Jedes Mal, wenn die (Liebes-)Geschichte der hinduistischen Rajputen-Prinzessin und dem muslimischen Mogulherrscher Akbar (st. 1605) wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt, gibt es Streitigkeiten um die wirkliche Existenz von Jodha Bai. So ist das bereits beim Film Jodhaa Akbar von A. Gowariker (2008) und so passiert es wieder bei der Fernsehserie Jodha Akbar von Ekta Kapoor (2013-15).
Kurz zusammengefasst ging es darum, dass die Rajputen von den Moguln, den muslimischen Eroberern besiegt wurden – und diesen Sieg ihrer Gegner damit besiegelt haben, indem sie ihre Töchter mit den Moguln verheiratet haben. Dadurch sei die rajputische Kultur geschwächt und dem Islam untergeordnet worden – auch dadurch, dass die Kinder aus diesen Verbindungen als Muslime aufwuchsen. In dieser Auseinandersetzung über die indische Geschichte wurde von rajputischer Seite behauptet, dass Akbar niemals eine Ehefrau namens Jodha Bai hatte.
Es zutreffend, dass erst britische Quellen des 19. Jahrhunderts von einer Ehefrau Akbars namens Jodha Bai sprachen. In den zeitgenössischen Quellen ist eine hinduistische Ehefrau Akbars namens Hina Kunwarî überliefert, die als Maryam uz-Zamânî bekannt war.
Jagat Gosain – Jodha Bai
Doch eine andere Frau kannte man ebenfalls als Jodha Bai (Jodhâ Bâ’î) – und ihr Name ist in der Tat in den zeitgenössischen Quellen erwähnt: es handelt sich um Jahângîrs (Dschahângîrs) Ehefrau Jagat Gosain (Dschagat Gosain). Jagat Gosain wurde 1573 in Jodhpur geboren. Ihr Vater war der als „Motâ Râja“ (Fetter König) berühmte Herrscher Udai Singh von Marwar (st. 1895). Marwar wurde später als Jodhpur bekannt, wodurch eine Verbindung zum Namen Jodha Bai gegeben ist.
Wie viele Rajputen musste sich Jagat Gosains Vater militärisch dem Mogulreich geschlagen geben. Er vereinbarte, dass seine Tochter zu einem späteren Zeitpunkt Akbars Sohn Salîm, den späteren Herrscher Jahângîr (reg. 1605-27), heiratete.
Eine politische Heirat
Dieses geschah im Jahr 1586, als Jagat Gosain 13 Jahre, Salîm 16 Jahre alt war. Jagat Gosains Vater hatte die Herrschaft über sein Reich bereits 1583 zurück erhalten.
Salîm war zu diesem Zeitpunkt bereits mit seiner Cousine Mân Bai verheiratet. Diese war, wie in einem anderen Beitrag auf diesem Blog bereits geschrieben, als launisch und sogar depressiv bekannt. Jagat Gosain jedoch war als sehr schön, gewitzt und klug bekannt. In den ersten Jahren ihrer Ehe widmete Salîm Jagat Gosain zunächst sehr viel Aufmerksamkeit. Dann schien er jedoch das Interesse an ihr zu verlieren – zumindest zeitweise. Den Titel der ersten Hauptfrau Jahângîrs erhielt Sâliha Bâno Begum (st. 1620), die er 1608 geheiratet hatte.
Jagat Gosain brachte drei Kinder zur Welt, zwei Töchter und einen Sohn. Ihre erste Tochter, Begum Sultân, starb 1591 im Alter von nur einem Jahr. Die zweite Tochter starb 1597 – wahrscheinlich wurde sie nur wenige Tage alt.
Khurram – der abwesende Sohn
Von besonderer Bedeutung war jedoch der einzige Sohn des Paares, Khurram (Persisch: Freude), der spätere Herrscher Shâh Jahân (reg. 1628-1658). Schon während der Schwangerschaft war der Legende nach Akbars Hauptfrau Ruqaiya Begum im Schlaf geweissagt worden, dass das ungeborene Kind einmal eine große Persönlichkeit werden würde. Aus diesem Grund übergab Akbar seinen Enkel sechs Tage nach der Geburt an Ruqaiya Begum zur weiteren Erziehung. Jagat Gosain wurde ein königliches Geschenk von kostbaren Juwelen als „Abfindung“ gezahlt.
Khurram kehrte erst mit vierzehn Jahren in Jahângîrs Haushalt (= harem) und somit zu seiner Mutter zurück. Die Beziehung zu Ruqaiya Begum blieb indes eine besondere.
Wie Jagat Gosains Beziehung zu ihrem Gatten und ihrem Sohn wirklich war, lässt sich nicht wirklich anhand der Quellen klären. Legendär ist allerdings die Rivalität zwischen ihr und der zwanzigsten Ehefrau Jahângîrs, Nûr Jahân Begum (st. 1645). Sie war wohl die einzige Frau, die Jagat Gosain wirklich gefährlich werden konnte. Einer Legende nach war Jahângîr mit Nûr Jahân und Jagat Gosain auf einer Jagd, als die Gruppe plötzlich auf einen Löwen. Ohne zu zögern griff Jagat Gosain nach einer Waffe und erschoss den Löwen. Jahângîr lobte ihren Mut und ihre Tapferkeit. Es gibt noch andere Legenden, die die Rivalität Nûr Jahâns und Jagat Gosains schildern.
Jagat Gosain starb 1619 in Agra mit knapp 46 Jahren. Ihr Grab wurde 1832 von den Briten gesprengt, um die Steine als Baumaterial zu verwenden.
Jagat Gosain wurde nicht nur als Jodha Bai, sondern auch als Bilqîs Makânî bekannt, wobei der Name Bilqîs auf die Königin von Saba anspielt. Sie war eindeutig eine Jodha Bai, ob sie die einzige war, müssen weitere Forschungen zeigen.
Beitragsbild: Das Beitragsbild zeigt ein Porträt von Jagat Gosain, Maler und Entstehungsjahr unbekannt. Das Bild ist unter der Public Domain Lizenz.