Kriegs-Elefanten im Sultanat von Delhi (12.-16. Jahrhundert)

Auf diesem Blog habe ich ja bereits über „tierische“ Themen wie Hunde im Islam oder Hunde am Mogulhof geschrieben. Heute soll es um Elefanten gehen, genauer gesagt um Kriegselefanten – und das ist ein interessantes Thema, dem man sich allerdings nicht unter heutigen Tierschutzaspekten nähern sollte.

Als Islamwissenschaftlerin schaue ich mir natürlich vor allem die Quellen der islamischen Dynastien Indiens an – aber man muss sagen, dass der Einsatz von Elefanten im Krieg ist für Indien schon seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. belegt ist. So entwickelte sich im Lauf der Jahrhunderte auch eine spezielle veterinärmedizinische Literatur in Sanskrit, die die Zucht, Pflege und medizinische Behandlung von Elefanten enthielt. Diese literarischen Traditionen wurden von den muslimischen Dynastien, die in Indien herrschten, aufgenommen und weiterentwickelt.

Bedeutung von Kriegs-Elefanten

Schon die turkstämmigen Ghaznaviden, die Teile Nordindiens ab ca. 1001 n. eroberten, waren interessiert am Einsatz von Elefanten im Krieg. Doch sowohl Ghaznaviden als auch die Herrscher der „Sklavendynastie“ des Sultanats von Delhi setzten bevorzugt Pferde im Kampf ein – stammten sie selbst doch von den (teils) nomadischen Reitervölkern Zentralasiens ab. Doch langsam setzte sich bei den Herrschern des Delhi Sultanats die Meinung durch, dass „ein Elefant wertvoller ist als 500 Reiter“ (Roy, S. 177). Diese Aussage wird Sultan Ghiyâs ud-Dîn Balban (st. 1287) zugeschrieben. Abû l-Fazl (st. 1602), der Biograph und Sekretärs des Mogulherrschers Akbar (st. 1605) übernahm dieses Zitat in der Biographie Akbars, dem Akbar-nâma.

Elefanten als Statussymbole

Die Herrscher des Sultanats von Delhi sollen bis zu 3000 Elefanten in ihren Ställen (pîl-khâna oder fîl-khâna) gehalten haben. Dabei war es nicht einfach, an geeignete Elefanten zu kommen, denn diese stammten aus den feucht-warmen Dschungel-Gebieten im Osten oder Süden Indiens bzw. dem heutigen Sri Lanka. Elefanten vertrugen das kältere Klima im Norden Indiens nicht sehr gut. Auch sonst waren Haltung und Training von Elefanten sowohl kostspielig als aufwändig. Elefanten verbringen etwa 18 Stunden am Tag, um die notwendigen 200 kg Futter und 100 Liter Wasser aufzunehmen.

Trotz dieser enormen Aufwendungen hielten die Sultane der Sklavendynastie an der kostspieligen Elefantenhaltung fest. Dieses zeigt sich vor allem darin, dass Elefanten eine wichtige zeremonielle Rolle am Hof hatten. Ihre reine Existenz war ein Beweis für Reichtum und Status des Herrschers. Razia Sultan, die einzige Herrscherin des Delhi Sultanats, zeigte sich häufig in der Öffentlichkeit auf einem Elefanten. Auch an Schlachten soll die auf dem Elefantenrücken aktiv gekämpft haben. Dieses zeigte ihren männlichen Konkurrenten (ihren Brüdern) ihre eigene Überlegenheit. So wurden Elefanten zum Statussymbol und zum wichtigen Teil der Kriegsstrategie.

Elefanten: Training zum Krieger

Doch was hieß das genau? Die Sultane von Delhi setzten Elefanten vor allem dafür ein, Breschen in die gegnerischen Armeen zu schlagen. Auch als „Rammböcke“ bei der Eroberung von Festungen wurden sie eingesetzt. Eine große Horde alles niedertrampelnder Kriegselefanten sorgte auch schon für einen psychologischen Vorteil.

Um überhaupt in Kriegshandlungen teilnehmen zu können, bedurften die Elefanten eines langwierigen Trainings, das viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte in Anspruch nahm. Viele Elefanten begannen erst mit etwa zwanzig Jahren (also nach der Pubertät) mit dem Training. Gut ausgebildete Kriegs-Elefanten waren zumeist zwischen vierzig und achtzig Jahre alt. Sie waren an laute Geräusche und Menschenmengen gewohnt.

Das Training wurde von einem Elefantenführer (mahout) durchgeführt, doch für die weitere Betreuung der Elefanten waren zahlreiche weitere Bedienstete in den Elefantenställen verantwortlich.

„Berauschte“ Kriegselefanten (mast)

Abschließend muss erwähnt werden, dass die Elefanten nicht freiwillig an Kampf teilnahmen. Vielmehr wurden sie z.B. durch Futter- oder Schlafentzug in eine aggressive Stimmung versetzt. Manchmal wurden sie auch durch Alkohol oder durch die Gabe bestimmter Pflanzen in diesen aggressiven Zustand versetzt. Diese Stimmung wird in den persischen Quellen als mast bezeichnet. Dieses Wort ist gleichzeitig der Begriff für die Zeit im Jahr, in der sich der Testesteronspiegel der Elefantenbullen um bis das sechzigfache ansteigt und der Bulle besonders aggressiv auf männliche Artgenossen reagiert. Er sondert in dieser Zeit an den Schädeldrüsen ein besonderes Sekret ab. Dass bei Kriegselefanten auch der Begriff mast verwendet wird, deutet darauf hin, dass dieser Zustand vor dem Kampf künstlich herbeigeführt wurde.

Der oben bereits erwähnte Abû l-Fazl schrieb im Akbar-nâma, dass Akbar in der Lage war, Elefanten im Zustand des mast zu reiten und in den Kampf zu führen. Dabei nahm Akbar auch einige interessante Veränderungen der Militärstrategien im Vergleich zum Sultanat von Delhi vor. Da das Material darüber sehr umfangreich ist, werde ich einen zweiten Teil zu diesem Thema verfassen. Er wird sich auch mit der Frage beschäftigen, warum Elefanten seit dem späten 16./frühen 17. Jahrhundert immer weniger auf dem Schlachtfeld zu finden waren.

Das Beitragsbild zeigt den königlichen Elefanten Madukar. Das Bild wurde vom berühmten Maler Hashim (st. 1654) gemalt. Es ist Public Domain.

Literatur:

Gommans, Jos J.L.: Mughal Warfare: Indian Frontiers and Highroads to Empire, 1500-1700. London et al., 2002 (EBook)

Roy, Kaushik; Peter Lorge: Chinese and Indian Warfare: From the Classical Age to 1870: London et al., 2015.

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