Aus der Geschichte Irans und Afghanistans: Was nach dem Tode des Mahmûd von Ghazna geschah

Für alle Khayyam-Fans: Der zweite Teil der Khayyam-Miniserie kommt demnächst. Diese Woche hatte ich sehr viel mit einem neuen Projekt zu tun, und mein Beitrag über die umstrittene Botschaft der Khayyam zugeschriebenen Vierzeiler erfordert eine gewisse Sorgfalt. Dafür blieb nicht genug Zeit. Deshalb muß ich Sie noch einmal vertrösten. Manchmal will gut Ding eben tatsächlich Weile haben. 😉

Aber ich dachte mir, es könnte Ihnen Freude machen, einen ersten Vorgeschmack darauf zu bekommen, wie eine Nacherzählung der Geschichte Mas’ûds von Ghazna aussehen könnte. Daher fange ich heute einfach einmal damit an. Es handelt sich dabei nicht um eine direkte Übersetzung von Abo l-Fazl-e Beyhaqîs “Geschichte des Mas’ûd”, sondern um eine Nacherzählung aus meiner Feder.

Trotzdem verbinde ich damit natürlich den Hintergedanken, daß Sie womöglich Lust darauf bekommen, meine Weihnachts-/Yaldâ-Rabattaktion zu nutzen und mein E-Book zu erstehen, sofern Sie es noch nicht haben. 😉

Meine Nacherzählung beginnt mit Ereignissen, die in den erhaltenen Teilen von Beyhaqîs Geschichtswerk gar nicht ausführlich beschrieben werden. Die entsprechenden Passagen sind verloren gegangen. Um Ihnen das Verständnis zu erleichtern, habe ich sie an den Anfang gesetzt, wie es auch irgendein Kopist des Geschichtswerkes getan hat. Deshalb findet man in den Handschriften eine ziemlich sicher erst später hinzugefügte Zusammenfassung dieser Ereignisse.

Was geschah nach Mahmûds Tod?

Im Jahre 1029 hatte Mahmûd von Ghazna einen erfolgreichen Feldzug nach Rey unternommen. (Heute ist Rey ein Vorort Teherans.) Er übergab das Gebiet seinem Sohn und ursprünglichen Erben Mas’ûd und kehrte nach Hause zurück.

Während Mas’ûd das eroberte Gebiet sicherte und dann weiter nach Esfahân zog, ernannte Mahmûd einen anderen Sohn, Mohammad, offiziell zu seinem Thronfolger. Bereits im April 1030 starb Mahmûd und ließ die Würdenträger mit einem Problem zurück.

Mas’ûd galt als begabter militärischer Führer und war bei den Truppen der Ghaznaviden entsprechend beliebt. Doch er befand sich weit im Westen des Reiches und schickte sich an, noch weiter fortzuziehen, denn er wollte Hamadân und dann Bagdâd erobern.

Mohammad dagegen hielt sich in Gouzgânân auf, einem Ort, der nicht allzu weit von der Hauptstadt Ghazna entfernt war. Außerdem hatte Mahmûd ihn ausdrücklich zu seinem Nachfolger ernannt.

Was also tun? – Die Würdenträger unter der Führung des Großkammerherrn ‘Alî-ye Qarîb kamen zu dem Schluß, man könne die Ordnung am ehesten aufrecht erhalten, wenn man Mohammad nach Ghazna holte und auf den Thron seines Vaters setzte. Also taten sie das.

Allerdings sollte sich bald zeigen, daß Mas’ûd ganz und gar nicht damit einverstanden war, seinem Bruder die Herrschaft über Ghazna zu überlassen.

Mas’ûd erfährt vom Tod seines Vaters (nach Beyhaqî)

Amîr Mas’ûd befand sich in Esfahân und wollte in Richtung Hamadân und Dschebâl aufbrechen. Seinen Kammerherrn und Heerführer Tâsch Farrâsch wollte er als Statthalter dort zurücklassen.

Man hatte das königliche Zelt bereits aus der Stadt gebracht und war zum Aufbruch bereit, als plötzlich am Dienstag, dem 26. Mai 1030, die Nachricht vom Tode seines Vaters eintraf. Später, als die Geschäfte geordnet waren, erzählte mir der Sekretär Tâher:

Am späten Vormittag jenes Tages rief mich Amîr Mas’ûd zu einem vertraulichen Gespräch. Er eröffnete mir: “Mein Vater ist hingeschieden, und man hat meinen Bruder auf den Thron berufen.”

Dann warf er mir einen Brief hin und befahl mir, ihn zu lesen. Er stammte von seiner Tante Horre-ye Chottalî (einer Schwester Mahmûds) und lautete wie folgt:

Unser Herrscher, Sultan Mahmûd – Gottes Barmherzigkeit über ihn! – ist am Donnerstag, sieben Tage vor Ende des Rabî’ II (30. April 1030), zur Zeit des Nachmittagsgebetes hingeschieden, und damit sind unsere glücklichen Tage zu Ende gegangen. Ich und sämtliche Frauen sind in der Festung von Ghazna. Übermorgen geben wir seinen Tod bekannt. Zum Nachtgebet hat man den Herrscher begraben.

Die Geschäfte laufen jetzt alle über den Kammerherrn ‘Alî ab. Gleich nach dem Begräbnis sind Eilboten nach Gouzgânân aufgebrochen, um Mohammad hierher zu holen, damit er sich auf den Thron setzt. Wegen der großen Liebe, die ich für Dich, mein lieber Junge, empfinde, habe ich in derselben Nacht diesen kurzen Brief aufgesetzt und befohlen, zwei Eilboten so schnell wie möglich damit zu Dir zu schicken.

Du weißt, daß Dein Bruder dieser großen Sache nicht gewachsen ist. Wir Frauen und die Schätze sind schutzlos. Du mußt das Zepter möglichst bald in die Hand nehmen, denn Du bist der wahre Thronfolger Deines Vaters. Laß dieses Gebiet, das Du erobert hast. Du kannst immer noch Gebiete erobern. Doch wenn erst die Nachricht vom Tode Deines Vaters bekannt wird, dann wird es brenzlig. Am wichtigsten sind Ghazna und Chorâsân. Alles andere ist zweitrangig.

Bedenke gut, was ich Dir geschrieben habe, und komm rasch her, damit wir und der Thron des Reiches nicht verloren gehen. Schicke die Boten rasch zurück, ich erwarte sie sehnsüchtig. Über alles weitere werde ich Dir schriftlich berichten.

Als ich das gelesen hatte, sagte ich: “Das Leben des Gebieters möge lang währen! Darüber muß man nicht weiter beraten: Sie hat sehr gute Ratschläge erteilt, die man in die Tat umsetzen muß. Wir dürfen das niemandem verraten.”

Amîr Mas’ûd antwortete: “So ist es, und genauso werde ich es machen, so Gott – er ist erhaben und mächtig – will. Trotzdem müssen wir eine Ratsversammlung abhalten. Geh und schicke Boten an den Heerführer Tâsch Farrâsch, den Großkammerherrn Âltûntâsch und die übrigen Würdenträger und Militärführer, damit Wir ihnen die Neuigkeiten mitteilen und Uns ihre Ansicht anhören!”

Ich tat wie befohlen, und die Würdenträger kamen zur Versammlung. Als alle Platz genommen hatten, erklärte ihnen Amîr Mas’ûd die Lage und ließ mich das Schreiben seiner Tante vorlesen.

Als ich damit fertig war, sagten sie: “Das Leben des Herrschers möge lang währen! Es ist ein großer Segen, daß die Fürstin uns so zeitig in Kenntnis gesetzt und diese Nachricht uns erreicht hat, ehe Seine Majestät zu weiteren Eroberungszügen aufgebrochen ist. Anderenfalls hätten wir umkehren müssen, und das hätte schlecht ausgesehen. Wie ist die Ansicht des Herrschers in dieser Angelegenheit?”

Er fragte: “Was haltet ihr für ratsam?”

Sie antworteten: “Eiligen Aufbruch.”

Er sagte: “Wir sind auch dieser Ansicht. Doch morgen werden wir zunächst befehlen, den Tod Unseres Vaters bekanntzugeben und die Trauerfeierlichkeiten abzuhalten.

Danach schicken Wir einen Gesandten an den Sohn des Kâkû (‘Alâ’ od-Doule, den Herrscher von Esfahân) und einigen Uns mit ihm. Er wird die Neuigkeiten bis dahin schon erfahren haben und allen Vorschlägen über Tribute zustimmen, denn er weiß, daß er sie nicht zahlen muß, weil Wir sie in nächster Zeit nicht eintreiben können. Immerhin gibt Uns das später einen Grund, hierher zurückzukehren.”

Alle meinten: “Das ist sehr richtig und gut erkannt. Nichts anderes ist zu empfehlen. Je schneller Seine Majestät Chorâsân erreicht, desto besser, denn die Strecke ist weit, und die Leute von Ghazna werden auf dumme Gedanken kommen. Das würde uns Schwierigkeiten bereiten.”

Der Amîr sagte: “Zieht euch zurück. Ich werde alles noch besser durchdenken und dann befehlen, was erforderlich ist.”

Damit war die Versammlung beendet, und die Würdenträger zogen sich zurück.

Am nächsten Tag hielt der Amîr in weißem Gewand, Mantel und Turban Audienz. Alle Würdenträger, Militärführer und Einheiten des Heeres erschienen ebenfalls weiß gekleidet (d.h.: das war die Trauerfarbe). Sie erwiesen ihre Reverenz, und es herrschte große Trauer. Dem Brauch entsprechend wurden drei Tage lang Trauerfeierlichkeiten abgehalten, wie sie einem König gebührten.

Fortsetzung folgt…

Lassen Sie mich wissen, ob Ihnen die Nacherzählung gefallen hat. Wollen Sie mehr davon lesen? Ist alles gut verständlich? Sollte man den Text noch mehr straffen? Haben Sie sonst irgendwelche Vorschläge?

Quelle

Beyhaqī, Ḫvāǧe Abū l-Fażl Moḥammad b. Ḥoseyn: Tārīḫ-e Beyhaqī. Hrsg. v. ʿAlī Akbar Fayyāż. Mašhad 1350 š/1971. S. 11-15, 948f.

Abu’ l-Fażl Beyhaqi: The History of Beyhaqi: The History of Sultan Mas’ud of Ghazna, 1030-1041. 3 vols. Transl. with a historical, geographical, linguistic and cultural commentary and notes by C.E. Bosworth. Fully revised and with further commentary by Mohsen Ashtiany (= ILEX Foundation Series; 6). Cambridge, MA/London: Harvard University Press, 2011. Bd. 1. S. 83f, 94-97.

Khalifeh-Soltani, Iradj/Susanne Kurz: „Band 5 des Tārīḫ-e Beyhaqī in deutscher Übersetzung“. In: Spektrum Iran 3 (2006) 23-72. S. 27-29.

Bildnachweis

E-Book-Cover: Linda Woods
Shutterstock.com: aopsan
Malek-Bibliothek Teheran: Hs. Nr. 3865, Tārīḫ-e Beyhaqī, S. 117-118.

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