Der Koh-i-Noor („Berg des Lichts“) ist einer der bekanntesten Diamanten der Welt, und viele Legenden ranken sich um ihn. Er gehörte Herrschern im heutigen Iran, Afghanistan und Indien. Seit dem 19. Jahrhundert befindet sich der Koh-i-Noor in Großbritannien, wo er erneut geschliffen wurde und als besonderes Schmuckstück sogar Bestandteil von Kronen britischer Königinnen. Diese Miniserie beleuchtet die Geschichte des berühmten Diamanten.
Krönungen – Kronen mit Diamanten
In den letzten Monaten gab es gleich zwei Krönungen in Europa: Charles III. wurde am 6. Mai 2023 zum König des Vereinigten Königreiches und Irland gekrönt, Frederick X. ist seit dem 14. Januar 2024 neuer König von Dänemark. In Dänemark gab es – anders als in Großbritannien, – keine aufwändige Krönungszeremonie, sondern es erfolgte nur eine Proklamation – eine Ernennung. Seit 1849 werden die Königinnen und Könige von Dänemark nicht mehr offiziell gekrönt. Die Kronen und andere Herrscherinsignien befinden sich in Schloß Rosenborg in Kopenhagen. Ganz anders in Großbritannien, wo Charles in der in einer großen Zeremonie den Thron bestieg und mit einer prunkvollen Krone gekrönt wurde. Die britischen Kronen sind mit den größten, glamourösesten und bekanntesten Diamanten der Welt geschmückt – darunter mit dem Koh-i-Noor.
Der Koh-i-Noor in Indien
Nicht nur in Indien wurden und werden Diamanten als Schmuckstücke und Werkzeuge geschätzt und ihnen wird ein hoher Wert zugeschrieben. Schon im alten Ägypten wurden Diamanten aufgrund ihrer Härte zum Schleifen von Werkzeugen verwendet. Seit der Antike steht die Schönheit der Steine als Schmuckstücke im Mittelpunkt. Ein interessanter Fakt ist, dass bis ins 18. Jahrhundert hinein alle bekannten Diamanten aus Indien kamen. Im 17. Jahrhundert entdeckte man auf der Insel Borneo Diamanten. Die britische East India Company (Ostindien-Kompanie) begann schon bald gezielt, diese Diamanten zu schürfen und mit ihnen zu handeln. Die Briten förderten zunächst Diamanten auf Borneo, bevor sie sich später mit den indischen Diamanten beschäftigten. 1725 wurden große Diamantvorkommen im heutigen Brasilien entdeckt, sodass auch dort große Diamantenminen entstanden.
Woher kam der Koh-i-Noor?
In Indien wurden Diamanten in den Sanskrit-Schriften des Hinduismus, die teilweise 5000 Jahre alt sind, erwähnt. Dort ist von Diamanten die Rede, die so groß sind wie Hühnereier und um die sich selbst die Götter stritten. Der Koh-i Noor gehört zu diesen legendären großen Diamanten aus den Sanskrit-Schriften.
Wie so oft bei historischen Themen haben wir nur wenige Informationen zu den exakten Ereignissen, Beteiligten oder Daten zum Thema Koh-i-Noor. Bekannt ist, dass viele äußerst große Diamanten aus Vijayanagara, der Hauptstadt des historischen südindischen Vijayanagara Reiches, stammten. Dieses Reich unterhielt Handelsbeziehungen zum muslimischen Mogulreich, das sich unter Bâbur (st. 1530) von Zentralasien über den indischen Subkontinent ausdehnte.
Es gibt aber auch Erzählungen, dass der Koh-i-Noor nicht über Handelsbeziehungen an den Mogulhof gelangt ist.
So berichtet bereits Bâbur in seinen Memoiren, dem Bâbur-nâma, dass er seinen ältesten Sohn Humâyûn aussandte, um seine Gegner endgültig zu besiegen. Der Raja von Gwalior, Bikramjit, soll mit seiner Familie nach Agra in das alte Fort geflohen sein, um dort Schutz vor den Moguln zu suchen. Doch Humâyûn spürte Bikramjit dort auf, tötete ihn und seine Familie aber nicht. Aus Dankbarkeit übergab Bikramjit seinen großen Schatz an Juwelen und Edelsteinen „freiwillig“ an Humâyûn. Darunter, so schrieb Bâbur, sei auch ein außerordentlich großer Diamant gewesen, den Bikramjit von ‚Alâ ud-Dîn Khiljî (st. 1316) dem Herrscher des Delhi Sultanats erworben haben soll. Dieser Diamant sei „so wertvoll wie die Hälfte der Ausgaben der ganzen Welt an einem Tag“ gewesen. Bâbur, so geht die Legende weiter, sei so bewegt von Humâyûns Loyalität gewesen, dass er ihm den Diamanten als Geschenk zurückgab.
Der Koh-i-Noor in Persien?
Wir wissen natürlich nicht, ob dieser außergewöhnliche Diamant der Koh-i-Noor war. Was wir allerdings wissen, ist, dass Humâyûn kein starker oder erfolgreicher Herrscher war: schon bald nach Bâburs Tod verlor Humâyûn alle Gebiete Indiens, die sein Vater erobert hatte. Humâyûn war gezwungen, mit einigen seiner Getreuen zu fliehen. Erfolglose Versuche, sein Reich zurückzuerobern, ließen ihn an den Hof der persischen Safawiden fliehen. Großzügige Geschenke in Form von Juwelen oder Edelmetall an den Gastgeber sorgten dafür, dass Shâh Tahmâsp I. (st. 1576) die Gruppe aus Indien gerne an seinem Hof aufnahm. Der schiitische Herrscher erhoffte sich, seinen Einfluss bis Indien auszudehnen und stattete Humâyûn mit Truppen aus. Humâyûn schaffte es mit Tahmâps Unterstützung, sein Reich wiederherzustellen und an bei seinem Tod an seinen Sohn Akbar (st. 1605) zu vererben. Die Moguln waren sich durchaus bewusst, dass sie ihr Reich nur mithilfe der Unterstützung der Moguln zurück erhalten hatten. Es gibt die Legende, dass Humâyûn seine Edelsteine und andere Schätze normalerweise in einem Beutel unter seinem Turban trug. Nur zu den rituellen Waschungen, die vor dem islamischen Gebet (salât) vorgeschrieben sind, legte Humâyûn den Beutel beiseite – und vergaß ihn prompt. Ein ehrlicher Diener fand den Beutel und gab das wertvolle Stück an Humâyûn zurück (W. Dalrymple / A. Anand: Koh-i-Noor, S. 32).
Die Diamanten der Moguln
Mit Tahmâsps Hilfe – und mithilfe seiner Diamanten – konnte Humâyûn sein indisches Reich zurückerobern und an seinen Sohn Akbar (st. 1605) vererben. Tahmâsps Unterstützung soll Humâyun sich auch mit dem Koh-i-Noor erkauft haben. Tahmâsp behielt diesen wertvollen Stein aber nicht, sondern gab ihn als Dank an einen verbündeten Herrscher zurück – der Stein war wieder in Indien.
Bereits unter Akbar begannen die Moguln einen prunkvollen Lebensstil in ihren Forts zu führen, der sich immer weiter vom nomadischen Leben ihrer Vorfahren entfernte. Dazu zählten neben der Kleidung, der Ernährung und den vielen Feiern an Festtagen das Interesse an Schmuck und Edelsteinen. Akbar unter dem das Mogulreich seine größte Bedeutung erlangte, war bekannt für seine Bewunderung für Gold, Silber und allen Arten von Edelsteinen. Unter seiner Herrschaft kamen europäische Diamantenhändler an den Hof, um besondere Diamanten anzubieten. Ein berühmter Diamant war der Akbar Shâh Diamant – der allerdings bis heute auf mysteriöse Weise verschwunden ist.
Akbars Sohn Salîm, bekannt unter dem Herrschernamen Jahângîr (Dschahângîr; st. 1627), war besonders fasziniert von Edelmetall, Schmuck, Kleidung und Diamanten. Der britische Diplomat Sir Thomas Roe beschrieb das aus seiner Sicht exzentrische Auftreten Jahângîrs folgendermaßen:
Auf seinem Kopf trug er einen Turban, auf dessen einer Seite ein Rubin hing, der so groß war wie eine Walnuss, auf der anderen Seite ein ebenso großer Diamant. In der Mitte des Turbans war ein Smaragd, so groß wie ein Herz, oder noch größer. Seine Schultern, Nacken, Ellbogen und Handgelenke waren mit Ketten umspannt, die aus zwei bis drei Reihen Diamanten, Perlen und Rubinen bestanden. Jeder seiner Finger trug zwei bis drei Ringe.
Zusammenfassung und Übersetzung von Foster, William: The Embassy of Sir Thomas Roe to the Court of the Great Mogul, Vol. II, 322
Auch andere europäische Reisende beschrieben den Schmuck Jahângirs, den er am ganzen Körper trug und mit dem seine Kleidung bestickt war. Der flämische Diamantenhändler Jacques de Coutre (st. 1640) kommentierte: „Er trug so viele Juwelen, dass er wie eine (Götter-)Statue aussah“.
Der Koh-i-Noor befand sich wohl schon zu Akbars Lebzeiten am Mogulhof. Das ergibt sich aus Beschreibungen von Diamanten, deren Gewicht dem des Koh-i-Noor glichen. (A. Malecka: „Naming of the Koh-i-Noor“, S. 741). Zu dieser Zeit wurde der Diamant auch geschliffen.
Unter der Herrschaft von Jahângîrs Sohn Shâh Jahân war der Koh-i-Noor der glanzvollste Stein des Pfauenthrons des Herrschers.
Die Legende des Namens Koh-i-Noor
Das Reich der Moguln hatte bereits unter Akbar seinen höchsten Einfluss und seine größte Ausdehnung erreicht. Im Jahr 1739 eroberte Nâdir Shâh (st. 1747), Regent Persiens, zunächst Afghanistan und später unter anderem Delhi. Er nahm den Mogulherrscher Muhammad Shâh als Geisel, tötete Tausende Einwohner Delhis und nahm schließlich einen Großteil der Schätze der Moguln mit nach Persien. Darunter waren auch die beiden großen Diamanten Koh-i-Noor und Darya-i-Noor („Ozean des Lichtes“).
Der Koh-i-Noor ging also wieder nach Persien…..
Die Legende um den Namen des Koh-i-Noor ist nicht aus den persischen Originalquellen zu erschließen, sondern kam erst im 19. Jahrhundert auf: Der britische Diplomat am Mogulhof, Sir Thomas Theophilus Metcalfe (st. 1853) berichtete folgendes:
Der letzte Mogulherrscher Muhammad Shâh trug den Koh-i-Noor eingeschlagen in seinen Turban ständig auf seinem Kopf. Deshalb war der Diamant Nâdir Shâh selbst während der 57 Tage Belagerung Delhis nicht aufgefallen. Eine von Muhammad Shâhs Kurtisanen, Nûr Bai, berichtete Nâdir Shâh jedoch von dem Koh-i-Noor und seinem Aufbewahrungsort. Nâdir Shâh brachte Muhammad Shâh dazu, die Turbane zu tauschen – als Geste der Freundschaft und Brüderlichkeit. Dieses war eine Geste, die Muhammad Shâh nicht ablehnen konnte….
Als Nâdir Shâh seinen neuen Turban aufwickelte und den großen Diamanten erblickte, rief er aus: „Ein Berg des Lichts“ (Koh-i-Noor).
Der Name des vielleicht berühmtesten – oder wie Dalrymple sagt: berüchtigsten – Diamanten der Welt war geboren.
Bildnachweis:
Das Beitragsbild zeigt den Koh-i-Noor als Teil der Krone von Queen Mary. Es ist Public Domain. Cyril Davenport (1848 – 1941), Public domain, via Wikimedia Commons.
Literaturhinweise:
Dalrymple, William / Anita Anand: The Koh-i-Noor: The History of the world’s most infamous diamond. Kindle Edition, 2018.
Foster, William: The Embassy of Sir Thomas Roe to the Court of the Great Mogul. Vol. II. London 1899.
Malecka, Anna: „Naming the Koh-i-Noor and the origin of Mughal-cut Diamonds“. The Journal of Gemmology 35 viii (2017), S. 738-751.