Bruderliebe und Konkurrenz: Kronprinz Salîm und sein Bruder Dânyâl

Vor einigen Jahren haben Susanne Kurz und ich an der Ruhr-Universität im Fach Orientalistik und Islamwissenschaften ein Seminar zum Thema “Sexualität und Drogen am Mogulhof” unterrichtet. Susanne hat nach diesem Seminar diesen folgenden Beitrag geschrieben, in dem es um den Alkoholkonsum Dschahângîrs (also Prinz Salîms) und seiner Brüder ging. In unseren Forschungen ist herausgekommen, dass ein Bewusstsein für “Drogen” nach heutigem Konzept völlig fehlt. Dschahângîr war ebenfalls klar, dass der Alkoholkonsum nicht im Einklang mit dem islamischen Recht war – und dass es vor allem extrem ungesund war, große Mengen an Alkohol zu konsumieren.

Und so beherrscht auch das Thema Alkoholkonsum die Beschreibung Dânyâls, die Dschahângîr in seinen Memoiren Tuzuk-e Dschahângîrî gibt. Abgesehen davon ist die Beschreibung, die der Herrscher von seinem verstorbenen Bruder eher positiv.

Doch schauen wir zunächst einmal auf die Situation, in der Dschahângîr seine Memoiren verfasste – und in der er über seine Brüder schrieb. Zunächst einmal: er saß auf dem Thron der Moguln, während seine beiden Brüder bereits verstorben waren: Dânyâl lebte von 1572-1605, sein Bruder Murâd war bereits 1570 geboren worden, starb aber schon 1599. Bei beiden Brüdern war ihr Ableben durch zu hohen Alkoholkonsum verursacht.

Über seinen Bruder Dânyâl berichtet Dschahângîr folgendes: Er sei am 10. September 1572 in Ajmer im Hause eines Sufis namens Dânyâl geboren worden – aus diesem Grund erhielt er den Namen Dâniyâl. Scheich Dânyâl war ein Schüler des berühmten Scheichs Mu‘în ud-Dîn Chistî, (st. 1236) zu dessen Grab Akbar jährlich pilgerte.

So schrieb Dschahângîr:

Danyal war ein junger Mann von feiner Statur, gutem Körperbau und gut aussehend. Er war begeistert von Elefanten und Pferden. Es war unmöglich, dass er von jemanden hörte, der ein gutes Pferd oder einen guten Elefanten besaß und er es nicht bekam. Er mochte außerdem indischen Gesang. Gelegentlich dichtete er in der Sprache und mit Ausdrücken der indischen Bevölkerung – und es war nicht schlecht.

Diese Beurteilung zeigte das, was man für einen adeligen Mann seiner Zeit als ideal hielt: Interesse sowohl an Kriegskunst als auch an Poesie und Musik. Man kann davon ausgehen, dass die Beschreibung auch deshalb so positiv war, da Dânyâl zu diesem Zeitpunkt bereits tot war – und Dschahângîrs Position als Herrscher zumindest von Seiten seiner Brüder ungefährdet war – was die Söhne angeht, so ist das eine andere Geschichte….

Dem Tod Dânyâls (und Murâds) waren einige Rivalitäten zwischen den Brüdern vorausgegangen. Akbar hatte immer versucht, auch Dânyâl und Murâd, die “nur” Söhne von Konkurbinen waren, in die Hofzeremonien einzubauen und ihnen Aufgaben zuzuteilen. Das konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Akbar Salîm, den Sohn seiner “richtigen” Ehefrau Jodha (Maryam uz-Zamânî) bevorzugte. So wurde der Geburtstag Salîms immer mit einer “Aufwiegezeremonie” gefeiert, in der der Prinz gegen Gold, Silber, Getreide, Stoffe und anderes aufgewogen wurde. Diese Güter wurden an die Armen verteilt. Für kein anderes von Akbars Kindern wurde diese Zeremonie veranstaltet.

Als Salîm 13 Jahre alt war, machte Akbar ihn offiziell zum Kronprinzen und erklärte ihn für volljährig. Er übernahm von dieser Zeit an Aufgaben im Hofzeremoniell. Murâd und Dânyal erhielten immer die Erlaubnis, an diesen Zeremonien teilzunehmen. Außerdem wurden ihnen Lehrer und Berater aus den höchsten Hofkreisen zur Seite gestellt.

Wie seine Brüder wurde Dâniyâl mit einzelnen Militäraktionen betraut. 1580 wurde Dânyâl eine besondere Ehre zuteil: er führte an Akbars Stelle die jährliche Pilgerfahrt zum Schrein Mu’în ud-Dîn Chishtî (s.o.) durch. Solche Ereignisse dürften die Konkurrenz zwischen den Brüdern weiter befeuert haben. Ein weiterer Vorfall zeigte diese Rivalitäten: als Dânyâl einen Militärzug anführte, durfte er Zelte in roter Farbe verwenden, die eigentlich exklusiv dem Herrscher vorbehalten war. Salîm blieb in der Folgezeit dem Hof in Agra zumeist fern, wenn Dânyâl sich dort aufhielt. Akbar sorgte dafür, dass das auch so blieb.

Die Rivalitäten verschärften sich, auch weiterhin, als die beiden Brüder versuchten, wichtige Experten des Hofstaates für ihre eigenen Verwaltungsangelegenheiten zu gewinnen.

 Akbar versuchte weiterhin, den Konfikt zwischen Salîm und Dânyâl  zu entschärfen, als er letzteren zum Nachfolger Murâds machte. Dieser war  1601 als amtierender Statthalter des Mogulreiches im Dekkan an der Folge seines Alkoholkonsums gestorben. Leider ereilte ja Dânyâl nur knapp vier Jahre später dasselbe Schicksal.

1604 erreichte Akbar die Nachricht, dass Dânyâl aufgrund seines Alkoholkonsums krank und schwach war, und nicht mehr in der Lage war, seine Aufgaben wahrzunehmen. Akbar war alarmiert und sandte ‘Abd ur-Rahîm Khân-e Khânân, der auch ein Schwiegervater Dânyâls war, in den Dekkan und stellte Dâniyâl unter Hausarrest. Die Maßnahme erwies sich jedoch als sinnlos, denn Dânyâl .

Alkohol wurde in versiegelten Gewehrläufen zu Dânyâl geschmuggelt. Das Problem war, dass sich der Alkohol mit dem Blei und anderen Metallen in den Gewehrläufen vemischte und zu einer tödlichen Mixtur wurde.

Dânyâl verstarb im April 1605, nur wenige Monate vor seinem Vater. Akbar ließ im Akbar-nâme feststellen, dass es sich um eine Verschwörung bösartiger Menschen handelte. Drei Tage nach Dânyâls Tod wurden drei Männer nach einem offiziellen Verfahren von Dânyâls Anhängern zu Tode gesteinigt. Diese Männer galten als Unterstützer Salîms. Somit stellt sich die Frage: war der vergiftete Alkohol ein Unfall oder ein Mordkomplott? Faruqui ist der Ansicht (S. 241), dass es zwar keine wirklichen Beweise gibt, dass Salîm für die Ermordung seines Bruders verantwortlich war – aber dass die Umstände von Dânyâls Tod auch Bände sprechen. Man wird es nun nicht mehr klären können.

Dânyâl hatte insgesamt sechs Ehefrauen und sieben Kinder, davon drei Söhne. Dass diese Söhne später von ihrem Cousin Khurram (später Schâh Dschahân) ermordet wurden, ist eine andere Geschichte.

Literatur

Munis D. Faruqui: The Princes of the Mughal Empire, 1504-1719. Cambridge: CUP, 2012.

Beitragsbild

Bild von Dâniyâl, das Bild unterliegt der Public Domain License.

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