Vor ein paar Wochen habe ich mich mit einem iranischen Doktoranden unterhalten, der zur Zeit in Deutschland arbeitet. Wir diskutierten kurz das Problem persischsprachiger Forschungsliteratur in den Arbeiten westlicher Forscher. Mein iranischer Gesprächspartner meinte, westliche Forscher berücksichtigten selten mehr als eine Handvoll persischer Forschungsarbeiten, auch wenn es viel mehr zum Thema gebe. Das entspricht auch meiner Wahrnehmung, und ich meine, daß es dafür eine Reihe von Gründen gibt, die sich aber nicht im Rahmen eines einzelnen Blogbeutrags besprechen lassen. Hier möchte ich mich nur mit einem Grund befassen: dem Problem, von persischen Forschungsarbeiten überhaupt zu erfahren und sie zu beschaffen.
Tatsächlich ist es nicht immer einfach herauszufinden, was in Iran gerade zu einem bestimmten Thema geforscht wird. Nach wie vor ist es dafür hilfreich, wenn man sich an Kollegen vor Ort wenden kann. Die hierzulande leicht auffindbaren Fachbibliographien reichen jedenfalls nicht aus, um sich ein Bild über die iranische Forschung zu machen. In den Abstracta Iranica werden zwar immer wieder persische Arbeiten aufgeführt, aber eben nur einige wenige. Der Index Islamicus ist gänzlich frei von Literatur in orientalischen Sprachen. Will man einen besseren Überblick bekommen, ist es daher empfehlenswert, die mittlerweile online verfügbaren iranischen Bibliothekskataloge und Repositorien zu durchsuchen. Auch wenn es den einen oder anderen vielleicht wundern wird, aber im Internet sind gerade iranische Bildungsinstitutionen sehr aktiv und oft großzügiger beim Teilen von Inhalten, als es in vielen anderen Ländern üblich ist.
So kann man z.B. ganze Handschriften kostenlos als digitale Kopie herunterladen – nicht immer, aber erstaunlich häufig. Und es gibt mittlerweile auch die Möglichkeit, große Mengen an Aufsätzen als PDF-Dateien zu speichern. Für Forscher außerhalb Irans ist das auch gut, denn seit vielen Jahren ist es nicht mehr möglich, direkte Überweisungen nach Iran zu tätigen. Auch alternative Bezahlmöglichkeiten, die sich sonst im Internet gerade für den internationalen Zahlungsverkehr anbieten, sind für Iran nicht verfügbar. Deshalb kann man auf Repositorien, in denen man für den Download bezahlen muß, ohne iranisches Bankkonto nicht zugreifen.
Aber wir wollen nicht meckern, sondern uns lieber über die vorhandenen Möglichkeiten freuen, denn früher gab es auch diese nicht. Außerdem sind viele Bücher immer noch schwer zu bekommen, weil sie in niedrigen Auflagen gedruckt werden und dann schnell vergriffen sind. Wer so ein Buch antiquarisch kaufen will, muß entweder selbst nach Teheran reisen oder jemanden kennen, der bereit ist, sich stellvertretend auf die Suche zu machen. Ganz billig sind solche vergriffenen Bücher auch nicht – selbst bei den für uns sehr günstigen Bücherpreisen in Iran.
Immerhin: Wichtige Bibliotheken wie die Nationalbibliothek und die Maǧles-Bibliothek bieten Online-Kataloge mit Suchfunktionen an und laden auch Handschriften hoch. Wenn man eine entdeckt, die man haben möchte, sollte man sie aber am besten gleich herunterladen. Sonst kann es sein, daß sie beim nächsten Versuch nicht mehr verfügbar ist. Es gibt nämlich auch in iranischen Bibliotheken durchaus unterschiedliche Ansichten über diese Open-Access-Politik.
Eine wahre Fundgrube für Zeitschriftenaufsätze ist die Noormags-Seite. Hier kann man nach Registrierung mit Name, E-Mail-Adresse und Paßwort bis zu 30 Aufsätze im Monat im PDF-Format herunterladen und sich über viele weitere Aufsätze informieren. Meine Uni-Mailadresse hat dort allerdings nicht funktioniert. Mit einer Adresse von einem auch in Iran bekannten Freemail-Anbieter gab es dann aber keine Probleme. Natürlich sind auch auf dieser Seite nicht alle Volltexte als PDF frei verfügbar und wohl auch nicht alle aktuellen Zeitschriften erfaßt. Dennoch ist dies eine große Hilfe und Arbeitserleichterung für Forscher außerhalb Irans.
Und wer weiß? Vielleicht erleben wir ja auch noch eine Zeit, in der sich Forscher weltweit über eigene Kanäle austauschen und Forschungsarbeiten jederzeit mit einigen Klicks herunterladen können – egal, in welchem Land sie leben und aus welchem Land die Forschung stammt. Nun, man wird ja träumen dürfen…
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