„Ein ewiger Garten“ – Pflanzen Kaschmirs in den Memoiren Dschahângîrs

Dschahângîr (reg. 1605-1627), der vierte der großen Mogulherrscher, war der Sohn von Akbar und seiner dritten Ehefrau Jodha, bekannt als Maryam uz-Zamânî. Dschahângîr ist einer meiner Favoriten unter den Mogulherrschern, was vor allem an seinen Memoiren liegt. Der Herrscher beschrieb die ersten 17 Jahre seiner Herrschaft selbst – anschließend übernahm Mu’tamad Khân, später dann Muhammad Hâdî. Dschahângirs Memoiren, die auf Persisch verfasst wurden, waren als Tuzuk-e Dschahângîrî oder Dschahângîr-nâma („Memoiren Dschahângîrs“) bekannt. Schon im 19. und frühen 20.Jahrhundert wurde das Werk ins Persische übersetzt.

Das Besondere an den Memoiren ist, dass der Herrscher selbst seine Beobachtungen über Sitten und Gebräuche in Indien, vor allem aber über Naturphänomene, Pflanzen und Tiere Hindustâns machte. Im vergangenen Jahr hatte ich ja bereits über die Tulpen Kaschmirs gebloggt, von denen es in der Region zahlreiche wilde Arten gibt, und die auch heute noch in einer großen Ausstellung in Srinagar präsentiert wer

In seinen Memoiren berichtete Dschahângiîr, dass er bereits als Kind und Jugendlicher mit seinem Vater Akbar Kaschmir bereist hatte. Schon zu dieser Zeit sei er von den Pflanzen Kashmirs begeistert gewesen. Doch damals sei es Herbst gewesen, so dass er die Pflanzenwelt nicht in voller Blüte erlebt hatte. An vielen Stellen seiner Memoiren hatte Dschahângîr auf verschiedene Pflanzen hingewiesen, die es in der Heimat seiner Familie im heutigen Afghanistan nicht gab, in „Hindustân“ aber sehr häufig vorkamen, verschiedene Arten von Magnolien, Lotus oder Jasmin.

Besonders die Flora Kaschmir hatte es Dschahângîr angetan: So schrieb er:

Die Lotusblüte ist größer als die Seerose, und sie ist pink. In Kaschmir habe ich viele Lotusblüten mit hundert Blütenblättern gesehen. Es ist ein Fakt, dass der Lotus sich bei Tag öffnet und bei Nacht schließt, während die Seerose bei Tag geschlossen und bei Nacht geöffnet ist. Die schwarze Biene, die die Menschen in Indien bhaunra nennen, lassen sich auf beiden Blumen nieder und saugen den Nektar in ihnen. Die Lotusblüte schließt sich dabei häufig und nimmt die bhaunra darin die ganze Nacht gefangen. Das passiert auch bei der Seerose. Wenn die Blüten sich wieder öffnen können die Bienen entkommen und wegfliegen. Weil die bhaunra diese Blüten regelmäßig aufsucht, sagen die Hindi-Poeten, dass sie wie die Nachtigall sind, die die Rose liebt, und sie schreiben wunderschöne Gedichte darüber.

Tatsächlich finden sich einige Verse über die Schönheit der Natur Kaschmirs im Tuzuk-e Dschahângîrî – der Verfasser ist unbekannt, aber entweder stammen sie vom Herrscher selbst, oder ein unbekannter Schreiber hat sie ihm gewidmdet:

Die koketten Damen des Gartens stellen sich zur Schau, ihre Wangen verziert, jede wie eine Lampe / Die Knospen verströmen den Duft von Moschus von ihrer Haut, wie die moschusartigen Amulette am Arm der Geliebten / Die Melodie der Nachtigall, die sich zum Sonnenuntergang erhebt, schärft das Verlangen des Wein-Trinkers / An jeder Quelle senkt die Ente ihren Schnabel, um zu trinken – wie goldene Scheren, die Seide zerschneiden /  Ein Teppich von Blumen und Grün ist im Garten ausgelegt, die Lampe der Rose wird durch eine Brise entzündet / Das Veilchen hat die Enden ihrer xxx (????) aufgewickelt und dabei einen festen Knoten an der Rosenknospe angebracht (Übersetzung Wheeler, S. 332-333).

Dschahângîr war der Meinung, dass die schönsten Blüten Kaschmirs Pfirsich- und Mandelblüten sind.

Neben den Blüten und Blumen waren vor allem die Obstsorten Kaschmirs für den Herrscher erwähnenswert. Hier stellte er fest, dass vor allem die Äpfel und Birnen von bester Qualität waren, die Melonen aber nicht besonders gut.

Dschahângîr, der dem Konsum von Wein besonders zugetan war, fand den Wein aus Kaschmir „sauer“ und ungenießbar.

Das war aber auch das einzige, was Dschahângîr  an Kaschmirs Fauna kritikwürdig fand.

Der  Maler Ustad Mansûr war einer der bedeutendsten Maler am Hof Dschahângîrs – er zeichnete Hunderte von Pflanzen und Tieren, wie auch der Herrscher im Tuzuk-e Dschahângîrî hervorhob. Die Tier- und Pflanzenwelt Kaschmirs und natürlich Indiens insgesamt sind einige der schönsten Motive der Mogulmalerei.

Durch das Tuzuk-e Dschahângîri liegen und die Miniaturen liegen uns noch heute viele Informationen zu Pflanzen und Tieren der Mogulzeit vor, die anderweitig nicht (mehr) überliefert sind.

Das Beitragsbild zeigt eine Tulpe, gemalt von Ustad Mansur – aus dem frühen 17. Jahrhundert. Das Bild ist public domain.

Hier geht es zu einer kleinen Sammlung von Miniaturen von Ustad Mansur, die ich auf Pinterest  zusammengestellt habe.

https://www.pinterest.de/claudiapreckelg/ustad-mansur/

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