen gerne meinen eigenen Beitrag vorstellen, der den Titel trägt: „Ghulâm Ahmad al-Qâdiyânî: der Messias der Christen – Friede sei mit ihm – in Indien – (Qadian, 1908)“. Der Beitrag ist in englischer Sprache, und ich habe Einleitung und Übersetzung des Textes zusammen mit Jonathan Korbel geschrieben.

Bereits in meiner Dissertation über die Ahl-e-hadîth-Bewegung habe ich mich mit der Ahmadiyya-Bewegung im Islam beschäftigt, denn die beiden im Indien des späten 19. Jahrhunderts entstandenen Reformbewegungen des Islam standen sich sich im religiösen Diskurs scheinbar  völlig unversöhnlich gegenüber. Sowohl die Ahmadiyya als auch die persische Bewegung der Baha’i, die im selben Zeitraum entstand, gerieten in Konflikt mit dem „sunnitischen Mainstream“ ihrer Zeit.

Im Fall der Ahmadiyya begründete sich dieses auf den religiösen Ansprüchen des Gründers Mîrzâ Ghulâm Ahmad Qâdiyânî (1835-1908) und seiner Interpretation der klassischen islamischen (sunnitischen) Endzeit-Lehre.

mirza_ghulam_ahmad_persophonie

Letztere möchte ich einmal ganz kurz zusammenfassen: Nach sunnitischer Vorstellung ist der Tod Muhammads für die islamische Gemeinschaft (umma) ein einschneidendes Erlebnis. Danach wurde die umma gespalten und geht auf die Endzeit zu. Zwar gibt es an der „Spitze eines jeden Jahrhunderts“ einen „Erneuerer“ (mudschaddid) des Glaubens, jedoch ist das Ende der Welt unabwendbar – die Frage ist nur, wann es soweit ist.

Nach dem mudschaddid tritt eine weitere wichtige Figur im Endzeitdrama auf: der mahdî, der „Rechtgeleitete“. Er übernimmt die militärische Führung im Kampf gegen Gog und Magog (Ya’dschûdsch wa-Ma‘dschûdsch) und schließlich gegen den „Antichristen“ (dadschdschâl).Ich verwende hier den christlichen Begriff, um eine Vorstellung des ansonsten nur schwer zu übersetzenden Ausdrucks  zu vermitteln. Unterstützung erhält der mahdî vom erwarteten Messias (masîh al-mau‘ûd), der nach sunnitischer Vorstellung identisch mit Jesus (Îsâ‘ b. Maryam) ist. Nach dem Kampf gegen den dadschdschâl errichten sie ein Reich des Friedens, das, je nach Interpretation, 100 oder 1000 Jahre dauert. Nach dem endgültigen Untergang der Welt werden die Menschen dann ins Paradies oder in die Hölle gelangen…

Zum Ende des 19. / zu Beginn des 20. Jahrhundert gab es  viele Prophezeiungen zum nahenden Weltende. Mîrzâ Ghulâm Ahmad Qâdiyânî trat aus der Menge dieser Prophezeiungen deutlich hervor. Zunächst erklärte er, dass er selbst ein mudschaddid, ein „Erneuerer der Religion“, sei – ein Anspruch, der wie gesagt zu dieser Zeit zwar umstritten, aber nicht ungewöhnlich war.

Als besonders problematisch wurde von den Sunniten Ghulâm Ahmads Interpretation der Rolle Jesu empfunden. Ich hatte ja in diesem Blog schon mehrfach über die Rolle von Jesus im Islam geschrieben: nach sunnitischer Vorstellung wurde Jesus nicht gekreuzigt, sondern von Gott vor der Kreuzigung bewahrt und lebendig (hayyan) in den Himmel gehoben. Im Zuge der Endzeit wird er vom Himmel herabsteigen und den mahdî bei seinem Kampf gegen das Böse unterstützen. Die christliche Lehre von Kreuzigungstod und Wiederauferstehung Jesu wird abgelehnt.

Ghulâm Ahmad erklärte nun, dass der mahdî und der Messias ein und dieselbe Person seien – und zwar NICHT Jesus. Aus vielen seiner Werke lässt sich ableiten, dass Ghulâm Ahmad für sich selber beanspruchte, der mahdî und der Messias in einer Person zu sein. Dieses verstieß nach Meinung vieler islamischer Theologen gegen die Lehre vom Siegel der Propheten: Muhammad war der letzte in der Reihe der Propheten, nach ihm konnte und kann es niemals mehr einen Propheten geben.

Doch wie interpretierte Ghulâm Ahmad nun die Rolle Jesu? Was geschah mit Jesus? Der Titel dieses Beitrages verrät es schon: Ghulâm Ahmad betrachtete Jesus nicht als den Messias des Islam – sondern als Messias der Christen, der in Indien gelebt hatte.

Jesus habe, so Ghulâm Ahmad, die Kreuzigung überlebt, da die Effekte der Kreuzigung nicht stark genug gewesen seien. Mit Hilfe eines Marham ar-rusul („Balsam der Propheten“), das auch heute noch in der Unani Medizin bekannt ist, habe Jesus seine Kreuzigungswunden geheilt. Dann habe er sich mit einigen seiner Jünger auf eine lange Wanderschaft begeben und sich schließlich in Indien niedergelassen. Im römischen Reich sei sein Leben schließlich in Gefahr gewesen.

jesus_indien_persophonie

Jesus habe dort als Prediger gelebt und zudem die Verlorenen Stämme Israels wiedervereinigt. Im Alter von über 120 Jahren sei Jesus schließlich in Indien gestorben und in Srinagar, der Hauptstadt Kaschmirs, bestattet. Dieses sei, so Ghulâm Ahmad, durch die Legenden vor Ort hinreichend belegt.

In der Tat gibt es in Srinagar einen großen Schrein mit dem Namen Rozabal, der als Grab von „Yuz Asaf“ gilt. In den lokalen Überlieferungen, die im Laufe der Zeit auch schriftlich niedergelegt wurden, vermischen sich hier Legenden und Traditionen zur Interpretation von Yuz Asaf, Jesus und Buddha.

Diese Pluralität der Überlieferungen erleichterte Ghulâm Ahmad auch die Neu-Interpretation der Legenden von Jesus in Indien.

Wir haben die Einleitung der ARABISCHEN Version des Buches „Jesus in Indien“ (Masîh an-nasâra fî l-Hind) verwendet, das in dieser Form 1908 erschienen ist – jedoch gab es ganze Kapitel bereits in Urdu. An der Einleitung fanden wir besonders interessant, dass sich Ghulâm Ahmad sehr deutlich gegen einen dschihâd als Angriffskrieg der Muslime wandte. Hier lehnte er theologische Rechtfertigungen eines dschihâd gegen die Briten ab – so, wie sie von anderen islamischen indischen (und afrikanischen) Bewegungen gegeben worden waren. Mit seinen theologischen Vorstellungen widersprach Ghulâm Ahmad hier sowohl der Mehrheit der sunnitischen Muslime als auch den Christen im kolonialen Indien seiner Zeit.

Außerdem fand ich sehr spannend, dass sich auch  Ufologen wie Andreas Faber-Kaiser (st. 1994) und Erich von Däniken mit Jesus in Indien beschäftigten!

Das Bild von Ghulâm Ahmad Qâdiyânî untersteht der Wikimedia Commons License 2.0

Das Buch „Jesus in India“ kann in vielen Sprachen auf der Offiziellen Website der Ahmadiyya-Bewegung heruntergeladen werden: https://www.alislam.org/

Feiern wir die Feste, wie sie fallen: Statistikparty!

Letzte Woche hat mich meine Blogpartnerin Claudia Preckel darauf aufmerksam gemacht, daß wir in diesem Jahr bereits im Januar über 1.000 Aufrufe zu verzeichnen hatten. Sie meinte, das sollten wir mit einem gesonderten Beitrag würdigen.

Ich fand zwar zunächst, daß erst 1.000 BESUCHER in einem Monat ein richtiger Anlaß zum Feiern wären. Aber dann dachte ich: Warum nicht auch Etappensiege gebührend begehen? Immerhin hatten wir im Januar schon 698 Besucher, und niemand hindert uns daran, den ersten Monat mit 1.000 Besuchern auch zu feiern, wenn es einmal soweit ist.

Wir nehmen also dieses schöne Januarergebnis zum Anlaß, diese Woche hier eine kleine digitale Party zu geben. Und bei der Gelegenheit bekommen Sie auch gleich noch die Daten für 2016 und das Ergebnis unserer Umfrage vom Jahresbeginn.

Aber jetzt erstmal:

Das Japanische Feuerwerk 2007 in Düsseldorf

Das Japanische Feuerwerk 2007 in Düsseldorf

PARTY!

Wenn Sie gern tanzen, versuchen Sie es mal mit dieser sehr rhythmischen sogenannten bandarî-Musik. Hier zum Beispiel:

Wer es lieber mystisch mag und ein bißchen Geduld mitbringt, hat vielleicht auch hieran Freude:

Und für die Comedy-Fans habe ich einen meiner Lieblingstracks des halbiranischen Österreichers Michael Niavarani herausgesucht:

Blogerfolge 2016

Jetzt kommen wir zu einem weiteren Anlaß zum Feiern. Wie schon im Beitrag zum Jahresbeginn erwähnt, haben sich die Zahlen unserer Blogbesucher und -aufrufe von 2015 auf 2016 fast verdoppelt!

Da es dieses Jahr entweder keine Jahresrückschau von WordPress gegeben hat oder ich sie übersehen habe, habe ich Ihnen das Balkendiagramm einfach mal als Bildschirmfoto festgehalten. Sie bekommen also doch noch etwas fürs Auge:

Blogstatistik nach Jahren mit den Daten von 2016

Blogstatistik nach Jahren mit den Daten von 2016

Im Schnitt hatten wir also 2016 schon gut 400 Besucher im Monat. Der Balken von 2017 kann sich für Anfang Februar auch schon sehen lassen. Ob wir es dieses Jahr schaffen, die Zahlen nochmal zu verdoppeln? Was meinen Sie?

Was ich aber noch viel spannender finde als den Besucherzuwachs ist die geographische Verteilung unserer Besucher. Zwar kommen bei weitem die meisten Besucher aus dem deutschen Sprachraum, und das ist bei einem deutschsprachigen Blog ja auch beabsichtigt. Aber 2016 haben uns zumindest gelegentlich Menschen fast aus der ganzen Welt einen Besuch abgestattet:

Blogbesucher 2016 nach Ländern

Blogbesucher 2016 nach Ländern

Sehen Sie das? Wir hatten nicht nur Klicks fast vom gesamten amerikanischen Kontinent, sondern auch aus China und Saudi-Arabien! Aus Iran hatten wir leider keine Besucher. Könnte daran liegen, daß WordPress.com dort gesperrt ist.

Umfrageergebnisse

Schließlich möchten wir Ihnen natürlich auch die Auswertung unserer kleinen Umfrage vom Jahresbeginn nicht vorenthalten:

  • Sowohl das neue Blogdesign als auch die interkulturellen Themen kommen bei den meisten Umfrageteilnehmern gut an.
  • Mehr Beiträge wünschen sich die Teilnehmer vor allem zum Thema persische Sprache und Literatur (ist in Arbeit), aber auch zu islamwissenschaftlichen Themen. Das freut uns natürlich beide.
  • Mehr Beiträge über Witze und Humor wollen auch einige Umfrageteilnehmer lesen.
  • Die Themen Medizingeschichte, Moguln sowie Körper und Sexualität interessieren zwar, gefallen aber nicht so vielen Umfrageteilnehmern.

Das sind wichtige Hinweise für uns. Ganz herzlichen Dank an alle Umfrageteilnehmer! Da Sie zu den engagiertesten Lesern gehören, werden wir uns Mühe geben, Ihre Interessen in Zukunft noch besser zu bedienen.

Eine weitere Aufgabe wird es sein, uns zu überlegen, wie wir in Zukunft noch mehr Leser zur Teilnahme an unseren Umfragen motivieren können, damit sie repräsentativer werden.

Da demnächst die Vorlesungszeit zu Ende geht, werde ich auch bald wieder mehr Zeit für Blogbeiträge haben und kann dann ein paar Versprechen einlösen.

Bis dahin!

Bildnachweis

Statistikbilder:
eigene Screenshost der WordPress.com-Stastistikseiten

Beitragsbild:
The Adicts im SO36
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: Libertinus
Lizenz: Creative Commons 2.0
unverändert übernommen

Bild vom Japanischen Feuerwerk:
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: Ruben Wisniewski
Lizenz: Creative Commons 3.0
unverändert übernommen

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Mogulgeschichte als TV-Ereignis: Jodha Akbar

Kürzlich stieß ich beim Zappen auf dem Bollywood-TV-Sender Zee.One auf eine Serie, die nun auch in deutscher Synchronisation anläuft: Jodha Akbar. Da ich ja bereits den Film Jodhaa Akbar (2008) von Ashutosh Gowariker mit Begeisterung gesehen und mit Studenten besprochen hatte, habe ich gleich mehrere Folgen der 566-teiligen (!!) Serie Jodha Akbar (2013-2015) angeschaut.

Trailer von Jodha Akbar (Deutsch)

Sowohl Film als auch Serie beschreiben die Ehe der Rajputen-Prinzessin Jodha und des Mogulkaisers Akbar, der das Mogulreich von  1556 bis 1605 beherrschte. Die Interpretation der Geschichte des Mogulreiches scheint schon beim Betrachten des Trailers klar: der Mogulherrscher Akbar,

 ist ebenso grausam wie kaltblütig,

  • jedoch:

Eine Frau hat es in der Hand, das Ungeheuer zu zähmen, denn sie besitzt eine Macht, die stärker ist als die seine.

Wer war nun diese Frau, die diese „Bestie“ Akbar „gezähmt“ hat?

Jodha – Maryam uz-Zamânî

Schaut man in die bekannten (Auto-)Biographien der Mogulherrscher, wie etwa in das Akbar-nâma oder in das Jahângîr-nâma, so finden sich dort keine Hinweise auf „Königin Jodha“ . Viele Historiker meinen, dass sie den Beinamen Jodha bekommen hatte, weil sie aus Jodhpur stammte, doch das ist ungeklärt.

Die vorherrschende Meinung ist, dass sie die Tochter von Raja Bhagmal aus Amber/Amer war. Nach ihrer Heirat mit Akbar erhielt sie – als Hindu – den muslimischen  Titel Maryam uz-Zamânî, was „Maria ihrer Zeit“ bedeutet. Im Weihnachtsspecial 2016 hatte ich ja darauf hingewiesen, dass Maria als Mutter Jesu (‚Îsâ‘ b. Maryam) einen hohen Stellenwert im Islam genießt.

Doch zurück zu Jodha: Auch zu Jodhas eigentlichem Namen gibt es unterschiedliche Versionen: so soll ihr Name Harka Bai, Heer Kunwari oder Hira Kunwari gewesen sein, doch auch zu diesen Namen finden sich keine Angaben in den Herrscherbiographien.

Sicher ist, dass sie als  Rajputen-Prinzessin 1562 im Alter von 20 Jahren mit dem gleichaltrigen Akbar verheiratet wurde. Diese Heirat war  eine politische Allianz zwischen den hinduistischen Rajputen-Fürsten und dem muslimischen Mogulherrscher, der sich dadurch einen weiteren Ausbau seines Herrschaftsbereiches in Nordindien erhoffte – und ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Rajputen. Dieses Ziel wurde zumindest teilweise erreicht:

So zählten ihr Bruder und ihr Neffe später zu den einflussreichen Ratgebern am Hof Akbars. Als Maryam uz-Zamânî 1623 mit über 81 Jahren starb, zählte sie immer noch zu den wichtigsten Frauen des Mogulhaushaltes.

Intrigen im Harem

Maryam uz-Zamâni war eine der drei Hauptfrauen Akbars und dadurch von besonderer Bedeutung, dass sie die Mutter Salîms, des späteren Herrschers  Jahângîr (reg. 1605-1627), war. Jodha Akbar zeigt das angespannte – von Hofintrigen geprägte – Verhältnis zwischen Jodha und Ruqaiya Sultân Begum (st. 1626), der Cousine und ersten Frau Akbars.

Richtig ist die Darstellung der Serie, dass Ruqaiya Zeit ihres Lebens kinderlos blieb – ob es jedoch die in der Serie gezeigte,  von Akbars Amme Maham Anga angezettelte Intrige war, die dazu führte, dass Ruqaiya durch den Saft des Stechapfels eine Fehlgeburt erlitt, sei erst einmal dahin gestellt.

In der Serie wird Maham Anga durch Jodha entlarvt, kann jedoch glaubhaft machen, dass vielmehr eine Doppelgängerin von ihr für diese Tat verantwortlich  war. Maham Anga und ihr Sohn Adham Khân, Akbars „Milchbruder“, genießen weiterhin das Vertrauen des Herrschers – zumindest bis zu ihrer Hinrichtung 1562…

Sowohl Ruqaiya als auch Maryam uz-Zamânî waren am Hof extrem einflussreich und konnten Akbar auch in politischen Angelegenheiten beraten.  Jodha durfte sogar unter ihrem eigenen Namen Erlasse veröffentlichen. Zudem standen einige Handelsschiffe sowie Pilgerschiffe nach Mekka unter ihrer Patronage. Maryam uz-Zamânî war zudem die einzige Frau am Hof, die über eigene Truppen verfügte, die sie dem kaiserlichen Heer zur Verfügung stellte.

Die Frage der Religion(en)

In der Serie Jodha Akbar wird immer wieder hervorgehoben, dass Akbar seiner Frau erlaubte, ihren Glauben als Hindu weiterhin zu praktizieren. Jodha wird gezeigt, wie sie hinduistische Tempel aufsucht.

Bei der Feier des Holi-Festivals, des Festivals der Farben, empört sich in einer Szene der Serie Maham Anga darüber, dass Jodha ihr (Maham Angas) Gesicht mit Farbe beschmutzt  – und damit die Religion des Islam verspottet habe. Jodha erhält dennoch die Erlaubnis, die hinduistischen Feste weiter zu feiern.

Eines ist deutlich: dem Beispiel Akbars, hinduistische Frauen zu heiraten, also zu ihren Hauptfrauen zu machen, folgten später viele mulimische Herrscher Indiens. Maryam uz-Zamânî gilt auch für Akbars tolerante Religionspolitik als prägend.

Die Darstlellung Jodhas in der Serie „Jodha Akbar“ ist vor allem unter Historikern, die sich mit der Geschichte der Rajputen beschäftigen, sehr umstritten. In Indien wird nicht erst seit 2008 darüber diskutiert, ob es überhaupt eine Rajputen-Prinzessin gab, die einen Mogulherrscher heiratete. Die Frage der Religionszugehörigkeit spielt bei diesen Interpretationen eine wichtige Rolle.

Man könnte noch einiges über diese Serie und Maryam uz-Zamânî und die anderen dargestellten Personen schreiben, doch das werde ich in anderen Beiträgen machen.

Eines noch: es ist interessant, dass die „Liebesgeschichte“ von Jodha und Akbar von den Machern der Serie als die

größte Liebesgeschichte aller Zeiten

vermarktet wird. Diese Bezeichnung ist für gewöhnlich der Geschichte Schâh Dschahâns und Mumtâz Mahalls vorbehalten – die ja zum Bau des Tâj Mahalls führte….

Sind wir also auf die weitere Inszenierung der Geschichte von Jodha Akbar gespannt. Die historischen Quellen, ob frei interpretiert oder nicht, geben in jedem Fall mehr als genug Material her! Also unbedingt anschauen!

Das Beitragsbild ist ein abfotografiertes Bild eines Souveniers, das ich 1999 in Delhi gekauft habe. Es zeigt  eine bekannte Miniatur (auf Bananenblatt) von Jodha und Akbar.

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Ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte