Im Rahmen des globalen Wellnesstrends wurden auch in Deutschland unzählige Spas, Thermen, Saunen und Bäder eröffnet. Auch einige sogenannte ḥammām oder „Türkische Bäder“ wie in Düsseldorf oder Hamburg finden unter deutschen Gästen ihre Anhänger.
Das ḥammām geht jedoch über eine bloße Funktion als „Wohlfühloase“ hinaus. Es erfüllte in der graeco-islamischen Medizintradition auch immer einen Zweck als Ort medizinischer Behandlung.
So gilt der Besuch des ḥammām als ideale Behandlungsmethode bei Übergewicht, um „Abfallstoffe“ des Körpers durch die Haut aus dem Körper zu entfernen und den Stoffwechsel anzukurbeln. Die medizinische Literatur beschreibt ebenso eine positive Auswirkung des ḥammām auf die Seele (Arab. nafs).
Seinen Ursprung hat das „Türkische“ Bad allerdings im antiken Griechenland bzw. in Rom. Eine Abfolge von vier Räumen symbolisiert in unterschiedlichen Kombinationen von Wärme/Kälte und Feuchtigkeit/Trockenheit die Körpersäfte (Blut, Phlegma/Schleim, gelbe und schwarze Galle) sowie die vier Jahreszeiten. Aufwändige Heiz- und Leitungssysteme beweisen den technologischen Stand der damaligen Technik.
Hammams in Indien
Vom antiken Griechenland und dem Römischen Reich verbreitete sich die Technologie des ḥammām über die arabischen Länder in die gesamte Islamische Welt. Mit der Eroberung die Moguln kam das ḥammām flächendeckend auch nach Südasien.
Dem islamischen Glauben, in dem das Baden in stehenden Gewässern verpönt ist, kommt das ḥammām mit fließendem Wasser und ohne Bassin mit stehendem Wasser entgegen.
Der erste Mogulherrscher Babur soll der Ansicht gewesen sein, dass Bäder das einzige Mittel gegen die in Indien unerträgliche Hitze, die starken Winde und den Staub seien. So ist es nicht verwunderlich, dass die von den Mogulherrschern angelegten Gärten häufig auch größere Badanlagen enthielten.
Archäologische Relikte in den Städten Delhi, Agra und Fatehpur Sikri, die alle als Regierungssitz bzw. Hauptstädte des Mogulreiches dienten, beweisen die Rolle des ḥammām als Ort der medizinischen Behandlung und auch als sozialer Treffpunkt. So soll es in Agra zur Regierungszeit Akbars alleine mehr als 800 ḥammāms gegeben haben.
Das zeigt deutlich, dass ḥammāms sowohl für die Herrscher und ihren Hofstaat (einschließlich des Harems des Herrschers) als auch für die Bevölkerung gebaut wurden.
Hammams in Kaschmir
In Kaschmir im äußersten Norden des heutigen Indiens lassen sich ebenfalls Spuren von privaten, zumeist „königlichen“ Bädern finden. Andere sind meist nicht erhalten oder auch nicht dokumentiert.
Ein sehr bekanntes ḥammām wird dem berühmten Badshāh Zayn ul-‚Ābidīn (st. 1470) zugeschrieben, der als achter Sultan Kaschmir über 50 Jahre lang regierte. Er ließ für einen der prominentesten Sufis an seinem Hof, Sayyid Muḥammad Madanī einen großen Mausoleumskomplex errichten, der neben einem „Sufi-Konvent“ (khanqāh) auch ein ḥammām enthielt.
Ein weiteres ḥammām wurde vom Moghulherrscher Jahāngīr (st. 1627) in den berühmten Shalimar-Gärten Srinagars am Ufer des Dal Lakes erbaut. Der Legende nach ließ er diesen Garten zu Ehren seiner Lieblingsfrau Noor Jahān errichten.
Das ḥammām, das als „königliches Bad“ nur vom Herrscher und seiner Frau genutzt wurde, wurde aufwändig vom Department of Floriculture der Regierung Kaschmirs und dem INTACH (Indian National Trust for Art Culture and Heritage) restauriert und steht als Sehenswürdigkeit im Shalimar-Garten auch Touristen zur Besichtigung frei.
Das ist bei einem dritten ḥammām in Srinagar schon etwas schwieriger, wie die Autorin selbst erfahren musste. Dieses ḥammām befindet sich auf dem Gelände eines der bedeutendsten Sufi-Schreine Srinagars, dem Schrein zu Ehren des Sayyid ‘Alī Ḥamdānī (st. 1384) am Ufer des Flusses Jhelum. Der Schrein ist bekannt als Khānqāh-i Mu‘alla oder Khānqāh-i Moulā.
Geht man rechts am Schrein vorbei auf das Ufer des Jhelums zu, erreicht man das wuzū’khānah, das Gebäude für die rituelle Waschung vor dem Gebet. Wie viele wuzū’khānahs ist auch dieses mit Warm- und Kaltwasser ausgestattet, was sehr wichtig ist, denn im Winter können die Temperaturen in Srinagar auf -20°C zurückgehen.
Innerhalb des wuzū’khānahs führt eine Treppe in den zweiten Stock des Gebäudes hinauf. Die Tür zum ḥammām muss von einem Angestellten, dem ḥammāmī, aufgeschlossen werden. Er ist dafür verantwortlich, dass die Warmwasserbereitung auch im Winter funktioniert.
In der Mitte der Etage gibt es erneut einen Bereich für die rituelle Waschung. Dieser Bereich ist mit einer Kuppel versehen, durch die Tageslicht in das Gebäude fällt. Sechs kleinere Räume sind die eigentlichen Abteile des ḥammāms.
Eine Steinplatte verrät, dass das Gebäude in seiner jetzt bestehenden Form 1950 von der Verwaltung des Khānqah-i Mu’alla erbaut bzw. saniert wurde. Es handelt sich jedoch wohl um eines der ältesten ḥammāms Srinagars überhaupt und das einzige, das noch in Betrieb ist. Wahrscheinlich wurde es bereits vor der Mogulherrschaft in Kaschmir erbaut. In jedem Fall ist es einen Besuch wert!
Links
Hammam in Düsseldorf:
http://www.hamam-duesseldorf.com/
Hammam in Hamburg
http://www.hamam-hamburg.de/
Literatur
Ibn Sīnā: al-Qānūn fi-ṭ-ṭibb (Arabisch), Online: http://ddc.aub.edu.lb/projects/saab/avicenna/.
Alkazi, Feisal: Srinagar: an architectural legacy. New Delhi: Roli Books, 2014.
Thackston, Wheeler M: The Baburnama: memoirs of Babur, prince and emperor. New York, Modern Library 2002.
Bildnachweis
© by Mohsin Dehlvi
Dr. Claudia Preckel arbeitet als Islamwissenschaftlerin an der Ruhr-Universität Bochum. Erreichbar ist sie unter: Claudia.Preckel@rub.de.
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