Die neun Juwelen am Hofe Akbars, Teil II: Tansen

Nachdem ich die Reihe über die neun berühmten Gelehrten und Künstler am Hofe Akbars, genannt die Neun Juwelen mit dem Beitrag über ‘Abdul Rahîm Khân-e Khânân begonnen. Im zweiten Teil soll es heute um Tânsen, den vielleicht berühmtesten Musiker der klassischen indischen Musik.

Tânsens Biographie – wenige Fakten

Über Tânsens Biographie gibt es widersprüchliche Angaben. Das Problem ist, dass es nur wenige schriftliche Quellen zu seiner Biographie gibt, und sich Legenden und Tatsachen miteinander vermischen.

Tânsen wurde unter dem Namen Ramtanu als Sohn eines wohlhabenden Dichters und Musikers in Gwalior geboren, wahrscheinlich im Jahr 1506 (andere Quellen sagen 1493). Schon frühzeitig wurde klar, dass Ramtanu / Tânsen in die Fußstapfen seines Vaters treten und ebenfalls Musiker werden würde.

Hinduistische Legenden und Quellen berichten, dass Ramtanu Schüler des berühmten Predigers des Vishnuismus und Musikers Swami Haridas wurde und seine musikalische Ausbildung bei ihm weiterführte.

Muslimische Quellen geben eine andere Version von Ramtanus Jugend. Sie berichten, dass Tânsens Vater vom Umland Gwaliors in die Stadt pilgerte, um dort den Segen des berühmten muslimischen Heiligen Muhammad Ghauth (st. 1549) zu erhalten. Dieser band Tânsens Vater ein buntes Band um die Hand und prophezeite, dass ihm ein Sohn geboren würde. Den muslimischen Legenden nach wurde Ramtanu in seiner Jugend Muslim und schloß sich Muhammad Ghauth als Schüler an. Dabei ging es aber wohl eher um Musik – nicht um die islamische Mystik an sich .

Sowohl hinduistische als auch muslimische Quellen sind sich einig, dass Tânsen Schüler sowohl von Muhammad Ghauth als auch von Swami Haridas war. Als Muhammad Ghauth starb, übernahm Tânsen dessen Haus in Gwalior. So wurde der musikalische Stil Tânsens als Gwalior Gharana bekannt.

Wie in der damaligen Zeit üblich, lebte man als Musiker, Maler oder Dichter am Hofe eines Fürsten, der einen förderte und bezahlte. Tânsen war dadurch bekannt, dass er einige Fürsten mit seiner Musik begeistern konnte. So lebte er mindestens sieben Jahre am Hof von Ram Chand, dem Fürsten von Rewa, unweit von Gwalior. Eines Tages, wahrscheinlich im Jahr 1562, erreichte ein Schreiben Akbars den Hof von Rewa. Akbar lud den berühmten Musiker ein, an seinem Hof zu musizieren. Doch Ram Chand wollte Tânsen nicht gehen lassen, und auch Tânsen war nicht gewillt, an Akbars Hof zu wechseln. Doch Ram Chand konnte es sich nicht erlauben, Akbar eine Bitte abzuschlagen – zu klein war sein Staat im Vergleich zu Akbars wachsendem Mogulreich. So schickte er Tânsen mit zahlreichen Geschenken an den Hof von Agra.

In Agra wurde Tânsen ein begeisterter Empfang bereitet, worauf Tânsen weiterhin mit Zurückhaltung reagierte. Später unterrichtete er Akbar und einige andere Mitglieder des Hofes. Als Tânsen 1586 starb, stand Akbar an seinem Sterbebett – ihm war wohl klar, dass kein anderer Musiker am Hof jemals das Können Tânsens erreichen würde.

……. doch viele Legenden

Zum Schluß folgen noch zwei Legenden, die das Können und die Bedeutung Tânsens am Hof illustrieren und die Bedeutung Tânsens in der Literatur bis heute zeigen.

Eines Tages forderte Akbar Tânsen auf, eine besonders komplizierte Tonfolge (raga) namens Deepak zu singen. Tânsen war erschrocken, denn diese raga hatte die Macht, Lampen zu entzünden und Feuer zu entfachen – im schlimmsten Fall verbrannte der Sänger selbst. Akbar bestand jedoch darauf, dass Tânsen die raga Deepak singen sollte. Tânsen erbat sich 14 Tage Zeit zum Üben. Dann fragte er eine Schülerin von Swami Haridas namens Rupa, ob sie mit ihm singen könnte. Rupa willigte ein. Nach 14 Tagen begann Tânsen vor der Hofgesellschaft mit dem Singen der raga Deepak. Man sah, wie die Lampen entzündet wurden, die Blumen verdorrten und das Gras vertrocknete. Dann begann Rupa, gleichzeitig mit Tânsen zu singen – die raga Megh. Plötzlich wurde es dunkel und es begann zu regnen. Jeder, der zugehört hatte. begann den kühlenden Effekt zu spüren. Tânsens Körper jedoch blieb heiß und fiebrig – der Sänger konnte mehr als zwei Monate nicht auftreten. Akbar hatte die Vorstellung genossen, aber er war geschockt, dass Tânsen beinahe gestorben wäre.

Eine weitere Legende, die in unterschiedlichen Versionen überliefert ist, berichtet folgendes:

Akbar war vom Gesang Tânsens so angetan, dass er ihn überschwänglich lobte. Bescheiden sagte Tânsen, dass er zwar gut sänge, aber nicht so gut, dass er der beste Sänger der Welt sei. Akbar fragte ihn, wer denn der allerbeste Sänger sei. Tânsen antwortete, dass dieses sein Lehrer und Meister Swami Haridas sei. Akbar fragte, ob er Swami Haridas singen hören könnte. Tânsen antwortete, dass Swami Haridas in einer einsamen Hütte am Fluß Jamuna lebte, und es nicht sehr schätzte, Besuch zu empfangen. Außerdem sei er ein einfacher Mann – Akbar solle nicht mit allem Pomp eines Kaisers dort ankommen. Akbar stimmte zu, und so kamen Tânsen und Akbar bei Swami Haridas an. Dieser weigerte sich zunächst, vor dem Kaiser zu singen. Schließlich stimmte Tânsen einige ragas an und Swami Haridas übernahm. Akbar war begeistert und meinte, Swami Haridas würde die Natur und vor allem die Vögel noch das Singen lehren. Er fragte Tânsen, warum er denn nicht so gut wie Swami Haridas singen könne. Tânsen antwortete: “Ich singe nur für einen weltlichen Herrscher, mein Meister für das Göttliche.”

Tânsen starb wie gesagt 1586. Sein Grab in Gwalior ist eine Pilgerstätte: so soll einem Sänger eine bessere Stimme gegeben werden, wenn er ein Blatt vom Tamarindenbaum neben dem Grab isst und das Grab berührt. …

Für Akbars Hof hatte Tânsen eine unschätzbare Bedeutung, da er hinduistische und muslimische Kulturelemente zusammenführte – etwas, das Akbar für eine seiner wichtigsten Aufgaben hielt.

Das Beitragsbild eines unbekannten Malers zeigt Tansen. Das Porträt wurde während Akbars Herrschaftszeit angefertigt . Es unterliegt der Wikimedia Commons License.

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