Die Hände des Königs sind Hände eines Heilers, und so soll der rechtmäßige König erkannt werden.
J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. III. Die Rückkehr des Königs. 10. Aufl. Stuttgart 1983, S. 153.
Wirklich, ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, eines Tages in der #Persophonie ein Zitat aus meinem Lieblingsbuch Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien anbringen zu können. Doch natürlich hat sich Tolkien diese Beschreibung für Aragorn, den späteren König von Gondor, nicht nur ausgedacht.
In Europa – vor allem in England und Frankreich – gibt es eine lange Tradition von heilenden Königen. Man sagte, dass Könige allein durch das Handauflegen Krankheiten wie Epilepsie, Unfruchtbarkeit oder „Skrofulose“ (Hauttuberkulose) heilen könnten.
Dahinter steckte der Glaube, dass die Könige eine besondere Verbindung zu Gott hatte. Zudem sahen sich Könige in der Nachfolge von Jesus Christus. „Christus“ ist Griechisch und bedeutet „der Gesalbte“ – und die Könige des Mittelalters wurden in ihrer Krönungszeremonie ebenfalls gesalbt.
Wie wir sehen, lassen sich diese Erkenntnisse auch auf andere Kulturkreise übertragen, in diesem Fall auf den muslimischen Mogulherrscher Akbar (st. 1605).
Akbar, Medizin und Heilung
Akbar interessierte sich Zeit seines Lebens für Fragen der Medizin. Dieses zeigt sich darin, dass er viele hakîms, ausgebildete Ärzte der graeco-islamischen Medizin, in seine Verwaltungselite berief. Sowohl sein Vertrauter und Biograph Abû l-Fazl (st. 1602) als auch sein Hofdichter Faizî (st. 1595) waren in der graeco-islamischen Medizin ausgebildet. Dazu kamen zahlreiche hakîms, die aus Persien an Akbars Hof gekommen waren. Durch die Förderung am Hof wurde die graeco-islamische Medizin (Unani Medizin) zur vorherrschenden Medizin im Mogulreich.
Von Akbar wissen wir, dass er sich selbst von hakîms behandeln ließ und die Heilmittel der Unani Medizin anwendete. Doch darüber hinaus haben wir viele Berichte darüber, dass Akbar sich selbst als Heiler sah. Im dritten Teil seiner persischen Biographie, dem ‚Ain-i Akbarî vom oben genannten Abû -Fazl finden sich einige Beispiele dieser Glaubensheilungen. Sein Biograph Abû l-Fazl schrieb, dass Akbar sich sowohl mit Heilmitteln als auch mit spirituellen Heilungen auskannte.
Aber es ist unmöglich, einen vollständigen Bericht über die Art zu geben, mit der Seine Majestät Weisheit vermittelt, gefährliche Krankheiten heilt und Heilmittel bei den schwersten Leiden anwendet.
Abul Fazl: ‚Ain i Akbari. Vol. 1, S.166
Akbars Wunderheilungen
In meinem Beitrag über Akbars Amme Jîjî Anga hatte ich schon berichtet, dass Akbar schon als Baby und als kleiner Junge Wundertaten vollbracht haben soll. In den Berichten darüber wird deutlich, dass Akbar sich selbst mit Moses (Mûsâ) und Jesus (Îsâ b. Maryâm) verglich, die beide auch im Islam wichtige Propheten sind.
Akbar fühlte sich Zeit seines Lebens von Gott besonders erleuchtet – das ist auch im wörtlichen Sinne zu sehen. Auf dem Beitragsbild ist er auch mit einem Heiligenschein zu sehen, was auf den ersten Blick ja im islamischen Kontext ja ungewöhnlich zu sein scheint. Auch darüber hatte ich hier ja schon einmal etwas geschrieben.
Doch Akbars religiöse Lehren, die er in der „Göttlichen Religion“ (Dîn-e Illâhî) zusammenfasste, stießen nicht nur auf Unterstützung. Einige islamische Gelehrte warfen ihm vor, die Einheit Gottes / Allâhs zu verletzen.
Die portugiesischen Jesuiten, die an Akbars Hof versuchten, wichtige Würdenträger zu konvertieren, störten sich scheinbar ebenfalls daran, dass Akbar versuchte, sich wie ein Prophet und Heiler zu inszenieren. Sie schilderten, dass Akbar sich jeden Morgen wie ein Prophet und Heiler geradezu verehren ließ und spirituelle Heilungen vollzog:
Er (i.e. Akbar) zeigte sich jeden Morgen an einem Fenster, vor dem unzählige Menschen erschienen und sich niederwarfen. Frauen brachten ihre kranken Kinder, um sie von ihm segnen zu lassen, wenn sie wieder gesund waren, brachten sie ihm Geschenke.
Hugh Murray: Historical Accounts, Vol. 2, S. 96
Akbar soll vielen Kranken allein durch seine Segnungen Hoffnung gegeben und Krankheiten geheilt haben:
Viele Menschen mit enttäuschten Hoffnungen, deren Krankheiten von ausgebildeten Ärzten als unbehandelbar erklärt wurden, wurden durch diese göttliche Art und Weise geheilt.
Abul Fazl: ‚Ain i Akbari, Vol. 1, S. 166.
Akbars Biograph gab uns noch ein schönes Beispiel für eine spirituelle Heilung Akbars::
Eine bemerkenswerte Geschichte war die folgende: Ein einfältiger Einsiedler schnitt sich selbst die Zunge ab und warf sie über die Schwelle des Palastes. Dabei dachte er: ‚Wenn der selige Gedanke, den ich gerade habe, von Gott in mein Herz gepflanzt wurde, wird meine Zunge wieder heilen, da die Aufrichtigkeit meines Glaubens zu einem guten Ende führen wird.‘ Der Tag war noch nicht zu Ende, bevor sein Wunsch erfüllt war.
Abul Fazl: ‚Ain i Akbari, Vol 1., S. 165
Ob es Beweise gibt, dass diese Heilungen wirklich erfolgt sind? Konnte Akbar sowohl Krankheiten mit Heilmitteln oder auf spirituelle Weise heilen?
Nicht nur in der Weihnachtszeit glauben sowohl Christen als auch Muslime an die Fähigkeiten von spiritueller Heilern, Propheten und von Heiligen. Dieser Glauben findet sich – wie im Falle von Der Herr der Ringe – auch in der Literatur wieder.
In diesem Sinne wünsche ich allen von uns, die Weihnachten feiern, ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Das Beitragsbild zeigt ein Portrait Akbars, gemalt vom berühmten Maler Govardhan (lebte im 17. Jahrhundert) – Metropolitan Museum of Art [Public domain]
Weiterführende Literatur:
Abul Fazl Allami: ‚Ain i Akbari / transl. E. Blochmann. 2 Vols. Calcutta, 1878.
Murray, Hugh: Historical Account of Discoveries and Travels in Asia. Vol. II.. Edinburgh, 1820.
Stumpfe, Klaus-Dietrich: Glaubensheilungen in Geschichte und Gegenwart. Köln, 2007.
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