Falsche Propheten und ihre Beglaubigungswunder – etwas zum Lachen

Heute gibt es hier auf dem Blog nach längerer Zeit endlich mal wieder etwas zu lachen. 😉 Ich bin nämlich heute gut gelaunt. Also sollen Sie auch eine Freude haben.

Dafür habe ich einen Witz aus der Sammlung von Fachr ed-Dîn ʿAlî-ye Safî (mehr zu ihm in diesem Beitrag) ausgewählt, der ein häufiger vertretenes Thema aufgreift: angebliche Propheten. Das sind Menschen, die behaupten, von Gott gesandte Propheten zu sein, was für Muslime natürlich hochproblematisch ist, denn:

Eine Frau beanspruchte vor dem Kalifen Vâseq (auf arabisch: al-Wâthiq, SK) Prophetentum. Vâseq fragte sie: „War Mohammad ein Prophet?“ Antwort: „Aber ja.“ Der Kalif sagte: „Da er gesagt hat: Es gibt keinen Propheten nach mir (lâ nabiyya ba’dî), ist dein Anspruch also nichtig.“ Die Frau entgegnete: „Er hat gesagt: Es gibt keinen Propheten nach mir, er hat nicht gesagt: Es gibt keine Prophetin nach mir (lâ nabiyyata ba’dî)!“ (ʿObeyd-e Zâkânî, S. 272)

Propheten nach Mohammad sind also nicht vorgesehen, auch wenn die Dame in diesem Witz mit ihrer Haarspalterei natürlich irgendwie recht hat. Witze über angebliche Propheten setzen also beim Leser oder Hörer voraus, daß er oder sie sich darüber klar ist: Man braucht überhaupt nicht in Erwägung zu ziehen, daß tatsächlich ein neuer Prophet auftreten könnte.

In Witzen zu diesem Thema werden die angeblichen Propheten deshalb des öfteren als Menschen dargestellt, die aus irgendeinem Grund den Verstand verloren haben. Vom Typ her sind es meistens Schlagfertigkeitswitze wie auch der Witz über die angebliche Prophetin – die ja nicht um eine Antwort verlegen ist.

Daß diese Witze, auch wenn sie in viel späteren Sammlungen aufgezeichnet wurden, praktisch immer im Milieu der Abbasidenkalifen von Bagdad spielen, hat vermutlich einen triftigen historischen Grund.

Die Abbasiden waren nämlich die letzte allgemein anerkannte Kalifendynastie, die bis 1258 in Bagdad residierte (s. auch meine kurze Geschichte des Kalifats). Im 14. und 16. Jahrhundert, als Safîs und ʿObeyd-e Zâkânîs Anekdotensammlungen entstanden sind, gab es nur noch ein Schattenkalifat in Kairo.

Noch wichtiger dürfte aber sein, daß die Abbasiden phasenweise versuchten, tatsächlich religiöse Deutungshoheit für sich und ihr Amt zu beanspruchen.  Da boten sie sich natürlich als Schiedsrichter auch in fiktiven Geschichten über angebliche Propheten an.

Diese Ansprüche erhoben die Abbasiden übrigens insbesondere im 9. Jahrhundert. Und nun schauen Sie mal, wann die hier in den Witzen genannten Abbasidenkalifen regiert haben…

Jetzt habe ich Sie aber lange genug hingehalten. Hier ist endlich der Witz aus Safîs Sammlung:

Jemand kam zu Moʿtasem (arab.: al-Muʿtasim) und behauptete, ein Prophet zu sein. Der Kalif fragte: “Was ist dein Beglaubigungswunder (moʿdscheze, arab.: muʿdschiza)?” Antwort: “Ich mache Tote wieder lebendig.” Darauf Moʿtasem: “Wenn du dieses Beglaubigungswunder vollbringst, schließe ich mich dir an!” Der angebliche Prophet: “Bringt ein scharfes Schwert her!”

Moʿtasem befahl, sein persönliches Schwert herbeizubringen und dem angeblichen Propheten zu übergeben. Der sagte: “O Kalif, ich werde in deiner Gegenwart deinen Wesir köpfen und dann sofort wieder zum Leben erwecken.” Der Kalif sagte: “Gut.” Dann wandte er sich seinem Wesir zu und fragte: “Was sagst du dazu?”

Der Wesir erwiderte: “O Kalif, sich töten zu lassen ist eine harte Sache, und ich fordere kein Beglaubigungswunder von ihm. Sei du mein Zeuge, daß ich mich zu ihm bekehrt habe!”

Moʿtasem lachte, schenkte ihm ein Ehrengewand und schickte den angeblichen Propheten ins Krankenhaus. (Safî, S. 99)

Erklärungsbedürftig ist hier wahrscheinlich nur das Beglaubigungswunder (moʿscheze/muʿdschiza).

Anders als etwa die Wundertaten von Mystikern, die man als “Gnadengaben” (karâmât) bezeichnet, sollten die Beglaubigungswunder der Propheten nicht versteckt werden. Sie dienten nämlich dazu, die göttliche Sendung des Propheten zu bestätigen, daher die Übersetzung “Beglaubigungswunder”. Es gibt im Islam also verschiedene Wunderkategorien, die jeweils eigene Bezeichnungen tragen.

Solche zweischneidigen Angebote der angeblichen Propheten, ein Beglaubigungswunder zu wirken, kommen übrigens auch in anderen Witzen dieses Typs vor. Das hier wird also nicht der letzte sein, den ich Ihnen erzählt habe. 🙂

Quellen

Zâkânî, Nezâm od-Dîn ʿObeydollâh: Kolliyyât-e ʿObeyd-e Zâkânî šâmel-e qasâyed, ghazaliyât, qataʿât, robâʿiyyât, masnaviyyât. Hg., komm. u. mit einer Übers. der arab. Teile versehen v. Parvîz-e Atâbakî auf Grundlage der Version von ʿAbbâs-e Eqbâl und anderer Handschriften. 2. Aufl. Tehrân: Zavvâr, 1343 š./1964-5. S. 272.

Safî, Fachr od-Dîn ʿAlî b. Hoseyn Vâ’ez-e Kâschefî: Latâ’ef ot-tavâ’ef. Hrsg. v. Ahmad-e Goltschîn-e Ma’ânî. 4. Aufl. Tehrân: Eqbâl, 1362 sch./1983. S. 99.

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