Der verhinderte Mordanschlag – und warum Razia Sultan trotzdem Herrscherin wurde

Razia Sultan ist und bleibt auch knapp 780 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod im Jahr 1240 eine Frau, die Menschen in Indien und in der bewegt und inspiriert. Sowohl in Comics, Romanen, einem Kinofilm und in der TV-Serie Serie Razia Sultan – Die Herrscherin von Delhi wurde die Figur Razias dargestellt.

Razia Sultan war nicht die einzige muslimische Herrscherin im 13. Jahrhundert – in Ägypten herrschte fast zur selben Zeit Schadscharat ad-Durr, der ich hier auch schon einen Beitrag gewidmet habe. Doch zunächst sah es nicht so aus, als ob Razia jemals Herrscherin werden würde.

Zwar hatte ihr Vater Sultân Iltutmish ausdrücklich festgelegt, dass seine Tochter ihm nachfolgen sollte, jedoch war der Widerstand gegen sie als weibliche Herrscherin stark.

„Kein Land wird je….“ –

Vor allem das Beratergremium des Sultans, das traditionell eine Mitsprache in allen wichtigen Regierungsangelegenheiten hatte, war gegen eine Frau auf dem Thron. Die Chihalgani ( Turkân-e Chihâlgânî, “die Gruppe der 40”) berief sich hierbei auf eine islamische Argumentation, die auch heutzutage immer noch vorgebracht wird, wenn es um weibliche Herrschaftsansprüche geht.

Dabei geht es um einen als „besonders glaubwürdigen“ (sahîh) Ausspruch des Propheten Muhammad (hadîth), in dem er sagte: „Kein Land wird je in Wohlstand gedeihen, wenn seine Angelegenheiten von einer Frau geregelt werden (Arabisch: lan yufliha qawmun wa-law amrahumu imraatun, Sahîh Bukhârî, Bd. 9. Buch 88, Hadîth 219).

Heutige Gelehrte (u.a. die marokkanische feministische Islamwissenschaftlerin Fatima Mernissi, st. 2015), legen diese Überlieferung so aus, sie zum einen nicht von so vertrauenswürdigen Personen überliefert wurden. Zum anderen sei sie nur im Zusammenhang mit dem persischen König Chosrau I. (st. 579), von dem Muhammad erfahren habe, dass er seine Tochter Turandocht zur Erbin gemacht habe. Zudem gäbe es ja noch Bilqîs, die Königin von Saba, die gemäß koranischer Überlieferung ein großes Reich geführt habe (siehe Sure 27). Und schließlich habe der Prophet selbst auch Frauen, wie beispielsweise seine Ehefrau Aisha (st. 678) um Rat in Staatsangelegenheiten befragt.

Und doch eine Frau an der Macht?

Doch zurück zu den Zeiten Razias, in denen die Gelehrten den weiblichen Einfluss am Hof von Delhi begrenzt wissen wollten. Dennoch ließen sich sich die 40 Emire von einer anderen Frau manipulieren: von Shah Turkan, der ehemaligen Kurtisane und späteren zweiten Ehefrau von Razias Vater Iltutmish. Schah Turkan wollte um jeden Preis ihren Sohn Rukn ud-Dîn auf dem Thron installieren. Iltutmish jedoch hatte bereits befürchtet, dass alle seine Söhne unfähige Herrscher sein würden und hatte deshalb seine Tochter als seine Nachfolgerin vorgesehen.

Als Iltutmish jedoch 1236 verstarb, waren die 40 Emire nicht gewillt, Razia die Macht zu überlassen, sondern sie wollten Rukn ud-Dîn auf dem Thron sehen. Aus diesem Grund unterstützten sie Shah Turkan.

Shâh Turkan scheute sich nicht, Rukn ud-Dîns Konkurrenten zu beseitigen und ließ Iltutmishs jüngsten Sohn töten. Anschließend versuchte sie, auch Razia töten zu lassen.

Der Mordanschlag auf Razia

Der Mordanschlag, der Razia galt, sollte während Razias täglichen Ausritts ausgeführt werden – es war bekannt, dass Razia morgens immer ausritt, sowie ihr üblicher Weg bekannt war. Shah Turkan ließ einen Graben ausheben und mit Laub bedecken, dort sollte Razias Pferd zu Fall kommen.

Loyale Anhänger Razias konnten diesen Anschlag vereiteln – aber nicht verhindern, dass Rukn ud-Din Herrscher wurde – als Marionette seiner Mutter Shah Turkan.

Letzten Endes waren die 40 Emire erfolgreich und Razias Bruder Mu’izz ud-Dîn bestieg den Thron – die weibliche muslimische Herrschaft in Indien war erst einmal beendet.

Das Beitragsbild zeigt ein Marwari-Pferd – eine Rasse, die ursprünglich aus Zentralasien stammt. Das Bild ist Public Domain. Bildnachweis: Virendra.kankariya [Public domain]

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