Neuigkeiten: Polyglotter Persischliebhaber

Zur Zeit freuen sich die Iraner in meinem Umfeld über ein Video, das per Mail die Runde macht. Es zeigt ein Interview mit einem siebzehnjährigen amerikanischen Jungen aus New York, der 23 Sprachen gelernt hat, darunter Persisch. In dem Video erklärt er, er lese mittlerweile persische Poesie und Persisch sei eine seiner Lieblingssprachen. Bei einer Auswahl von 23 Sprachen will das natürlich etwas heißen! Aufgefordert, etwas persische Poesie zu zitieren, trägt Tim Doner – so heißt der junge Mann – einen Vers von Hâfez vor.

Kein Wunder also, daß ihm die Herzen der Iraner entgegenschlagen, ist Hâfez doch der unter Iranern wahrscheinlich beliebteste persische Dichter. Auch das will etwas heißen, denn allein die Größen unter den klassischen persischen Dichtern kann man schon nicht mehr an einer Hand abzählen!

Da ich mal wieder nicht weiß, ob ich mich damit strafbar machen würde, kann ich das Video leider nicht hochladen. Man findet es aber ohne weiteres bei Youtube, nämlich hier. Weitere Videos verschiedener Sender mit Tim Doner sind unter diesem Link aufgelistet.

Natürlich hat mich Tims Bandbreite an Sprachen neugierig gemacht, denn Sprachenlernen ist ja auch eine meiner Leidenschaften. Nach meiner Erfahrung ist es aber gar nicht so einfach, eine Sprache einigermaßen fließend sprechen zu lernen – vor allem, wenn sie deutlich anders funktioniert als die eigene Muttersprache und man sich zunächst auf das Lesen- und Schreibenlernen konzentriert (wie ich das tue). Man kommt auch schnell aus der Übung und muß viel Zeit haben, um eine Sprache einzuüben und dann auch „am Ball“ zu bleiben. Wenn also jemand behauptet, er beherrsche 23 Sprachen, dann will ich schon mehr darüber wissen.

Also habe ich ein bißchen recherchiert und mir ein paar Videos auf Tim Doners Youtube-Kanal „Polyglott Pal“ angeschaut. Sein Arabisch und sein Persisch sind tatsächlich beeindruckend flüssig, auch wenn sein Hocharabisch für mich nicht so hundertprozentig nach „fushâ“ (also Hochsprache) klingt. Andererseits: Welcher Arabisch-Muttersprachler spricht schon wirklich „fushâ“? Tims Akzent im Persischen ist zwar ziemlich typisch für Englischmuttersprachler, aber nicht extrem. Wahrscheinlich sind es in seinem Fall also nicht nur Engagement und Freude an der Sache, die ihm das Lernen erleichtert haben, sondern auch ein Talent fürs Sprachenlernen und ein gutes Gehör für die Sprachmelodie.

Wen seine Techniken interessieren, der findet vielleicht diesen englischen Artikel auf einem Blog übers Sprachenlernen interessant. Einige davon habe ich auch schon ausprobiert. Vor allem den inneren Monolog in einer Fremdsprache finde ich sehr hilfreich, um die Sprache schnell zu aktivieren. Wenn man die Sprache schon ganz gut beherrscht und sich gern Geschichten ausdenkt, kann man auch Dialoge in einer oder mehreren Fremdsprachen erfinden. Macht viel Spaß, aber man muß natürlich daran denken, das auch öfter mal zu machen. Jedenfalls, wenn man die Technik nicht nur kurzfristig verwenden will, um rasch wieder in eine länger nicht gebrauchte Sprache hineinzufinden. Mit Filmen habe ich auch ganz gute Erfahrungen gemacht, gerade für Persisch, aber da es meist keine Untertitel gibt, ist es vor allem am Anfang ganz gut, wenn jemand hie und da mal etwas übersetzen kann. Sonst ist man vielleicht frustriert, daß man die Geschichte zur Hälfte erraten muß. Aber ich mag auch keine Stummfilme, ist also vielleicht Geschmackssache. 🙂

In diesem Video führt Tim Doner übrigens nicht nur seine persische Sprechfertigkeit vor, sondern stellt auch eine interessante Frage: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen „Fârsî“ und „Tâdschîkî“? Offenbar kann er kyrillisch lesen und konnte beim Tadschikischen keinen großen Unterschied zum Persischen erkennen. Das liegt daran, daß die Antwort auf seine Frage nach meiner Auffassung lauten müßte: Der Unterschied besteht vor allem in der Benennung und der damit verbundenen Identitätspolitik. Und natürlich in der verwendeten Schrift. 😉

Vielleicht komme ich darauf noch ausführlicher zu sprechen, wenn ich demnächst einmal Bert Fragners Buch über die „Persophonie“ vorstelle. Schließlich ist die „Persophonie“ ein Konzept, das auch Pate für den Titel dieses Blogs gestanden hat.

Und für diejenigen, die in letzter Zeit meiner Nezâm-ol-Molk-Serie gefolgt sind: Keine Sorge, es geht bald weiter! Ich wollte nur zwischendurch diese aktuelle Entdeckung einschieben, die Sie vielleicht auch fasziniert.

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5 Kommentare

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