Kürzlich habe ich knapp zwei Wochen in New Delhi verbracht. Einer der Höhepunkte meiner Reise war die Besichtigung des Grab des zweiten Mogulherrschers Humâyûn (st. 1556), das unter dem englischen Begriff Humayun’s Tomb bzw. unter dem Urdu-Begriff Maqbara-ye Humâyûn bekannt.
Auf dieses Grab, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, möchte ich in einem eigenen Beitrag eingehen. Heute geht es zunächst um die Frau, die das Grabmal in Auftrag gegeben hat. Dieses war nämlich nicht, wie viele meinen, Hamîda Begum (st. 1604), also die leibliche Mutter des Mogulherrschers Akbar, sondern Bega Begum (st. 1582), die erste Ehefrau des Herrschers.
Anders als Mâh Chûchak, der dritten Ehefrau seines Vaters, lebte Bega Begum fast ununterbrochen mit Humâyûn zusammen und folgte ihm auch an den Hof von Delhi – während ja Mâh Chûchak in Kabul lebte.
Bega Begum hatte nicht nur großen Einfluss auf die anderen Frauen ihrer Generation (z.B. auf Humâyûns zweite Ehefrau und Akbars Mutter, Hamîda Begum und Humâyûns Schwester Gulbadan Bâno), sondern auch auf Akbar selbst, der ja bereits 1556 im Alter von nur 14 Jahren die Nachfolge seines Vaters
Die enge Beziehung zwischen Akbar und Bega Begum wurde auch von Akbars Biographen erwähnt, die sie als „zweite Mutter“ Akbars bezeichneten.
Konkurrenz unter Humâyûns Ehefrauen
Dass die Beziehungen der einzelnen Ehefrauen Humâyûns untereinander nicht immer einfach waren, zeigt das folgende Beispiel aus Akbars Kindheit. So soll Akbar als kleiner Junge einmal unter schweren Zahnschmerzen gelitten haben. Als Bega Begum ihm eine Medizin verabreichen wollte, versuchte Hamîda Begum, sie daran zu hindern – zu groß war die Angst, dass Bega Begum eventuell versuchen könnte, Akbar zu vergiften. Bega Begum trank daraufhin vor Hamîda Begums Augen einen Teil der Medizin – und rieb dann, als sie sich als harmlos erwies, den Rest der Arznei auf Akbars Zähne.
Bega Begams Zuneigung für Akbar mag sicherlich auch damit zusammenhängen, dass ihre eigenen Kinder von Humâyûn nicht überlebt hatten…
Doch der Reihe nach..
Bega Begums Herkunft und die Heirat mit Humâyûn
Bega Begum wurde etwa 1511 geboren, ein genaues Datum liegt uns in den Quellen aber nicht vor. Ihr Vater Yâdgâr Beg war ein persischer Adeliger aus der Provinz Khorasan. Bega Begam war somit eine Cousine ersten Grades ihres späteren Ehemanns Humâyûn. In ihrer Kindheit und Jugend erhielt sie die übliche (religiöse) Ausbildung sowie in Dichtung und Musik. Ein besonderes Interesse Bega Begums galt der Medizin – so lässt sich auch die oben erwähnte Geschichte über die Arznei gegen Akbars Zahnschmerzen erklären.
Als Bega Begum etwa 16 Jahre alt war, heiratete sie ihren Cousin Humâyûn, der zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt war. Die Hochzeit fand in Badakshan statt, wo Humâyûn zu diesem Zeitpunkt Vizekönig war. Bereits im November 1528 brachte Bega Begum ihr erstes Kind zur Welt, einen Sohn namens al-Amân Mirzâ. Die Ankunft des Erben wurde von der gesamten Familie gefeiert – doch al-Amân starb bereits im Säuglingsalter.
1530 wurde Bega Begums Ehemann Humâyûn Kaiser des Mogulreiches. Sie war zu dem Zeitpunkt 19 Jahre, ihr Mann 23 Jahre alt. Humâyûn verlegte den Mittelpunkt des Mogulreiches von Kabul im heutigen Afghanistan nach Agra. Bega Begum begleitete ihren Mann nach Agra, und nur kurze Zeit brachte Begum ihr zweites Kind zur Welt: eine Tochter, die ‚Aqîqa Begum genannt wurde.
Der Verlust der Macht und der Tod ‚Aqîqa Begums
1539 erlitt das Mogulreich unter Humâyûn einen großen Machtverlust. Sher Schâh Sûrî (st. 1545) besiegte Humâyûn und etablierte das Suri-Reich mit der Hauptstadt Delhi. Im Juli 1539 hatte Bega Begum Humâyûn auf eine Militäraktion nach Chausa (heute im indischen Bundesstaat Bengalen) begleitet. Sher Schâh Sûrî konnte während eines Überraschungsangriffes auf Humâyûns Heer etliche der Frauen des Harems gefangen nehmen. Viele Frauen versuchten, sich mit einem Boot vor der Gefangennahme zu retten, doch in den Wirren des Kampfes und der Flucht von Humâyûns Heer sank das Boot und ‚Aqîqa Begum ertrank – erst 8 Jahre alt.
Humâyûn war untröstlich und machte sich Selbstvorwürfe, dass er Frau und Tochter auf den Feldzug mitgenommen hatte.
Doch ihm blieb keine lange Zeit zu trauern: schließlich war auch Bega Begum von Sher Schâh Sûrî gefangen genommen worden – übrigens die erste und einzige Frau eines Mogulherrschers, die jemals von Gegnern des Reiches gefangen genommen wurde. Glauben wir den Quellen, wurde Bega Begam während ihrer Gefangenschaft gut behandelt. Später wurde sie wieder an Humâyûn zurück gegeben.
Doch Humâyûn konnte die Herrschaft über das Reich nicht halten. Nach diversen militärischen Niederlagen verlor Humâyûn eine Mehrheit seiner Anhängerschaft. Humâyun und seine Unterstützer zogen durch Nordindien, das heutige Afghanistan und schließlich ins Exil nach Persien. Nicht zuletzt seine rebellischen Brüder sorgten dafür, dass Humâyun 14 Jahre lang nicht über Indien herrschte.
Bega Begum war die ganze Zeit an der Seite ihres Ehemannes, sie begleitete ihn auch in das Exil an de Hof des safawidischen Herrschers Tahmasp I. (st. 1576). 1541 heirate Humâyûn seine zweite Ehefrau Hamîda Begum, die 1542 den Thronfolger Akbar zur Welt brachte. 1546 heirate der Herrscher Mâh Chuchak Begum, die ebenfalls einen Sohn zur Welt brachte.
Als es Humâyûn schließlich 1554 wieder gelang, Herrscher über Indien zu werden, begleiteten ihn nur Bega Begum und Hamîda Begum nach Agra, Mâh Chuchak verblieb in Kabul. Bereits zwei Jahre später, 1556 wurde Bega Begum Witwe, nachdem Humâyûn nach einem Treppensturz verstarb.
Bega Begum als Witwe Humâyûns
Bereits kurz nach Humâyûns Tod fasste Bega Begum den Entschluss, ein Grabmal für ihren verstorbenen Gatten zu erbauen. Bevor sie ihren ergeizigen Plan umsetzte, ging sie zunächst einmal auf die Pilgerfahrt nach Mekka. Für mehr als drei Jahre war sie auf Reisen. Als sie 1560 nach Indien zurückkam, reiste sie nicht nach Agra an den Hof Akbars, sondern blieb in Delhi, um das Grabmal für Humâyûn errichten zu lassen. Von ihrer Reise hatte Bega Begum zahlreiche iranische und arabische Handwerker mitgebracht, die den von Bega Begum geplanten Bau ausführen sollten. Als Architekten hatte Bega Begum zwei Afghanen ausgesucht.
Über das Grabmal an sich werde ich noch in einem gesonderten Beitrag etwas schreiben. Es ist aber deutlich, dass die Vollendung dieses Bauwerkes das wichtigste Lebenswerk Bega Begums war – zeitweise überwachte sie persönlich die Bauarbeiten und schlug sogar ihr Lager neben der Baustelle auf.
Neben dem Grabmal finanzierte Bega Begum auch den Bau anderer Bauwerke und finanzierte auch viele wohltätige Projekte.
1582 starb sie. Akbar, zu dem sie wie gesagt eine sehr enge Verbindung hatte, war laut Aussagen seiner Biographen untröstlich. Er begleitete den Leichnam zur Bestattung – Bega Begum wurde ebenfalls in dem von ihr finanzierten Grabmal ihres Mannes beigesetzt.
„Szenen einer Ehe“: Bega Begum und Humâyûn
Ich möchte meinen Beitrag mit einer Begebenheit beschließen, die uns Bega Begums Schwägerin Gulbadan Begum in ihrer Biographie Humâyûns beschreibt. Sie schildert ungewohnt deutlich eine eheliche Auseinandersetzung zwischen Bega Begum und ihrem Mann. Es geht darum, dass Humâyûn – ganz gegen das islamische Gebot der Gleichbehandlung aller Ehefrauen durch den Ehemann – Bega Begum vernachlässigte.
Sie begann sich zu beklagen, und sagte zu ihm : seit einigen Tagen habt diesen Garten besucht, aber Ihr seid nicht in unsem Haus erschienen. Es wurden keine Dornen auf dem Weg dahin gepflanzt. Wir hoffen, dass Ihr demächst wieder in unser Haus kommen werdet, und dort eine Feier und soziale Zusammenkünfte abhaltet. Wie lange werdet Ihr uns Hilflosen Eure Ungnade zeigen? Wir haben auch ein Herz. Drei Mal habt Ihr andere Orte (gemeint ist: Eure anderen Frauen, CP) mit Eurer Anwesenheit beehrt und Euch Tag und Nacht mit Amüsement und Unterhaltungen beschäftigt.
Als sie mit ihren Ausführungen fertig war, schwieg der Herrscher – und seine Schwester fügte hinzu: „Jeder wusste, dass seine Majestät verärgert war. Schließlich antwortete Humâyûn seiner Frau Bega Begum:
Gulbadan Begum: Humayun-nama, S. 190, zitiert nach S.S.Gupta: Mahal, eBook.
Mir wurde die Notwendigkeit auferlegt, sie alle glücklich zu machen. Ich schäme mich vor ihnen, dass ich mich so selten bei ihnen blicken lasse. Ich bin ein Opium-Konsument. Falls es zu Verzögerungen bei meinem Kommen und Gehen kommt, seid nicht ärgerlich mit mir.
Diese Antwort ihres Gatten beruhigte Bega Begum scheinbar überhaupt nicht, und sie antworte: „Was für eine Wahl haben wir? Ihr seid der Herrscher! Eure Erklärung erscheint schlimmer als der Fehler!.
Schließlich versöhnten sich die Eheleute wieder… Gulbadan Begums Schilderung macht sehr deutlich, dass der königliche Harem eine Familienangelegenheit war – wie alle anderen Familien auch.
Literatur:
Subhadra S. Gupta: Mahal: Power and Pageantry in the Mughal Harem. Gurugram: Hachette, 2019 (eBook)
Das Beitragsbild zeigt den Mogulherrscher Humâyûn bei einem darbâr (Versammlung des Hofes), aus einem Manuskript des Akbar-nâma (British Library). Es ist Public Domain.
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