Machtspiele am Mogulhof: Die Heirat von Prinzessin Lâdlî Begum (Weltfrauentag 2024)

Dass Heiratspolitik an Fürstenhöfen weltweit nicht immer etwas mit Romantik zu tun hat, dürfte hinreichend bekannt sein. Eine Eheschließung wurde von den beteiligten Familien verhandelt, nach den Interessen der zukünftigen Ehepartner wurde zumeist nicht gefragt. Das war am Hof der indo-muslimischen Moguln nicht anders. Viele meiner Beiträge haben jedoch gezeigt, dass am Mogulhof einige der Frauen in diesen arrangierten Ehen zu viel Einfluss gelangten und im Harem einen großen Handlungsspielraum hatten. Zu nennen sind unter anderem die Frauen des Mogulherrschers Akbar, Salîma Begum und Maryam uz-Zamânî (Jodha), die Frau von Akbars Sohn Jahângîr, Nûr Jahân, oder Mumtâz Mahal, für die das Taj Mahal erbaut wurde. In diesem Beitrag zum Weltfrauentag 2024 soll es um die Prinzessin Lâdlî Begum gehen, die im 17. Jahrhundert unter den Hofintrigen ihrer Mutter Nûr Jahan zu leiden hatte.

Lâdlî Begums Mutter – die einflussreichste Frau des Mogulreiches

Lâdlî Begum war die Tochter von Nûr Jahân (st. 1645), die nach ihrer Eheschließung mit Salîm / Jahângîr (st. 1645) im Jahr 1611 zur mächtigsten Frau werden sollte, die das Mogulreich kannte.

Nûr Jahân wurde als Mehr-un-Nisâ 1577 in Kandahar im heutigen Afghanistan geboren. Sie entstammte einer bedeutenden persischen Fürstenfamilie. Nachdem ihr Vater jedoch aus unbekannten Gründen am Hof des persischen Safavidenherrschers in Ungnade gefallen war, kam die Familie völlig mittellos an den Mogulhof. Nûr Jahâns Vater erhielt von Akbar einflussreiche Positionen und den Ehrentitel I‘timad ad-Daula („Stütze des Staates“). Akbar sorgte auch dafür, dass Mehr-un-Nisâ eine Ausbildung in arabischer Sprache, Literatur, Musik und Tanz erhielt.

Akbar war es auch, der die Ehe der siebzehnjährigen Mehr-un-Nisâ‘ mit Sher Afghân arrangierte. Sher Afghani war der Ehrentitel von ‚Alî Qûlî Khân Istajlû, einem turkstämmigen Soldaten, der ebenfalls am Safavidenhof gedient hatte. Er kämpfte nun für das Mogulreich und hatte Akbars Sohn Salîm / Jahângîr bei dessen Militäraktionen unterstützt.

Mehr un-Nisâ‘ und Sher Afghân heirateten 1594.

Lâdlî Begum Kindheit

Lâdlî Begum wurde ca. 1605 geboren – also in dem Jahr, in dem Akbar starb, und sein ältester Sohn vom Prinzen Salîm zum Herrscher Jahângir wurde.

Eigentlich hieß Lâdlî Begum Mihr-un-Nisâ‘, ein Name, der wahrscheinlich nicht zufällig fast identisch mit dem Namen ihrer Mutter ist. Lâdlî Begum war das erste und einzige Kind ihrer Eltern und das einzige Kind ihrer berühmten Mutter überhaupt.

Über die frühe Kindheit von Lâdlî Begum wissen wir gar nichts, da die Familie nicht unmittelbar am Mogulhof lebte. 1607 starb Sher Afghân während einer Militäraktion. Frau und Tochter blieben zunächst alleine zurück.

Lâdlî Begum kommt an den Mogulhof

Doch bereits nach kurzer Zeit wurden Mehr un-Nisâ‘ und ihre Tochter vom neuen Herrscher Jahângîr an dessen Hof nach Agra beordert – Jahângîr war wohl der Ansicht, dass sie alleine nicht sicher genug seien. Die beiden lebten nun im Harem des Mogulhofes. Ihre Aufgabe war es, sich als Hofdamen um Akbars Witwe Ruqaiya Begum zu kümmern. Damit gehörten sie schon zum engsten Kreis des kaiserlichen Harems. Das war vor allem der Fall, weil Ruqaiya Begum und Mehr un-Nisâ‘ eine sehr vertrauensvolle Beziehung hatten.

Den Quellen nach dauerte es jedoch ganze vier Jahre, bis Jahângîr Mehr un-Nisâ‘ bei den Feierlichkeiten zu Nourûz, dem persischen Neujahrsfest, das erste Mal begegnete. Auf dem Meena-Bazar, bei dem die Frauen des Harems dem Herrscher und seinem engsten Gefolge Waren anboten, soll sich Jahângîr in Mehr un-Nisâ‘ verliebt haben. Am 25. Mai 1611 heiratete das Paar, aus Mehr un-Nisâ‘ wurde zuerst Nûr Mahal („Licht des Palastes“), dann Nur Jahân („Licht der Welt“). Nûr Jahân war zum Zeitpunkt der Heirat 34 Jahre alt. Sie war die zwanzigste (!!) und letzte Ehefrau, mit der Jahângîr eine Ehe nach islamischem Recht schloss.

Lâdlî Begum war nun die (Stief-)Tochter des Mogulkaisers – wobei es ja ein Konzept der Stieffamilie im islamischen Recht nicht gibt.

Die Hochzeitsverhandlungen – Lâdlî Begum als Braut

Innerhalb kürzester Zeit nach der Hochzeit schaffte es Nûr Jahân, faktisch die Macht zu übernehmen. Sie vertrat das Mogulreich nach innen und außen – „natürlich“, ohne formell einen Titel zu bekommen. Neben ihrem Vater Ghiyâs ud-Dîn hatten nun auch ihr Bruder Âsaf Khân (st. 1641) sowie weitere Verwandte einflussreiche Positionen am Hof.

Nûr Jahân begann ab 1617, Verhandlungen innerhalb der kaiserlichen Familie zur Verheiratung ihrer Tochter Lâdlî Begum. Diese war zu diesem Zeitpunkt knapp 13 Jahre alt. Nûr Jahâns Plan war es zunächst, Lâdlî Begum mit Jahângîrs ältestem Sohn Khusrau Mîrzâ (st. 1622) zu verheiraten. Khusrau war der Thronfolger, galt als sehr intelligent und militärisch geschickt. Er galt als Lieblingsenkel von Akbar, der auch seine Ausbildung übernommen hatte. Doch Khusrau Mîrzâ war nicht bereit, Lâdlî Begum zu heiraten. Er hatte bereits eine Hauptfrau, die Tochter von Akbars Milchbruder Mîrzâ ‘Azîz Kokâ. Auch wenn er aus politischen Gründen eine weitere Ehe einging, blieb seine erste Frau seine Hauptfrau. Nûr Jahâns Plan zur Verheiratung von Lâdlî Begum mit Khusrau war gescheitert.

Doch Nûr Jahân gab nicht auf. Als Nächstes begann sie Verhandlungen über die Verheiratung von Lâdlî Begum mit Jahângîrs drittem Sohn Khurram, dem späteren Herrscher Shâh Jahân. Dieser hatte jedoch schon im Alter von 20 Jahren Arjumand Begum, die spätere Mumtâz Mahal geheiratet. Arjumand Begum war die Tochter von Nûr Jahâns Bruder Âsaf Khân. Dieser stimmte einer Heirat schon aus politischen Gründen nicht zu. Khurram liebte bekanntermaßen Arjumand Begum besonders und lehnte eine Hochzeit mit Lâdlî Begum ebenfalls ab. Nûr Jahan war mit ihrem Plan zur Verheiratung von Lâdlî Begum mit Khurram gescheitert.

Nûr Jahân gab jedoch nicht auf. Sie wollte unbedingt ihre Tochter mit einem der leiblichen Söhne Jahângîrs verheiraten. So verhandelte sie mit dem Familienrat über eine Heirat von Lâdlî Begum mit Jahângîrs fünftem Sohn Shahriyâr Mîrzâ. Shahîyâr war 1605 wenige Monate nach Akbars Tod geboren worden, war anders als seine Brüder auch nicht von Akbar erzogen worden. Die Familie stimmte einer Verheiratung von Shahriyâr Mîrzâ zu, und die Verlobung fand am 22. Dezember 1620 statt. Zu diesem Anlass wurden Goldmünzen, Schmuck und andere Wertsachen in den Palast von Nûr Jahâns Vater gesendet.

Nûr Jahân war also mit ihren Plänen endlich erfolgreich. Die jahrelangen Verhandlungen, die sie zur Verheiratung Lâdlî Begums führte wurden nicht nur von einigen Mogulquellen erwähnt, sondern auch vom italienienischen Reisenden, Autor und Komponisten Pietro della Valle (st. 1652; Vol. I, S. 56-58).

Lâdlî Begums Ehe

Die Henna-Zeremonie in der Nacht vor der Eheschließung Lâdlî Bgums fand im Palast von Jahângîrs Mutter Maryam uz-Zamânî („Jodha“) statt, die eigentliche Hochzeit am 23.4.1621 wieder im Haus von Nûr Jahâns Vater. Jahângîr nahm mit den wichtigsten Frauen des kaiserlichen Harems an den Feierlichkeiten teil und besuchte auch die Frauenpaläste anlässlich der Hochzeit.

Viel wissen wir nicht über den weiteren Verlauf der Ehe. Es ist aber bekannt, dass Lâdlî Begum am 13. September 1623 eine Tochter zur Welt brachte, Arzanî Begum. 1625 wurde Shahriyâr zum Gouverneur der Stadt Thatta (heute Provinz Sindh, Pakistan) ernannt. Nûr Jahân sah sich in ihren Plänen bestärkt, dass ihre Tochter zur nächsten Mogulherrscherin aufsteigen könnte.

Am 7. November 1627 starb Jahângîr infolge seines jahrzehntelangen Alkohol- und Opium-Konsums auf dem Weg nach Lahore (heute Pakistan). Nûr Jahân sah nun ihre Chance gekommen, ihren Schwiegersohn Shahriyâr Mîrzâ auf den Thron zu bringen. Shahriyâr rief sich zum Mogulherrscher aus und erhielt wegen hoher Geldgeschenke die Unterstützung wichtiger Fürsten und Militärführer.

Nûr Jahâns Bruder Âsaf Khân unterstützte allerdings seinen Schwiegersohn Khurram. Der hatte seinen älteren Halbbruder Khusrau bereits 1622 ermorden lassen und stellte Anspruch auf den Thron. Âsaf Khân führte Khurrams Heer gegen Shahriyârs Truppen an und besiegte ihn im Januar 1628. Âsaf Khân nahm Shahriyâr gefangen und ließ ihn blenden. Nachdem sich Khurram zum Herrscher Shâh Jahân ausgerufen hatte, ließ er Shahriyâr und alle Unterstützer sowie weitere Verwandte hinrichten.

Nûr Jahân und Lâdlî Begum waren beide innerhalb kurzer Zeit Witwen geworden. Lâdlî Begum war erst 22 Jahre alt. Âsaf Khân konnte erreichen, dass die beiden Frauen nicht von Shâh Jahân hingerichtet wurden. Sie durften, zusammen mit Lâdlî Begums Tochter und ausgestattet mit entsprechenden Finanzmitteln, in einem Palast zurückgezogen in Lahore leben. Nûr Jahân nach ihrem Tod 1645 wurde in der Nähe des Mausoleums von Jahân bestattet. Ihre eigene Grabstätte hatte sie selbst entworfen – und den Bau durch Mittel von Shâh Jahân finanziert. Lâdlî Begum wurde im Mausoleum von Nûr Jahân neben ihrer Mutter bestattet.

Auf diese Weise blieben sie und ihre Mutter selbst über den Tod hinaus eng verbunden. Das Beispiel von Lâdlî Begum zeigt, dass viele Frauen keinen eigenen Handlungsspielraum hatten, auch wenn sie zur kaiserlichen Familie gehörten. Das Beispiel von Lâdlî Begum beweist ebenso, dass Frauen das Schicksal anderer Frauen negativ beeinflussen konnten und es auch taten.

Lâdlî Begums Tochter Arzanî Begum heiratete im übrigen Shâh Jahâns Sohn Aurangzeb – doch das ist eine andere Geschichte.

Literatur:

Della Valle, Pietro: The Travels of Pietro della Valle in India. From the old English Translation of 1664, by G. Havers. 2. Vols. 1892.

Findly, E.B.: Nur Jahan, Empress of Mughal India. Oxford University Press 1993.

Lal, Ruby. Empress : The Astonishing Reign of Nur Jahan. New York, 2018.

Bilder:

Das Beitragsbild zeigt Lâdlî Begums Ehemann Shahriyâr eines Mogulmalers . Es unterliegt der CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Das erste Bild des Beitrages zeigt Nûr Jahân. Es unterliegt der CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Das zweite Bild des Beitrages zeigt die Kenotaphen („Scheingräber“) von Lâdlî Begum und ihrer Mutter Nûr Jahan in Lahore. Es unterliegt der CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

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