Derzeit begehen Muslime in aller Welt den Fastenmonat Ramadân (im Persischen und im Urdu Ramazân). Im letzten Jahr hatte ich etwas zum Thema Ramadân und Spendenbereitschaft von deutschen Musliminnen und Muslimen geschrieben. In diesem Jahr beschäftigen wir uns auf unserem Blog ja sehr viel mit der Geschichte der Moguln, und so widme ich diesen Beitrag dem muslimischen Fastenmonat und seiner Geschichte im Mogulreich.
Wie in der übrigen islamischen Welt wurde auch in Südasien der Ramadan begangen und das Fest am Ende des Fastenmonats besonders gefeiert. Interessant ist, dass die Quellen uns berichten, dass es am Hof der Moguln immer wieder Muslime gab, die sich nicht an die strengen Regeln des Fastens von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hielten. Auch auf den Alkoholkonsum verzichteten einige Mitglieder des Hofes trotz Ramadân nicht. So berichtete Dschahângîr in seinen Memoiren, dass Schêr Khân auch im Ramadân eine beachtliche Menge Alkohol zu sich nahm (Dschahângîr-nâma, S. 90).
Doch wir haben auch andere Berichte über das Einhalten des Fastenmonats am Mogulhof, bzw. damit verbundene Rituale. Wie ich in meinem letzten Beitrag über die Nachkommen Akbars schon berichtet habe, musste Akbar viele Jahre auf einen männlichen Erben warten. Als er fürchtete, niemals einen Sohn und Nachfolger zu bekommen, suchte er den Beistand eines islamischen „Heiligen“.
„Heiliger“ ist hier in Anführungsstriche gesetzt, da das christliche Konzept von Heiligkeit nicht einfach auf den Islam zu übertragen ist. Islamische „Heilige“ sind als „Freunde Gottes“ (walî Allâh) oder sûfîs bekannt. Sûf ist das arabische Wort für Wolle und kennzeichnet die Wollgewänder, die Sufis häufig trugen. Sufis lebten und leben häufig alle als Asketen oder in größeren Ordensgemeinschaften, ähnlich einem Mönchsorden.
In der Nähe von Akbars Hauptstadt Agra befand sich das Haus von Salîm Chishtî (st. 1572), einem bekannten Sufi aus dem Orden der Chishtiyya. Akbar beschloss, den Mystiker aufzusuchen und durch ihn um göttlichen Beistand zu bitten. Er pilgerte die knapp 36 km von Agra nach Sikri zu Fuß, um den „Heiligen“ zu treffen. Salîm sagte voraus, dass Akbar Vater von drei Söhnen werden würde.
Und tatsächlich: bald darauf wurde Akbars Ehefrau Jodha/Maryam uz-Zamânî schwanger. Akbar fürchtete scheinbar, dass seine Ehefrau eine Fehlgeburt erleiden könnte oder die Kinder wie die verstorbenen Zwillinge Hasan und Husain zu schwach sein könnten. Aus diesem Grund ließ er für Jodha einen Palast direkt neben dem Haus Salîm Chishtîs erbauen, in dem Jodha in der Tat bis zur Geburt lebte.
Akbar war voller Freude und nannte seinen Sohn nach dem Sufi Salîm. Doch das war nicht alles: die Söhne und Schwiegersöhne des Mystikers erhielten wichtige Positionen bei Hof, die Töchter und Schwiegertöchter Salîms wurden zu Ammen des Prinzen ernannt. Somit stärkte Akbar die Rolle des mystischen Islam an seinem Hofe. Doch damit nicht genug: rund um das Haus von Salîm Chishtî ließ Akbar nun seine neue Hauptstadt Fatehpur Sikri errichten. Nach Salîms Tod errichtete Akbar ein großes Mausoleum für den Schaich, das auch heute noch von großer Bedeutung ist.
Ein zweiter Mystiker war für Akbar allerdings fast noch wichtiger: Schaich Mo’în ud-Dîn Chishtî, der 1230 in Ajmer gestorben war. Wie die Mogulherrscher auch, stammte Mo’în ud-Dîn aus Afghanistan und war für die Mogulherrscher eine Art Schutzpatron. Akbar führte in jedem Jahr eine Pilgerfahrt von Agra nach Ajmer durch, die Strecke von ca. 360 Kilometer legte er zu Fuß zurück. In Ajmer stiftete Akbar einige Moscheen und Gebäude rund um den Grabschrein von Mo’în ud-Dîn.
In der Serie Jodha Akbar sieht der Zuschauer Akbar in zahlreichen Szenen am Grab Mo’în ud-Dîns beten. In Folge 99 der Serie wird die Szene von einem qawwâlî, einem sufischen Gesang, untermalt. Der Gesang richtet sich an Chwâdscha (Mo’în ud-Dîn). Im Film Jodhaa Akbar gibt es ebenfalls ein qawwâlî zu Ehren des Heiligen, das von dem berühmten muslimischen Komponisten A.R. Rahman verfasst wurde. HIER geht es zu dem Video zu „Khwaja mere Khwaja“. Hier zeigt sich die Bedeutung von Sufi-Musik für Bollywood.
In etlichen Jahren führte Akbar seine jährliche Pilgerfahrt im Monat Ramadân durch. Unmittelbar nach Salîms Geburt reiste Akbar im Fastenmonat nach Delhi und dankte an vielen Sufi-Schreinen für die Geburt seines Sohnes. Auch heute besuchen im Ramadan Tausende von Pilgern den Schrein Mo’în ud-Dîns und folgen dem Beispiel der Mogulherrscher. Ajmer ist auf diese Weise eines der wichtigsten muslimischen Pilgerzentren Indiens.
Das Beitragsbild zeigt die Begegnung Akbars und Salîm Chishtîs. Es stammt aus dem 18. oder 19. Jahrhundert und ist Public Domain.
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