Bisher hatte ich mich in meinen Beiträgen über das Delhi Sultanate auf Razia Sultan (st. 1236) bzw. ihren Vater Iltutmish (st. 1236) konzentriert. In dem heutigen Blogpost möchte ich einen weiteren Schritt zurück gehen, und auf die Regierungszeit von Qutb ud-Dîn Aibek (1150-1210) schauen. Ohne Zweifel war er es, der eine muslimische Herrschaft in größeren Gebieten Indiens (damit meine ich die heutigen Nationalstaaten Indien und Pakistan) etablieren konnte.
Islamische Herrschaft
Ohne Zweifel hatte die Dynastie der Ghaznaviden bereits den Grundstein für die muslimische Herrschaft in Gebieten des Punjab gelegt, doch erst die Eroberung der nördlichen Gangesebene brachte die Möglichkeit der dauerhaften Herrschaft. Qutb ud-Dîn setzte die lokalen Herrscher (Könige, rânas) nach seinem Sieg nicht ab, sondern beließ sie als Herrscher in den jeweiligen Gebieten. Sie mussten ihm Tribut zahlen und auch Truppen stellen. Schon bei den Ghaznaviden gab es hinduistische Soldaten im Heer, doch nun erfolgte die Zusammenstellung der Truppen noch häufiger und organisierter. Qutb ud-Dîn hatte nun „râ’îs (Anführer) und rânas (Könige) in jeder Himmelsrichtung“, die wie Hasan Nizâmî (lebte im 12. und 13. Jh) schrieb, „an den Hof des erhabenen Aybegs kamen, und dort den Boden berührten“ – gemeint ist, dass sie seine Überlegenheit anerkannten und den unreinen Boden zu seinen Füßen berührten.
Ein Krieg gegen die Ungläubigen?
Es ist jedoch anzuzweifeln, dass alle Eroberungen Qutb ud-Dîns von langer Dauer und nachhaltig waren und schon zur dauerhaften Herrschaft führten. Ebenso zweifelhaft sind die Aussagen, dass die muslimischen Eroberungen dazu dienten, den Götzendienst der Hindus zu verhindern.
So berichtete Fakhr-i Mudabbir (st. 1236) (Übersetzung aus dem Englischen CP, zitiert nach Jackson, S. 20)
Städte der Ungläubigen wurden Städte des Islam. Anstelle von Bildern verehren sie nun den Höchsten. Tempel der Götzen wurden zu Moscheen, Schulen (madrashâ) und Klöstern (khânqâhhâ). Jedes Jahr werden mehrere Tausend Männer und Frauen zum Islam gebracht.
Anhand der (bisher) vorliegenden Zahlen wurden jedoch nicht so viele Tempel zerstört bzw. umgewandelt wie uns die obige Quelle glauben macht. Zudem scheint es so zu sein, dass das Verhalten der Eroberer davon abhing, ob sich eine Stadt bzw. ihre Führung kooperativ verhielt – wenn ja, wurden Tempel und andere Institutionen zumeist verschont.
Insgesamt schienen die Herrscher der Sklavendynastie weniger von religiösen Motiven als von Machtinteressen geleitet gewesen zu sein. Und natürlich war die Aussicht auf eine reiche Beute ein weiteres gewichtige Interesse. Die Hofschreiber hingegen stellten die Kämpfe der Herrscher der Skalvendynastie als Heiligen Krieg dar und legitimierten so die Eroberungen mit islamischer Rhetorik. Der Kampf der Herrscher der Sklavendynastie wurde nun zu einem religiösen Krieg gegen die Hindu-Mehrheit erklärt.
Das islamische Element spielte unter der Herrschaft Qutb ud-Dîns Aibeks noch nicht die Rolle wie zu späteren Zeiten des Sultanats von Delhi und der Mogulherrscher. Für die Schreiber der Chroniken war es jedoch sehr wichtig, ihre Auftraggeber als ideale islamische Herrscher mit Autorität darzustellen. Inwieweit diese Sichtweise der Realität entsprachen, muss in weiteren Forschungen geklärt werden
Literatur:
Jackson, Peter: The Delhi Sultanate: A Political and Military History. Cambridge, CUP (Kindle Edition)
Beitragsbild:
Das Bild zeigt das Mausoleum von Qutb ud-Dîn Aibek im Anarkali-Bazar in Lahore (Pakistan). Es unterliegt der Creative Commons License.
Ibnazhar [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], from Wikimedia Commons
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