Vom 21. auf den 22. Dezember ist wieder Schab-e Yaldâ. Kürzlich habe ich anläßlich meiner Rabattaktion bereits einiges zu Schab-e Yaldâ und Weihnachten erzählt. Deshalb wird dieser Artikel heute ein bißchen kürzer werden als sonst.
Wie Sie schon wissen, ist Schab-e Yaldâ die längste Nacht des Jahres, die den Menschen deshalb von alters her Furcht eingejagt hat. Im Alten Iran nahm man beispielsweise an, daß in den Nächten die bösen Mächte aktiv seien. Daher dachte man, daß sie in der längsten und dunkelsten Nacht des Jahres besonders stark seien.
Aus diesem Grund mußte man sich in acht nehmen: Am besten sollte man die Nacht über wach bleiben und sich in der Gesellschaft von vertrauten Menschen wie Freunden und Verwandten aufhalten. Daraus entwickelte sich mit der Zeit ein Familienfest.
Zu dieser Gelegenheit versammelt sich die Großfamilie beim Ältesten der Familie und ißt zusammen. Dabei spielen verschiedene Früchte und Süßigkeiten eine Rolle. In manchen Regionen glaubt man, daß man vierzig verschiedene Sorten von Lebensmitteln anbieten solle.
Wichtig sind vor allem vom Sommer aufgehobene Wassermelonen und Granatäpfel. Vor ein paar Tagen habe ich gehört, daß es in einer iranischen Zeitung die Meldung gab, es seien genügend Wassermelonen und Granatäpfel vorhanden. 😉 Im Wikipedia-Artikel zu Schab-e Yaldâ finden Sie ein hübsches Bild zur traditionellen Tischdekoration beim Schab-e-Yaldâ-Essen.
An das Essen knüpfen sich auch mannigfache magische Vorstellungen. So soll das Verspeisen von Wassermelonen an Schab-e Yaldâ im Sommer vor Krankheiten durch Hitze schützen. In Chorâsân glaubt man, daß der Verzehr von Karrotten, Birnen, Granatäpfeln und grünen Oliven vor gefährlichen Stichen und Bissen (z.B. von Skorpionen).
Nach dem Essen unterhalten die älteren Familienmitglieder die Jüngeren mit Geschichten und Anekdoten, und man führt am Dîvân (also der Gedichtsammlung des Hâfez) Orakel durch.
Sie funktionieren ungefähr wie unser “Bibelstechen”: Man stellt lautlos eine Frage und schickt dem Dichter gute Wünsche, während man eine beliebige Seite aufschlägt. Die ersten beiden Verse des Gedichtes auf der davor liegenden Seite enthalten dann die Antwort. Als sogenannten “Zeugen” (schâhed) nimmt man auch noch die ersten drei Verse des folgenden Gedichtes hinzu.
Auch aus dem Schâhnâme des Ferdousî wird gelesen, und es gibt weitere Bräuche, die sich zum Teil in den verschiedenen Regionen Irans unterscheiden. Zum Beispiel dürfen junge Männer, die eine Verlobte haben, diese anläßlich Schab-e Yaldâ/Tschelle besuchen, um ihr Geschenke zu bringen. Das besondere dabei ist, daß sie auch bei ihrer Verlobten übernachten dürfen.
Zumindest gibt die persische Wikipedia das für das heutige Chorâsân an. Dort findet man auch die Information, daß Schab-e Yaldâ/Tschelle in Aserbaidschan, Afghanistan, Tadschikistan und Pakistan ebenfalls gefeiert wird.
Das sind große Teile der “Persophonie”, der durch die persische Sprache und die durch sie transportierte Kultur seit langem geprägten Großregion.
Ich habe auch gelesen, daß in Iran auf dem Land an Schab-e Yaldâ Feuer angezündet werden. Das wäre eine Gemeinsamkeit mit anderen Festen wie z.B. dem Winterfest namens Sade, das Ende Januar gefeiert wird.
Es gibt Vermutungen, daß es ursprünglich rund um die Wintersonnwende stattfand, also zum selben Zeitpunkt wie Schab-e Yaldâ. Durch die Kalenderreformen unter Bûyiden und Seldschuken habe sich das Fest dann auf Ende Januar verschoben.
In jedem Fall ist die Bezeichnung Schab-e Yaldâ erst aus islamischer Zeit bekannt. “Yaldâ” ist aramäisch und bedeutet Geburt, was sich sowohl auf die Geburt des Sonnengottes als auch auf Weihnachten beziehen kann. So ganz klar sind die Zusammenhänge und Abfolgen hier nicht.
Eine weitere Bezeichnung ist Schab-e Tschelle oder “Nacht der Vierzig”. Damit ist die Nacht vor dem Beginn der ersten vierzig Tage des Winters gemeint.
Am Tag nach Schab-e Yaldâ/Tschelle, dem 1. Dey, gab es jedenfalls ebenfalls ein traditionelles Freudenfest, denn nun wurden ja die Tage wieder länger. Die davor liegende, lange und dunkle Yaldâ-Nacht war, wie schon erwähnt, ursprünglich mit Gefühlen der Furcht verbunden.
Dichter vergleichen jedoch gelegentlich die Locken der/des Geliebten mit Schab-e Yaldâ. Das tertium comparationis, also die Ähnlichkeit, auf die sich der Vergleich bezieht, ist hier die Länge oder Dunkelheit (oder beides zusammen).
Und damit möchte ich Ihnen eine schöne “Yaldâ-Nacht” und auch gleich angenehme Weihnachtsfeiertage wünschen!
In meiner Familie gibt es nämlich am 21. Dezember tatsächlich eine Geburtstagsfeier, und danach beginne ich in diesem Jahr meine Weihnachts- und Neujahrspause. Das heißt nicht unbedingt, daß Sie hier bis zum 9./10. Januar gar nichts zu lesen bekommen – nur möglicherweise nichts Neues. 🙂
Literatur
zusätzlich zu den im Text verlinkten Artikeln:
Anna Krasnowolska, “Sada Festival,” Encyclopædia Iranica, online edition, 2009, available at http://www.iranicaonline.org/articles/sada-festival (aufgerufen am 20 Dezember 2015).
Mahmoud Omidsalar, “Čella. 1. In Persian folklore,” Encyclopædia Iranica, online edition, 1990, available at http://www.iranicaonline.org/articles/cella-term-referring-to-any-forty-day-period (aufgerufen am 20 Dezember 2015).
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