Warum es so schwierig ist, über Mogulgeschichte zu bloggen

In den vergangenen Monaten haben wir hier viel zu Themen rund um die Bollywood-Serie Jodha Akbar gebloggt, was uns beiden immer sehr viel Spaß macht, da wir selbst viel zum Thema an der Ruhr-Universität Bochum gelehrt und geforscht haben. Auch von unseren Studentinnen und Studenten ist häufig die Frage gestellt worden, warum wir viele Widersprüche in den Quellen bis heute nicht klären können. Hier sind einige Antworten. Da diese doch sehr umfangreich sind, muss ich auch diesen Blogpost in mehrere Teile aufgliedern.

Voranschicken möchte ich, dass ich selbst seit 1999 über verschiedene Themen in Indien forsche, vor allem über das 19. Jahrhundert. Ich musste feststellen, dass einige der genannten Schwierigkeiten ALLE Forschungsthemen in Indien betreffen.

Die Verfügbarkeit der Quellen

Wenn man die Biographie Akbars nachzeichnen möchte, stehen einem aus dem Umfeld des Mogulhofes die folgenden Quellen zur Verfügung:

Fakten zu Kindheit und Jugend Akbars finden sich im Humâyûn-nâma, das von Akbars Tante Gulbadan Begum (st. 1603) aufgezeichnet wurde. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich um die Biographie des zweiten Mogulherrschers Humâyûn (st. 1556), also Akbars Vater. Wir erfahren aber natürlich auch sehr viel über Bâbur und Humâyuns Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Kamrân Mîrzâ und Sher Shâh Sûrî und die Umstände, die dazu führten, dass Akbar nicht bei seinen Eltern aufwuchs, sondern von Mahâm Anga und Bairam Khân erzogen wurde. Da Gulbadan selbst zur Herrscherfamilie gehörte, ist es relativ klar, dass viele Konflikte und Familiengeheimnisse nicht erwähnt wurden. Das Manuskript des Humâyûn-nâma war verschollen, bis es in der Sammlung von Colonel Hamilton in der British Library aufgenommen wurde. Es wurde von Anne Beveridge ins Englische übersetzt und somit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Akbar selbst ließ eine Herrscherchronik aufzeichnen, die in drei Teilen erschien. Das als Akbar-nâma bekannte Werk wurde von Abu l-Fazl (st. 1602) verfasst, der zu den neun Juwelen am Hof Akbars gehörte. Vor allem der dritte Teil, der als ‘Ain al-Akbarî bekannt wurde, informiert uns über den Hof und die Verwaltung Akbars.

Auch das Manuskript des Akbar-nâma befindet sich heute in Großbritannien, und zwar im Victoria and Albert Museum. Die Illustrationen wurden aus dem Manuskript gelöst und wurden einzeln gezeigt. Das Akbar-nâma liegt ebenfalls in englischer Übersetzung vor.

Ein weiteres Werk unter dem Titel Akbar-nâma wurde von Faizî Sirhindî verfasst. Dieses basiert allerdings auch größtenteils auf Abu l-Fazls Werk. Eine weitere Akbar-Biographie, die bei der Schilderung Akbars im Widerspruch zu Abu l-Fazls Werk steht, soll im nächsten Teil dieses Blogs im Mittelpunkt stehen.

Die genannten Ausführungen sollten deutlich gemacht haben, dass die Geschichte der Manuskripte der Mogulgeschichte mit der britischen Kolonialgeschichte eng verknüpft ist. Wer also als Historiker über das Mogulreich forschen möchte, muss sich nach Großbritannien begeben.

Die blutigen Auseinandersetzungen des Jahres 1948, die zum Ende der Kolonialzeit und zur Entstehung der Staaten Indien, Pakistan und Bangladesch führten, waren ebenso nicht förderlich für eine Sicherung der Manuskripte und der Erstellung einer ausgewogenen Geschichtsschreibung.

Weitere Probleme, die mit den oben genannten zusammen hängen, ist der Zustand der indischen Bibliotheken. Aufgrund der klimatischen Bedingungen ist eine sachgerechte Aufbewahrung der Quellen sehr schwierig. Nur wenige Bibliotheken haben die Digitalisierung ihrer Bestände in Angriff genommen. Dieses wäre jedoch sehr wichtig, um das kulturelle Erbe zu bewahren.

Geschichte der Frauen und Kinder? Fehlanzeige

Nur sehr am Rande werden in den Quellen der Mogulgeschichtsschreibung Frauen überhaupt erwähnt. Dieses ist keineswegs ein Phänomen islamischer Geschichtsschreibung – es war bzw. wäre (ohne dass ich aus Erfahrung spreche) ebenso schwierig, die Geschichte der Frauen und Nachkommen deutscher Dynastien des 15./ 16. Jahrhunderts lückenlos zu dokumentieren. Europäische Reisende waren vom Harem fasziniert – Schilderungen des Harem reichen von Empörung über die Anzahl der Frauen des Harem, ihre Unterdrückung bis zur Faszination über Exotik und Erotik schöner Frauen – wie sie sich in der Malerei des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Die meist unbekleidete und ebenso willenlose orientalisch Haremsdame, die darauf wartet, in das Gemach des Herrschers gerufen zu werden, beschäftigte europäische Betrachter.

Doch wie ist es überhaupt möglich, aus den Quellen Erkenntnisse über den Harem zu ziehen? Ich hatte ja schon in einigen Beiträgen davon gesprochen, dass es am Hof verschiedene Fraktionen gab, die mehr oder minder miteinander konkurrierten: die turk-stämmigen, die iranischen oder die rajputischen. Gerade die Vergabe des Amtes der Amm war wichtig und stärkte die eine oder andere Gruppe.

Schaut man auf Akbars Hof, so wurde zunächst die Gruppe der turkstämmigen Hofmitglieder gestärkt (Bairam Khân, Atga Khân), dann die persische Elite oder die sufisch orientierte Gruppe der indischen Muslime um Salîm Chishtî.

Trotz erster detaillierter Untersuchungen zum Mogul-Harem durch Autoren wie Ruby Lal gibt es hier noch sehr viel zu forschen.

Vielleicht werden in Bibliotheken und Archiven auch noch weitere Werke entdeckt, die zur Erforschung des Harem beitragen können.

HIER ist ein Überblick über unsere Beiträge zur Mogulgeschichte.

Das Beitragsbild zeigt eine Kriegsszene aus dem Akbar-nâma, in der Akbar auf einem Elefanten einen Gegner verfolgt- das Bild unterliegt der Wikimedia.Commons License.

7 Kommentare

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