Die vergangene Woche war auf eine Weise sehr produktiv, denn ich bin zum zweiten Mal Tante geworden. 🙂 Doch zum Schreiben bin ich wegen einer Menge unerfreulichen Verwaltungskrams kaum gekommen. Und weil ich am Wochenende auch die ganze Zeit unterwegs war, erzähle ich Ihnen dieses Mal nur einen Witz – wieder einmal leicht verspätet.
Immerhin hatte ich Ihnen für dieses Jahr mehr Humor versprochen und bin bisher noch kaum dazu gekommen, dieses Versprechen zu halten. Das liegt aber nicht nur daran, daß ich es nicht beim Witze-Erzählen belassen will und ein guter Humorbeitrag deshalb immer gleich ziemlich aufwendig wird.
Ich denke auch darüber nach, die wichtigsten Erkenntnisse aus meiner Doktorarbeit in ein unterhaltsames Buch zu verwandeln. Da möchte ich meine Spielwiese hier natürlich gern optimal nutzen und herausfinden, wie das funktionieren könnte. Auch das ist aufwendig, und deshalb muß ich mich immer zwingen, wie heute einfach mal ganz klein anzufangen.
Es gibt also einen Grund, warum ich gerade diesen Witz ausgewählt habe. Er ist nämlich Teil einer ganzen Serie von Witzen verschiedenen Typs, die ‚Obeyd-e Zâkânî zum Thema Ehebruch zum besten gibt. Ich bin der Meinung, daß uns ‚Obeyd durch die große Menge an Witzen zu diesem Thema in seiner Sammlung etwas mitteilen will. Außerdem denke ich, daß diese Mitteilung sich in sehr verbreitete Vorstellungen über Frauen, Familie und Ehe einfügen.
Das ist auch die Stelle, an der sich ‚Obeyds Witzesammlung und seine satirischen Texte mit der Zielrichtung persischer Erotikhandbücher aus Indien treffen, die ich im letzten Forschungsprojekt untersucht habe. Und nicht nur mit diesen.
Da ich diese Gedanken für einen Vortrag zusammenführen möchte, den ich bald halten soll, halte ich es für eine gute Gelegenheit, im ersten Schritt Sie, meine geschätzten Blogleser, an das Thema heranzuführen. Vielleicht entwickeln sich die Ideen dabei ja noch. Oder Sie sehen etwas, was mir noch gar nicht aufgefallen ist. Beim Bloggen kann man nie vorher wissen, was sich ergibt. 🙂
Sie bekommen also in den nächsten Wochen noch mehr zu diesem Thema zu lesen. Deshalb habe ich diesen Beitrag schon mal als „Teil 1“ markiert. Aber heute fangen wir ganz langsam mit einem kleinen, harmlosen Witz an. Hier ist er:
Mazîds Frau war schwanger. Sie schaute ihm ins Gesicht und sagte: „Wehe mir, wenn dir ähnelt, was in meinem Bauch ist!“ Da sagte er: „Wehe mir, wenn es mir nicht ähnelt!“ (S. 241, Nr. 18)
Ein iranischer ‚Obeyd-Forscher ist der Auffassung, daß der hier auftretende „Mazîd“ eigentlich eine bekanntere Witzfigur namens „Muzabbid“ ist. Das kann sein, weil eine solche Verschreibung nur durch die falsche Anzahl an Punkten unter einem der Buchstabenkörper entstanden sein kann.
Das Auftreten von Muzabbid erklärt möglicherweise auch den auf den ersten Blick auffälligsten Aspekt dieses Witzes: Der Mann beantwortet die Beleidigung seiner Frau (die ihn offensichtlich häßlich findet) nicht etwa mit einer Drohung, wie man sie hier erwarten könnte.
Er sagt also nicht: „Wehe DIR, wenn es mir nicht ähnelt!“ Dabei käme doch, wenn das Kind dem Vater nicht ähnelt, der Verdacht auf, daß es womöglich einen anderen Erzeuger hat, die Mutter also fremdgegangen ist. Trotzdem gibt Muzabbid/Mazîd nur kleinmütig zu, daß in diesem Fall er selbst der Gelackmeierte wäre.
Das läßt sich natürlich so verstehen, daß die Witzfigur Muzabbid/Mazîd nicht Manns genug ist, seine Frau in ihre Schranken zu weisen. Nicht nur, daß er sich von ihr als so häßlich beschimpfen läßt, daß sie sich wünscht, ihr Kind möge ihm nicht ähnlich sehen. Er setzt selbst noch eins drauf, indem er andeutet, daß er dann als gehörnter Ehemann mit einem Kuckuckskind zum Gespött würde. Und um alldem die Krone aufzusetzen, droht er seiner Frau für diesen Fall nicht einmal mit Konsequenzen.
Typisch an diesem Witz ist aber, daß überdeutlich wird, wie fatal ein offenkundig gewordener Ehebruch für den Ruf des Ehemannes war. Sogar der bloße Verdacht, ausgelöst etwa durch die mangelnde Ähnlichkeit eines Kindes mit dem juristischen Vater (dem Ehemann der Mutter), konnte ihm Spott und Häme einbringen.
In den Witzen ist der Hahnrei, der gehörnte Ehemann, in der Regel eine lächerliche Figur ohne ausreichende männliche Durchsetzungskraft. Hilflose Äußerungen wie die von Muzabbid/Mazîd in diesem Witz bilden daher oft die Pointe. Man lacht also über einen solchen Ehemann und empfindet bestenfalls Mitleid, wahrscheinlich aber eher Verachtung für ihn.
Daraus kann man auch schließen, was von einem „echten Mann“erwartet wurde, nämlich einem Ehemann, der keine lächerliche Figur abgeben wollte: Er hatte seine Frau so im Griff zu haben, daß Ehebruch gar nicht möglich wäre – und schon gar nicht ein Kuckuckskind.
Womöglich kann man all das an diesem einen Witz noch nicht leicht erkennen. Aber Sie werden in nächster Zeit noch andere Beispiele lesen und mehr darüber erfahren, was das meiner Ansicht nach über Männer- und Frauenbilder und die Vorstellungen über das Verhältnis zwischen den Geschlechtern aussagt.
P.S.: Das ist übrigens einer der arabischen Witze aus ‚Obeyds Sammlung.
Quelle
Zâkânî, Nezâm od-Dîn ‘Obeydollâh: Kolliyyât-e ‘Obeyd-e Zâkânî šâmel-e qasâyed, ghazaliyât, qata’ât, robâ’iyyât, masnaviyyât. Moqâbele bâ noskhe-ye mosahhah-e Ostâd-e faqîd ‘Abbâs-e Eqbâl va tschand noskhe-ye dîgar. Šarh va ta’bîr va tardschome-ye loghât-o âyât-o ‘ebârât-e ‘arabî az Parvîz-e Atâbakî. Tschâp-e dovvom. Tehrân: Zavvâr, 1343 š./1964-5.
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