Hunde im Islam (erster Gastbeitrag von Claudia Preckel)

Im Februar 2011 sorgten die islamischen Verbände der spanischen Stadt Léida für Aufsehen in der internationalen Presse, weil sie forderten, alle Hunde aus dem Stadtbild zu entfernen. Vor allem schwarze Tiere sollten sich generell nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und in mehrheitlich von Muslimen bewohnten Stadtteilen aufhalten dürfen.Sogar von einem Djihâd („Heiligen Krieg“) der spanischen Muslime gegen Hunde war die Rede. Viele Hunde sollen vergiftet worden sein.

In der Rückschau ist für mich nicht zu klären, ob diese Diskussion in der Tat von den Muslimen der Stadt Léida ausgingen. Eines steht jedoch fest: Negative Traditionen scheinen das Bild des Hundes bei Muslimen zu bestimmen, positive Äußerungen hingegen sind nur selten zu finden. Doch warum haben sich nachteilige Überlieferungen derart durchgesetzt?

Hadîth -Sammlungen

Neben dem Koran sind die ahadîth (Sg. hadîth), die Aussprüche vom und über den Propheten Muhammad (st. 632) und seine Gefährten, von besonderer Bedeutung für Muslime. Die Anweisungen und Verhaltensweisen Muhammads haben Vorbildcharakter für die Gläubigen.

So gibt es in den hadith-Sammlungen einen Ausspruch Muhammads, dass kein Engel einen Raum betreten werde, in dem sich ein Hund aufhält. In einem anderen, dem Propheten zugeschriebenen hadîth heißt es, dass ein Gebet als ungültig zu gelten habe, wenn eine Frau, ein Esel oder ein Hund das Blickfeld eines Betenden kreuzt. Diese Überlieferung war allerdings bereits zu Lebzeiten Muhammads umstritten, hatte doch Muhammads Lieblingsfrau Aischa sich gegen die Gleichsetzung von Frauen und Eseln gewehrt. Ebenso bis heute umstritten ist ein anderes hadith, das das Töten von Hunden generell empfiehlt, besonders aber das von schwarzen Tieren. In Überlieferungen aus vorislamischer Zeit wurden schwarze Hunde mit Dämonen oder dem Teufel gleichgesetzt – ähnliche Vorstellungen gibt es ja auch in der jüdischen und christlichen Vorstellung. Weitverbreitet in der mystischen Ausrichtung des Islam, der Sufik, sind Vorstellungen des Hundes als der „Triebseele“, die den Menschen zu unmoralischem Handeln verleitet und die es zu disziplinieren gilt. Prägender als die genannten Überlieferungen waren und sind diejenigen, die sich mit der Reinheit beziehungsweise Unreinheit von Hunden beschäftigen.

Nach einer koranischen Vorschrift gilt ein Behältnis, das von einem Hund beleckt wurde, als harâm (verboten). Um es wieder rituell rein (halâl) zu machen, muss es sieben Mal gereinigt werden, davon einmal mit Erde. Aus dieser Vorschrift leitet die Mehrheit der islamischen Gelehrten ab, dass der Speichel des Hundes grundsätzlich unrein sei. Demgegenüber weisen andere darauf hin, dass das Verzehren von Tieren, die von einem Jagdhund apportiert wurden, erlaubt ist. So steht in Sure 5, Vers 4, zum Verzehr geeignet sei alles „von dem, was ihr an trainierten Jagdtieren abgerichtet habt. Ihr lehrt sie von dem, was Allah euch gelehrt hat. So esst von dem, was sie für euch fangen, und sprecht Allahs Namen über ihnen aus.“

Folge man diesem Koranvers, könne der Speichel von Hunden nicht generell als unrein betrachtet werden. Wiederum andere Gelehrte vertreten die Ansicht, dass nur der Speichel, nicht aber das Fell eines Hundes unrein (nadjasa) sei. Eine dritte Meinung besagt, dass der Hund generell als unrein zu betrachten sei. Dem entgegen stehen aber zahlreiche andere Überlieferungen, die besagen, dass sich zu Lebzeiten des Propheten Hunde sogar in Moscheen aufhielten, ohne dass Muhammad veranlasst hätte, sie zu entfernen. Es wird sogar berichtet, dass die Hunde in den Moscheen uriniert hätten, ohne dass die Menschen diese Stellen gereinigt hätten.

Die Siebenschläfer-Legende

Im Koran wird auch eine im Christentum bekannte Legende überliefert, in der ein Hund eine Rolle spielt: die Legende von den „Gefährten der Höhle“, im Christentum auch bekannt als die Siebenschläfer. Demnach wurden etwa im Jahr 250 n. Chr. sieben Brüder aufgrund ihres christlichen Glaubens an einen Gott von Kaiser Decius in einer Höhle bei Ephesus in der heutigen Türkei eingemauert. Viele Jahre später wurde die Höhle geöffnet, und die sieben Brüder wurden lebendig vorgefunden, starben aber kurz darauf. Im Koran wird in der 18. Sure „Über die Höhle“ (Surat al-Kahf) beschrieben, dass ein Hund die sieben Brüder bewachte. Der Name dieses Hundes lautet Qitmir oder Kitmir, und er wird sogar als achter „Gefährte“ der Brüder bezeichnet. Dieser Koranvers gilt vielen Gelehrten als Beweis, dass im Koran keinesfalls davon die Rede ist, dass ein Hund einen Raum verunreinigt oder dass Hunde generell verflucht sind.

In einem weiteren hadith wird von einem Mann berichtet, der durstig wurde, in einen Brunnen stieg und trank. Als er wieder aus dem Brunnen herauskam, sah er einen Hund, der vor lauter Durst Erde fraß. Der Mann stieg daraufhin erneut in den Brunnen hinab, füllte seinen Schuh (Lederstrumpf) mit Wasser und tränkte den Hund. Gott vergab ihm daraufhin seine Missetaten, und es wird betont, dass es für jede gute Tat an einem Lebewesen einen Lohn von Gott gebe.

Es ist allen Muslimen also geboten, mit allen Lebewesen, die Gott geschaffen hat, respektvoll umzugehen. Jedes Tier ist nach muslimischer Vorstellung für einen bestimmten Zweck geschaffen worden und erfüllt somit eine bestimmte Aufgabe. Hüte-, Wach- und Jagdhunde sind ja wie bereits erwähnt im Koran genannt worden. Die Haltung solcher Hunde wird von den meisten Gelehrten als erlaubt betrachtet. Ebenso erlaubt ist die Haltung eines Blindenhundes. In einem Fall in England hatte ein Muslim sogar durchgesetzt, seinen Blindenhund mit in die Moschee nehmen zu dürfen. Hundehaltung im Haus wird hingegen aus hygienischen Gründen zumeist abgelehnt. Für ebenso untersagt halten es viele Gelehrte, mit dem Handel von Hunden oder mit Hundekämpfen bzw. den Wetten darauf seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Hat man sich allerdings erst einmal für die Haltung eines Hundes entschieden, so muss seine Versorgung auch sichergestellt werden, da es als harâm (verboten nach islamischem Recht) gilt, ein Tier über eine längere Zeit ohne Wasser, Futter und Unterschlupf zu lassen. Zudem gilt es als haram, Tiere zu misshandeln oder unter unwürdigen Umständen einzusperren. Trotz dieser Hunden positiv gegenüber stehenden Beschreibungen hat sich Hundehaltung in der islamischen Welt nicht durchgesetzt: lediglich im Sicherheits- und Militärapparat einzelner Länder sind Hunde zu sehen. Berühmt sind die Salukis, eine Windhundart der Beduinen, die speziell für die Jagd auf Gazellen und Hasen gezüchtet wurden und die sogar in den Zelten ihrer Besitzer leben dürfen. Die Haltung von Hunden im Privathaushalt wird, außer bei „westlich“ eingestellten Muslimen, nach wie vor missbilligt. Viele Muslime weigern sich einen Haushalt zu besuchen, wenn dort ein Hund lebt.

Auf Hundebesitzer wird auch mehr oder minder deutlich Druck ausgeübt, ihre Tiere wieder abzuschaffen.

Muslimische Fürsprecher

Laut des in Südafrika praktizierenden muslimischen Tierarztes Ayoub M. Banderker werden im Ramadan, dem heiligen Fastenmonat der Muslime, besonders viele Hunde eingeschläfert, da den Besitzern vermittelt wurde, dass es sich bei Hunden um unreine Tiere handelt. Dieses Verhalten wird von Banderker als unislamisch verurteilt. Auch der kalifornische Rechtsprofessor Khalid Abou El Fadl, ursprünglich aus Ägypten stammend, sieht keine textliche Grundlage für ein negatives Bild des Hundes im Islam. Er selbst ist dafür bekannt geworden, dass er sich mit seinen drei Hunden, die er in Ägypten gerettet hat, auf seiner Website hat abbilden lassen. Abou El Fadl zitiert häufig den Gelehrten Ibn Marzuban (st. 931), der ein Buch „Über die Überlegenheit der Hunde über den Menschen“ verfasste, in dem er die Treue und Loyalität von Hunden lobte. Bis sich diese Haltung in der muslimischen Gemeinschaft durchsetzt, dürfte allerdings noch viel Zeit vergehen.

(Beitrag bearbeitet am 11.11.2016)

Beitragsbild: „Golden_Saluki“

CC BY-SA 3.0

Uploaded: 11 February 2007

Ergänzung

Hier geht es zu meinem Beitrag über Hunde am Mogulhof

Dr. Claudia Preckel arbeitete als Islamwissenschaftlerin an der Ruhr-Universität Bochum in demselben DFG-Projekt wie die Blogbetreiberin. Seit 2005 ist sie als Interkulturelle Trainerin tätig.

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