Weihnachten ist heutzutage im christlichen Kontext der Höhepunkt des Austausches von Geschenken. Vieles ist gesagt über Erwartungen, die mit Geschenken verbunden werden, über die Art und Weise des Präsentierens und den“richtigen“ Wert des Geschenkes und des Gegengeschenkes. Fakt ist, dass bei fast jedem Geschenk auch ein Gegengeschenk oder eine Gegenleistung erwartet wird.
Im islamischen Kontext werden ebenfalls zu den höchsten religiösen Festlichkeiten, dem Opferfest und dem Fest des Fastenbrechens, Geschenke ausgetauscht.
Die Herrscher des indo-muslimischen Mogulreiches verfügten über unschätzbare Reichtümer in Form von Edelmetallen, Edelsteinen, Juwelen oder Gewürzen. Sie waren nicht nur als Handelsgüter beliebt, sondern auch als Geschenke. Hier sind die Aufwiegezeremonien von besonderer Bedeutung: der Herrscher beziehungsweise der Thronfolger ließen sich an ihrem Geburtstag gegen Edelsteine, Gold und andere Kostbarkeiten aufwiegen und verschenkten anschließend alles an den Hofstaat und die Bevölkerung.
Bâbur (st. 1530), der erste Mogulherrscher, der nachhaltig Gebiete in Indien eroberte, schickte nach der entscheidenden Schlacht von Panipat 1526 Geschenke an seine Familie im afghanischen Kabul. Außerdem verteilte er Geschenke an die Handwerker und Künstler, die seine neue Hauptstadt in Agra errichteten.
„Menschliche Geschenke“?
Bâbur verteilte nicht nur Geschenke, sondern erhielt natürlich welche – die aus heutiger Perspektive durchaus sehr fragwürdig sind: von einem einflussreichen Kaufmann erhielt er zwei tscherkessische Sklavinnen. Von Bâburs Enkel Akbar (st. 1605) ist bekannt, dass ihm mehrfach „vertrauenswürdige Eunuchen“ geschenkt wurden. Gemeint sind wahrscheinlich die hijras, die im Harem wichtige Aufgaben erfüllten und durchaus zu politischer Macht gelangen konnten. Es ist nicht zu leugnen, dass am Hof der Moguln die Sklaverei alltäglich und Menschenhandel („Human Trafficking“) üblich war, sodass „menschliche Geschenke“ keine Seltenheit waren.
Forderung nach besonderen Geschenken
Das Überreichen eines Gastgeschenkes an den Gastgeber oder auch Mitbringsels ist ja in vielen Kulturen üblich. Akbar machte Gastgeschenke zu einer Bedingung für das Vorsprechen bei Hofe: wollte jemand den Herrscher in einer Audienz in einer bestimmten Angelegenheit sprechen, musste er bzw. sie Akbar zunächst ein Gastgeschenk überreichen. Noch anspruchsvoller war Akbars Sohn und Nachfolger Salîm / Jahângîr (st. 1627). Dieser verlangte nicht nur kostbare Geschenke von den Besucherinnen und Besuchern des Hofes, sondern verzeichnete diese Geschenke auch in langen Listen. Was wurde denn einem – bekanntermaßen äußerst reichen Herrscher – als Geschenk dargeboten? Neben Gold- und Silbermünzen, Schmuck, Schwertern und juwelenbesetzten Dolchen, Manuskripten wurden auch Tiere wie Elefanten und Geparden verschenkt. Einmal soll Akbar von einer Delegation kostbare arabische Hunde als Jagdhunde gefordert haben.
Große Ansprüche – Geschenke innerhalb der Mogulfamilie
Für uns aus der heutigen Perspektive ist es zumindest ungewöhnlich, dass die innerhalb der Mogulfamilie Geschenke nicht (nur) auf freiwilliger Basis ausgetauscht wurden, sondern dass vor allem die Mogulprinzen Ansprüche an ihre Väter stellten, um gewisse Kostbarkeiten zu fordern. Jahângîr trennte sich wohl eher widerwillig von seinen Lieblingselefanten, die seinem Sohn Khurram (später Shâh Jahân) besonders gefielen. Khurram fragte seinen Vater wohl mehrfach nach diesen speziellen Elefanten, die mit goldenen Ketten festgebunden waren, welche ihren Wert noch weiter betonten. Schließlich gab Jahângîr nach und übergab die Elefanten an Khurram.
Jahângîrs älterer Bruder Parvaiz bat seinen Vater öfters um ein mit Juwelen besetztes Ehrengewand und eine Krone – auch dieser Wunsch wurde vom Mogulkaiser erfüllt.
Obst, Süßspeisen und Lebensmittel als Geschenke am Mogulhof
Wie die Quellen des Mogulhofes zeigten, mussten Geschenke nicht zwangsläufig von hohem materiellen Wert sein. Sehr beliebt als Gaben waren Süßigkeiten und Obst und andere Lebensmittel. Besonders Melonen besaßen einen hohen Stellenwert in der Mogulfamilie. Dieses liegt wahrscheinlich daran, dass es in Afghanistan, wo die Hauptstadt der Moguln zuvor angesiedelt war, keine Melonen gab.
Den britischen Diplomaten Sir Thomas Roe (st. 1644) irritierten Obst und Fleischgerichte als Geschenke des Herrschers Jahângîr sehr. Roe hielt sich als Gesandter des britischen Königs James I. am Mogulhof auf, wo er versuchte, Handelsverträge abzuschließen. Mit den ihm überreichten Geschenken war Roe offensichtlich nicht zufrieden – hatte er doch sicherlich mit kostbareren Gaben wie Gold und Juwelen gerechnet.
In seinen Briefen nach England berichtete Roe folgendes (Übersetzung aus dem Englischen von C.P):
Ich habe mich bereits aller meiner besten Dinge entledigt, um keine Lücke (im Geschenkefluss, C.P. aufkommen zu lassen. Bisher hat mir niemand etwas von Wert als Geschenk übergeben, außer Lammfleisch, Ziege und Schaf, und nein… kein entscheidender Wert.
Roe hatte nicht nur Kontakt zum Herrscher selbst, sondern auch zum mächtigen Minister (wazîr) Âsaf Khân. Dieser war nicht nur der Bruder von Jahângîrs Lieblings-Ehefrau Nûr Jahân, sondern auch der Vater von Mumtâz Mahal, der Frau, für^ die das Taj Mahall gebaut wurde.
Roe beklagte sich darüber, dass auch Âsaf Khân nur Obst, Eßbares und Getränke überreichte:
Er (i.e. Asaf Khân) lud mich zum Abendessen ein (ohne allerdings einen genauen Termin zu nennen. Er versprach mir, mit mir zusammen zu feiern und als Gefälligkeit mit mir Wein zu trinken. Also verließ ich das Treffen. Zwei Stunden später sandte er seinen Diener mit 20 Zuckermelonen als ein erstes Geschenk. Ohne Zweifel meinten sie, dass unser Glück in unserem Gaumen liegt – denn alles, was ich jemals von ihnen erhalten habe, war ess- oder trinkbar!
Wie wir seinen Briefen entnehmen können, war Roe auch erstaunt, wenn nicht sogar verärgert darüber, dass Jahângîr bei den Treffen der beiden gezielt nach bestimmten Dingen und Gütern als Geschenk fragte – was genau Jahângîr von dem Briten haben wollte, schreibt Roe nicht. Er berichtet aber, dass er dem Mogulherrscher klar klarmachte, dass es im westlichen Kulturkreis als unhöflich gilt, gezielt bestimmte Geschenke zu verlangen. Das hielt Jahângîr nicht davon ab, weiter danach zu fragen.
Letztendlich einigten sich Roe und Jahângîr trotz der Auseinandersetzungen um Geschenke auf weitreichende Handelsrechte für die Briten. Ob Roe auch noch wertvolle, nicht essbare Geschenke erhalten hat, ist unbekannt.
Der Beitrag beruht in wesentlichen Teilen auf den Ausführungen zu Geschenken in:
Mukhia, Harbans: The Mughals of India. Oxford et al. Blackwell, 2004.
Das Beitragsbild stammt aus dem Buch Pâdshâh-nâme („Buch des Königs der Könige“) und zeigt, wie der Herrscher Jahângîr seinem Sohn Khurram (später sein Nachfolger Shâh Jahân) Schmuck für seinen Turban schenkt. Das Manuskript ist von ca. 1657. Das Bild unterliegt der Creative Commons License.