Geschichte, Legende, Fantasy: Die Namen in „Prince of Persia – Der Sand der Zeit“

»Prince of Persia – Der Sand der Zeit« aus dem Jahr 2010 ist eine der gelungeneren Adaptionen eines Computerspiels als Kinofilm.

*** Vorsicht: Spoiler! ***

Held der Geschichte ist Dastan, ein Straßenjunge, der dem König von Persien wegen seiner Tapferkeit auffällt und von ihm adoptiert wird. Fünfzehn Jahre später zieht er als erwachsener Mann mit seinen Adoptivbrüdern, den Prinzen Garsiv und Tus gegen die heilige Stadt Alamut, weil der Bruder und Ratgeber des Königs, Nizam, entdeckt hat, daß Alamut Waffen an die Feinde Persiens verkauft. Nach der Eroberung Alamuts schlägt der Kronprinz Tus Prinzessin Tamina von Alamut vor, ihn zu heiraten. Derweil hat die Prinzessin einen ihrer Wachleute losgeschickt, um den Dolch mit dem “Sand der Zeit” in Sicherheit zu bringen. Dastan fängt ihn jedoch ab und erbeutet den Dolch. Mit diesem Dolch kann man die Zeit für eine kurze Zeitspanne rückwärts laufen lassen und so die Vergangenheit ändern. Dies funktioniert aber nur, solange eine ausreichende Menge vom “Sand der Zeit” im Griff des Dolches ist. Je weiter oder häufiger man in der Zeit zurückgeht, desto mehr Sand wird verbraucht. Wenn kein Sand mehr vorhanden ist, läßt sich der Dolch nicht mehr als “Zeitmaschine” verwenden. Doch während der Siegesfeier überreicht Dastan dem mittlerweile angereisten König Sharaman unwissentlich ein vergiftetes Gewand als Geschenk, das er von Tus bekommen hat. Der König stirbt, und Dastan steht als Mörder da. Er muß fliehen, und Tamina schließt sich ihm an, um den Dolch zurück zu bekommen. Bei einem Handgemenge zwischen den beiden betätigt Dastan aus Versehen den Dolch und entdeckt sein Geheimnis.

Nach manchen Abenteuern entdeckt Dastan beim Begräbnis des Königs, daß nicht Tus das Gewand vergiftet hat, sondern Nizam. Nun klärt Dastan Tamina über Nizams Intrige auf, zu der auch die erfundenen Waffenlieferungen von Alamut gehören. Daraufhin beschließt Tamina, Dastan zu unterstützen und enthüllt die volle Wahrheit über den “Sand der Zeit”: Unter der Stadt Alamut liegt eine riesige Sanduhr voll mit dem “Sand der Zeit” verborgen. Wenn jemand versuchen sollte, das Glas mit dem Dolch zu öffnen, um beliebig weit in der Zeit zurückzugehen, so würde der Sand entfesselt und die gesamte Welt vernichten. Nizam seinerseits hat es deshalb auf den Dolch abgesehen, weil er in seine Kindheit zurückkehren will. Damals hatte er seinen älteren Bruder vor einem Löwen gerettet. Jetzt möchte er diese Tat rückgängig machen, denn er bereut sie inzwischen und glaubt, wenn sein Bruder als Kind von dem Löwen getötet worden wäre, so wäre er selbst jetzt der rechtmäßige König Persiens.

Nizam erkennt, daß Dastan ihn durchschaut hat. Deshalb schickt er die Hassansine-Sandderwische aus, um Dastan aus dem Weg zu räumen. Es handelt sich um professionelle Mörder, die auch im Kampf geschult sind, sich mit Giftschlangen umgeben und durch Drogen in Rauschzustände versetzen. In einen Angriff der Hassansine, den Dastan mit Hilfe des Dolchs vereitelt, werden auch ein paar Banditen hineingezogen. Sie wollten Dastan eigentlich an Tus ausliefern, um eine Belohnung zu kassieren, schließen sich nun aber Dastans und Taminas Sache an. Bei dem Versuch, den Dolch in Sicherheit zu bringen, bekommt Nizam ihn in die Hände, während Garsiv sich von Dastans Unschuld überzeugen läßt, aber von einem Hassansin getötet wird. Dastan, Tamina und ihre Freunde kehren nach Alamut zurück, um den Dolch zurückzugewinnen. Zunächst erfolgreich, wird dieses Unternehmen dann doch von Nizam vereitelt. Er tötet Tus, nimmt den Dolch wieder an sich und macht sich auf den Weg zur Sanduhr.

Tamina kennt zwar einen geheimen Weg, so daß sie Nizam einholen können. Unterwegs muß Dastan aber noch den Anführer der Hassansine töten. So können sie Nizam nicht mehr daran hindern, den Dolch in die Sanduhr zu stoßen. Nizam stößt Tamina in den Abgrund, und Dastan kann sie zwar festhalten, muß sie dann aber loslassen, um Nizam aufzuhalten. Während der Sand der Zeit bereits dabei ist, Alamut auszulöschen, gelingt es Dastan, den Dolch in die Hand zu bekommen und bis zur Eroberung Alamuts in der Zeit zurück zu reisen. Hier enthüllt er seinen Brüdern Nizams Intrige. Tus tötet Nizam und entschuldigt sich bei Tamina für den Angriff auf Alamut. Er schlägt ihr eine Heirat mit Dastan vor. Dieser nimmt sie für sich ein, indem er ihr den Dolch zurückgibt. Soweit die Geschichte.

Bei diesem Film hat man erstaunlich viel Aufwand betrieben, um die Kulissen tatsächlich vor Ort zu bauen, statt sie nur am Computer zu erzeugen. Selbst die akrobatischen Einlagen der Darsteller sind wirkliche Action und keine technischen Spielereien. Da wundert man sich auch nicht, daß Orts- wie Personennamen ein Mindestmaß an Recherche verraten – auch wenn Geschichte, Legenden und pure Phantasie hier auf abenteuerliche Weise vermischt werden. Selbstverständlich lassen sich die Namen im Film zunächst einmal mit Namen in Computerspielen verknüpfen. Aber das ist nicht ihr eigentlicher Ursprung. (S. zu beiden Aspekten z.B. die IMDB-Seite, v.a. unter „Trivia“, und die englische Wikipedia, v.a. auf der Diskussionsseite, beide Seiten zuletzt besucht am 02.06.13). All denen, die wissen wollen, woher die wichtigsten Namen ursprünglich stammen und was sich hinter ihnen verbirgt, soll dieser Beitrag eigene Recherchearbeiten ersparen.

1. Die Königsstadt Nasaf

Nasaf“ ist die arabische Form des persischen Ortsnamens Nachschab. Der Ort lag vier Tagesreisen von Buchârâ entfernt. Heute liegt diese Gegend in Usbekistan, aber früher gehörte sie zum iranisch-türkischen Kulturraum. Natürlich wurde die arabische Form des Ortsnamens erst nach den Eroberungen der muslimischen Araber im 7. Jahrhundert geläufig. Da der Film deutlich vor dieser Zeit spielt – soweit man ihn überhaupt historisch einordnen kann – ist der Name „Nasaf“ also ein Anachronismus. Auch geographisch scheint die Stadt im Film viel weiter westlich zu liegen als das historische Nasaf.

2. Der persische König Sharaman

hat seinen Namen wahrscheinlich der Rahmenerzählung von Tausendundeiner Nacht zu verdanken. Dort gibt es zwei königliche Brüder namens Schahriyâr und Schahzamân. Beide Namen sind persisch und haben die Bedeutung »Herrscher« und »König der Zeit«. Je nach Überlieferung in den Handschriften und Übersetzung in europäische Sprachen wurden diese Namen hie und da auch anders gedeutet. Vermutlich stammt der Name des Königs im Film also von einer anderen Lesart oder Verfremdung des Namens Schahzamân her.

3. Der Bruder des Königs Nizam

trägt dagegen einen arabischen Namen, der erst in der islamischen Zeit aufgekommen ist – also mehrere Jahrhunderte nach der Zeit, in der die Filmhandlung angeblich spielt. Eigentlich ist es auch gar kein Name, sondern der erste Teil eines Ehrentitels. Der erste berühmte Träger dieses Ehrentitels war Nizâm al-Mulk, der Wesir zweier bedeutender Sultane der türkischen Seldschuken im 11. Jahrhundert. Nizâm al-Mulk bedeutet »Ordnung des Reiches«, und dieser Titel wurde später auch in Indien sehr beliebt. Nizâm allein heißt also „Ordnung“. Richtig ist, daß Nizâm al-Mulk ein mächtiger Mann war und in Iran wirkte.

4. Der junge Held Dastan

trägt den ruhmvollen Beinamen des Zâl. Er ist der Vater des wichtigsten Helden im Schâhnâme, dem persischen »Königsbuch« des bekannten Dichters Ferdousî. Sein langes Epos über die legendären vorislamischen Könige Irans gilt auch als »Nationalepos« der Iraner. Diese Bezeichnung ist historisch betrachtet zwar problematisch, aber hier ist nicht der Ort, das zu diskutieren. Ferdousî hat sein großes Werk Anfang des 11. Jahrhunderts abgeschlossen. Und der bekannteste Held, den er auftreten läßt, ist der bärenstarke und fuchsschlaue Rostam, der auch als „Rostam-e Dastân“, Rostam, Sohn des (Zâl) Dastân bekannt ist. Allerdings hat dieser Beiname Dastân im Original ein langes „â“ in der zweiten Silbe.

5. Die heilige Stadt Alamut

war eine Bergfestung im Norden Irans, wo die religiöse Splittergruppe der Nizârîs sich eingenistet hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Alamût bedeutet »Adlerhorst«. Die Nizârîs gehörten zur Richtung der schiitischen Ismailiten, die vom 10. bis zum 12. Jahrhundert in Ägypten und Syrien herrschten. Auch die Festung Alamût, von der sich die heilige Stadt des Films den Namen geborgt hat, kennen wir also erst aus der islamischen Geschichte Irans. Im Film ist auch dieser Name ein Anachronismus. Im übrigen wird sie dort in den Süden, nämlich nach Indien verlegt. Die Nizârîs von Alamût werden übrigens auch die Assassinen genannt und unternahmen seit dem Ende des 11. Jahrhunderts immer wieder Mordanschläge auf die sunnitischen Machthaber in Iran. Ein paar weitere Informationen folgen unten unter dem Stichwort »Hassansine«. Aber wer die Assassinen wirklich waren und welche Ansichten sie vertraten, muß ich in einem eigenen Artikel erläutern. Schauen Sie doch ab und zu nach, ob er schon hier zu finden ist!

6. Der Kronprinz Tus

hat seinen Namen wiederum von einem Helden des Schâhnâme und gehört damit tatsächlich in die vorislamische Zeit, aber ins Reich der Legenden, nicht in das der Geschichte. Auch nach dieser Überlieferung war er ein Königssohn, aber auch ein Heerführer unter den Kayâniden-Königen, die der Legende nach vor den Sassaniden in Iran herrschten. Doch aus Unüberlegtheit und Starrköpfigkeit tötete er den Sohn eines anderen Helden und wurde dafür vom König beschimpft, erniedrigt und verlor seinen Posten als Heerführer. Mit dem Leben kam er nur deshalb davon, weil er aus einer berühmten Königslinie stammte. Sein Name enthält übrigens ein langes „u“, wird also nicht „Tas“ gesprochen wie im Film, sondern „Tûs“.

7. Der zweite Prinz Garsiv

heißt ebenfalls nach einem Helden des Schâhnâme, allerdings nach einem Helden der Tûrâner, die im Schâhnâme Feinde der Iraner sind. Der Name dieses Helden lautet eigenlich „Garsîvaz“ mit stimmhaftem „s“ am Ende, hier ausgedrückt durch ein „z“. Sein Bruder war der viel bekanntere König Afrâsiyâb, der Herrscher von Tûrân. Tûrân wurde von Iran aus gesehen jenseits des Amu Darya verortet, wo Turkvölker herrschten. Eine der späteren türkischen Dynastien aus dieser Gegend führte ihren Stammbaum auf Afrâsiyâb zurück.

8. Prinzessin Tamina

ist nach der Prinzessin Tahmîne im Schâhnâme benannt. Sie ist die Tochter des Königs von Samangân, einer Gegend, die heute im Norden Afghanistans liegt. Für die Sagen um den wichtigsten Helden des Schâhnâme, Rostam, Sohn des Dastân, spielt sie eine wichtige Rolle. Sie empfängt nämlich in einer einzigen Liebesnacht mit Rostam seinen einzigen Sohn Sohrâb. Zum jungen Mann herangewachsen, zieht dieser tatendurstig auf Abenteuer aus und fordert schließlich seinen Vater zum Kampf. Unglücklicherweise erkennt Rostam erst, wer der junge Mann ist, als er ihn tödlich verwundet hat. Eine echte Tragödie also. Und die Verbindung zwischen Rostam, Sohn des Dastân, auf persisch „Rostam-e Dastân“ genannt, und Tahmîne im Schâhnâme findet sich in der Verbindung zwischen Dastan und Tamina im Film wieder – wenn auch mit weniger tragischen Folgen.

9. Die mörderischen Hassansine-Sandderwische

verbinden mehrere Elemente aus der islamischen Geschichte der persischsprachigen Welt. Zunächst einmal ist der Tanz, den man einen von ihnen ausführen sieht, ein bekannter Derwisch-Tanz. Es ist der Tanz der Maulavi-Derwische aus der Türkei. Diese Maulavi-Derwische führen ihre Bruderschaft und ihren Tanz auf Maulânâ Dschalâl ad-Dîn Rûmî zurück, einen persischen mystischen Dichter, der den größten Teil seines Lebens in Konya in der heutigen Türkei verbracht hat. Anders als die echten Maulavi-Derwische, sind die Hassansine aber alles andere als harmlos. Sie tragen Züge von Dschinnen. Das sind aus Feuer geschaffene Geistwesen, die sich vornehmlich in Tiere wie Schlangen verwandeln, aber auch menschliche Gestalt annehmen können. Dabei sehen sie manchmal entstellt, manchmal aber auch besonders schön aus. Dschinne sind meist recht eigensüchtig und daher kein besonders gesunder Umgang für Menschen. Schließlich spielt der Name der Hassansine ebenso wie ihr Gewerbe – der Meuchelmord – auf die Assassinen an, die schon bei der Erklärung zu Alamût erwähnt wurden. „Assassine“ bedeutet nicht ohne Grund in den europäischen Sprachen „Meuchelmörder“, denn die Assassinen waren gefürchtet für ihre meist erfolgreichen Mordanschläge auf ihnen nicht genehme Machthaber und einflußreiche Persönlichkeiten im 11. und 12. Jahrhundert in Iran, aber auch in Syrien zur Zeit der Kreuzfahrer. Da sie sich auch nicht davor fürchteten, bei einem Anschlag selbst ums Leben zu kommen, waren sie ihren Zeitgenossen unheimlich, und das förderte allerlei Vermutungen über ihre Motivation – zum Beispiel die, daß man ihnen das Paradies vorgaukelte, damit sie eher bereit wären, den Tod in Kauf zu nehmen. Dabei sollen auch Drogen im Spiel gewesen sein. Ihr Name „Assassinen“ geht denn auch auf das arabische Wort „haschîschîyûn“ zurück, das soviel bedeutet wie „Haschischesser“. Mehr Informationen zu den Assassinen, die der religiösen Richtung der schiitischen Nizârîs angehörten und heute oft als die „ersten Selbstmordattentäter“ in der islamischen Geschichte gehandelt werden, biete ich in meinem Artikel über die Assassinen (folgt demnächst).

Quellen

  • Blu-Ray-Disc-Extras zu „Prince of Persia – Der Sand der Zeit“.
  • Dehkhodâ, ‘Alî-Akbar: Loghat-nâme. 14 Bde. Tehrân: Enteschârât-e Dâneschgâh, 1993-4.
  • Ferdousî, Abû l-Qâsem: Schâhnâme. Hrsg. v. Djalal Khaleghi-Motlagh. 8 Bde. Tehrân: Markaz-e Dâ’erat ol-ma’âref-e bozorg-e eslâmî, 1386 sch./2007.
  • IMDb, Plot-Synopsis, http://www.imdb.com/title/tt0473075/synopsis (zuletzt besucht am 06.05.2012).
  • Mo’în, Mohammad: Farhang-e Fârsî. 6 Bde. Tehrân: Amîr-Kabîr, 1963-78.
  • Wolff, Fritz: Glossar zu Firdosis Schahname. Hildesheim: Olms, 1965. (Reprograf. Nachdr. d. Ausg. Berlin, 1935).

Bildnachweis

Beitragsbild:
Quelle: Wikimedia Commons
Autor: Daniel Lafranca
unverändert übernommen
Lizenz: Creative-Commons 3.0


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3 Kommentare

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