Es ist mal wieder WM-Zeit. Und dieses Mal hat sich Iran wieder qualifiziert. Wie ich höre, schlagen sich die Iraner bisher ganz gut. Und das nicht zum ersten Mal.
Ich erinnere mich, wie ich im Juni 1998 ein WM-Spiel zwischen Deutschland und Iran angeschaut habe. Nun ja, nebenbei im Fernsehen habe mitlaufen lassen, während ich irgend etwas anderes gemacht habe. Denn ich muß gestehen, daß mich Fußball entsetzlich anödet.
Ganz anders die Iraner noch im Frühjahr 1999: Sie waren ganz wild auf Fußball, als ich zum ersten Mal nach Iran reiste. Manche Leute schauten sogar im März 1999 noch WM-Spiele von 1998 an. Faszinierend. Vielleicht lag das daran, daß Iran sich mit der WM 1998 erst zum zweiten Mal für eine Fußball-Weltmeisterschaft qualifiziert hatte. Und bevor Sie sich fragen, woher ich das weiß: Ich habe in der Wikipedia nachgelesen. 😉
So blieb es auch nicht aus, daß ich 1999 in Iran immer mal wieder auf Fußball angesprochen wurde. Offenbar gingen meine Gesprächspartner in ihrem Fußballfieber davon aus, daß sich Deutsche auch automatisch für Fußball interessieren müßten. Immerhin waren sogar in Iran deutsche Mannschaften und Spieler bekannt (so weit ist es mit uns gekommen: unser Weltruhm beruht auf Fußball und Autos). Noch viel interessanter fanden es die Iraner aber, daß es auch iranische Spieler in deutschen Fußballmannschaften gab. Mindestens einen jedenfalls: Ali Daei.
Diesem Spieler verdanke ich ein Erlebnis, mit dem man mich bis heute aufzieht. Allerdings nicht mit dem wirklichen Erlebnis, sondern mit einer etwas überarbeiteten, pointierten Version davon. Und da mal wieder Fußball-WM ist und Iran mit von der Partie, dachte ich mir, ich gebe diese Anekdote aus aktuellem Anlaß hier zum besten. Also mal Humor aus meinem Leben statt aus alten Büchern. 😉
Die überarbeitete, pointierte Version der Anekdote geht so:
Im Frühjahr 1999, also kaum ein Jahr nach der Fußball-WM von 1998, hielt ich mich für einige Wochen in Iran auf und versuchte in einem Sprachkurs meine seit zweieinhalb Jahren an der Universität erworbenen Sprachkenntnisse zu „aktivieren“. Für alle, die es nicht wissen: Daaamals, in der guuuten alten Zeit lernte man an den meisten deutschen Universitäten im Studium der Islamwissenschaft und angrenzender Fächer die orientalischen Sprachen wie Latein, nämlich passiv. Nach zwei Jahren konnten wir die gesamte Grammatik, Texte lesen und geschriebene Texte ins Deutsche übersetzen, und das auf hohem Niveau. Jedenfalls konnten wir alles Mögliche, nur nicht fließend sprechen und gesprochene Sprache ohne Probleme verstehen. Um das zu lernen, reiste man „ins Land“. In diesem Fall also nach Iran, um persisch sprechen zu lernen.
Zu dieser Zeit befand sich das Land, wie gesagt, noch im Fußballfieber, und der erwähnte Ali Daei spielte damals wohl noch für den FC Bayern München. Sie ahnen es: Auch das mußte ich eben recherchieren, und weil man meiner Quelle (wieder mal Wikipedia) nicht exakt entnehmen kann, wann sein Wechsel zu Herta BSC stattfand (jedenfalls nicht, wenn man keine Ahnung von Fußball hat), kann ich nur vermuten, daß seine Saison bei Bayern München noch lief, als ich im Frühjahr 1999 in Iran war. Wie man dem Wikipedia-Artikel ebenfalls entnehmen kann, heißt Ali Daei eigentlich ‚Alî-ye Dâyî, und „dâyî“ bedeutet auf persisch „Onkel mütterlicherseits“. Es ist vielleicht nachvollziehbar, daß man den Nachnamen „Onkel“ irritierend finden kann. Vor allem, wenn man keine Ahnung von Fußball hat und nicht weiß, daß es wirklich einen Menschen mit diesem Nachnamen gibt.
Dagegen hatte ich zu dieser Zeit schon recht viel Ahnung von einem hochinteressanten und unter Fachleuten sehr bekannten persischen Geschichtswerk aus dem 11. Jahrhundert. Und in diesem Geschichtswerk – über das Sie hier, nebenbei bemerkt, in Zukunft noch lesen werden – gibt es einen Feldherrn des Ghaznavidenherrschers Mahmud (reg. 998-1030) namens ‚Alî-ye Dâye – auch das ein eigenartiger Name, denn „dâye“ bedeutet „Amme“ und „Hebamme“.
Vermutlich können Sie sich jetzt schon vorstellen, was passiert ist. Einer der Lehrer in meinem Sprachkurs fragte mich, ob ich ‚Alî-ye Dâyî kenne. Ich darauf: „Ja, das war ein Heerführer des Mahmud von Ghazna.“ (Gemeint war aber natürlich der Fußballspieler Ali Daei.)
Soweit die überarbeitete Version. Bei den wenigen Menschen, die sich sowohl mit dem deutschen Fußball als auch mit der Geschichte des persischen Sprachraumes auskennen, löst sie spontane Heiterkeit aus. Allen anderen muß man die Anekdote erklären, aber dann amüsieren sie sich auch. Ich hoffe, Sie hatten auch ein bißchen Vergnügen daran.
In Wirklichkeit habe ich das natürlich nie gesagt. Ich gehöre ja zu den vorsichtigen Menschen, die sich zumindest vor Fremden nicht gern durch unüberlegtes Geplapper blamieren. Schon gar nicht in einer Fremdsprache. Aber gedacht habe ich so etwas. Ich wußte nämlich nicht, daß es einen Fußballspieler namens Ali Daei gab. Außerdem hielt ich „Dâyî“ für einen unwahrscheinlichen Nachnamen. Deshalb überlegte ich tatsächlich, ob ich mich wohl verhört hätte und der mir durchaus bekannte Heerführer ‚Alî-ye Dâye gemeint sein könnte. Wer denkt schon an eine solche Namensähnlichkeit?
Allen, die sich für Fußball interessieren, wünsche ich weiterhin viel Vergnügen bei der diesjährigen WM. Und der iranischen Mannschaft wünsche ich natürlich viel Erfolg!
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