Eine verhängnisvolle Affäre? Razia Sultan und Yaqut

Heute soll endlich eine der wichtigsten Figuren am indischen Hof von Sultan Iltutmish (reg. 1211-1236) beleuchtet werden: Yaqut (Dschamâl ud-Dîn Yâqût etwa 1200 bis 1240). Iltutmish, selber ehemaliger Militärsklave mit türkischen Wurzeln, konnte die Herrschaft des Delhi Sultanats festigen und die Herrschaft der Sklavendynastie etablieren. Nicht seine beiden Söhne Mu’izz ud-Dîn  (st. 1242) und Rukn ud-Dîn (st. 1236), sondern seine Tochter Razia Sultan (st. 1240) sollte nach Iltutmishs Willen seine Nachfolge antreten.  Doch nach seinem Tod wurde zunächst Rukn ud-Dîn Sultan – mit dem bekannten „Erfolg“ – er wurde von der türkischen Elite ermordet und Razia wurde auf dem Thron installiert.

Yaqut und seine Identität als Afrikaner

Razia war als fähige und gerechte Herrscherin bekannt. Zunächst hatte sie auch die Unterstützung der türkischen Elite (Turkan-e chihalgan), die dann jedoch ihren Bruder Mu’izz ud-Dîn unterstützte. Dieses war zum Teil daran begründet, dass Razia ihren Militärsklaven Yaqut zu ihrem Ratgeber und Vertrauten machte. Yaqut war kein Mitglied der türkischen Elite, sondern ein abessinischer Militärsklave. Das Königreich Abessinien war auf dem Gebiet der heutigen Staaten Äthiopien und Eritrea. Aus diesem ostafrikanischen Gebiet kamen viele so genannte Siddis, Shiddis oder auch Habshis freiwillig oder unfreiwillig als Händler, Sklaven oder Söldner nach Asien, vor allem auf den Dekkan oder nach Gujarat. Dort und am Mogulhof konnten Siddis einen großen Einfluss erlangen. Die Siddis, Nachkommen der Bantus pflegen bis heute ihre afrikanische Identität in Südasien.

Über Yaquts genaue Herkunft ist nichts bekannt, wir wissen auch nicht, wann genau er nach Indien kam. Einige Quellen berichten, dass er bereits zu Lebzeiten Iltutmishs am Hof in Delhi lebte und dort als Stallmeister tätig war. Andere Quellen sagen, dass Yaqut erst von Razia zum Obersten Stallmeister gemacht wurde. In jedem Fall wurde Yaqut erst von Razia zum obersten Befehlshaber (amîr al-‚umarâ) gemacht wurde.

Dieser Schritt ging vielen Mitgliedern der türkischen Elite zu weit, waren doch die beiden Ämter als Stallmeister und Befehlshaber eigentlich den Türken vorbehalten gewesen. Es ist wahrscheinlich, dass aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Razia und Yaqut die Gerüchte gestreut wurden, dass die beiden eine Affäre miteinander hätten. Gibt es für eine solche Affäre Beweise in den historischen Quellen?

Die historischen Quellen

Der berühmte marokkanische Reisende Ibn Battûta (geb. 1304) besuchte knapp 100 Jahre nach Razia Sultans Tod das Sultanat von Delhi und berichtet über Razias Herrschaft.  So schrieb er, „dass Razia angeklagt wurde, Verbindungen zu Yaqut zu haben“ (Rehla, S. 34, übersetzt aus dem Englischen von CP) – Beweise wurden auch nicht gebracht.

Auch meine bevorzugte Quelle zum Delhi Sultanat, das Tabaqât-e Akbarî von Nizâm ud-Dîn Ahmad  wusste zu berichten (Tabaqât, S. 76, Übersetzung aus dem Englischen von CP) :

Er (i.e. Yaqut) erreichte eine solche Stufe der Intimität mit der Königin, dass wenn sie auf ein Reittier aufstieg, seine Hände unter ihre Arme legte und sie auf dem Reittier platzierte

Diese historische Quelle entstand allerdings über 300 Jahre nach Razias Tod und kann somit nicht als authentisch gelten.

Fakt ist aber, dass sowohl Yaqut als auch Razia, ihr Mann Malik Altunia (und später auch Mu’izz ud-Dîn) von der türkischen Elite getötet wurde.

Razia und Yaqut in der populären Kultur

Die angebliche Affäre zwischen Razia und Yaqut inspirierte auch Literaten und Schreiber von Bollywood. 1835 schrieb H. Caunter in seinem Buch Romance of History: India, dass Razia für Yaqut schwärmte, er aber in eine ihrer Hofdamen verliebt war.

Yaqut wird als attraktiver Mann dargestellt, dem Razia nicht widerstehen konnte (Romance of History, S. 195):

Er war ein außerordentlich attraktiver Mann, mit einer Gestalt von Herkules,  gegossen in eine anmutige Gestalt. Er war groß und kräftig, breit gebaut, aber kompakt geformt, und da er von der Taille aufwärts und von den Knien abwärts nackt war, konnte man jede  Muskelbewegung sehen, die mit einer Symmetrie erfolgte, welche nahe an der männlichen Perfektion war. Sein ruhiger aber intensiver Blick gab ein Zeugnis ab von seiner Willensstärke.

Caunter beschrieb ebenso die Version, dass die türkischen Notabeln Razia und Yaqut töteten, weil sie sich übergangen fühlten. Razia wird als Frau dargestellt, die der körperlichen Anziehungskraft Yaquts nicht widerstehen kann und äußerst eifersüchtig auf Yaquts Beziehung zu ihrer Hofdame reagiert. Einer politischen Eheschließung mit Malik Altunia stimmt sie letztendlich zu.

Eine gegenseitige Liebe (und heimliche angedeutete Affäre) zwischen Razia und Yaqut zeigt der berühmte Film Razia Sultana von Kamal Amrohi aus dem Jahr 1983. Doch der Film wird auch interessant durch die erotische Szene zwischen Razia und ihrer Vertrauten Khakun (gespielt von Hema Malini und Parveen Babi), die den Zuschauer mit einigen Interpretationsmöglichkeiten zurücklässt.

Zee.one gibt in der Serie Razia Sultan: die Herrscherin von Delhi eine dritte Version: hier verliebt sich der durchtriebene Yaqut in Razia, die ihrer Liebe zu Malik Altunia treu bleibt. Yaquts Identität als Siddi wird in der Serie nicht thematisiert – hier kommt er aus Belutschistan.

Die Figur des Yaqut bleibt eine schillernde – sie schwankt je nach Auslegung zwischen dem „edlen Schwarzen“, dem selbst die Herrscherin nicht widerstehen kann und dem verschlagenen Sklaven, der Razia liebt – und dessen Identität als Inder afrikanischer Herkunft von Bollywood verschwiegen wird.

Interessant ist die Beschreibung Yaquts als „muslimischer Körper“ und die Frage der Kontrolle der (weiblichen) Sexualität, die nach heutigen Vorstellungen der indischen Filmindustrie funktioniert und auch auf historische Stoffe projiziert wird.

Literatur

Hobar Caunter: Romance in History.  Vol. 1 : India. London1836.

Ibn Battuta: The Rehla of Ibn Battuta: (India, Maledive Islands and Ceylon). Transl. By Mahdi Husain. Baroda 1976.

Nizam ud-Din Ahmad: The Tabaqat-i-Akbari. Vol. 1. Trans. By B. De. Calcutta 1927.

Beitragsbild: Leider haben wir ja aus dem Lebenszeit Razias keine bildlichen Darstellungen der jeweiligen Personen. Ich habe deshalb das Bild des berühmten ehemaligen Militärsklaven Malik Ambar (st. 1627),  der ebenso wie Yâqût ein Siddi war. Er regierte faktisch den Staat von Ahmadnagar auf dem Dekkan und sagte sich von der Herrschaft der Moguln (vor allem von Akbar) los.

Malik al-Ambar: Victoria and Albert Museum [Public domain]

+++ Hier gibt es einen Überblick über unsere Beiträge zum Sultanat von Delhi ++++

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