Sehenswürdigkeiten Esfahans: Das Grab des Nezâm ol-Molk

Zur Abwechslung gibt es heute nur einen kurzen Beitrag über eine weniger bekannte Sehenswürdigkeit in der iranischen Stadt Esfahan: das Grab des Seldschukenwesirs Nezâm ol-Molk-e Tûsî (oder arabisch: Nizâm al-Mulk at-Tûsî). Sein recht bescheidener Grabstein kann freilich mit den ästhetischen Reizen der safavidischen Bauwerke in der Stadt ebenso wenig mithalten wie das Gebäude, in dem er steht. Daher ist das Grab des berühmten Wesirs eher so etwas wie ein Geheimtipp für Leute, die sich für die Seldschukengeschichte und den Nezam interessieren.

Nezâm ol-Molk ist als einer der bekanntesten Wesire in die Geschichte eingegangen. Das hat vermutlich zwei Gründe:

Zum einen war der Nezâm außergewöhnlich langlebig. Zwischen 1018 und 1020 geboren, starb er erst 1092 mit über 70 Jahren – und auch dann nicht an Altersschwäche, sondern an den Folgen eines spektakulären Mordanschlags, möglicherweise als erstes Opfer der Assassinen (zuletzt erwähnt in diesem Beitrag). Wenig später starb übrigens auch der noch relativ junge Sultan Malek-Schâh. Doch das ist ebenso wie der Mord am Nezâm, die Assassinen und Leben und Wirken des Nezâm ein eigenes Thema. Seien Sie also gespannt auf zukünftige Beiträge! 😉

In jedem Fall diente der Nezâm in seinem langen Leben gleich zwei seldschukischen Sultanen: zunächst Alp Arslân (reg. 1063-1072), dann seinem Sohn Malek-Schâh (reg. 1072-1092). Damit kam er auf annähernd dreißig Amtsjahre – die Jahre nicht mitgerechnet, die er bereits im Dienste Alp Arslâns verbracht hatte, ehe dieser zum Sultan aufstieg. Allein diese stolze Dauer von Nezâm ol-Molks Wesirat ist beachtlich und war keineswegs die Regel. Wesire lebten nämlich ähnlich gefährlich wie die Herrscher selbst. Doch auch dazu ein andermal mehr.

Zum anderen war der Nezâm aber auch außergewöhnlich mächtig, insbesondere in der ersten Hälfte der Herrschaftszeit des noch jungen Sultans Malek-Schâh, dem er auf den Thron geholfen hatte. Doch der Nezâm verdient, wie schon gesagt, einen oder sogar mehrere eigene Beiträge. Bis ich dazu komme, sie zu schreiben, können Sie ja schon mal einen Blick in den Wikipedia-Artikel werfen. Wenn Sie das tun, lassen Sie sich auf keinen Fall die in solchen Artikeln häufig vorkommende Diskussion über die ethnische Zugehörigkeit des Nezâm entgehen! Das ist zwar keine Größe, über die es sich in diesem Zusammenhang zu diskutieren lohnt, weil sie von ausgesprochen untergeordneter Bedeutung ist, aber solche Diskussionen sind trotzdem sehr verbreitet.

Doch zurück zum Grab des Nezâm! Es liegt in Esfahan im Viertel Ahmad-Âbâd in einer verlassenen Madrase, die man „Maqbare-ye Pây-Tschenâr“ oder „Tekye-ye Pây-Tschenâr“ oder auch „Maqbare-ye Nezâm ol-Molk“ (also: „Grabstätte des Nezâm ol-Molk“) nennt. Vor einigen Jahren habe ich diesen Ort selbst einmal aufgesucht. Anders als die übrigen historischen Denkmäler der Stadt ist das Gebäude gänzlich unscheinbar und enthält im Eingangsbereich auch jede Menge Gerümpel. Zumindest war das damals so, und das deutete nicht eben auf häufige Besuche von in- oder ausländischen Touristen hin. Danach befragt, wieso man dieses Grab nicht besser pflege, entgegnete der Mann, der aufgeschlossen hatte, er wisse es nicht genau. Vielleicht, weil Nezâm ol-Molk Sunnit gewesen sei.

Das ist natürlich keine sehr befriedigende Erklärung, wenn man bedenkt, daß in Iran seit der Islamisierung bis um 1500 (und darüber hinaus) die Bevölkerungsmehrheit sunnitisch war, also deutlich mehr als die Hälfte der islamischen Geschichte des Landes von Sunniten gestaltet worden ist. Im übrigen waren wohl selbst die teils fanatisch schiitischen Safaviden nicht der Auffassung, daß Nezâm ol-Molk als Sunnit besser ignoriert werden sollte, stammt doch der Marmorgrabstein, den man heutzutage besichtigen kann, aus der Safavidenzeit.

Wie es scheint, gibt es von diesem (und den weiteren vor Ort befindlichen) Grabsteinen nicht allzu viele Bilder. Zumindest enthält der immerhin existierende Wikipedia-Artikel keines. Das ist umso bedauerlicher, als ich meine eigenen Bilder im Augenblick nicht wiederfinde. Ich hoffe zwar, daß ich mich täusche und sie bald nachträglich hochladen kann. Doch es steht zu befürchten, daß sie unter den Fotos waren, die vor ein paar Jahren einer verunglückten Systemsicherung auf meiner damals einzigen externen Festplatte zum Opfer gefallen sind. Solange das Schicksal dieser Bilder nicht endgültig geklärt ist, möchte ich Sie aber zumindest mit einer Abbildung in Graustufen trösten, die ich einer älteren wissenschaftlichen Darstellung der historischen Bauwerke Esfahans in persischer Sprache entnommen habe. Auch die oben angeführten Daten zum Grabmal stammen aus diesem persischsprachigen Werk, wo man zusätzlich die auf dem Grabstein angebrachten Inschriften – überwiegend Koranverse – ausführlich nachlesen kann.

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Der Blitzreflex auf dem Foto ist übrigens im Original nicht vorhanden, sondern stammt von meinem Smartphone. Ich hoffe, daß Sie mir trotz dieser Demonstration meiner fotografischen Professionalität die Daumen drücken, daß ich meine eigenen Bilder vielleicht doch noch auf einem älteren Computer wiederfinde. Immerhin waren sie in Farbe.

Quelle

Lotfollâh Honarfarr: Gandschîne-ye âsâr-e târîchî-ye Esfahân: âsâr-e bâstânî va alvâh va katîbe-hâ-ye târîchî dar âstân-e Esfahân. Esfahan: Tschâp-châne-ye Emâmî, 1344 sch./1965.

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2 Kommentare

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