Hadschi Halef Omar auf Persisch

Wie im letzten Beitrag versprochen, erkläre ich Ihnen heute kurz, wie sich traditionelle arabische Namen im persischen Sprachraum verändert haben. Dort waren sie seit den Anfängen der Islamisierung nämlich genauso gebräuchlich wie im arabischen Sprachraum.

Nur ist das Persische eine indo-europäische Sprache und das Arabische eine semitische. Obwohl beide mit dem arabischen Alphabet geschrieben werden, sind sie daher nicht verwandt. Sie gehören zu unterschiedlichen Sprachfamilien. Das bemerkt man vor allem an der Grammatik.

Andererseits hat sich das Neupersische erst zur Literatursprache entwickelt, als das Arabische bereits im persischen Sprachraum Fuß gefaßt hatte und für die religiöse Literatur des Islam ebenso verwendet wurde wie als Wissenschaftssprache.

Schon deshalb ist es im Wortschatz vom Arabischen beeinflußt worden. Doch dieser Einfluß wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt so stark, daß man heute wegen der vielen ähnlichen Wörter manchmal den Eindruck gewinnt, die Sprachen wären verwandt.

Da für das Persische zuvor keine befriedigende Schrift existierte, übernahm man nun das arabische Alphabet und paßte es mit der Zeit an einige Besonderheiten des Persischen an. So gibt es zum Beispiel im Hocharabischen zwar kein g, im Persischen aber schon.

Als eigene Sprache umfaßt das Persische natürlich auch eigene Formen von Wortverbindungen. Und da traditionelle arabische Namensketten aus Wortverbindungen bestehen, gibt es im Persischen natürlich Abweichungen. Auch in persischen Texten kommen die arabischen Namensketten zwar des öfteren genauso vor wie im Arabischen, aber nicht immer.

Die ezâfe-Verbindung

Im Persischen gibt es nämlich ein Verbindungselement zwischen Wörtern, das mehrere ganz unterschiedliche Funktionen übernehmen kann. Dieses Verbindungselement nennt man die ezâfe (wörtlich: „Hinzufügung“ oder „Verbindung“). Dieses Element besteht im frühen klassischen Persisch aus einem kurzen oder langen „i“ oder „yi“ (nach Vokalen) und wird heute als „e“ oder „ye“ gesprochen.

Auch im osmanischen Türkisch und im Urdu findet man solche ezâfe-Verbindungen, die aus dem Persischen übernommen wurden. Das ist eines der Erkennungsmerkmale der Persophonie. Man kann daran noch die starke Wirkung der persischen Sprache und der durch sie transportierten Kultur auf andere Sprachen in ihrem früheren Einflußbereich erkennen.

Die ezâfe kann also mehrere Funktionen übernehmen: Sie kann eine Genitivverbindung herstellen. Das ist eine Konstruktion wie „das Haus des Mannes“. Auf persisch: „châne (Haus)-ye (ezâfe) mard (Mann)“. Sie kann auch Attribute an ein Substantiv anreihen wie „gutes Essen“. Im Persischen wird „gut“ nachgestellt und eine Verbindung zwischen „Essen“ und „gut“ gesetzt: „ghazâ (Essen)-ye (ezâfe) chûb (gut)“. Sie kann aber auch in einer Namenskette das „ibn“ („Sohn des“) ersetzen.

Das sieht dann so aus: ‚Alî b. Hasan, also „‚Alî, Sohn des Hasan“, wird zu ‚Alî-ye Hasan. Die Bedeutung bleibt dieselbe. Nur daß man in vielen Fällen die ezâfe nicht sehen kann, weil ein kurzer Vokal in der arabischen Schrift in der Regel nicht dargestellt wird. Während man bei der arabischen Namensform also das „ibn“ gut erkennen kann, muß man sich bei der persischen Lesart die ezâfe dazu denken.

Arabisches Schriftbild: ‚Alî b. Hasan
علی بن حسن

Persisches Schriftbild: ‚Alî Hasan
علی حسن

Daraus kann sich dann ein Problem ergeben, wenn nicht klar ist, ob eine Person vielleicht doch zwei Vornamen hat oder ob es sich bei dem zweiten Vornamen um den Namen des Vaters handelt. Heißt der Mann in der persischen Variante nun ‚Alî-ye Hasan, also „‚Alî, Sohn des Hasan“, oder ‚Alî Hasan?

Das ist einer der Gründe, warum Islamwissenschaftler dazu tendieren, die Namen auch dann nach der arabischen Konvention wiederzugeben, wenn sie eine persische Quelle übersetzen, die mit der ezâfe arbeitet.

Ebenfalls mit der ezâfe angehängt wird übrigens die Herkunfts- oder Berufsbezeichnung am Ende des Namens. Das ist ja eine Art Attribut, das im Arabischen mit dem Artikel „al-“ eingeleitet wird (nicht immer, aber bei Namen schon). Im Persischen läßt man dann den arabischen Artikel weg und hängt stattdessen die ezâfe an den vorangehenden Namen. Ich bringe am Ende des Beitrags gleich noch ein Beispiel.

Manche frühe persische Autoren übersetzen übrigens auch das „ibn“ aus arabischen Namen ins Persische. Allerdings weniger innerhalb von Namensketten als vielmehr dann, wenn jemand unter dem Namensbestandteil „Ibn XY“ bekannt ist. Abo l-Fazl-e Beyhaqî zum Beispiel nennt den arabischen Dichter Ibn ar-Rûmî („Sohn des Rûmî“) regelmäßig „Pesar-e Rûmî“. Das persische Wort „pesar“ bedeutet „Sohn“.

In Namensketten verwendet er dagegen die ezâfe. So heißt der Wesir Ahmad b. Hasan al-Maimandî bei ihm grundsätzlich Ahmad-e Hasan. Der Nachfolger dieses Wesirs hieß übrigens auch Ahmad, allerdings hatte dessen Vater glücklicherweise einen anderen Vornamen. Statt Ahmad b. ‚Abd os-Samad nennt Beyhaqî ihn aber immer Ahmad-e ‚Abd os-Samad. Für Verwechslungen hat der identische Vorname bei manchen Forschern übrigens trotzdem gesorgt (woran man dann sehen kann, daß wir alle genötigt sind, viel zu schnell und zu oberflächlich zu lesen).

Veränderung der Aussprache

Eine zweite Besonderheit des Persischen ist, daß bestimmte arabische Laute hier nicht vorkommen. So gibt es verschiedene Dentallaute (d-Laute und dem englischen th ähnliche Laute), die im Persischen einfach als stimmhaftes „s“ gesprochen werden. Deshalb gibt es im Persischen ganz verschiedene Schreibweisen für gleich ausgesprochene Laute.

Bei den Vokalen hat sich die Aussprache erst mit der Zeit verändert. Ursprünglich gab es im frühen klassischen Persisch jeweils ein kurzes und ein langes „i“ und „u“ sowie ein langes „e“ und „o“. Die letzten beiden Laute kann man in arabischer Schrift nicht eindeutig wiedergeben. Das lange „e“ sieht genauso aus wie ein langes „i“ und das lange „o“ wie ein langes „u“. Dementsprechend war die ezâfe ursprünglich ein kurzes oder langes „i“, kein „e“.

Es gibt Grund zu der Annahme, daß sich das um die Zeit geändert hat, als die Mongolen die Herrschaft über den persischsprachigen Raum übernahmen, also ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Danach entwickelte sich die Aussprache zumindest in ungefähr dem geographischen Bereich, den der heutige Staat Iran umfaßt, zur heutigen Aussprache hin. Die kurzen „i“s und „u“s wurden nun durch „e“s und „o“s ersetzt. Das lange „e“ und „o“ verschwanden.

Dementsprechend wurden auch in der persischen Aussprache arabischer Wörter und Namen diese Laute verändert. Daher klingen arabische Namen heute auf persisch oft ganz anders als auf arabisch. Der arabische Name Ridâ zum Beispiel heißt heute auf persisch Rezâ. Kaum wiederzuerkenen, oder? 😉

Wenn wir uns also erneut meinen speziellen Freund, den Nezâm vornehmen, dann ergeben sich in der neueren persischen Aussprache und mit persischen Wortverbindungen folgende Veränderungen:

Arabisch: Nizâm al-Mulk Abû ‚Alî al-Hasan b. ‚Alî b. Ishâq at-Tûsî
نظام الملک ابو علی الحسن بن علی بن اسحاق الطوسی

Persisch: Nezâm ol-Molk Abû ‚Alî Hasan-e ‚Alî-ye Eshâq-e Tûsî
نظام الملک ابو علی حسن علی اسحاق طوسی

Zugegebenermaßen werden Sie so eine lange Namenskette in dieser Form selten sehen. Wenn doch, wird der Klarheit wegen gern trotzdem mit „ibn“ gearbeitet. Iraner lesen das aber ein wenig anders. Sie setzen dann nämlich oft hinter dem „ibn“ noch eine ezâfe ein. Also: Nezâm ol-Molk Abû ‚Alî (al-)Hasan ebn-e ‚Alî ebn-e Eshâq-e Tûsî oder ot-Tûsî.

Unser Hadschi Halef Omar würde also in persischer Lesart wahrscheinlich so klingen:

Hâdschdschî Chalaf ‚Omar ebn-e Hâdschdschî Abo l-‚Abbâs ebn-e Hâdschdschî Dâvûd-e Gossarah oder ol-Gossarah.

P.S.

Falls dieser Beitrag noch Fehler enthält, bitte ich das zu entschuldigen. Ich war ein bißchen spät dran und kam nicht mehr zum Korrekturlesen. Aber das werde ich sicher noch nachholen.

P.P.S.

Falls Sie auf der Suche nach Hinweisen zu modernen Namen hier gelandet sind, empfehle ich Ihnen diesen Beitrag. Vielleicht finden Sie dort, was Sie eigentlich gesucht haben.


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