Salîm und Anarkalî – Grausige Liebesgeschichte oder nur eine Legende?

 

Dass Konflikte zwischen Vater und Sohn sehr unschön eskalieren können, hat schon das Beispiel von Ödipus in der griechischen Tragödie gezeigt. Unzählige Beispiele in der realen Geschichte oder der fiktionalen Literatur demonstrieren, dass Vater-Sohn-Konflikte an einem Fürstenhof sogar in einem Krieg enden können – Akbar und sein Sohn Salîm, der spätere Mogulkaiser Jahângîr, waren eines dieser Beispiele.

Einer der berühmtesten Filme Bollywoods (wie ich meine: DER beste Film Bollywoods überhaupt), nämlich Mughal-e Azam (Regie: K. Asif), macht für die kriegerischen Auseinandersetzungen eine Frau verantwortlich: Anârkalî.

Mughal-e ‘Azam

Hier ist die Handlung des großartigen Filmes aus dem Jahr 1960: Der Mogulkaiser Akbar (Prithviraj Kapoor) hat alles, was ein Mensch haben möchte: Geld, Macht, mithilfe eines fähigen Militärs und einer effektiven Verwaltung herrscht er über ein großes Reich. Doch eine Sache fehlt ihm: ein männlicher Erbe. Mit seiner rajputischen Ehefrau Jodha Bai (Durga Khote) macht Akbar sich auf zu einer Pilgerfahrt zu Salîm Chishtî. Jodha wird tatsächlich schwanger und verbleibt bis zur Geburt des Sohnes bei Salîm Chishtî. Von einer Dienerin erfährt Akbar in Agra von der Geburt seines Sohnes, den er zu Ehren Salîm Chishtî Salîm nennt. Der Dienerin übergibt Akbar aus Freude über die Nachricht einen Ring und das Versprechen, eines Tages einen Wunsch freizuhaben.

Jahre später ist aus Salîm (großartig: Dilip Kumar) ein selbstsüchtiger, Alkohol und Opium konsumierender Kronprinz geworden. Akbar missfällt das Verhalten seines Sohnes. Er betraut ihn mit einer großen militärischen Mission. In der Tat ist Akbars Plan erfolgreich: Saliîm ist erwachsener und verantwortungsvoller geworden, als er an den Hof nach Agra zurückkehrt. Doch dann entdeckt er Anârkalî (noch großartiger: Madhubala), eine der Kurtisanen und Tänzerinnen von Akbars Harem. Er beginnt eine Beziehung mit Anârkalî (wörtlich: die Blüte des Granatapfels), wodurch er ein direkter Konkurrent seines Vaters wird. Salîm möchte Anârkalî heiraten, doch Akbar verbietet dieses. Daraufhin erklärt Akbar seinem Vater den Krieg – den er allerdings verliert. Akbar verurteilt seinen Sohn zum Tode. Anârkalî bietet Akbar an, sich für Salîm zu opfern, allerdings unter der Bedingung, dass sie als Akbars (angebliche) Ehefrau mit ihm eine letzte Nacht verbringen darf. So geschieht es: Anâkalî verabreicht Salîm Opium, verbringt eine Nacht mit ihm. Kurz bevor das Todesurteil vollstreckt wird, wird Akbar daran erinnert, dass er Anârkalîs Mutter ein Versprechen gegeben hat. Im letzten Moment entkommen Anârkalî und ihre Mutter. Sie leben ihr Leben außerhalb des Mogulreiches, ohne jemals wieder in Kontakt mit Salîm zu treten.

Geschichte oder Fakten?

Der Film beruht auf einem Theaterstück, das bereits 1922 von Imtiâz ‚Alî Tâj geschrieben wurde. Der berühmte Dichter ‚Abdul Halîm Sharâr (st. 1926) schrieb die Geschichte von Anârkalî erstmals auf.

Gibt es eigentlich Fakten, auf denen Geschichte, Theaterstück und Film beruhen? Ist eine historische Figur mit dem Namen Anârkalî bzw. Nadîra oder Sharaf un-Nisâ‘, wie ihr eigentlicher Name gewesen sein soll, belegt? Ganz klar: NEIN!

In den persischen Quellen, das heißt den Memoiren Akbars oder Jahahângîrs, finden sich absolut keine Hinweise auf die Anârkalî-Legende.

Es gibt nur einen Hinweis auf die Anârkalî-Geschichte: das Grabmal von Anârkalî in Lahore. Dieses wird vom Historiker Syad Muhammd Latif in seinem Buch Lahore: Its History, Antiquities and Remains von 1892 ausführlich beschrieben. Aber auch Latif nennt keine persischen Original-Quellen. Für ihn ist die persische Inschrift im Grabmal genug Beweis für die Legende, die im Übrigen von zwei britischen Reisenden überliefert wurde. Die Inschrift ist ein Vers von „Salîm Akbar“, der sich als Majnûn „(Liebes-)Verrückt bezeichnet. Der Vers lautet in deutscher Übersetzung:

Ah! Wenn ich das Gesicht meiner Geliebten noch einmal sehen könnte, würde ich dem Allmächtigen Gott bis zum Tag des Jüngsten Gerichtes danken.

Insgesamt beschreiben Historiker mehrere mögliche Varianten der Anarkalî-Legende, die alle weder bestätigt noch ausgeschlossen werden können.

  • Anârkalî war nicht nur eine einfache Kurtisane und Tänzerin, sondern sogar die Mutter von Salîms Halbbruder Daniyâl. Diese Variante ist unwahrscheinlich.
  • Anârkalî wurde lebendig in den Mauern des Forts von Lahore eingeschlossen und starb. Salîm ließ voller Verzweiflung das Grabmal errichten.
  • Anârkalî konnte aufgrund der Bitten ihrer Mutter entkommen und lebte außerhalb des Mogulreiches, ohne jemals wieder Kontakt zu Salîm haben.
  • Anârkalî floh mit ihrer Mutter aus dem Mogulreich. Nach Akbars Tod im Jahr 1605 holte Salîm, nun Jahângîr, Anârkalî aus dem Exil und gab ihr als Nûr Mahal (Licht des Palastes) bzw. Nûr Dschahân (Licht der Welt) eine neue Identität.

Aber wie gesagt: Es gibt wieder einmal keine Beweise für die eine oder andere Variante. Das ist aber nicht relevant, um diesen tollen Film und natürlich auch die Serie Jodha Akbar weiter zu schauen!

Die Legende ist wieder ein Beweis, warum es so schwierig ist, über Mogulgeschichte zu bloggen!

Hier gibt es einen Überblick über alle Beiträge zur Mogulgeschichte.

Das Beitragsbild zeigt Jahâhgîr mit einem Porträt seines Vaters Akbar, der die Welt in den Händen hält. Das Bild ist aus den 1640er-Jahren und unterliegt der Wikimedia Commons License.

Warum es so schwierig ist, über Mogulgeschichte zu bloggen

In den vergangenen Monaten haben wir hier viel zu Themen rund um die Bollywood-Serie Jodha Akbar gebloggt, was uns beiden immer sehr viel Spaß macht, da wir selbst viel zum Thema an der Ruhr-Universität Bochum gelehrt und geforscht haben. Auch von unseren Studentinnen und Studenten ist häufig die Frage gestellt worden, warum wir viele Widersprüche in den Quellen bis heute nicht klären können. Hier sind einige Antworten. Da diese doch sehr umfangreich sind, muss ich auch diesen Blogpost in mehrere Teile aufgliedern.

Voranschicken möchte ich, dass ich selbst seit 1999 über verschiedene Themen in Indien forsche, vor allem über das 19. Jahrhundert. Ich musste feststellen, dass einige der genannten Schwierigkeiten ALLE Forschungsthemen in Indien betreffen.

Die Verfügbarkeit der Quellen

Wenn man die Biographie Akbars nachzeichnen möchte, stehen einem aus dem Umfeld des Mogulhofes die folgenden Quellen zur Verfügung:

Fakten zu Kindheit und Jugend Akbars finden sich im Humâyûn-nâma, das von Akbars Tante Gulbadan Begum (st. 1603) aufgezeichnet wurde. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich um die Biographie des zweiten Mogulherrschers Humâyûn (st. 1556), also Akbars Vater. Wir erfahren aber natürlich auch sehr viel über Bâbur und Humâyuns Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Kamrân Mîrzâ und Sher Shâh Sûrî und die Umstände, die dazu führten, dass Akbar nicht bei seinen Eltern aufwuchs, sondern von Mahâm Anga und Bairam Khân erzogen wurde. Da Gulbadan selbst zur Herrscherfamilie gehörte, ist es relativ klar, dass viele Konflikte und Familiengeheimnisse nicht erwähnt wurden. Das Manuskript des Humâyûn-nâma war verschollen, bis es in der Sammlung von Colonel Hamilton in der British Library aufgenommen wurde. Es wurde von Anne Beveridge ins Englische übersetzt und somit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Akbar selbst ließ eine Herrscherchronik aufzeichnen, die in drei Teilen erschien. Das als Akbar-nâma bekannte Werk wurde von Abu l-Fazl (st. 1602) verfasst, der zu den neun Juwelen am Hof Akbars gehörte. Vor allem der dritte Teil, der als ‚Ain al-Akbarî bekannt wurde, informiert uns über den Hof und die Verwaltung Akbars.

Auch das Manuskript des Akbar-nâma befindet sich heute in Großbritannien, und zwar im Victoria and Albert Museum. Die Illustrationen wurden aus dem Manuskript gelöst und wurden einzeln gezeigt. Das Akbar-nâma liegt ebenfalls in englischer Übersetzung vor.

Ein weiteres Werk unter dem Titel Akbar-nâma wurde von Faizî Sirhindî verfasst. Dieses basiert allerdings auch größtenteils auf Abu l-Fazls Werk. Eine weitere Akbar-Biographie, die bei der Schilderung Akbars im Widerspruch zu Abu l-Fazls Werk steht, soll im nächsten Teil dieses Blogs im Mittelpunkt stehen.

Die genannten Ausführungen sollten deutlich gemacht haben, dass die Geschichte der Manuskripte der Mogulgeschichte mit der britischen Kolonialgeschichte eng verknüpft ist. Wer also als Historiker über das Mogulreich forschen möchte, muss sich nach Großbritannien begeben.

Die blutigen Auseinandersetzungen des Jahres 1948, die zum Ende der Kolonialzeit und zur Entstehung der Staaten Indien, Pakistan und Bangladesch führten, waren ebenso nicht förderlich für eine Sicherung der Manuskripte und der Erstellung einer ausgewogenen Geschichtsschreibung.

Weitere Probleme, die mit den oben genannten zusammen hängen, ist der Zustand der indischen Bibliotheken. Aufgrund der klimatischen Bedingungen ist eine sachgerechte Aufbewahrung der Quellen sehr schwierig. Nur wenige Bibliotheken haben die Digitalisierung ihrer Bestände in Angriff genommen. Dieses wäre jedoch sehr wichtig, um das kulturelle Erbe zu bewahren.

Geschichte der Frauen und Kinder? Fehlanzeige

Nur sehr am Rande werden in den Quellen der Mogulgeschichtsschreibung Frauen überhaupt erwähnt. Dieses ist keineswegs ein Phänomen islamischer Geschichtsschreibung – es war bzw. wäre (ohne dass ich aus Erfahrung spreche) ebenso schwierig, die Geschichte der Frauen und Nachkommen deutscher Dynastien des 15./ 16. Jahrhunderts lückenlos zu dokumentieren. Europäische Reisende waren vom Harem fasziniert – Schilderungen des Harem reichen von Empörung über die Anzahl der Frauen des Harem, ihre Unterdrückung bis zur Faszination über Exotik und Erotik schöner Frauen – wie sie sich in der Malerei des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Die meist unbekleidete und ebenso willenlose orientalisch Haremsdame, die darauf wartet, in das Gemach des Herrschers gerufen zu werden, beschäftigte europäische Betrachter.

Doch wie ist es überhaupt möglich, aus den Quellen Erkenntnisse über den Harem zu ziehen? Ich hatte ja schon in einigen Beiträgen davon gesprochen, dass es am Hof verschiedene Fraktionen gab, die mehr oder minder miteinander konkurrierten: die turk-stämmigen, die iranischen oder die rajputischen. Gerade die Vergabe des Amtes der Amm war wichtig und stärkte die eine oder andere Gruppe.

Schaut man auf Akbars Hof, so wurde zunächst die Gruppe der turkstämmigen Hofmitglieder gestärkt (Bairam Khân, Atga Khân), dann die persische Elite oder die sufisch orientierte Gruppe der indischen Muslime um Salîm Chishtî.

Trotz erster detaillierter Untersuchungen zum Mogul-Harem durch Autoren wie Ruby Lal gibt es hier noch sehr viel zu forschen.

Vielleicht werden in Bibliotheken und Archiven auch noch weitere Werke entdeckt, die zur Erforschung des Harem beitragen können.

HIER ist ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte.

Das Beitragsbild zeigt eine Kriegsszene aus dem Akbar-nâma, in der Akbar auf einem Elefanten einen Gegner verfolgt- das Bild unterliegt der Wikimedia.Commons License.

Golestan Palast der Palast der Blumen

Heute bekommen Sie ein paar Bilder und Reiseimpressionen, die ich selbst Ihnen nicht bieten kann. Ich habe mich nämlich nie lange genug in Teheran aufgehalten, um die dortigen Paläste begutachten zu können. Deshalb greife ich auf einen Beitrag aus einem anderen Blog zurück.

Nur zwei Anmerkungen dazu: „Golestân“ heißt in der Tat „Rosengarten“. „Gol“ (türkische Variante: gül) ist die Rose, „-estân“ ein Ortssuffix. Und die etwas schwammige Bezeichnung „alte persische Herrscherfamilie“ bezieht sich auf die danach erwähnte Kadscharendynastie, die Iran vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert beherrschte. Es handelt sich um die Vorgängerdynastie der Pahlavîs, also um die vorletzte Königsdynastie. Im übrigen ist „persische Herrscherfamilie“ natürlich falsch. Die Kadscharen waren nämlich, wie viele Herrscher Irans, keine Perser. Zum Thema „iranisch“ und „persisch“ muß ich aber mal einen eigenen Beitrag verfassen.

Für heute wünsche ich Ihnen viel Spaß mit den Bildern vom Golestân-Palast!

Auf den Spuren der Moguln

Wenn ich es recht sehe, sind heute wieder die Moguln dran. Nur bekommen Sie dieses Mal einen Beitrag von einem anderen Blog zu lesen. Ich finde, der hier ist ganz flott geschrieben und vor allem mit vielen schönen Bildern bestückt. Zu Schah Dshahan und seinem unrühmlichen Ende liefere ich Ihnen auch noch einen Beitrag – sobald ich es schaffe. Für heute aber erst einmal viel Vergnügen mit diesem Reisebeitrag!

Wenn ein Scherz nach hinten losgeht

Wir waren in den letzten Wochen zu ernst für meinen Geschmack. Zeit für einen neuen Witz! Dieses Mal habe ich einen ausgesucht, der auch in Europa belegt ist.

Er ist daher ein schönes Beispiel für eine Akkulturation, also eine Anpassung der Details an ein anderes Umfeld. In der arabischen Fassung ist er, wenn ich mich recht erinnere, sogar so stark angepaßt worden, daß man ihn kaum noch erkennt.

Aber hier bekommen Sie natürlich die persische Fassung in deutscher Übersetzung:

Man erzählte einem König: „In dieser Stadt gibt es einen gewitzten Mann, der Euch ähnlich sieht.“
Der König ließ ihn holen und begann mit ihm zu scherzen: „Mann, ich kenne deine Mutter: Sie war schön und Heiratsvermittlerin und ging in die Häuser der Könige.“
Der gewitzte Mensch entgegnete: „Meine Mutter hat nie das Haus verlassen, aber mein Vater hat in den Gärten der Könige in der Nähe des Frauenhauses als Gärtner gearbeitet.“
Dem König gefiel diese Antwort, und er machte ihn zu seinem Gesellschafter. (Safî, S. 134)

Ich nehme an, Sie verstehen, welche alternativen Auffassungen über die Herkunft der Ähnlichkeit der König und der Untertan hier jeweils ansprechen. 😉

Die Aussage, daß die Mutter nie das Haus verlassen hat, mag Ihnen übertrieben erscheinen. Sie ist aber an einem Ideal züchtigen Verhaltens orientiert. Im Idealfall mußte die Frau das Haus nicht verlassen und geriet so natürlich auch nicht in Gefahr, mit fremden Männern in Kontakt zu kommen. Das ist auch das am deutlichsten an das Umfeld angepaßte Element in der Erzählung.

Der Mann will also sagen: „Meine Mutter war ein Musterbeispiel an Keuschheit.“ – Ganz im Gegensatz zu dem, was der König andeutet. Die Replik hat es übrigens in sich, denn sie zieht ja auch die Abkunft des Königs von dessen Vater in Zweifel. Und das Setting legt in diesem Fall nahe, daß dieser auch schon König gewesen ist.

So kann es gehen, wenn man andere ohne Not provoziert.

Quelle

Safî, Fachr od-Dîn ʿAlî b. Hoseyn Vâ’ez-e Kâschefî: Latâ’ef ot-tavâ’ef. Hrsg. v. Ahmad-e Goltschîn-e Ma’ânî. 4. Aufl. Tehrân: Eqbâl, 1362 sch./1983. S. 135.

Die neun Juwelen am Hofe Akbars, Teil II: Tansen

Nachdem ich die Reihe über die neun berühmten Gelehrten und Künstler am Hofe Akbars, genannt die Neun Juwelen mit dem Beitrag über ‚Abdul Rahîm Khân-e Khânân begonnen. Im zweiten Teil soll es heute um Tânsen, den vielleicht berühmtesten Musiker der klassischen indischen Musik.

Tânsens Biographie – wenige Fakten

Über Tânsens Biographie gibt es widersprüchliche Angaben. Das Problem ist, dass es nur wenige schriftliche Quellen zu seiner Biographie gibt, und sich Legenden und Tatsachen miteinander vermischen.

Tânsen wurde unter dem Namen Ramtanu als Sohn eines wohlhabenden Dichters und Musikers in Gwalior geboren, wahrscheinlich im Jahr 1506 (andere Quellen sagen 1493). Schon frühzeitig wurde klar, dass Ramtanu / Tânsen in die Fußstapfen seines Vaters treten und ebenfalls Musiker werden würde.

Hinduistische Legenden und Quellen berichten, dass Ramtanu Schüler des berühmten Predigers des Vishnuismus und Musikers Swami Haridas wurde und seine musikalische Ausbildung bei ihm weiterführte.

Muslimische Quellen geben eine andere Version von Ramtanus Jugend. Sie berichten, dass Tânsens Vater vom Umland Gwaliors in die Stadt pilgerte, um dort den Segen des berühmten muslimischen Heiligen Muhammad Ghauth (st. 1549) zu erhalten. Dieser band Tânsens Vater ein buntes Band um die Hand und prophezeite, dass ihm ein Sohn geboren würde. Den muslimischen Legenden nach wurde Ramtanu in seiner Jugend Muslim und schloß sich Muhammad Ghauth als Schüler an. Dabei ging es aber wohl eher um Musik – nicht um die islamische Mystik an sich .

Sowohl hinduistische als auch muslimische Quellen sind sich einig, dass Tânsen Schüler sowohl von Muhammad Ghauth als auch von Swami Haridas war. Als Muhammad Ghauth starb, übernahm Tânsen dessen Haus in Gwalior. So wurde der musikalische Stil Tânsens als Gwalior Gharana bekannt.

Wie in der damaligen Zeit üblich, lebte man als Musiker, Maler oder Dichter am Hofe eines Fürsten, der einen förderte und bezahlte. Tânsen war dadurch bekannt, dass er einige Fürsten mit seiner Musik begeistern konnte. So lebte er mindestens sieben Jahre am Hof von Ram Chand, dem Fürsten von Rewa, unweit von Gwalior. Eines Tages, wahrscheinlich im Jahr 1562, erreichte ein Schreiben Akbars den Hof von Rewa. Akbar lud den berühmten Musiker ein, an seinem Hof zu musizieren. Doch Ram Chand wollte Tânsen nicht gehen lassen, und auch Tânsen war nicht gewillt, an Akbars Hof zu wechseln. Doch Ram Chand konnte es sich nicht erlauben, Akbar eine Bitte abzuschlagen – zu klein war sein Staat im Vergleich zu Akbars wachsendem Mogulreich. So schickte er Tânsen mit zahlreichen Geschenken an den Hof von Agra.

In Agra wurde Tânsen ein begeisterter Empfang bereitet, worauf Tânsen weiterhin mit Zurückhaltung reagierte. Später unterrichtete er Akbar und einige andere Mitglieder des Hofes. Als Tânsen 1586 starb, stand Akbar an seinem Sterbebett – ihm war wohl klar, dass kein anderer Musiker am Hof jemals das Können Tânsens erreichen würde.

……. doch viele Legenden

Zum Schluß folgen noch zwei Legenden, die das Können und die Bedeutung Tânsens am Hof illustrieren und die Bedeutung Tânsens in der Literatur bis heute zeigen.

Eines Tages forderte Akbar Tânsen auf, eine besonders komplizierte Tonfolge (raga) namens Deepak zu singen. Tânsen war erschrocken, denn diese raga hatte die Macht, Lampen zu entzünden und Feuer zu entfachen – im schlimmsten Fall verbrannte der Sänger selbst. Akbar bestand jedoch darauf, dass Tânsen die raga Deepak singen sollte. Tânsen erbat sich 14 Tage Zeit zum Üben. Dann fragte er eine Schülerin von Swami Haridas namens Rupa, ob sie mit ihm singen könnte. Rupa willigte ein. Nach 14 Tagen begann Tânsen vor der Hofgesellschaft mit dem Singen der raga Deepak. Man sah, wie die Lampen entzündet wurden, die Blumen verdorrten und das Gras vertrocknete. Dann begann Rupa, gleichzeitig mit Tânsen zu singen – die raga Megh. Plötzlich wurde es dunkel und es begann zu regnen. Jeder, der zugehört hatte. begann den kühlenden Effekt zu spüren. Tânsens Körper jedoch blieb heiß und fiebrig – der Sänger konnte mehr als zwei Monate nicht auftreten. Akbar hatte die Vorstellung genossen, aber er war geschockt, dass Tânsen beinahe gestorben wäre.

Eine weitere Legende, die in unterschiedlichen Versionen überliefert ist, berichtet folgendes:

Akbar war vom Gesang Tânsens so angetan, dass er ihn überschwänglich lobte. Bescheiden sagte Tânsen, dass er zwar gut sänge, aber nicht so gut, dass er der beste Sänger der Welt sei. Akbar fragte ihn, wer denn der allerbeste Sänger sei. Tânsen antwortete, dass dieses sein Lehrer und Meister Swami Haridas sei. Akbar fragte, ob er Swami Haridas singen hören könnte. Tânsen antwortete, dass Swami Haridas in einer einsamen Hütte am Fluß Jamuna lebte, und es nicht sehr schätzte, Besuch zu empfangen. Außerdem sei er ein einfacher Mann – Akbar solle nicht mit allem Pomp eines Kaisers dort ankommen. Akbar stimmte zu, und so kamen Tânsen und Akbar bei Swami Haridas an. Dieser weigerte sich zunächst, vor dem Kaiser zu singen. Schließlich stimmte Tânsen einige ragas an und Swami Haridas übernahm. Akbar war begeistert und meinte, Swami Haridas würde die Natur und vor allem die Vögel noch das Singen lehren. Er fragte Tânsen, warum er denn nicht so gut wie Swami Haridas singen könne. Tânsen antwortete: „Ich singe nur für einen weltlichen Herrscher, mein Meister für das Göttliche.“

Tânsen starb wie gesagt 1586. Sein Grab in Gwalior ist eine Pilgerstätte: so soll einem Sänger eine bessere Stimme gegeben werden, wenn er ein Blatt vom Tamarindenbaum neben dem Grab isst und das Grab berührt. …

Für Akbars Hof hatte Tânsen eine unschätzbare Bedeutung, da er hinduistische und muslimische Kulturelemente zusammenführte – etwas, das Akbar für eine seiner wichtigsten Aufgaben hielt.

Das Beitragsbild eines unbekannten Malers zeigt Tansen. Das Porträt wurde während Akbars Herrschaftszeit angefertigt . Es unterliegt der Wikimedia Commons License.

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Ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte

Erfrischender Tee aus getrockneten Limetten

Da ich mich kürzlich beim Heimwerken etwas verschätzt habe (aus zwei Tagen Arbeit sind mal schnell zwei Wochen geworden – voraussichtlich), bleibt mir im Moment nicht viel Zeit zum Schreiben.

Also erfreue ich Sie heute wieder einmal mit einem kleinen „Schmankerl“, das ich auf einem anderen Blog gefunden habe. Diesmal geht es nicht um Essen, sondern um ein Getränk. Und zwar eines, das Sie sowohl bei Hitze als auch bei Kälte genießen können. Haben wir ja zur Zeit alles innerhalb einer Woche. 😉

Viel Vergnügen beim Lesen!

++++ HIER geht es zu dem sehr schönen Beitrag mit dem REZEPT ++++

Akbars Red Fort in Agra

Das Mogulreich hatte in seiner Geschichte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert mehrere Hauptstädte: Agra (1526-1540; 1555-1571), Fatehpur Sikri (1571-1585), Lahore (1586-1598) und Shahjahanabad (Delhi, 1648-1857). Darüber hinaus beanspruchten auch von Kabul aus Mitglieder der Moguldynastie den Thron – doch das ist eine andere Geschichte.

Agra – die Salzstadt

Auch wenn es erst unter den Mogulherrschern zum Auf- und Ausbau Agras kam, gibt es Spuren der Befestigung des Ortes. Bereits die Lodi-Herrscher hatten Agra als Herrschaftssitz gewählt. Bâbur übernahm Agra als Hauptstadt von der Lodi-Dynastie. Seine Herrschaft blieb allerdings auf die linke Seite des Flusses Jamuna beschränkt. Vor seiner Rolle als Hauptstadt war Agra für übrigens als Handelsstadt berühmt. Schon der Name, Agra, der von Agur („Saline“) abgeleitet wurde, deutet auf den Salzgehalt und die geologische Struktur der Gegend hin. Persische und indische Händler trafen sich in Agra und machten die Stadt zu einer wichtigen Handelsmetropole.  Als Bâbur 1530 starb, wurde er zunächst in Agra im Râm Bâgh bestattet.

Agra wird zur Hauptstadt

Ihre eigentliche Größe als Hauptstadt erlangte Agra allerdings erst unter der Herrschaft Akbars. Nicht umsonst wird Agra häufig in der von Muslimen verfassten Literatur als Akbarabad bezeichnet.

Das Zentrum der Stadt und der eigentliche Herrschaftssitz ist das Agra Fort – auch genannt Red Fort. Es wurde über einen Zeitraum von acht Jahren erbaut (1568-73). Seinen Namen erhielt das Fort durch die roten Sandsteinplatten, die zur Verkleidung der Mauern benutzt wurden – diese stammten aus Rajastan.

Schaut man auf den Grundriss des Roten Forts, ist dieser halbmondförmig. Das Fort ist von einer extem dicken Mauer umgeben. Besonders berühmt sind die beiden Tore „Delhi Gate“ und „Lahori Gate“, wobei Akbar das erstgenannte Tor als öffentliches Tor benutzte.

Bilder des Agra Forts

Innrhalb des Forts gibt es einige besondere Gebäude und Paläste, die  ich hier näher vorstellen möchte. Zunächst einmal die Halle des

Diwân-e ‚âmm („Öffentliche Audienzhalle“)

Hier pflegte Akbar tätglich von etwa 12h an, Audienz zu halten. Während der Kaiser auf dem Thron saß, saßen die Würdenträger des Reiches gemäß ihrer Rangfolge an den Seiten der Halle. Die öffentlichen Audienzen dauerten mindestens 1-2 Stunden, häufig auch länger. Dem Herrscher wurden auch die Inspektionsberichte seiner Soldaten während der Audienzen vorgetragen, und es kam vor, dass Akbar den Sold herabsetzte bzw. Soldaten entließ. Zudem konnten alle Untertanen Beschwerden vortragen, und Akbar hielt Gerichte in vielen Angelegenheiten ab.

Diwân-e  khâs (Private Audienzhalle)

Im Fort gab es ebenso eine private Audienzhalle, die für die  Beratungen der engsten Ratgeber Akbars gebaut wurde. Hier traf sich Akbar täglich mit seinen Ministern. Bei diesen Audienzen wurden aber nicht nur Entscheidungen getroffen, sondern dem Herrscher wurden von Gesandten aus Indien oder sogar aus Europa kostbare Geschenke geschickt: Pferde, Hunde, Elefanten, Schwerter oder Gewürze wurden Akbar überreicht. Darüber gab es auch zahlreiche Berichte europäischer Gesandter, die die Pracht und den Reichtum des Mogulhofes erahnen lassen.

Das Königliche Bad (Hammâm-e Shâhî)

Von besonderer Bedeutung für das Leben am Hof war das königliche Bad, das hammâm. Diese große Badeanlage, die eine Abfolge von kalten und heißen Bädern beinhaltete, hatte nicht nur eine Bedeutung als Platz der Reinigung, sondern auch der medizinischen Behandlung. Leider liegen uns darüber keine weiteren Informationen vor. Wahrscheinlich ist, dass Akbar selbst dieses Bad benutzte. Das Hammâm-e Shâhî war besonders prächtig ausgestattet – z.B. mit prächtigen Spiegeln, in denen sich die Gärten des Forts widerspiegelten. Über die Bedeutung der Bäder im Mogulreich habe ich bereits an anderer Stelle geschrieben (s.o.).

Der Palast von Jodha Bai

Als ein Teil des königlichen Harems war der Palast von Jodha Bai der größte Palast des Harems. Wie auch in der TV-Serie Jodha Akbar hatte Maryam uz-Zamânî, wie der Name der Rajputen-Prinzessin, die Akbar heiratete, ihren eigentlichen Palast. Die Verbindung von Mogul-Architektur und Dekor-Elementen der Hindu-Mythologie (Pfauen, Papageien) wird in diesem Palast besonders deutlich. Es könnte also wirklich sein, dass Jodha Bai weiterhin praktizierende Hindu blieb.

Insgesamt zeigt die Architektur des Agra Forts vor allem in den Details die Verbindung von Mogul- Kultur und indischer Hindu-Religion und Elementen. Dschahângîr und Shâh Dschahân fügten dem Fort weitere Symbole ihrer eigenen Herrschaft hinzu.

Nicht umsonst zählt das Fort heutzutage zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Das Beitragsbild zeigt das Delhi Gate. Es unterliegt der Wikimedia Commons Licence 2.0

Literatur:

Muhammad Ashraf Husain: A Historical Guide to the Agra Fort. Delhi 1937.

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Ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte

Persisch leicht gemacht

Angesichts der großen Zahl an afghanischen Flüchtlingen, die derzeit – oft nach einem mehr oder weniger langen Zwischenstop in Iran – zu uns gelangen, wären mehr Menschen mit Persischkenntnissen  hierzulande sicherlich hilfreich bei der „Erstversorgung“.

Doch wer lernt schon Persisch? Immerhin wird diese Sprache in arabischer Schrift geschrieben. Und eine neue Schrift zu lernen schreckt viele Menschen ab.  Zumindest habe ich das immer wieder gehört. Außerdem verwechseln viele es eben wegen der Schrift mit dem Arabischen – das ja als schwierige Sprache gilt.

Wenn Sie diesen Blog schon länger lesen, wissen Sie aber sicher: Das Persische ist nicht mit dem Arabischen verwandt. Wohl aber mit dem Deutschen. Im Klartext heißt das: Eigentlich sollte Ihnen das Persischlernen leichter fallen als einem Araber. Jedenfalls wenn Deutsch Ihre Muttersprache ist. Oder eine andere europäische Sprache.

Persisch gehört nämlich zur Familie der indo-europäischen Sprachen. Und das heißt: Die Grammatik ähnelt der deutschen, französischen, spanischen, englischen etc. und ist deshalb auch nicht schwerer zu lernen als die Grammatik dieser Sprachen. Nehmen wir ein Beispiel:

„Das ist ein Apfel“ sieht auf persisch so aus:

în       sîb     ast
das   Apfel   ist

Nicht so weit vom Deutschen entfernt, oder? Und wie Sie am Wort „ist“ schon sehen können, machen die Ähnlichkeiten auch vor dem Vokabular nicht halt. Viele persische Wörter lassen die Verwandtschaft mit den europäischen Sprachen erkennen.

Hier ein paar Beispiele:

deutsch:  Mutter – Bruder – ist

persisch:  mâdar – barâdar – ast


englisch: bad – no

persisch: bad – na


Latein: pater

persisch: pedar

Natürlich gibt es noch mehr Beispiele. Mir fallen nur im Augenblick nicht mehr ein. 😉 Andererseits will ich nicht verschweigen, daß sich auch eine große Menge arabischer Wörter im Persischen eingebürgert haben. Sie sind zugegebenermaßen etwas schwieriger zu merken.

Ein bißchen Arbeit ist mit dem Persischlernen also schon verbunden. Aber es ist längst nicht so schwierig wie viele denken. Und Arabisch muß man auch nicht können, um Persisch zu lernen (obwohl es beim Vokabellernen hilft 😉 ).

Was machen wir aber mit der Schrift? – Die ist eigentlich auch nicht so schwer zu lernen. Anders als manche anderen Schriften (etwa die des Chinesischen oder Hindi) handelt es sich nämlich um eine Buchstabenschrift. Das heißt, sie ist genauso aus Buchstaben zusammengesetzt wie unsere Lateinschrift. Mit ein paar kleinen Unterschieden, natürlich. Aber das Prinzip ist dasselbe.

Doch wenn die Schrift Sie abschreckt, wie wäre es dann damit: Fangen Sie doch erstmal an, die Sprache zu lernen, und befassen Sie sich mit der Schrift nebenbei so nach und nach! Nicht meine bevorzugte Methode, aber ich lerne ja auch gern neue Schriften. Wenn Sie anders sind, könnte das eine Lösung für Sie sein. Dieses Buch zeigt Ihnen, wie das geht (KEIN Affiliate-Link):

Bild stammt von einer älteren Ausgabe

Eigentlich ist meine Überschrift also nicht ganz richtig: Persisch muß gar nicht erst leicht gemacht werden. Das ist es nämlich schon! Jedenfalls für Menschen, die Lust darauf haben und Deutsch als Muttersprache. Oder Englisch. Oder Französisch. Oder Spanisch. Oder…

Wo man Persisch sonst noch gebrauchen kann, können Sie übrigens hier nachlesen: Weltsprache Persisch.

Die neun Juwelen am Hofe Akbars, Teil I: ‘Abdul Rahîm Khân Khân-e Khânân

Heute möchte ich eine kleine neue Serie zur Mogulgeschichte starten: es soll um die Navaratnas, die neun Juwelen am Hofe Akbars, gehen. Damit sind neun herausragende Gelehrte und Künstler gemeint, die besondere Kenntnisse und Fähigkeiten besaßen. Durch die Navratnas entstand am Hofe eine besondere Atmosphäre, die die Verwaltung effektiv machte und kulturelle und religiöse Reformen erst ermöglichte. In der indischen Geschichte gab es sowohl vor Akbar als auch nach Akbar jeweils einen Hof mit neun Juwelen: zum einen den des legendären Königs Vikramaditya (dessen Lebensdaten nicht  als gesichert gelten) und zum anderen den von Krishnachandra Roy (st. 1783)

Die neun Edelsteine

Folgende Gelehrte, Künstler und Verwaltungsexperten waren die neun Edelsteine am Hofe Akbars:

  • Faizî, bedeutender Poet
  • Abû l -Fazl, Berater und Autor des Akbarnâma
  • Todar Mal, Finanzminister
  • Mullâh Dô Piâza, Religiöser Berater, Vertreter des orthodoxen Islam
  • ‚Abd ul-Rahîm Khan-e Khânân, Poet, Autor, Verwaltungsberater
  • Raja Man Singh, General, Militärberater
  • Tansen, Musiker
  • Faqir Aziao Dîn, Mystiker, Berater
  •  Birbal, Premierminister

‚Abd ul-Rahîm

Seit seiner Kindheit lebte ‚Abd ul-Rahîm am Mogulhof, sein Vater war Akbars berühmter Ziehvater Bairam Khân (st. 1561). Seine Mutter war die Tochter eines Rajputenfürsten aus Mewat (heute: Harayana). Die Dynastie dieser Rajputen konvertierte erst unter Humâyûns Herrschaft zum Islam- und Humâyûn war es auch, der die Ehe zwischen Bairam Khân und Jamâl Khâns Tochter arrangierte, um seine eigene Herrschaft in der Region zu festigen. ‘Abd ul-Rahîm wurde 1556 in Lahore geboren. Später lebten er und seine Eltern aber in Agra am Mogulhof – ‘Abd ul-Rahîm wuchs im Harem auf. Als Bairam Khân 1561 in Ungnade fiel, verließen er und seine Familie Agra. Zwischenzeitlich hatte Bairam Khân ja Akbars Cousine Salîma Sultân Begum zur zweiten Frau genommen – auch diese schien mit Bairam Khân Agra in Richtung Mekka verlassen zu haben. Nach Bairam Khâns Ermordung berichten die Quellen, dass Salîma zusammen mit ‘Abd ul-Rahîm nach Agra zurück kehrten – von Bairam Khâns erster Frau ist nicht mehr die Rede.

Salîma heirate bekanntermaßen Akbar, wodurch ‚Abd ul-Rahim Akbars Stiefsohn wurde. Er wurde am Mogulhof erzogen, hatte aber bereits in frühester Kindheit sowohl Elemente der (hinduistischen) Rajputen-Kultur seiner Mutter als auch die turksprachige Kultur seines Vaters kennen gelernt. Er beherrschte sowohl Persisch als auch Sanskrit so gut, dass er in beiden Sprachen Verse schrieb. Berühmt wurde er auch durch die Übersetzung des Bâbur-nâmas, der Autobiographie von Akbars Großvater Babur, vom Chagatai-Türkischen ins Persische.

Der Dichter

Obwohl ‘Abd ul-Rahîm von Geburt aus Muslim war und auch als Muslim erzogen wurde, verehrte er die hinduistische Gottheit Krishna sehr. Dieses wird in seinen Zweizeilern (dohas) deutlich. Dabei interpretierte er häufig religiöse Symbole, die aus dem Volksglauben bekannt waren und sind. Aus diesem Grund kennt man bis heute viele dieser Zweizeiler.

Ein Zweizeiler (den ich aus dem Englischen übersetze), gefiel mir gut (Sumita Roy: Poet Saints of India, S. 57) :

Rahim beobachtet, dass der Kuckuck zu Beginn der Regenzeit leise wurde- Die Frösche lärmen jedoch herum, so dass der Dichter fürchtet, dass man die Worte der anderen nicht mehr vernimmt.

Neben seinen Aktivitäten als Dichter verfasste ‘Abd ul-Rahîm auch zwei Werke zur Astrologie. Überhaupt interessierte er sich für die Landschaften, Tiere und Pflanzen in Indien und schrieb häufig Gedichte über diese Themen. Seine umfangreiche Bibliothek, die er in Ahmedabad (Gujarat) errichtete, enthielt einige Schriften zu diesen Themen.

Neuer Herrscher – der Khân-e Khânân in Ungnade

An Akbars Hof hatte ‘Abd ul-Rahîm seinen Ehrentitel Khân-e Khânân („Fürst der Fürsten“) erhalten. Er war nicht nur Hofdichter, sondern auch als Verwaltungs- und Militärexperte gefragt. Als Akbar 1605 nach fast 60 Jahren Herrschaft starb, hatte ‚Abd ul-Rahîm zunächst unter Dschahângîr weiterhin eine hohe Stellung inne. Doch obwohl Dschahângîr den Khân-e Khanân seit seiner Jugend kannte, misstraute er ihm – und umgekehrt hielt ‘Abd ul-Rahîm wohl auch nicht viel von Akbars Nachfolger Prinz Salîm.

Die Situation endete jedoch in einer blutigen Tragödie: Dschahângîr ließ  die beiden Söhne ‘Abd ul-Rahîms hinrichten, um seine Machtstellung deutlich klarzumachen. Mutter der beiden Getöteten war übrigens Mah Bano, eine Tochter von Akbars zweitem Ziehvater Atga Khân. Die Quellen sagen uns leider nichts darüber, wie ‘Abd ul-Rahîm nach diesen Ereignissen weiterhin mit und für Dschahângîr arbeiten konnte.

Als es jedoch zwischen Dschahângîr und seinen Söhnen zum Machtkampf kam, wandte sich ‘Abd ul-Rahîm vom Herrscher ab: Als 1622 die persische Armee Kandahar eroberte, wurde Prinz Khurram (der spätere Schâh Dschahân) vom Khân-e Khânân unterstützt und beraten.

Dschahângîr schrieb darüber in seiner Autobiographie (Waqâ’î-ye Dschahângîrî, zitiert nach Edwardes / Garnett: The Mughal Rule in India, New Delhi 1995, S. 63):

Khan Khanân, der die außerordentliche Ehre hatte, mein Lehrer zu sein, wurde nun zu einem Rebell. Im seinem 70. Lebensjahr wurde sein Gesicht schwarz vor Undankbarkeit. Allerdings war er schon von Natur aus ein Verräter und Rebell. Sein Vater (Bairam Khan) hatte sich meinem Vater gegenüber in derselben schamlosen Weise verhalten. Er folgte nun dem Weg seines Vater und entehrte sich selbst im hohen Alter. (Übersetzung aus dem Englischen CP).

Khurram unterlag jedoch seinem Vater, ‘Abd ul-Rahîm fiel – wieder einmal – in Ungnade.

‘Abd ul-Rahîm konnte es nicht sehr gut ertragen, seinen Einfluss am Hof verloren zu haben – was ihn aber neben dem Verlust seiner beiden Söhne wirklich bedrückte, war der Verlust seiner finanziellen Mittel, mit denen er auch andere Menschen unterstützt hatte. So schrieb er (Roy: Poet Saints of India, S. 59):

Freunde, sucht nicht meine Gesellschaft. Dieser Rahim ist nicht der alte Rahim. Nun lebt er unglücklicherweise selbst vom Betteln.

Dschahângîr  konnte aber scheinbar erneut nicht lange auf ‘Abd ul-Rahim verzichten und  holte den Khân-e Khânân erneut an den Hof. Zermürbt von den Machtspielen am Hof starb der Khân-e Khânân 1627 mit 71 Jahren.

Er wurde im Mausoleum bestattet, dass er selbst in Delhi für seine Frau hatte errichten lassen. Dieses befindet sich nicht weit vom Grab des berühmten Heiligen Nizamuddin Auliya. 1999 habe ich dieses Grabmal einmal fotografiert, aber leider habe ich die Bilder nicht zur Hand. Da muss ich doch wohl wieder tätig werden….

Angaben zum Beitragsbild: Das Bild zeigt den Khân-e Khânân.- By Hashim (Freer and Sackler Gallery) [Public domain], via Wikimedia Commons.

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