Auf diesem Blog hatten wir uns schon in einigen Beiträgen zum Mogulherrscher Akbar (reg. 1556-1605) und dessen eigene Kindheit, die von seiner Amme („Milchmutter“) Mahâm Anga und seinen Ziehvätern Bairam Khân und Atga Khân geprägt war. In diesem Beitrag soll es um Akbars eigene Nachkommen und um das Leben im königlichen Harem, genannt zenâna (Frauengemächer).
Eines soll vorweg gesagt werden: die Herrschaft eines mittelalterlichen Herrschers war nicht auf die Monogamie ausgerichtet. Somit war es gleichsam selbstverständlich, dass ein (Mogul-)herrscher nach islamischem Recht vier Ehefrauen hatte, also Ehefrauen, mit denen er nach islamischem Recht einen Ehevertrag (nikâh) abgeschlossen hat. Dazu zählten unter anderem seine Cousinen Ruqaiyya Begum und Salîma sowie die rajputanische Prinzessin aus Amber, Harka Bai, bekannt als Jodha Bai bzw. Maryam uz-Zamânî. Darüber hinaus gab es zahlreiche andere Frauen, die als Dienerinnen, Sklavinnen, Kriegsbeute oder Geschenk in den Harem kamen – eine Diskussion darüber soll allerdings an dieser Stelle nicht geführt werden, obwohl es natürlich dazu einiges zu sagen gibt. Neuere Forschungen zur Geschichte des zenâna zeigen aber, dass Frauen im königlichen Harem jedoch mehr Handlungsspielraum und Freiheiten und sogar politische Macht hatten. Vor allem die Mütter der Kinder eines Mogulkaisers erlangten einen hohen Status – dabei war es egal, ob es sich bei der Kindsmutter um eine Dienerin oder um eine nach islamischem Recht angetrauten Ehefrau handelte.
Zu Beginn seiner Herrschaft, in seinen Zwanzigern, führte Akbar ein „sexuell ausschweifendes Leben“. Obwohl ihm ja gemäß des islamischen Rechts vier „legale“ Ehefrauen zustanden, führt sein Biograf Abu l-Fazl sieben Frauen auf, mit denen er die Ehe geschlossen hatte. Später schloss er häufiger die islamische „Ehe auf Zeit“ (mut’a). Dazu kamen die Frauen, die er von seinen Eunuchen aus anderen zenânas suchen und in seinen Harem bringen ließ. Dort lebten ca. 300 Frauen.
Trotz der großen Anzahl an (Ehe-)Frauen und Geliebten blieb Akbar lange ohne Nachkommen. 1561-62 kam Akbars älteste Tochter Fâtima zur Welt – ihre Mutter war wahrhrscheinlich Ruqaiya Begum. Das Mädchen überlebte nur wenige Stunden – wäre es aber wie von einigen Quellen behauptet, eine Totgeburt gewesen, hätte es aber wahrscheinlich keinen Namen erhalten. So bliebe Ruqaiya Zeit ihres Lebens kinderlos, doch sie wurde von Akbar persönlich mit der Erziehung seines Enkels Khurram (dem Sohn Salîms und späteren Herrscher Shâh Dschahân betraut).
Knapp zwei Jahre nach der Geburt Fâtimas kamen zur großen Freude Akbars Zwillinge zur Welt, die vom Herrscher Hasan und Husain nannte. Mutter war nach nach einigen Quellen Jodha (Maryam uz-Zamânî), nach anderen Quellen Bîbî Ârâm Baksh genau lässt sich das nicht klären. Die Geburt der beiden Prinzen wurde mit großem Pomp gefeiert: Horoskope wurden erstellt, es gab große Feierlichkeiten. Bemerkenswert – vom islamwissenschaftlichen Standpunkt aus – ist übrigens die Tatsache, dass Akbar seinen ersten drei Kindern Namen gab, die vor allem im schiitischen Islam gebräuchlich sind und waren: Fâtima war die Tochter des Propheten Muhammad, ihre Söhne Hasan und Husain entstammten der Ehe mit ‚Alî, dem Begründer der Shî’a. Diese Namen trugen auch dem Einfluss der Iraner bei Hof, die vor allem durch Bairam Khân unterstützt wurden, Rechnung.
Leider erwiesen sich die Feierlichkeiten anlässlich der Geburt der männlichen Erben als als verfrüht: die Zwillinge waren schwach und kränklich und verstarben beide innerhalb von 6 Monaten. Akbar stand nun wieder ohne einen männlichen Erben da. Erst als Akbar 27 Jahre alt war, wurde Salîm geboren, der männliche Erbe für den der Kaiser so lange gebetet hatte – und zwar am Schrein des Mystikers Salîm Chishtî (st. 1572). Auf die Verbindung Akbars zur islamischen Mystik soll an anderer Stelle eingegangen werden.
Der neugeborene Prinz wurde zu Eheren Salîm Chishtîs ebenfalls Salîm genannt- und die Freudenfeiern am Hofe übertrafen noch die Feiern anlässlich der Geburt der Zwillinge: Horoskope wurden verfasst, Gefangene wurden freigelassen und zahlreiche Gedichte wurden verfasst.
Interessant ist auch, dass- wie erwähnt – üblicherweise in den Quellen keine Angaben vorliegen, wer die Mutter des Neugeborenen war. Im Fall von Salîm haben wir sogar eine Miniatur, die das Innere des Harems zeigt – und Maryam uz-Zamânî nach der Geburt Salîms. Diese Miniatur ist als Beitragsbild dieses Beitrages zu sehen
Abu l-Fazl, Akbars Biograph, bezeichnete Salîm als „die Perle in der Schatulle König Akbars“ (jauhar-e durj-e Akbar Shâhî). Die Geburt von Akbars Söhnen Daniyâl und Murâd, die beide von anderen Frauen stammten, wurde in den Quellen nicht so euphorisch beschrieben. Murâd wurde im übrigen von Jodha aufgezogen, während Daniyâl von Salîma erzogen wurde.
In Abu l-Fazls Biographie, dem Akbar-nâma, sowie dem Jahângîr-nâma des späteren Herrschers Salîm finden sich Angaben zu insgesamt zwölf Kindern Akbars, aber es kann durchaus sein, dass diese Liste unvollständig ist.
Es gibt also durchaus die Notwendigkeit zur weiteren Forschung rund um Akbars Ehefrauen und Nachkommen.
Literatur:
Eraly, Abraham: The Last Spring. New Delhi 2000.
Faruqui, Munis D.: The Princes of the Mughal Empire. Cambridge 2012.
Mukherjee, Soma: Royal Mughal Ladies and Their Contributions. New Delhi 2001.
Das Beitragsbild ist Public Domain (Wikimedia Commons): The Birth of Jahângîr.
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