Wenn es für ein und dasselbe Land mehrere Bezeichnungen gibt, kann das verwirrend sein. Gerade bei Iran ist das besonders auffällig. Hier macht es tatsächlich einen großen Unterschied, welche Bezeichnung man wählt. Denn mit „Iran“ und „Persien“ sind ganz unterschiedliche Vorstellungen verbunden.
Testen Sie es einmal: Wenn Sie einem einigermaßen gut informierten Bekannten erzählen, daß Sie nach Iran reisen wollen, werden Sie möglicherweise auf Unverständnis oder gar Entsetzen stoßen. Iran hat keinen sonderlich guten Ruf in den europäischen Medien. „Iran“ – das sind die Mollas, das ist religiöser Fanatismus, das sind aufgepeitschte Massen, die sich selbst verletzen, das ist Haß auf Amerika.
Sagen Sie aber, es geht nach Persien, dann ist das faszinierend. „Persien“ steht für eine jahrtausendealte Kultur, für Kunsthandwerk und wertvolle Teppiche, für Poesie und Musik, Weisheiten und antike Sehenswürdigkeiten. Persien – das hat etwas Märchenhaftes, Buntes, Verzaubertes. Das erinnert an die Pracht des Schahs von Persien mit seiner Frau Soraya, die zur Hälfte Deutsche war. Und mittlerweile denkt man vielleicht auch an leckeres Essen.
Diese sehr unterschiedlichen Vorstellungen, die sich mit den beiden Bezeichnungen des Landes verbinden, und vor allem die nahezu gegenläufigen Wertungen, die damit verknüpft sind, veranlassen viele Iraner hierzulande dazu, sich selbst nicht als Iraner zu bezeichnen, sondern als Perser.
Das ist verständlich, aber nicht korrekt. Denn „Iran“ ist nun mal die offizielle nationale und internationale Bezeichnung des Landes. Wer die iranische Staatsangehörigkeit hat, ist daher automatisch „Iraner“, ob das nun angenehm ist oder nicht. Es sagt auch nichts über die Volkszugehörigkeit aus, denn Iran ist ein Vielvölkerstaat, in dem mehrere Volksgruppen leben.
Reliefkarte von Iran
„Perser“ sind dagegen streng genommen nur die Menschen, die aus der „Persis“ stammen – heute heißt dieses Gebiet im iranischen Südwesten „Fârs“ und ist eine große Provinz mit der Hauptstadt Schirâs.
Das F und das P sind im Laufe der Geschichte häufig gegeneinander ausgetauscht worden. Das ist eine typische Art der Lautverschiebung. Und da die Araber kein P hatten, wurde es mit deren Machtübernahme und der Verbreitung der arabischen Sprache und Schrift in vielen Wörtern durch ein F ersetzt.
Wenn Sie also aus „Fârs“ einmal „Pârs“ machen, dann erkennen Sie das Wort auch in der „Persis“ wieder. Diese Bezeichnung stammt aus den Werken griechischer Historiographen, von denen wir viele unserer Kenntnisse über das vorislamische Iran und besonders über die Achämeniden (6.-4. Jh. v.u.Z.) haben.
Die Sassaniden (224-642 u.Z.) stammten aus Fârs, und die Achämeniden hatten dort sogar ihren Königssitz (Persepolis liegt in der Nähe von Schirâs). Da es sich bei der Persis also um den Kern der beiden bekanntesten vorislamischen Reiche handelte, nannte man diese Reiche in Europa die „Perserreiche“ und das Land „Persien“.
Das änderte sich offiziell erst 1935, als auch international die Landesbezeichnung „Iran“ eingeführt wurde . Im allgmeinen Sprachgebrauch hatte sich das aber meines Wissens noch bis weit in die siebziger Jahre hinein nicht durchgesetzt, zumal die Regenbogenpresse gern über den „Schah von Persien“ berichtete.
So richtig ins öffentliche Bewußtsein vorgedrungen ist die „neue“ Landesbezeichnung deshalb erst nach der islamischen Revolution. Daher die gedankliche Verbindung mit der heutigen Regierung und den Mollas.
In Iran selbst allerdings war die Bezeichnung „Iran“ (auf persisch Îrân mit langem i und dunklem a) schon viel länger üblich. Sie taucht bereits in vorislamischer Zeit unter den oben genannten Sassaniden in der Form „Êrân“ auf, zunächst wohl noch in der Bedeutung „Arier“ im Plural, schon bald aber auch als Name des Reiches. Das Reich der Sassaniden wurde aber auch „Êrânschahr“ genannt: das Reich der Arier oder das Reich Iran.
Für „Persien“ gibt es bezeichnenderweise gar kein persisches Wort. In deutsch-persischen Wörterbüchern finden Sie entweder die Entsprechung „Iran“ oder die Beschreibung „alte Bezeichnung Irans im Westen“ oder ähnliches.
Soweit so klar. Wesentlich weniger klar wird es bei der Verwendung von Adjektiven. Denn bis heute sprechen wir ja von „persischem Essen“ und „persischer Musik“. Besonders logisch ist das nicht, und es wird auch kaum zu schweren Mißverständnissen kommen, wenn man stattdessen „iranisch“ sagt.
Wichtig ist dagegen die Unterscheidung zwischen „persischer Sprache“ und „iranischen Sprachen“. Denn iranische Sprachen gibt es mehrere, neben dem Persischen zum Beispiel das Kurdische. „Iranisch“ mit Bezug auf Sprachen bezeichnet also eine Untergruppe der Familie der indogermanischen Sprachen. Ein Iraner spricht demnach nicht „iranisch“ – denn das ist keine Sprache -, sondern in der Regel persisch.
Natürlich gibt es auch Iraner, die kurdisch oder türkisch oder eine andere Sprache sprechen. Aber wenn wir von der Amtssprache Irans reden, dann meinen wir das Persische. Dem entspricht übrigens auch die persische Bezeichnung der Sprache: „fârsî“ (früher und unter Puristen auch „pârsî“).
Ich hoffe, jetzt ist alles klar. 😉
Bildnachweis
Reliefkarte von Iran:
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: Uwe Dedering
Lizenz: Creative Commons 3.0
unverändert übernommen
Literatur
D.N. MacKenzie, „ĒRĀN, ĒRĀNŠAHR“, Encyclopædia Iranica, online edition, 1998 (letztes Update 2011), erreichbar unter http://www.iranicaonline.org/articles/eran-eransah (aufgerufen am 22.10.2017).
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