Kürzlich habe ich in einem Beitrag einiges zum Klatsch um das Sexualleben des Mogulherrschers Schâh Dschahân (reg. 1628-1658) geschrieben. Im Fokus des Beitrags stand auch die angebliche sexuelle inzestuöse Beziehung des Herrschers zu seiner Tochter Dschahânârâ Begum (st. 1681). Ich hatte schon in dem Beitrag auf die Rolle der beiden Reisenden Francois Bernier (st. 1688) und Niccolò Manucci (st. 1717) verwiesen. Diese behaupteten beide, ihr Wissen aus engsten Hofkreisen bekommen zu haben.
In diesem Beitrag geht es um die angeblichen Affären und Liebschaften, die zwei der Mogulprinzessinnen im 17. Jahrhundert erlebten, nämlich um die Schwestern Roschanârâ Begum (1617-1671) und Dschahânârâ Begum. Diese waren wie oben erwähnt die Töchter des Mogulherrschers Schâh Dschahân und seiner Frau Mumtâz Mahal, für die das Taj Mahall erbaut wurde – und somit auch die Enkelinnen von Dschahângîr (st. 1627) und die Urenkelinnen Akbars (st. 1605).
Dschahânârâ Begum – die ältere Prinzessin wird bevorzugt
Roschanâra Begum war die zweite Tochter Schâh Dschahâns und Mumtâz Mahals. Ihr Vater schien jedoch Zeit seines Lebens seine ältere Tochter Dschahânâra Begum zu bevorzugen: sie war es ja, die nach dem Tod der Mutter Mumtâz Mahal die „First Lady“ des Mogulreiches wurde. Schâh Dschahân bevorzugte sie jedoch auch in finanzieller Hinsicht: es sind mehrere Gelegenheiten bekannt, an denen Schâh Dschahân Dschahânârâ mit Gold, Schmuck und Edelsteinen überhäufte. Über Roschanârâ uns solche Geschichten nicht bekannt.
Auch unsere beiden europäischen Reisenden Bernier und Manucci nahmen die Unterschiede der beiden Mogulprinzessinen wahr. Dschahânâra wurde von beiden Europäern übereinstimmend als hübschere der beiden Schwestern beschrieben. Roschanârâ, so berichteten sowohl Manucci als auch Bernier, sei zwar nicht so gut aussehend wie Dschahânârâ, aber mindestens genauso intelligent und schlagfertig gewesen. Manucci schrieb, dass Roschânârâ einen größeren Sinn für Humor und Scherze gehabt habe als ihre Schwester. Sowohl Manucci als auch Bernier deuten an, dass Roshanârâ wie ihre ältere Schwester heimliche Liebschaften im Palast einging. Doch zumindest für die Lebenszeit ihres Vaters Schâh Dschahân sind uns keine Einzelheiten bekannt.
Dieses sieht bei Dschahânâra Begum anders aus.
Zwei „tödliche“ Affären Dschahanârâs
Sowohl Bernier als auch Manucci berichten von Gerüchten über viele Affären Dschahânârâs noch zu Lebzeiten Schâh Dschahâns. Doch Bernier schildert gleich zwei Affären, die tödlich endeten – in beiden Fällen für die jeweiligen Liebhaber. Lassen wir Bernier persönlich zu Wort kommen (Bernier: Travels, S. 12, Übersetzung aus dem Englischen von CP)
Es wird erzählt, dass die Begum-Saheb (also Dschahânârâ Begum, CP), obwohl sie eingeschränkt im Serail (im Harem, CP) lebte und von Frauen bewacht wurde, Besuche von einem jungen Mann empfing, der zwar nicht von hohem Rang, aber eine akzeptable Person war. Es war kaum möglich, dass ihr Verhalten unentdeckt blieb, da sie von Frauen umgeben war, deren Neid sie erweckte. Schâh Dschahân erfuhr von ihrer Schuld, und betrat sehr entschlossen ihre Gemächer zu einer ungewohnten und unerwarteten Zeit. Das geschah zu schnell, um zu ihr zu ermöglichen, dieses zu vertuschen. Der verschreckte Liebhaber flüchtete sich in einen großen Kessel, der normalerweise für Bäder benutzt wude. Der König ließ weder Überraschung noch Ablehnung noch Unmut erkennen – er unterhielt sich mit seiner Tochter über ganz normale Themen.
Doch dann beendete er das Gespräch damit, dass er sie (Dschahânârâ) darauf hinwies, dass der Zustand ihrer Haut darauf hinwies, das sie ihre üblichen Waschungen vernachlässigt habe, und ein Bad nehmen müsse. Dann forderte er (Schâh Dschahân) einen Eunuch auf, ein Feuer unter dem Kessel anzuzünden – und er zog sich nicht eher zurück, bis man ihm zu verstehen gegeben hatte, dass sein armes Opfer nicht mehr lebte.
Bernie: Travels, S. 12.
Auch die zweite angebliche Affäre endete wie erwähnt tödlich für den angeblichen Liebhaber. So soll Dschahânârâ eine Affäre mit einem jungen Mann aus der Hofverwaltung gehabt haben – einem Perser namens Nâzir Khân, der zwar nicht adeliger Herkunft, aber eine „akzeptable Person“ war. Schâh Dschahâns Onkel Schâita Khân, der ebenfalls persischer Herkunft war, war der Ansicht, dass der junge Mann einen guten Ehemann für Dschahânârâ Begum abgeben würde. Als Schâh Dschahân dieser Vorschlag unterbreitet wurde, reagierte er wenig erfreut. Ihm waren bereits Gerüchte über die Beziehung der beiden zu Ohren gekommen.
So servierte Schâh Dschahân Nâzir Khân am Ende des Abends pân, was eigentlich eine große Ehre ist. Pân besteht aus den Blättern der Betelpalme, die aufgerollt und mit verschiedenen Füllungen versehen werden – unter anderem mit Scheiben der Nuss der Betelpalme – oder manchmal auch mit Opium. Pân regt den Speichelfluss an und fördert die Verdauung. Nâzir Khân sollte jedoch nicht in den Genuß der Vorteile von pân kommen – denn das vorgebliche Ehrung von Schâh Dschahân enthielt ein langsam wirkendes Gift. Der junge Mann erlebte nach Schilderung Manuccis jedenfalls den nächsten Morgen nicht mehr.
Roschânânrâs letzte Äffäre
Berniers detaillierte Schilderung wurde von Manucci nicht bestätigt. Manucci war vielmehr der Ansicht, dass diese Anekdoten reine Erfindungen waren – Schâh Dschahân hätte, so Manucci, Dschahânârâ Begum niemals durch die öffentlichen „Hinrichtungen“ ihrer Liebhaber gedemütigt.
Dass solche Gerüchte überhaupt entstanden, hatte mit der Nachfolge Schâh Dschahâns zu tun. Während Dschahânârâ ihren Bruder Dâra Schikoh unterstützte, verhalf Roschanârâ ihrem Bruder Aurangzeb zur Macht – und wurde später seine „First Lady“ Pâdschâh Begum. Auch zwischen Aurangzeb und Dschahânârâ fand später eine Versöhnung statt.
Aurangzeb, der als strenger Muslim bekannt war (darüber später einmal), duldete keine Musik, kein Glücksspiel, keinen Alkohol und keine Affären seiner beiden Schwestern. Auch das machte er deutlich klar.
Roschanârâ hatte bereits, so schrieben sowohl Manucci als auch Bernier, eine Warnung ihres Bruders erhalten, als sie zwei Männer über Tage in ihren privaten Gemächern versteckt hielt.
Diese Warnungen ignorierte Roschanârâ nachdrücklich, denn 1671 versteckte sie über mehrere Tage 9 junge Männer in ihren Räumen. Eine von Aurangzebs Töchtern erfuhr davon. Sie fragte ihre Tante, ob sie ihr nicht zwei der jungen Männer überlassen könne. Als Roschanâra dieses ablehnte, erzählte Auranzebs Tochter ihrem Vater von Roschanârâs Verfehlungen.
Aurangzeb ließ in der darauffolgenden Zeit alle 9 Männer foltern und töten. Diesmal wurde auch Roschanâra für ihre Affären bestraft: Aurangzeb ließ Roschanâra vergiften. Sie starb „aufgedunsen wie ein Faß“ am 11. September 1671.
Das Beispiel der Schwestern Dschahânârâ und Roschanârâ zeigt, dass die Frauen des Harem am Mogulhof sich zwar einige Freiheiten und Handlungsspielraum erkämpfen konnten, der Bereich der Sexualität aber von Männern reglementiert und kontrolliert wurde.
Inwieweit es doch Ausnahmen gab, müssen weitere Forschungen in den verschiedenen Quellen zeigen.
+++HIER +++gibt es einen Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte
Literatur:
Bernier, Francois: Travels in the Mogul Empire, AD 1656-1668. Oxford: OUP, 1916.
Lal, Ruby: Domesticity and Power in the Early Mughal World. Cambridge: CUP, 2005.
Das Beitragsbild zeigt ein Bild Roschanârâ Begums von Abbé Antoine François Prévost – es ist Public Domain.