Historische Wendepunkte: Ein neues Appetithäppchen aus meinem Beyhaqî-Buch

Heute können Sie in die Einleitung hineinlesen. Wie beim letzten Mal habe ich auch heute die Umschrift noch nicht vereinfacht. Mache ich in den nächsten zwei Wochen, wenn ich die letzte Kontroll-Lektüre beende und mich um den Satz kümmere – und um die Karte, die ich noch einbinden will.

Viel ist also nicht mehr zu tun, aber ich muß demnächst mal ein paar Tage für die letzten Arbeiten reservieren. Bis dahin wünsche ich Ihnen erstmal viel Spaß mit dem nächsten Appetithäppchen aus dem Buch. Ich hoffe, es versüßt Ihnen das Warten! 😉

Einleitung

Weshalb Kleinasien zur Türkei werden konnte und was das besondere an Abo l-Fażl-e Beyhaqīs außergewöhnlichem Geschichtswerk ist.

Den wenigsten Menschen ist bewußt, daß im Jahr 1040 im Nordosten des damaligen Iran eine Schlacht ausgetragen wurde, deren Ausgang die politische und kulturelle Landkarte langfristig verändert hat. Weil der Seldschuke Toġrıl mit seinen nomadischen Turkmenen diese Schlacht gegen die Truppen Masʿūds aus der persianisierten turkstämmigen Dynastie der Ġaznaviden gewonnen hat, stand ihm der Weg weiter nach Westen offen. So kamen die Türken schließlich in die Türkei. Oder vielmehr: So wurden die Weichen dafür gestellt, daß aus Kleinasien die Türkei werden konnte. Ohne diese im vollen Wortsinne bahnbrechende Schlacht nahe bei dem Ort Dandānqān könnte unsere Welt also heute anders aussehen.

Natürlich ist ein solches Gedankenspiel für Historiker problematisch. Die Frage: „Was wäre gewesen, wenn…?“ läßt sich wissenschaftlich nicht beantworten. Dazu müßte es nämlich möglich sein, die Antwort zu überprüfen. Doch wer kann schon wissen, was gewesen wäre, wenn…? Jedes Ereignis beruht auf so vielen unterschiedlichen großen und kleinen Voraussetzungen und Geschehnissen, daß man sie nie alle überblicken kann. Also kann man auch nicht wissen, was passiert wäre, wenn eines dieser Elemente weggefallen und durch ein anderes ersetzt worden wäre. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die man durchspielen müßte.

Man kann also darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn… Aber man kann nicht überprüfen, ob eine mögliche Antwort richtig oder falsch ist. Andererseits wimmelt die Geschichtsschreibung von Schlachten, Ereignissen und Situationen, die als Wendepunkte oder als Gründe für neue Entwicklungen gelten. Und wenn ein bestimmtes Ereignis tiefgreifende Folgen gehabt und wichtige Veränderungen in Gang gebracht haben soll, dann heißt das im Umkehrschluß, daß die Geschichte ohne dieses Ereignis anders verlaufen wäre. Sobald man also Einschätzungen vornimmt, setzt man immer eine Überlegung zu der Frage „Was wäre gewesen, wenn…?“ voraus. Genau so eine Einschätzung habe auch ich vorgenommen, als ich zu Beginn dieser Einleitung geschrieben habe, der Ausgang der Schlacht von Dandānqān im Jahr 1040 habe die politische und kulturelle Landkarte verändert. So gesehen, ist es nicht abwegig, daß sich manche Historiker auch mit der Frage „Was wäre gewesen, wenn…?“ beschäftigen. Man nennt das „kontrafaktische“ oder „virtuelle“ Geschichte.

Steht die Schlacht von Dandānqān also für einen Wendepunkt? Zumindest sprechen dafür ebenso gute Gründe wie bei vielen anderen Schlachten. Dandānqān gehört in dieselbe Reihe gewichtiger Namen wie Issos oder die Thermopylen. Trotzdem haben die wenigsten Menschen im Geschichtsunterricht von diesem Ort gehört. Die Anzahl derjenigen, die den Ort kennen, dürfte noch geringer sein. Dandānqān lag westlich von Marv – das ist Mary im heutigen Turkmenistan. Und was dort geschehen ist, erstaunt fast so sehr wie die rasanten Eroberungszüge Alexanders des Großen über den größten Teil der bekannten Welt: Masʿūd von Ġazna, einer der mächtigsten Herrscher seiner Zeit, wird mitsamt seiner umfangreichen, schwer bewaffneten und gut ausgebildeten Armee von drei Männern aus der Familie Seldschuk – Ṭoġrıl, Čaġrı und Yabġū – mit ihrem vergleichsweise kleinen Häuflein leicht bewaffneter turkmenischer Reiternomaden vernichtend geschlagen und in die Flucht gejagt.

Wie konnte es dazu kommen? (…)

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3 Kommentare

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